Juristentag für Mindestlohn

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 23.09.2010

Der 68. Deutsche Juristentag in Berlin hat sich soeben für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ausgesprochen, ohne jedoch einen konkreten Stundenlohn zu beschließen. Nach einer kontroversen Debatte fand der entsprechende Antrag heute eine Mehrheit der in der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung anwesenden Mitglieder. Abgestimmt wurde dabei u.a. über folgende Anträge:

Bei der Frage, ob nicht ein flächendeckender allgemeiner Mindestlohn eingeführt werden sollte, ist aus rechtswissenschaftlicher Perspektive der Zusammenhang zwischen staatlichen Transferleistungen (namentlich Grundsicherung nach dem SGB II - Hartz IV, Familienzuschlag gem. § 6a BKGG, Wohngeld) und dem privatautonom vereinbarten Arbeitsentgelt in den Blick zu nehmen. Dieser Zusammenhang von Sozialrecht und Privatrecht, der die Grundsicherung und andere Transferleistungen zu einem Kombilohnmodell macht, beeinflusst die Marktsituation am Arbeitsmarkt im Niedriglohnbereich. (191 ja, 100 nein, 8 Enthaltungen)

Diesem Befund kann durch einen einheitlichen allgemeinen Mindestlohn als fixierter Untergrenze entgegengewirkt werden. (185 ja, 104 nein, 8 Enthaltungen)

Dieser Mindestlohn sollte als Mindestanforderungen ein angemessenes Entgelt für Vollzeitarbeit und Ernährung der Familie gewährleisten und eine Höhe haben, der die Inanspruchnahme von sozialrechtlichen Transferleistungen auch im Alter entbehrlich macht. (164 ja, 96 nein, 7 Enthaltungen)

Abgelehnt wurde dagegen der Antrag, die derzeitigen branchenbezogenen gesetzlichen Regelungen wegen ihrer Inkonsistenz aufzugeben (13 ja, 224 nein, 14 Enthaltungen). Damit sollen diese Regelungen weiterhin Bestand haben und neben den allgemein Mindestlohn treten.

Wie in der Abteilung üblich wurden diese und alle weiteren Abstimmungen durch die großen "Blöcke" der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften dominiert, wobei die Gewerkschaften regelmäßig rund 170 bis 180, die Arbeitgeber 100 bis 120 Stimmen für ihre Anträge erzielen konnten.

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Rolfs,

Herzlichen Dank für diese Informationen aus erster Hand! Die Abstimmungsergebnisse sind aus meiner Sicht erfreulich.

Lesenswert dazu sind auch die Auszüge aus dem von Prof. Waltermann angefertigten Gutachten im Vorfeld des DJT, abgedruckt in NZA 2010, 860-865

Ich würde mich über weitere Anmerkungen zur Tätigkeit der Arbeits- und Sozialrechtlichen Abteilung im Rahmen des aktuellen DTJ interessieren; insbesondere zum Thema Leiharbeit. Über einen kurzen Bericht nach Abschluss des Kongresses würde ich mich sehr freuen.

 

Mit freundlichen Grüßen,

J. Sokianos

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