BGH: Nachlassgericht muss substantiiertem Vorwurf einer eventueller Testierunfähigkeit nachgehen

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 10.09.2010
Rechtsgebiete: TestierunfähigkeitErbrecht|5278 Aufrufe

Ein Ehepaar setzte sich in einem Erbvertrag verbindlich und unabänderbar für den ersten Erbfall wechselseitig zu Alleinerben ein und für den zweiten Erbfall eine bestimmte Person, wohl den Sohn (wie Berliner Testament). Nach dem Tod der Ehefrau heiratete der Ehemann noch einmal und setzte diese weitere Ehefrau per Testament zu seiner Alleinerbin ein.

Wegen der Bindungswirkung des frühen Erbvertrages hielt das OLG Düsseldorf das spätere Testament für nicht maßgeblich und stellte fest, dass diese im Erbvertrag bestimmte Person (der Sohn?) Alleinerbe des Verstorbenen ist. Die letzte Ehefrau hatte aber vorgetragen, dass der vorherige Erbvertrag unwirksam sei, da die vorherige Ehefrau testierunfähig gewesen sei. Das belegte sie mit einem Sachverständigengutachten und mit einem Bericht eines Internisten, der damals die Verstorbene behandelt hatte. Dem hatte das OLG keinerlei Bedeutung beigemessen.

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz), so bewertet der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 15.06.2010 dieses Außerachtlassen des Einwandes der Testierunfähigkeit durch das OLG (IV ZR 21/09). Die Vorinstanzen sind nun gehalten, ein Gutachten zu der Frage der Testierfähigkeit einzuholen. Die letzte Ehefrau kann also noch hoffen, den Verstorbenen zu beerben und nicht nur ihren Pflichtteil zu erhalten.

Die Testierunfähigkeit ist neben dem Einwand, das Testament ist gefälscht und stammt nicht vom Verstorbenen, der in meiner Praxis übliche Angriffspunkt, dass ein Testament nicht bei der Erbabwicklung zum Zuge kommt. Da aber vermutet wird, dass jeder Volljährige auch testierfähig ist, reicht es nicht aus, wenn eine Partei geradezu ins Blaue behauptet, der Verstorbene sei testierunfähig gewesen.

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