BVerfG: OWi, Fahrverbot und die „wahnähnliche Verkennung des Verfassungsrechts“

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.09.2010

Tja, als Richter am BVerfG muss man wohl manchmal ein wenig leiden, so etwa bei einer Verfassungsbeschwerde, die 1182 Seiten lang ist und vorab per Fax zugesandt wird. In der Sache ging es um einen Rechtsanwalt, gegen den eine Geldbuße und ein Fahrverbot festgesetzt worden waren und der bereits das Amtsgericht wohl schon erheblich beschäftigt hatte (7 Hauptverhandlungstage - mehrere Befangenheitsanträge). Das BVerfG, Beschluss vom 11.8.2010 - 2 BvR 1354/10  hat dann aber auch in seiner Entscheidungsbegründungbegründung aus seinem Herz keine Mördergrube gemacht (und zudem 1100 Missbrauchsgebühr verhängt):

"...Die Verfassungsbeschwerde erfüllt die Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung trotz ihres Umfangs offensichtlich nicht. Dies verkennt die Beschwerdeschrift, in der „vorsorglich“ darauf hingewiesen wurde, dass im Fall der Erfolglosigkeit die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben seien. Es fehlt an einem geordneten, schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag, der die gerügten Grundrechtsverletzungen belegen könnte. Die Beschwerdeschrift ist vielmehr gekennzeichnet durch sachlich nicht gerechtfertigte und mutwillig erscheinende Wiederholungen, eine kaum nachvollziehbare Aneinanderreihung der beigefügten Unterlagen sowie von unbelegten Vorwürfen gegenüber den Fachgerichten. Diese reichen von Rechtswidrigkeit und Willkür über die Behauptung der „wahnähnlichen Verkennung des Verfassungsrechts“ durch ein Fachgericht bis hin zu teilweise direkt, teilweise indirekt erhobenen Verdächtigungen, Richter hätten sich einer Straftat schuldig gemacht, und das, obwohl gegen den Beschwerdeführer bereits in dieser Sache ein Strafbefehl wegen versuchter Nötigung des Amtsgerichts erlassen worden war. Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, dass seine Arbeitskapazität durch derart sinn- und substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dass es dadurch den Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2010 - 1 BvR 2358/08 -; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2001 - 2 BvR 1004/01 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 3324/08 -, juris)...."

Ähnliches geschah auch in einer anderen Verfassungsbeschwerde (BVerfG, 2 BvR 1465/10 vom 12.8.2010), in der es um die Frage des § 100h StPO ging.

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3 Kommentare

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Über so etwas sollte das BVerfG aber drüber stehen. Die Entscheidung klingt wenig souverän, etwas unsachlich und leicht angefressen. Steht dem Verfassungsgericht nicht gut zu Gesicht. Offenbar waren doch hier Anwälte am Werk, denen die jahrzehntelange Befassung mit dem Bösen und Schlechten nicht gut getan hat. Kommt auch bei Richtern, Staatsanwälten und Verwaltungsjuristen mitunter vor. Solchen Menschen sollte man im Geiste die Hand tätscheln, ein "Ist ja gut..." murmeln und zur Tagesordnung übergehen.

 

Vfg.

 

1) § 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG o.B.

2) Nachricht an die zuständige RAK mit der Bitte um  Prüfung des Widerrufs der Zulassung nach §§ 7 Nr. 7, 15 BRAO.

3) WV: nie wieder.

 

 

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Tja, Verena:

und die zuständige RAK widerruft wegen derartiger Vorgänge die Zulassung? Das glauben Sie ja nicht im Ernst. Selbst bei Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung (der Klassiker: Untreue im Umgang mit Mandantengeldern auf dem Anderkonto) sind die Kammern häufig recht zahnlos.

Der Unmut, von einem Rechtsanwalt für einen Rechtsanwalt eine VB mit über 1000 Seiten vermutlich weitgehend einkopierter Aktenseiten und - auch sehr beliebt "copy und paste" irgendwelchen Unfugs aus dem Internet - aufs Fax zu bekommen, hat sich halt einmal Bahn gebrochen; vielleicht mit einem angesichts der doch recht moderaten Missbrauchsgebühr (nach Seitenzahl bemessen?) mäßig generalpräventiv motivierten Beschluss.

 

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Das mit der "Vfg." war mehr scherzhaft gemeint. Gleichwohl scheint das "Krankschreiben" mißliebiger Menschen in Mode gekommen zu sein. Urteile zur Enthebung von Beamten oder Anwälten (auch Richtern? mir fällt gerade kein Beispielsfall ein) wegen tatsächlicher oder vermeintlicher psychischer Krankheiten, insbesondere Querulantentum, scheinen sich zu häufen. Ich erinnere nur an die hessischen Steuerfahnder die kurzerhand für gaga erklärt worden sind. 

 

Ganz abwegig scheint es mir daher nicht, daß man einen Anwalt, der von "wahnhafter Verkennung des Verfassungsrechts" faselt, selbst wegen wahnhafter Sinnesverwirrung die Zulassung entziehen könnte. Er wäre nicht der erste (vgl. nur beispielhaft: BGH, Beschluss vom 14. 2. 2000 - AnwZ (B) 17/ 98).

 

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