AG Sigmaringen: Zweifel an Messung mit Riegl FG 21-P

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 25.08.2010

Das AG Sigmaringen, Urteil vom 04.05.2010 - 5 OWi 15 Js 9971/09 = BeckRS 2010, 14721 hat aktuell einen ganz interessanten Fall entschieden, der sich mit dem ordnungsgemäßen Einsatz des Lasermessgeräts  Riegl FG 21-P befasst. Interessant m.E. vor allem wegen der Ausführungen zum "Vier-Augen-Prinzip":

"...Festgestellt wurde der Geschwindigkeitsverstoß durch eine polizeiliche Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Riegl FG 21-P. Messbeamter war der Zeuge PK St.. Das Messgerät war gültig geeicht. Dies ergibt sich aus dem Eichschein des Regierungspräsidiums Tü. vom 08. Dezember 2008. Danach war die Eichung noch bis zum 31. Dezember 2009 gültig. Auch hat der Zeuge die vorgeschriebenen Tests vor Inbetriebnahme des Geräts durchgeführt. Der Zeuge ist auch auf dem Messgerät geschult worden. Die Schulung wurde im Jahr 2001 durchgeführt. Er wird seither mindestens an 6 Messstellen pro Jahr eingesetzt. An jeder Messstelle werden jeweils etwa 100 Messungen durchgeführt.

Der Zeuge ist somit mit dem Messgerät erfahren und vertraut.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F. bestehen Zweifel an der Korrektheit der Messung. Diese ergeben sich zum einen daraus, dass das Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten wurde. Bei einer Lasermessung werden keine Fotos gefertigt. Dies ist auch für die Zuverlässigkeit einer Messung nicht erforderlich. Nachdem aber keine Fotos gefertigt werden, ist es zwingend erforderlich, dass bei der Protokollierung des Ergebnisses der Messung Zahlendreher und Missverständnisse vermieden werden. Daher ist es unerlässlich, dass nicht nur der Messbeamte selbst das Messergebnis abliest, dies muss vielmehr auch vom Protokollführer abgelesen werden. Nach dem Eintrag ins Messprotokoll durch den Protokollführer muss dann der Messbeamte kontrollieren, ob die Eintragung auch korrekt erfolgt ist. Nur dann ist das Vier-Augen-Prinzip erfüllt.

Weniger problematisch ist es aus Sicht des Gerichts, dass im Messprotokoll bei den eingetragenen Werten die Vorzeichen „+ zulaufend/-abfließend“ fehlen. Dies deshalb, weil im vorliegenden Fall nur der Verkehr aus Richtung Me. gemessen wurde. Allerdings ist in dem polizeilichen Erlass für Messungen mit dem Riegl-Gerät vorgeschrieben, dass vor dem Messwert ein „+Zeichen“ oder „-Zeichen“ eingetragen wird.

Ferner ist im Messprotokoll unter „Bemerkungen“ nichts eingetragen. Damit ist nicht sicher gewährleistet, dass der gemessene Wert auch von dem Fahrzeug des Betroffenen ausgelöst wurde. Sowohl aus der Sicht des Sachverständigen als auch aus richterlicher Sicht sollte daher dieses Feld stets ausgefüllt werden. In diesem Fall ist die konkrete Verkehrssituation zuverlässig dokumentiert. Es ist dann z. B. dokumentiert, dass auch tatsächlich nur ein Einzelfahrzeug im Messbereich war und weit und breit kein anderes Fahrzeug in der Nähe war, welches möglicherweise auch die Messung ausgelöst haben kann.

Hinzu kam, dass im vorliegenden Fall in einer recht großen Messentfernung gemessen wurde, und zwar in 602,2 m. In diesem Fall reicht der Zielerfassungsbereich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F. weit über die Außenkontur des zu messenden Fahrzeuges hinaus. Aus der Sicht hätte daher zwingend geklärt werden müssen, ob sich mindestens 500 m hinter dem gemessenen Fahrzeug des Betroffenen keine weiteren Fahrzeuge befanden, als der Messvorgang durchgeführt wurde. Dies war bei den gegebenen Sichtverhältnissen aber nicht sicher ausschließbar.

Daher bleiben Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung, weshalb der Betroffene aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge der §§ 46 Abs. 1, 473 Abs. 1 StPO freizusprechen war...."

 

 

Näheres zur Messung mit Riegl FG 21-P bei: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Aufl. 2010, § 5 Rn. 68 - siehe oben rechts. 

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7 Kommentare

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Ähm, seit wann sind Sachverständige kompetent dafür, zu beurteilen, ob ein Vier-Augen-Prinzip eingehalten wurde???

ME ist es Aufgabe eines Sachverständigen, die technische Richtigkeit des Messvorgangs zu beurteilen.

Mir erscheint es etwas überkandidelt ("können Sie ausschließen, dass Sie einen Zahlendreher im Messprotokoll haben") , wenn ein Vier-Augen-Prinzip für die Erstellung von Messprotokollen aufgestellt wird und dessen  Nichteinhaltung auch noch sachverständigenseits als MESSFEHLER angesehen wird.

Ob ein Zeuge zutreffend aussagt, abgelesene Messergebnisse in ein Protokoll richtig eingetragen zu haben, das zu beurteilen ist Sache des Gerichts. Dass zweier Zeugen Mund stets die volle Wahrheit kund täte und man deshalb für Messungen aus sachverständiger Sicht stets ein Vier-Augen-Prinzip gelten müsste, um Irrtümer ausschließen zu können (warum reichen vier, sechs Augen wären doch noch besser!; das Gericht muss auch nicht alle theoretisch denkbaren Irrtümer ausschließen können, sondern eine Überzeugung gewinnen oder auch nicht) erscheint mir äußerst fragwürdig.

Wie sollen denn beispielsweise Zivilgerichte mit Sachverständigen etwa bei Lärmmessungen (bei Immissionsabwehrklagen oder bei Schallschutzmängeln an Bauten) umgehen? : Herr Sachverständiger, können Sie ausschließen,dass Sie bei den dBA-Werten einen Zahlendreher fabriziert haben? War Ihr Messgerät auch geeicht? Haben Sie die Messwerte durch eine Hilfsperson auch noch einmal überprüfen lassen?

ME wird in den StVO-OWi-Verfahren ein (Pseudo-)Genauigkeitsfanatismus zelebriert, der jeden Strafprozess oder Zivilprozess zum Erliegen bringen würde und - bei Zivilprozessen - die meisten Parteien angesichts der zu zahlenden Kostenvorschüsse in den Ruin treiben würde.

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Klabautermann ist uneingeschränkt zuzustimmen. Als Verantwortlicher für die Ausbildung an Lasermessgeräten verschlägt es mir immer häufiger die Sprache, wenn ich sehe mit welcher Dreistigkeit aber auch Unwissenheit Rechtsanwälte und leider auch Richter über ein Messverfahren herziehen, von dem sie definitiv keine Ahnung haben. Es ist weder in der Bedienungsanleitung noch sonst wo festgelegt, dass eine Lasermessung immer mit zwei Beamten zu erfolgen hat und auch das ein Protokollierneder stets vorhanden sein muss.  Ist heute ein Beamter nicht mehr in der Lage allein eine  Messung durchzuführen, dies zu protokolieren und den Verkehrsteilnehmer anzuhalten oder über andere Kontrollbeamte anhalten zu lassen.

 

Klabautermann und Claudia haben uneingeschränkte Recht! Das 4-Augen-Prinzip hat sich - warum auch immer - ein einzelner Sachverständiger einfallen lassen. Dessen persönliche, weder durch die PTB Zulassung, noch die Bedienungsanleitung der Laser-Messgeräte gedeckte Auffassung (in beiden Dokumenten finden sich keinerlei Ausführungen bzgl. der Erforderlichkeit dieses 4-Augen-Prinzips) wurde dann von einem einzelnen Gericht übernommen und wird seitdem immer wieder zitiert.

 

Welche Auswirkungen dieses vollkommen Urteil hat, erkennt man schon daran, dass selbst jemand wie Herr Krumm von "interessanten" Ausführungen spricht, anstatt das 4-Augen-Prinzip als das zu bezeichnen, was es tatsächlich ist: Unsinn ohne jegliche Grundlage.

 

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Das "vier Augen Princip" ist notwendig, um den Bürger vor der Willkür oder vertuschten Fehlern einzelner zu bewahren. Es gilt in allen Bereichen des behördlichen Handels. (z.B. Bescheide, Verfügungen Aufträge..etc) Es es dient der vorbeugung von Korruption und schützt die Demokratie.

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jetzt hat das OLG Hamm entschieden: das Vieraugenprinzip gibt es nicht und was es nicht gibt, muss man auch nicht beachten. Es ist geradezu grotesk, diesen Vierauegnkäse mit Korroption und Verlust der Demokratie in Verbindung zu brigen.

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Auch wenn der letzte Kommentar etwas länger her ist. Es ist schon erstaunlich, wie der Sachverständige hier angegangen wird. Bei Messverfahren, in welchen das Geschehen dokumentiert wird - Video, Foto o.ä. -, wird ein Sachverständiger nie das Vieraugenprinzip fordern.

Hier wird allerdings nichts maschinell dokumentiert, außer durch die Übermittlung der abgelesenen Daten durch den Messbeamten. Da ich davon ausgehe, dass die abgelesenen Werte gespeichert werden, bis diese manuell gelöscht werden, besteht sicher kaum Aufwand, den Protokollführer ablesen zu lassen. Dies ist eine "Dokumentation", welche annähernd die Qualität einer fotografischen Dokumentation hat. Denn bekanntlich sehen vier Augen mehr als zwei.

Wer insoweit von "Käse" spricht, verkennt den Sinn des Vieraugenprinzips. Dabei ist kolarzustellen, dass dies die Ablesung der Werte durch einen Beamten nicht als Behördenwillkür geißelt, sondern insbesondere dieser Ablesung mehr Gewicht verleiht, weil der Wert durch einen zweiten Beamten bestätigt worden ist.

 

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Wo zur Hölle liegt denn das Problem, die paar 1000 EUR mehr auszugeben und eine Dokumentationseinrichtung zu montieren, die das Gemessene dann in Form eines "Screenshots" festhält? Das druckt man dann auf den Brief und dann hat sich das auch in der Regel mit dieser Diskussion.

Ansonsten wird eine an sich zuverlässige und eindeutige Messung durch mehrere potenzielle Fehlerquellen, die auch noch hintereinandergeschaltet sind und sich auch noch gegenseitig ergänzen/verstärken/verschlimmern können, wieder anfechtbar, weil der Weg der Dokumentation nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Eine Messung ist insgesamt nur so zuverlässig wie der unzuverlässigste Schritt während der gesamten Messung (dazu gehören auch alle Schritte der Dokumentation) ist. Das sollte grundsätzlich klar sein. Und die eines Zuverlässigkeit Menschen ist nur schwer abschätzbar.

Es können ja folgende Fehler (einzeln oder auch in Kombination) auftreten:

Ablesefehler (falscher Wert abgelesen) -> Akustischer Sendefehler ("Versprecher") -> Akustischer Empfangsfehler ("Falsch Verstanden") -> Graphologischer Fehler ("Falsch notiert"). Hier ist der Mensch als potenzielle Fehlerquelle ganz klar erkennbar und natürlich ist bei solch einer technischen Unzulänglichkeit in der automatisierten Dokumentation der Messergebnisse, gerade im Hinblick auf die potenzielle Bedeutung dieser Ergebnisse, zumindest das Vier-Augen-Prinzip anzuwenden. Das sollte auch jedem klar sein, der auch nur im entferntesten Sinne etwas mit Messtechnik am Hut hat.

Grüße Martin

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