BAG verschärft Anforderungen an Widerrufsvorbehalte

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.09.2010

Widerrufsvorbehalte stellen sich in der Praxis als unverzichtbare Instrumente zur Flexibilisierung der Vertragsbedingungen dar. Der 5. Senat des BAG hatte in seiner grundlegenden Entscheidung vom 12.1.2005 (NZA 2005, 465) deutlich gemacht, dass Widerrufsvorbehalte ohne Angabe von Widerrufsgründen den seit der Schuldrechtsreform geltenden AGB-rechtlichen Anforderungen (§ 308 Nr. 4 BGB) nicht mehr genügen. Die Vertragsklausel müsse - so wörtlich - zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Dies ist in der Praxis allgemein so verstanden worden, dass es ausreichend ist, in den Widerrufsvorbehalt die Formulierung "aus wirtschaftlichen Gründen" aufzunehmen, eine darüber hinausgehende Konkretisierung (z.B. Gewinnrückgang um X Prozent) mithin nicht erforderlich ist. Der 9. Senat (14.4.2010 - 9 AZR 113/09, BeckRS 2010, 68687) sieht das in einem jetzt bekanntgewordenen Urteil offenbar anders. Hiernach hält ein Widerrufsvorbehalt, der den Entzug des Rechts zur Nutzung eines Dienstwagens in das alleinige wirtschaftliche Ermessen des Arbeitgebers stellt, einer AGB-Kontrolle nicht Stand. In der vertraglichen Vereinbarung hieß es: "Bei Geschäftsfahrzeugen ... ist der jeweilige Entscheider verantwortlich für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Die Überprüfung ist durch geeignete jährliche Maßnahmen sicherzustellen. Fallen die Voraussetzungen für die Überlassung des Gfz weg, hat der jeweilige Entscheider dafür Sorge zu tragen, dass die Überlassung des Gfz widerrufen wird.“ Das BAG betont, dass damit die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit in das jeweilige Ermessen des Entscheiders gestellt werde, ohne dass die Grundlagen oder Grenzen der Beurteilung näher aus der Vereinbarung ersichtlich seien. Nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betreffe, sei ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug einer Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Nach dem Wortlaut der Abrede wäre es dem Arbeitgeber jedoch möglich, einen solchen Entzug unter sämtlichen denkbaren Gesichtspunkten anzuordnen, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Lage des Unternehmens oder Marktaspekten stehen und die es aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen, eine Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Dagegen wäre es für einen Arbeitnehmer typischerweise unzumutbar, einen Entzug hinzunehmen, solange der Dienstwagen für die konkrete Tätigkeit noch gebraucht wird und die Kosten für einen Mietwagen nicht geringer sind. Es bleibt damit die Frage, ob auch bei den sonstigen Widerrufsvorbehalten - typischerweise betreffen sie Sonderzuwendungen des Arbeitgebers - der Widerrufsgrund "aus wirtschaftlichen Gründen" im Klauseltext künftig näher ausgeführt werden muss. Hier zeichnet sich - ebenso wie bei den Freiwilligkeitsvorbehalten - eine unterschiedliche Bewertung innerhalb des BAG ab. Die Kautelarpraxis hat es vor diesem Hintergrund nicht leicht. Vielleicht ist die Entscheidung des 9. Senats aber auch dem besonderen Gegenstand geschuldet, der Dienstwagenüberlassung.

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