Love Parade-Unglück - zwei Monate nach den tragischen Ereignissen - im Internet weitgehend aufgeklärt

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 23.09.2010

Die im Titel dieses Beitrags aufgestellte Behauptung ist bewusst plakativ gewählt und mag auch anmaßend klingen. Ich denke aber, man kann sie in der Tendenz belegen.

Die von den verschiedenen beteiligten "Akteuren" unmittelbar nach den Ereignissen angekündigten Aufklärungsbemühungen zielten von Anfang an v.a. dahin, die Veranwortung auf jeweils die anderen Verantwortlichen abzuwälzen und die eigene Verantwortung zu leugnen oder in Frage zu stellen. Dieses Gebaren ist es, dass die verletzten Opfer und Angehörigen massiv befremdet und empört hat.

Dabei dürfte, wie ein lesenswerter Beitrag zu den rechtlichen Fehlern bei der Genehmigung der loveparade auf docunews richtig ausführt, bei einer gesetzmäßig durchgeführten Planung und Genehmigung einer solchen Veranstaltung die Verantwortlichkeit niemals unklar sein.

Recherchen im Internet (nur einige Beispiele: loveparade2010doku, lothar evers, Dr. Wittsiepe, bluemoonsun) haben schon zu Ergebnissen geführt, die weit detaillierter sind als in anderen Medien bekannt wurde. Die Gründe dafür sind nicht, dass das Internet im Allgemeinen besser geeignet wäre als andere Medien, aktuelle Ereignisse aufzuklären und zu bewerten. Internetforen und blogs haben vielmehr spezifische Schwächen, die einer objektiven Tatsachenermittlung regelmäßig eher abträglich sind: Fehlen einer Organisation, Anonymität der Beiträge, Sammelbecken von abstrusen Verschwörungstheoretikern, Auseinanderfallen von Engagement und Fähigkeiten bei den einzelnen Personen. Zudem zerfasert eine solche Internetrecherche tendenziell häufig zwischen verschiedenen teilweise ideologisch zerstrittenen Plattformen. All das lässt sich auch diesmal finden, aber bei den Recherchen zur Love Parade sind besondere Bedingungen zusammengekommen, die es ermöglichten, wesentlich weiter zu kommen als sonst. Weitere Links zu den wichtigsten dieser Recherchen finden Sie in meinem früheren Beitrag.

1. Die Betroffenen (womit ich hier alle Besucher und Interessierte meine, die potentiell in die Situation hätten kommen können) entstammen ganz überwiegend der Generation, die mit Internetforen, Twitter, Blogs, Videodatenbanken wesentlich mehr anfangen kann als mit Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen.
2. Es steht mit den auf youtube und anderen Plattformen hochgeladenen Filmen und Fotos sowie Augenzeugenberichten eine riesige Menge an Datenmaterial zur Verfügung, deren Sichtung und Sortierung (u.a. durch eine aufwändige Synchronisation vieler Besuchervideos) unter den Bedingungen des Internet wesentlich besser gelingen kann als innerhalb eines einzelnen Arbeitsauftrags bei Polizei oder Staatsanwaltschaft. Jeder kann diese Filme anschauen, verifizieren, auf Details hinweisen, Thesen aufstellen, belegen und verwerfen.
3. Die Tendenz einer Zerfaserung - ein spezifisches Problem der Internetrecherche - wurde etwas gebremst durch eine gewisse  Konzentration auf wenige Seiten und die Vernetzung dieser Seiten. Das Ziel der "Aufklärung" hat diese Seiten verbunden. Zudem haben einzelne Rechercheure mit ihren Seiten entscheidende Akzente gesetzt - auch der Einzeljournalismus ist keineswegs überflüssig in den Zeiten des Internet..
4. Das große, nachhaltige Interesse wird durch die ständige Verfügbarkeit aller Texte, Filme, Dokumente verstärkt. Nicht nur, wenn gerade ein Artikel in der Zeitung steht oder ein Filmbericht im TV gelaufen ist, sondern dauerhaft kann sich im Internet jeder informieren über die Fortschritte bei der Aufklärung und kann diese durch Einsicht in die Text- und Bildquellen unmittelbar nachvollziehen. Man kann "am Ball" bleiben, auch wenn das allg. öffentliche Interesse nachlässt bzw. von anderen Ereignissen überdeckt wird.
Ich bin sicher, ich habe noch nicht alle Aspekte aufgeführt.

Nun zur "Aufklärung" des Love Parade-Unglücks, soweit ich sie heute zusammenfassend beschreiben kann (updates sollen nicht ausgeschlossen sein):

Schon bei der Planung der LoPa hat man nicht beachtet, dass der ohnehin problematische gemeinsame Ein- und Ausgang zwischen den Tunneleingängen und der oberen Rampe zwar knapp die erwarteten Besucherströme in einer Richtung verkraften konnte, aber nicht die (vorab angenommenen) Besuchermengen in beiden Richtungen. Durch Ein- und Ausgang hätten über mehrere Stunden hinweg laut Planung in der Summe hundertausend und mehr Personen pro Stunde geschleust werden sollen. Trotz des erkennbaren Widerspruchs (60.000 Personen/Stunde  maximaler Durchgangsstrom in einer Richtung unter optimalen Bedingungen, 100.000 Personen/Stunde in gegenläufigen Richtungen für den Nachmittag geplant) wurde dieses unstimmige Konzept von den Veranstaltern geplant und von den zuständigen Behörden genehmigt.
Dass die Tunnel problematisch waren, war zwar jedem bewusst, aber man "plante" dieses Problem weg, indem man meinte, den Zustrom sicher steuern zu können. Für die Steuerung des Abstroms während der Veranstaltung (z.T. mehr als 50.000 Personen/Stunde wurden am Nachmittag erwartet) gab es kein Konzept. Und weder die zu einer Besuchersteuerung notwendige Anzahl von Ordnern, noch die dazu von den Experten vorab geforderten Lautsprecher waren am Veranstaltungstag vorhanden.

Das für die Veranstaltung geforderte Sicherheitskonzept enthielt eine Lücke gerade in dem (von allen) zuvor als sicherheitstechnisch problematisch angesehenen  Eingangsbereich (der auch unklar mal dem Veranstaltungsgelände mal dem Straßengelände zugewiesen wurde und keinerlei Fluchtwege aufwies). Ein Konzept dafür, was man tun könne, wenn es dort zu Stauungen kommt, war nicht vorhanden. Entgegen dieser Lücke, die aus den veröffentlichten Dokumenten (einschließlich der Entfluchtungsanalyse) erkennbar ist, wurde die Veranstaltung genehmigt.
Die Auflagen der Genehmigung, die u.a. beinhalteten, die Zuwege und Fluchtwege von Hindernissen frei zu halten, wurden in eklatanter und gefährlicher Weise missachtet. Die Zu- und Abgangsrampe wies am Veranstaltungstag noch etliche Hindernisse auf: Zur Personenstromsteuerung ungeeignete Bauzäune, Brezlbuden, Polizeifahrzeuge hinter weiteren Bauzäunen. Ein Gulli und ein Schlagloch mit Baumwurzel wurde - Gipfel der Rücksichtslosigkeit - mit einem Bauzaun abgedeckt (am besten hier zu sehen). Mit hoher Wahrscheinlichkeit gab im Gedränge ein Stolpern oder Verhaken in diesem Bauzaun den unmittelbaren Ausschlag für viele der Todesfälle.

Als es dennoch zu Stauungen (wie nach der Entfluchtungsanalyse vorhersehbar und unvermeidlich zunächst  am oberen Rampenende) kam, fehlte das Konzept für diesen Fall. Das "Pushen" durch Ordner und "Wegziehen" durch die Floats konnte bei der Anzahl der Besucher, die die Veranstaltung gerade verlassen wollten, nicht funktionieren: Es waren dort insgesamt zu viele Personen in beiden Richtungen für diesen Engbereich.

Man war nun auf ein adhoc-Konzept angewiesen und auf die Hilfe der Polizei. Die Polizei sperrte daraufhin an einer Engstelle auf der Mitte der Rampe den Zu- und Abgang. Gleichzeitig wurden in den Tunneln Sperren errichtet, um den Zugang zur Rampe zu hindern. Beide Sperrpositionen waren höchst ungeeignet. Sie widersprachen den vorab gegebenen Empfehlungen (Stauungen im Tunnel unbedingt vermeiden) und hatten erkennbar keine Entlastung zur Folge, sondern eine bloße Verlagerung und Verschärfung der Gefährdung. Durch die Platzierung der Sperre auf der Rampenmitte konzentrierte sich das Gedränge nunmehr im unteren Drittel der Rampe und an den Tunnelausgängen. Da die feststeckenden Besucher (die teilweise schon stundenlang auf den Zuwegen verbracht hatten) weiterhin nicht per Lautsprecher  informiert wurden, suchten sie selbst Auswege aus dem Dilemma - Masten, v.a. Treppe, Container, mit der Folge, dass sich das Gedränge in den Richtungen dieser vermeintlichen Auswege noch verschärfte und es hier über Minuten zu Massenturbulenzen kam.
Die Sperren in den Tunneln wurden schon zeitlich vor der Sperre auf der Rampenmitte aufgelöst bzw. überrannt, so dass sich das Gedränge auf dem unteren Rampendrittel nochmal verschärfte. Offenbar war auch die Funk-Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und sogar der Polizei untereinander gestört. Niemand wusste zeitweise, was er oder die anderen taten, welche Sperren geöffnet, welche geschlossen waren. Zu spät wurde eine Sperre am oberen Rampenende aktiviert, und die Abströmenden über die zweite Rampe (Korrektur: Abströmende zunächst blockiert, später über die Notausgänge) geschickt. Und auch als der Weg nach oben wieder relativ "frei" war, konnten das die im Gedränge feststeckenden nicht erkennen - niemand informierte sie.

Die genannten Umstände führten - zusammen - zur Katastrophe. Entgegen den vorherigen Ankündigungen (Sicherheit hat Vorrang) hat man diese in entscheidenden Punkten vernachlässigt. Bei allen drei "Akteuren" (Veranstalter, Stadt, Polizei) lassen sich meiner Meinung nach fahrlässige Handlungen und  Unterlassungen feststellen, die Tod und Verletzung zurechenbar mitverursachten und zu einer Anklageerhebung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) oder Körperverletzung (§ 229 StGB) führen könnten. Die genaue institutionelle "Zuständigkeit" für jede dieser Fahrlässigkeiten ist allerdings noch in der Diskussion, auf den entsprechenden Internetseiten und hier im Blog. Und die im Strafrecht notwendige individuelle Zurechnung ist m.E. Sache der Staatsanwaltschaft.

Hier im Beck-Blog wurden zwar kaum Tatsachen unmittelbar recherchiert, aber zum Teil intensiv mit juristischer Schlagseite diskutiert. Mein Beitrag zu dieser Aufklärung war vergleichsweise gering.  Die Kommentarsektion ist  aber mit anderen Aktivitäten im Netz verknüpft und dadurch profitiert die hiesige Diskussion von den Früchten dortiger Recherche. Das Echo und die weiteren Reaktionen haben mich außerordentlich überrascht: Der Beitrag ist einer der am häufigsten angeklickten und der mit Abstand am häufigsten kommentierte Beitrag hier im Blog. Die Kommentare waren häufig weiterführend und fundiert und infolgedessen habe ich den Ausgangsbeitrag alle paar Tage aktualisiert.  

Die Diskussion und Recherche im Internet ist natürlich nicht beendet. Es gibt noch viele Details, die nicht vollständig aufgeklärt sind, und es gibt sicherlich noch weitere Belege für die schon aufgeklärten Fakten.

Möglicherweise gibt es auch an meinen obigen Erwägungen zutreffende Kritik, die ich gerne aufgreifen werde.

(Letztes update dieses Beitrags - Link eingefügt - am 12.11.2010, 14.10 Uhr)

Update am 8.Juni 2011:

Links zu den weiteren Diskussionen hier im Beck-Blog:

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 23000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 8000 Abrufe)

Mai 2011 (bisher über 1000 Kommentare; über 7000 Abrufe)

AKTUELL: Juli 2011

 

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788 Kommentare

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Daphne schrieb:

Hmm, mir fällt dazu erstmal  auch nur der Eintrag im Einsatztagebuch des Ordungsamtes ein:

17:34 Uhr –  Eintrag Einsatztagebuch: „Durchsage an Alle! Eigensicherung steht über Allem!“

Genau diese Stalle meine ich. An anderer Stelle und in Bezug auf Polizisten habe ich nichts von "Eigensicherung" gelesen.

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Lothar Evers schrieb:

Daphne schrieb:

Hmm, mir fällt dazu erstmal  auch nur der Eintrag im Einsatztagebuch des Ordungsamtes ein:

17:34 Uhr –  Eintrag Einsatztagebuch: „Durchsage an Alle! Eigensicherung steht über Allem!“

Genau diese Stalle meine ich. An anderer Stelle und in Bezug auf Polizisten habe ich nichts von "Eigensicherung" gelesen.

...Also aus dem Einsatztagebuch habe ich das jedenfalls nicht. Aber ab wann stand das zur Verfügung? Kann ja sein, dass mein Quelle das daraus hatte und nicht ganz korrekt dargestellt hat.

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@studio2010loveparade:

Ganz spontan möchte ich "Mein Name" im letzten Punkt Ihres vorletzten Postings (14.50 Uhr) Recht geben: Es hätte m.E. gereicht, wenn man die Vorschriften eingehalten hätte, denn die Einhaltung solcher Vorschriften ist - wie auch "Meister für Veranstaltungstechnik" hier ausgeführt hat -  entscheidend für eine sichere Veranstaltung. Und wenn man feststellen kann, dass jemand  tatsächlich die Vorschriften nicht eingehalten hat, dann ist dies für die strafrechtliche Würdigung ein praktisch weit besserer Weg als der Weg, den Sie einschlagen möchten: Denn eine "Pflicht über den Tellerrand zu schauen" - man kann dies durchaus für richtig und wichtig halten - wäre so unbestimmt, dass sie eine sehr leichte Verteidigung erlaubte. Eine Pflicht muss tatsächlich manchmal in Verfahren konkretisiert werden, wenn es nämlich in einem Sachgebiet keine Vorschriften gibt. Die Verletzung einer solchen erst ad hoc zu bestimmenden Sorgfaltspflicht ist aber sehr schwierig festzustellen.

Ehrlich: Wenn herausgefunden wird, dass bei der Planung gegen Vorschriften verstoßen wurde UND dass dieser Verstoß zurechenbar die Toten und Verletzten verursacht hat, dann befinden wir uns auf einem  Pfad, der Anklageerhebung und Verurteilung weit eher erlaubt. Ich weiß, dass Ihnen diese "Denke" eines Juristen vielleicht fern liegt. Aber gerade bei der Bestrafung sollten wir uns an möglichst gesetzlich bestimmte Normen halten. Dass "sich keiner zuständig" fühlte, oder dass "alle Zuständigen" behaupten, "nach Vorschrift gehandelt zu haben" widerspricht dem überhaupt nicht. Selbstverständlich versucht ein Beschuldigter immer, mit solchen Behauptungen einer Bestrafung zu entgehen. Es ist ja gerade die Aufgabe der StA und des Gerichts evtl festzustellen, dass hier jemand doch zuständig war bzw. sich eben nicht an Vorschriften gehalten hat.

Das Ausweichen auf unbestimmte Pflichten oder auf ein unbestimmtes "Menschenbild" ist nicht nötig und begründet auch keine Strafbarkeit: Die falsche Gesinnung ist nicht strafbar!

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Mueller schrieb:
Ganz spontan möchte ich "Mein Name" im letzten Punkt Ihres vorletzten Postings (14.50 Uhr) Recht geben:
Ich hatte auch nicht gesagt, dass der Satz falsch sei, sondern, dass ich in der Ausrichtung meiner Aussage von 'Mein Name' falsch verstanden wurde. Und die war kurz und allgemein gehalten, nicht geeignet um nach strafrechtlicher Relevanz abgeklopft zu werden

Schon gar nicht will ich darauf hinaus, falsche Gesinnung per se strafbar zu machen. Wenn Sie meine Beiträge so verstehen, verstehen Sie mich falsch. Aber ich hatte im Post an Sie ja auch angekündigt, dass ich auf meinem Blog noch Genaueres dazu schreiben möchte,..... habe ich nur noch nicht.

Was die strafrechtliche Relevanz angeht, geht es mir im Moment, wie gesagt, um das handfeste Bauwerk, dessen Gesetze eine klare Sprache sprechen.

Der Gesetzestellerrand, den ich in dem Fall meinte, war nicht das Motiv oder das Menschenbild, das dieses Bauwerk gewählt hat( das ist in der Tat ein anderes Kapitel), sondern - hm ...wie kann man's sagen...? - eine zuständigkeitsübergreifende Wachsamkeit der einzelnen Aufgabenträger. Ob die da ist oder nicht, hat aber natürlich auch keine strafrechtliche Relevanz, kann aber wie in diesem Fall Leben retten, weil man dann wohl wahrgenommen hätte, dass sich ja noch gar keiner um die rechtlichen Anforderungen dieses Bauwerks gekümmert hat.  

.....und wenn die STA diesem Pfad nachgeht wird sie schon merken, ob das Absicht war.

Blue

 

 

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#146 studiodokuloveparade

Dieses Bauwerk betreibt die DB Netz AG. Aber auch die Rampenwände + Treppe?

An alle: Wer alles hätte die Karl-Lehr-Str. genehmigen muessen? Sie ist eine Landesstraße = Landesstraßenbhörde = Straßen NRW. Sie liegt in einer Stadt mit ueber 80.000 Einwohnern = die Straßenbaubehörde = im Falle DU Ordnungsamt. Sie fuehrt durch einen Bahntunnel = DB Netz AG.  ???

What's about the "Rampe"? Gibt es hier die Betreiber aurelis, DB Netz AG und Krieger vielleicht noch?

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Felix Licht schrieb:
Dieses Bauwerk betreibt die DB Netz AG. Aber auch die Rampenwände + Treppe?
Den Artikel finde ich im Moment auch so schnell nicht, aber das besagte Niemandsland hörte demnach vor der Treppe auf. Das ist dann aber eben kein Niemandsland, sondern von der Bahn, mitsamt den hohen Mauern.

Zu deiner früheren Frage: Die Bahn ist zwar, wie Post und Telekom privatisiert worden, aber bei allen ist der Bund Anteilseigner. Heißt, redet ein Wort mit und in hoheitsrechtlichen Fragen vermutlich ein gewichtiges Wort. aber ich kenne mich darin nicht mehr näher aus. Kann sein, dass sich Wesentliches geändert hat.

Ist zu kompliziert, um als Laie ohne Unterlagen Einblick zu bekommen. Aber es genügt doch, dass wir wissen, dass dieses Bauwerk aus welchem 'schöpferischen'  Grund auch immer, aus der gesetzesanwendenden Planung rausgelassen wurde.

Quote:
Gibt es hier die Betreiber aurelis, DB Netz AG und Krieger vielleicht noch?
Wenn ich das dieser Tage auf Doku richtig gelesen habe, müssen die sich ja alle erst noch arrangieren.

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Daphne schrieb:

Ich weiß nicht mehr, wann und wo die Frage auftauchte, ob Prof. Schreckenberg Mitglied des Krisenstabes war. Dieses Video gibt Aufschluss:

http://www.einslive.de/medien/html/1live/2010/07/24/wdr-extra-loveparade...

Danke, Daphne. Ja, durch dieses Video bin ich im Rahmen der Arbeit an der Chronologie auch auf Schreckenberg als Mitglied des Krisenstabes gestoßen.

 

Hierzu habe ich noch eine Frage an Herrn Prof. Müller:

Unabhängig von schriftlichen Verträgen kommen Verträge, für die keine Formvorschrift vorliegt (z.B. Dienstvertrag), ja auch mündlich oder durch Handeln zustande.

Eines der Probleme, Schreckenberg mit in die Verantwortung zu nehmen, besteht ja darin, dass seine Aufgabe nicht explizit schriftlich definiert wurde.

In diesem Interview aber bestätigt er öffentlich, an der Planung der Loveparade beteiligt gewesen zu sein. In seinen Stellungnahmen verteidigt er das Wegekonzept inklusive dem Eingang über Tunnel und Rampe in detaillierter Form und stellt sich als einen der Planer dar, die man entsprechend als verantwortliche und wissende Personen interviewen könne.

Bestätigt er damit denn nicht jenen Vertrag, wie ihn Herr Rabe als gegeben ansah?

In diesem Zusammenhang wird auch eingeblendet, dass er Mitglied des Krisenstabes war (was sich bei Bedarf ja auch konkret ermitteln ließe).

Aus den Protokollen der Stadt geht zudem hervor, dass die Genehmigungen u.a. in direkter Weise von seinem Rat abhängig gemacht wurden. Und aus dem Interview geht hervor, dass er offenbar zu den realisierten Plänen stand.

Reicht das juristisch nicht aus, um seine Mitverantwortung für die Todesfälle zu ermitteln?

Erst nachdem die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen begonnen hatte und zudem klar war, dass die Raver nicht selbst schuld an den Vorkommnissen sind, versuchte er, seine Rolle bei der Planung der Loveparade herunterzuspielen.

So einfach kommt man doch aber normalerweise auch nicht aus mündlichen Verträgen heraus, wenn sich derart genau belegen lässt, dass jemand sowohl im Vorfeld als auch in der Durchführungsphase entsprechend involviert war, und er dies auch im Nachhinein öffentlich bestätigt hat.

Oder könnte dies zu einem Rückgriff hinsichtlich Schadensersatz von Seiten der Stadt Duisburg auf ihn führen?

 

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Felix Licht schrieb:
Schaller lebt!

http://www.bild.de/BILD/video/clip/news/vermischtes/2011/01/20/interview...

...und irgendwie scheinen sich alle Journalisten neuerdings wie Gesprächspsachotherapeuten aufzuführen. Das ganze in der gediegenen britischen Clubatmosphäre des Springerhochhauses über den Dächern von Berlin...

Hätte man ihn nicht wenigsten mal fragen können, ob er eigentlich bei der Polizei ausgesagt oder jede Antwort verweigert hat?

Für unseren Runden Tisch in Duisburg am 5. Februar haben Schaller/Lopavent übrigens abgesagt...

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Lothar Evers schrieb:

Für unseren Runden Tisch in Duisburg am 5. Februar haben Schaller/Lopavent übrigens abgesagt...

 

Oh... ich wusste ja gar nicht, dass die geladen waren... Mit welcher Begründung?

 

 

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"In diesem Zusammenhang wird auch eingeblendet, dass er Mitglied des Krisenstabes war (was sich bei Bedarf ja auch konkret ermitteln ließe)." - Die Leserin

Nicht nur das: er wird direkt auf seine Beteiligung im Krisenstab angesprochen: "Sie sind Mitglied des Krisenstabs, was wird da heute Nacht noch passieren?" Schreckenberg lässt das so stehen & antwortet: "Man wird heute sehen, dass die Menschen heile nach Hause kommen, die noch auf dem Gelände sind....bla bla" 

In einem ZDF-Interview vom 26.07. beschreibt er, dass es ihm am Veranstaltungstag nicht gestattet wurde, Filmaufnahmen im Tunnel & auf dem Gelände zu machen...

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/#/beitrag/video/1099444/Panikforscher:-Fe...

 


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Daphne schrieb:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/#/beitrag/video/1099444/Panikforscher:-Fe...

Hi Daphne, hab mir das gerade nochmal angesehen. Ich erinnere mich, dass ich das damals auch gesehen habe, aber da konnte ich noch nicht gezielt auf die wichtigen Sätze achten. Dein zitierter Satz kam jetzt darin nicht oder nicht mehr vor. Ob die da inzwischen einiges rausgeschnitten haben? Ich hatte mehrfach einen kurzen Moment eine schwarze Bildfläche und Tonunterbrechung.

Blue

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1. wenn Schreckenberg am Abend der LP das so noch gesagt hat "der Tunnel war breit genug ... wenn sich alle an die Spielregeln halten", dann würde mich das als Staatsanwalt schon sehr interessieren - bzw. die Rolle, die diese Einschätzung bei der Genehmigung gespielt hat. Schließlich widerspricht er damit seiner früheren Einschätzung in der E-Mail, in der er sinngemäß schreibt, "der Tunnel verdiene besondere Beachtung".

2. könnte die Journaille bitte aufhören, den Mann als "Panikforscher" zu bezeichnen? Er ist theoretischer Physiker und hat von Massenpsychologie offensichtlich nicht den blassesten Schimmer ("wenn sich alle an die Spielregeln halten" - sehr witzig. Es ist konstituierend für die Masse, dass man sich im Schutz ihrer Anonymität eben nicht an die üblichen Spielregeln halten muss. Literaturtipp: Bill Buford, Geil auf Gewalt. Carl Hanser, München 2001 . Auch wenn Raver sich dahingehend stark von Hooligans unterscheiden, ist die Grundannahme, dass es keine Störer gibt, unrealistisch). Ein mathematisches Modell zur Entstehung von Staus zu entwickeln mag vielleicht noch zu Berechnungen befähigen, wie schnell sich ein Gelände leert wenn sich alle Subjekte gleich und regelkonform verhalten - das Verhalten von Menschen in Massen folgt aber anderen Regeln bzw. es geschehen eben Dinge, die von Menschen mit Denkmustern wie Schreckenberg nicht vorhergesehen werden.

Aber er hat sich ja mit der o.g. Aussage für solche Situationen kompetent gehalten, also muss er die Folgen auch ausbaden ...

Auch ich denke, dass die Rolle von Herrn Schreckenberg bei der Planung/Genehmigung ausgeleuchtet werden muss, allerdings halte ich es nicht unbedingt für einen Widerspruch (wie Mein Name  um 12.43 Uhr), wenn der Tunnel einerseits als "breit genug" andererseits "verdient besondere Beachtung" eingeschätzt wird: Aus den Strömungsanalysen geht hervor, dass es v.a. darum geht, dass die "Masse" im Tunnel in Bewegung bleibt. Dann ist der Tunnel breit genug, um einige zehntausend Personen pro Stunde hindurchgehen zu lassen. Allerdings sind eben Stockungen zu vermeiden, weil der Tunnel keine Ausweichmöglichkeiten bietet, weshalb man den Zugang steuern muss (insofern "besondere Beachtung").

Meine Kritik setzt nicht an einem Widerspruch an, sondern an zwei offenkundig von Schreckenberg völlig übersehenen bzw. übergangenen Sachverhalten:
1. Das Ignorieren der Tatsache, dass über den Nachmittag hinweg mit erheblichen Gegenströmungen gerechnet werden musste (und ja seitens Lopavent auch gerechnet wurde). Gerade der Strömungsexperte hätte sagen müssen: Gegenverkehr verlangsamt den Zustrom erheblich und wird (praktisch notwendig) irgendwo auf der Rampe oder im Tunnel Stauungen erzeugen; Vorschlag: Die das Gelände verlassenden müssen auf einen anderen Weg geleitet werden.
2. Das "Steuern" funktioniert bei einer Masse von hunderttausenden Personen nur zeitlich begrenzt: Wenn immer mehr aus Richtung Bahnhof nachströmen, kann man an den Vereinzelungsanlagen nicht einfach auf unbestimmte Zeit dicht machen, ohne hier ein (tödliches) Gedränge zu riskieren, was man im Tunnel vermeiden will. Dann ist auch mit Unmut der Besucher zu rechnen, der schnell in Gewalt umschlagen kann (Im Nachhinein muss man den LoPa-Besuchern insofern noch eine Riesengeduld bescheinigen, die allermeisten haben sehr viel mit sich machen lassen, ohne wirklich wütend zu werden).

Die sonstigen Äußerungen (es sei wegen herabfallender Personen zu den Todesfällen gekommen, das habe man nicht einberechnen können) aus diesem ersten Interview sind uninformiert und hanebüchen und haben genau den Effekt, den Die Leserin (11.44) Uhr) schon andeutet: Hier redet er sich um Kopf und Kragen. Denn es bedeutet ja in der Konsequenz, dass eben die Massenturbulenz, die tatsächlich entstanden ist, ohne dass es auf Spielregelverletzung seitens der Besucher wesentlich angekommen wäre, fahrlässig von Schreckenberg nicht vorausgesehen wurde. Und der Fehler liegt konkret darin, dass man bei den Tunnelströmungsberechnungen Gegenverkehr überhaupt nicht berücksichtigt hat. Ich weiß nicht, ob es dafür überhaupt mathematische Modelle gibt, aber wenn, dann würden diese Modelle wahrscheinlich Chaos voraussagen, wenn in einer Stunde 50.000 in der einen Richtung auf 50.000 in die andere Richtung gehende treffen würden.
Dabei kann sich TraffGo noch darauf berufen, sie seien tatsächlich nur für die "Entfluchtung" beauftragt worden. Aber ob Schreckenberg dasselbe behaupten kann, wenn er doch in die Planungen weit stärker involviert war, als er nun einräumt?

#162 Die Leserin

"Oder könnte dies zu einem Rückgriff hinsichtlich Schadensersatz von Seiten der Stadt Duisburg auf ihn führen?"

Oder, anders gefragt gilt etwa: Mitgehangen, mitgefangen, stellt Schreckenberg eine Schluesselfigur dar, den die Stadt zu decken hat, um nicht selber in der Verantwortung eines gemeinsamen Konzeptes zu stehen und: weiß die Staatsanwaltschaft das sogar?

Beinhalten die von der Bundespolizei noch am selben Wochenende gelöschten Emails und die jetzigen, die man nicht hat, da sie eine externe EDV-Firma, die aber städtisch ist, verwaltet und somit langfristig vernichtet hatte?

Riecht das nicht alles ein klein wenig nach Komplott?

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#168 HEM

Vielen Dank fuer diese sehr beherzte Einschätzung Ihrerseits.

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Entfluchtungssimulationen haben den Zweck, dem Veranstalter Hinweise zur erfolgreichen Durchführung der Veranstaltung zu geben sowie Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die noch angepasst werden müssen wie z.B. fehlende Rettungswege, die noch baulich ergänzt werden müssen, damit eine erfolgreiche Evakuierung möglich ist. Diese Evakuierung muss mit real existierenden Menschen, die sich menschenüblich verhalten, erfolgreich möglich sein.

Bei der Loveparade gab es unter den Besuchern kein Verhalten, dass irgendwie ungewöhnlich oder nicht zu erwarten gewesen wäre. Die Katastrophe wurde nachweisbar nicht durch Besucher mit gefährdenden Handlungen (Gewalttaten/ Schlägereien/ Zünden von Feuerwerkskörpern/ Zerstörung von Gegenständen oder Gebäudeteilen) hervorgerufen. Die teilweise kritisierten Handlungen wie das Hochklettern an Gebäudeteilen oder ein Drängeln in der Menschenmenge sind mit einer lebensnotwendigen Flucht vor der realen Gefahr des Erdrücktwerdens begründbar. Strafrechtlich ordne ich dieses Verhalten, wenn es denn eine Körperverletzung zur Folge hat, ein wie das bekannte Beispiel "mehrere Personen kämpfen bei Seenot um einen Platz im Rettungsboot". Die Tatsache, dass trotz umfangreicher Videobilder keiner der Besucher als Beschuldigter genannt wird, stützt diese These.

Wenn nun gerade ein Gutachter Menschen vorwirft, sich wie Menschen verhalten zu haben und nicht wie seine theoretische Simulation, dann stimmt die Simulation nicht und war eventuell sogar grob fahrlässig nicht ausreichend. Der Gutachter ist vermutlich seiner Sorgfaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Die üblichen Simulationsverfahren berücksichtigen weder Kinder noch Rollstuhlfahrer, keine hilflosen Personen wie kollabierte Jugendliche (die auf Musikveranstaltungen häufig vorkommen) und auch kein unvernünftiges Verhalten (das Besuchern zugestanden werden muss). Dies muss ein Gutachter wissen und berücksichtigen - wenn die Simulation das nicht berechnet, muss ein Gutachter hierfür Sicherheitszuschläge einplanen. Dies ist nicht geschehen.

Die Beschwerde des Gutachters, dass die Realität nicht der Simulation entspricht, ist in Wirklichkeit ein Eingeständniss, dass die eigene Simulation nichts taugt! Und die Beschwerde, man habe nicht alle Unterlagen gehabt, kommt der Selbstanzeige gleich, man habe diese nicht angefordert oder nachgefordert und trotz fehlender Unterlagen ein substanzloses Gutachten abgeliefert. Die Schutzbehauptung, man sei nur für einen Teil des Geländes Gutachter gewesen greift nicht. Genau da, wo die Betrachtung des Gutachtens endet, müssen die daraus resultierenden Bedingungen für die angrenzenden Flächen und Gebäudeteile definiert werden. (Ein Statiker rechnet eventuell nur die Brücke. Aber diese Berechnung enthält immer die Kräfte, die in die Auflager eingeleitet werden müssen!)

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Meister für Veranstaltungstechnik schrieb:
Die Beschwerde des Gutachters, dass die Realität nicht der Simulation entspricht, ist in Wirklichkeit ein Eingeständniss, dass die eigene Simulation nichts taugt! 

Brilliant und auf den Punkt, Meister!

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@Felix Licht: Die Verfolgungsverjährung tritt bei fahrlässiger Tötung erst nach fünf Jahren ein (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Eine Verjährung droht also derzeit nicht. Zudem kann natürlich die Staatsanwaltschaft jederzeit während der Ermittlungen diese auf weitere Personen ausdehnen, d.h. momentan hat sich die StA keineswegs auf die 16 Personen festgelegt.

 

Die Leserin schrieb:

Hallo Blue, die von Daphne und mir erwähnten Sätze sind hier:

http://www.einslive.de/medien/html/1live/2010/07/24/wdr-extra-loveparade-interview-sicherheitskonzept.xml 

Die beiden Filme könnte man für PR-Unterricht verwenden, und zwar für eine Unterrichtsstunde zum Thema "Wie rede ich mich binnen zwei Tagen um Kopf und Kragen?"

Danke 'Leserin', auch Daphne hatte gestern auf Doku den Link dieses Interviews von Youtube gepostet.

Die Aufmerksamkeit für Herrn Schreckenberger ist sicher begründet. Ich würde jetzt aber z.B. auch einmal anders herum fragen und all sein, sich in der Tat um Kopf und Kragen reden danach durchforsten und analysieren, ob er nicht vielmehr - wie übrigens alle anderen - um einen heißen Brei herum redet, den er selber und sie alle nicht in den Griff bekommen, von dem er aber heute, nach der Katastrophe, ahnt oder gar weiß, dass er sein Vorgehen und das Ergebnis seines Gutachtens entscheidend mit bestimmt hat.

Nehmen wir mal an oder sind wir doch mal so zuversichtlich und unterstellen all den für die Loveparade Verantwortlichen, dass sie ihr jeweils Bestes zu tun bemüht waren. Und dann ist da plötzlich diese Katastrophe. Im ersten Schock begreift niemand, wie das sein konnte, weil alle für alle - auch für die Raver - doch das Beste wollten. Erst allmählich beginnen sie alle sich des besagten heißen Breis bewusst zu werden, den keiner beim Namen nennen kann, von dem sie aber alle spüren oder jetzt gar wissen, dass er ihre Planungen entscheidend mitgesteuert hat.

Ist es da nicht verständlich, dass man sich gegen diesen 'heißen Brei' nun, da er 'dank' der Katastrophe überhaupt erstmals in bewusste Gefilde vordringen kann, nahezu automatisch wehrt und die Verantwortung hin und her schiebt, eben weil sie in diesem ungriffigen heißen Brei anzusiedeln ist? Mit anderen Worten müsste man dann doch bei allen zuerst einmal nach Symptomen dieses heißen Breis suchen, um eventuell seine Urheber oder seine Ursacher orten zu können.

Herr Schreckenberg hat ja z.B. ganz und gar nicht entschieden, dass das Bauwerk Tunnel-Rampe überhaupt so als Ein-und Augang angesetzt werden soll. Hatte er überhaupt die Wahl, es ernsthaft in Frage zu stellen? Wer hat es angesetzt? Hat jemand erkennbar vermieden, dass Ein- und Ausgang getrennt angelegt werden? Wer? Warum? Wann? Die Polizeisperren haben angesichts dieser Vorgabe nichts mehr retten können. Warum hielt er das für möglich? Mag schon sein, dass es seine Unwissenheit in Bezug auf das reale Massenverhalten von einer oder einer halben Million Loveparadebesuchern war. Aber muss es das? Es haben doch so viele mitgeredet und entschieden. Wenn er wirklich der alles entscheidende Fachmann in dieser Frage gewesen wäre, hätte man ihm dann nicht längst die Verantwortung nachgewiesen?

Genau das geschieht nicht. 

Vielleicht hilft auch hier die künstlerische Perspektive: Würde man mir im Rahmen des kulturellen Pflichtanteils bei öffentlichen Gebäuden den Auftrag für eine auf seinen Zweck ausgerichtete, aussagekräftige Skulptur geben, ohne mich vorab bei Beginn der Bauplanung in die gesamte Gestaltung einzubeziehen, also nur noch so als pflichtmäßiges Kulturanhängsel nachdem die Architekten die Hauptrichtung vorgegeben und bereits fertiggestellt haben, würde ich - um es etwas übertrieben zu sagen - den Auftrag nur noch entgegen nehmen, wenn ich ohne sein Honorar nicht überleben könnte, wäre mir dann aber der Risiken bewusst.    

Man hat schon den Eindruck, dass Herr Schreckenberger nur noch nachträglich zur Betätigung des schon Bestehenden angesprochen wurde. Den Zeitpunkt seines ersten Kontaktes müsste man jedenfalls klären. Und dann warum das? Und was hat ihn dazu gebracht, unter solchen Voraussetzungen zu bestätigen? Oder was brachte ihn dazu, sich für kompetent genug zu halten, obwohl er es nicht war?

Müsste man nicht das alles, um eben auch den heißen Brei orten zu können, zuerst klären, ehe man ihm individuell das Fachliche zulasten legt?

Blue 

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@Blue (#175): Ich bin geneigt Ihre Gedanken als "sehr gut" zu bezeichnen, weil meinen sehr nahe kommen. Richtig ist erstmal natürlich nur letzteres. Darf ich Ihre Wortwahl präzisieren? Zu Beginn Ihres Beitrages meint man "heißer Brei" stünde für das Wissen um Menschenmassen, gegen Ende hingegen eher dafür, dass ein Hauptproblem (ein sehr schwierig zu fassendes) ein Problem mit Zuständigkeiten, Organisatoion, Management, Kommunikation und Informationsweitergabe war bzw ist. Eine Loveparade ist deswegen eine problematische Veranstaltung, weil sie groß ist. Größe macht bei Veranstaltungen natürlich Probleme, weil viele Besucher zusammenkommen. Aber sie macht auch Probleme, weil viele Menschen in der Organisation zusammenarbeiten müssen. Es geht dabei dann um gutes Management im weiten Sinne. Das ist eine Wissenschaft für sich. Management scheitert schnell, im Falle einer Veranstaltung kann dies große Gefahr bedeuten.

Ich möchte dies an einer Meldung ausführen, die mich heute bewogen hat wieder in dieses Forum zurückzukehren: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,742401,00.html

Es mag sein, dass dieser Polizist fahrlässig und nachweislich einen schweren Fehler begangen hat. Meiner Meinung nach stellt sich hier aber sehr wohl und sehr stark die Frage nach seinem Motiv. Er hat die Lage in seinem Einsatzbereich vor sich gesehen und er hatte eine Anweisung "von oben". Möglicherweise hat er überhaupt nicht fahrlässig gehandelt, sondern sah mit seiner Erfahrung in seinem Einsatzbereich eine Katastrophe drohen. Er sah vielleicht die Schlagzeile vor sich "Tote auf der Loveparade, weil Polizei Schleusen nicht öffnete". Dioe Situation an anderer Stelle sah er nicht, er musste sie sich denken und zwar alleine aus der Anweisung heraus die er erhielt. Er musste dabei jedoch abwägen, ob die Einsatzleitung die Situation, die er vor sich hatte ebenso gut beurteilen konnte wie er selbst vor Ort. Sollte er oder musste er kommandoorientiert oder erfahrungs- und urteilsorientiert handeln? Diese Grundsatzentscheidung ist eine Frage von Management. Entscheidet man sich dafür die letzte Entscheidung den lokalen Einsatzleitern mit direktem Sinneseindruck zu überlassen, stellt sich automatisch eine große Kommunikations- und Inrformationsmanagementaufgabe, damit jeder Leiter vor Ort seine Entscheidung auch gegenüber den Zuständen an anderer Stelle abwägen kann.

Wie gesagt: ich halte Fahrlässigkeit bei diesem Polizisten nicht für ausgeschlossen. Aber ich glaube eher an Hilflosigkeit. Ich würde eine Verurteilung nicht begrüßen, solange nicht festgestellt wird, dass in seinem Bereich für einen Polizisten mit seiner Erfahrung und mit seinem Rang erkennbar gewesen ist, dass es zu KEINEN größeren Schäden kommen würde. Falls das nicht möglich ist, war es Hilflosig- und nicht Fahrlässigkeit. Der Verweis, dass es eine anderslautende Anweisung gab, begründet meiner Meinung nach dann keine Schuld. Sonst könnten wir Polizisten durch Roboter ersetzen. Eine ähnliche Argumentation gilt meiner Meinung nach für die Anordnung der Polizeikette auf der Rampe.

Der "heiße Brei" von dem keiner eine Ahnung hat entstand an dem Tag selbst deswegen, weil die Veranstaltung schlichtweg nie hätte genehmigt werden dürfen. Und zwar nicht nur wegen den von Meister der Veranstaltungstechnik genannten Verstöße gegen die Vorschriften, sondern auch wegen der Expertise des von Cebin und  Schäferweil und weil das Entfluchtungsgutachten letztlich zu dem Ergebnis kam, dass es nicht geht, es aber verpasst wurde das explizit festzustellen und Konsequenzen zu ziehen (wie auch eine Woche vor der Veranstaltung). Sämtliche an diesem Tag organisatorisch Handelnden Personen wurden von vorneherein in eine höchst problematische Situation gestellt, in der man zwar auch besser oder schlechter handeln konnte, bei der aber meiner Meinung nach nicht jede Handlung, die ursaächlich für die Katastrophe zu dem Zeitpunkt an dem Ort wurde automatisch juristische oder moralische Schuld bedeutet. Insbesondere wäre ein besseres Management von Personen und Informationen eine Vorussetzung für besseres Handeln gewesen. Aber auch dann würde ich nicht ausschließen, dass lokale Einsatzleiter mehrfach vor Skylla und Charybdis-Situationen ohne gute Auflösungsmöglichkeiten gestanden wären.

Ich glaube übrigens nicht, dass das Wissen um Menschenmassen ein solcher heißer Brei ist, von dem man keine Ahnung hat. Ich glaube sehr wohl, dass Professor Schreckenberg wie auch die leitenden Polizisten wie auch die leitenden Feuerwehrleute wie auch der Crowd Manager ziemlich genau hätten sagen können, dass es extrem gefährlich ist, die Eingangsschleusen zu öffnen und gleichzeitig die Rampe mit einer Kette zu sperren. Vermutlich hätten sie zumindest geahnt, dass Lebensgefahr besteht, sie hätten vermutlich gewusst, dass eine AUflösung der Polizeikette ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr dazu führt, dass die Ströme wieder gergelt in Gang kommen. Das Problem besteht darin, dass das ganze nicht nur aus diesem kleinen Flecken bestand, wo das Unglück geschah, sondern ein kompliziertes, komplexes System war, wo eben kaum vorhersehbar war, wie und dass eine solche Situation entstehen würde. Und das vor allem auch deswegen, weil unterschiedliche Bereiche von unterschiedlichen Personen geregelt wurden, die nicht oder zu wenig miteinander und dann noch aneinander vorbei redeten (siehe Dr. Wittsiepes Analyse). Das ist der ist der eigentliche heiße Brei. Man kennt vielleicht die Einzelsituationen oder die Details. Aber wenn alles mehrfach miteinander kombiniert wird, wird schnell etwas übersehen (siehe Professor Müllers Beitrag #168, der darauf hinweist, dass Professor Schreckenberg wohl etwas übersehen hat, was er vermutlich eigentlich wusste) und die Planungen und Handlungen passen nicht mehr zueinander. Man kann daraus entweder schließen, dass Veranstaltungen wie die Loveparade daher nicht möglich sind oder man kann daraus schließen, dass es vor allem Organsation und Management und Kommunikation sind, die analysiert, verbessert und künftig strikt reglementiert werden müssen.

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Flusspferd schrieb:
Der "heiße Brei" von dem keiner eine Ahnung hat entstand an dem Tag selbst deswegen, weil die Veranstaltung schlichtweg nie hätte genehmigt werden dürfen. Und zwar nicht nur wegen den von Meister der Veranstaltungstechnik genannten Verstöße gegen die Vorschriften, sondern auch wegen der Expertise des von Cebin und  Schäferweil und weil das Entfluchtungsgutachten letztlich zu dem Ergebnis kam, dass es nicht geht, es aber verpasst wurde das explizit festzustellen und Konsequenzen zu ziehen. 

Wer ist Schäferweil?
Wo kann man das nachlesen?

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entschuldigung, ich meinte Klaus Schäfer. Ich hatte mich grammatikalisch verrannt und wollte es zurecht kopieren und habe es dabei verbösert.

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@ Flusspferd # 176

Flusspferd schrieb:
Zu Beginn Ihres Beitrages meint man, "heißer Brei" stünde für das...... 
Sie rätseln also um meinen heißen Brei. In dem was Sie zu dem Polizisten bezüglich Hilfslosigkeit contra Fahrlässigkeit sagen und über das Problem eines guten Managements einer so großen Veranstaltung stimme ich Ihnen voll und ganz zu.
Quote:
"Größe .....macht bei Veranstaltungen natürlich Probleme, weil viele Besucher zusammenkommen. Aber sie macht auch Probleme, weil viele Menschen in der Organisation zusammenarbeiten müssen.

Letzteres, das Miteinander, ist in der Tat das Hauptproblem nicht nur bei großen Veranstaltungen, sondern das der ganzen Menschheit. Und bei Großveranstaltungen mit vielen Planern kann schlechtes Miteinander besonders tragische Folgen haben. Das ist in der Tat ein Kapitel für sich.

 

Dennoch ist das Lopa-Management selber, sei es nun gut oder schlecht  gewesen, auch wieder nur die Folge des 'heißen Breis' der es geschafft hat - und das habe ich schon an verschiedensten Stellen wiederholt geäußert - das Bauwerk Tunnel-Rampe als einzigen und als Ein- und Ausgang zu bestimmen/ festzulegen und durch alle Planungen und Widerstände hindurch zu manövrieren.

 

Wer kam auf die Idee, wer hat das bestimmt und strafrechtlich relevant zum 'Erfolg' manövriert? 

 

Deshalb mal eigens die Frage an alle, die die Planungsunterlagen gut kennen: wo steht, wer das bestimmt hat. Das wurde noch an keiner Stelle explizit erwähnt. Dass Schaller die komplette Einzäunung wollte, war irgendwo zu lesen. Aber wem ist die Wahl dieses Bauwerks als Nadelöhr von Ein- und Ausgang zuzuordnen?

Der/die oder diejenigen, die das bewusst getan haben, haben die 21 Toten auf dem Gewissen. Das kann kein Versehen gewesen sein, keine Dummheit, kein menschliches Versagen. Die Ursache durch Gully/Bauzaun/Baumwurzel ist auch nur eine Folgeursache dieser ersten Entscheidung. Die falschen Polzeiketten und was da sonst noch schief gelaufen ist, sind auch nur eine Folgeursache dieser ersten.

Wiederum brauchte der unbedingte Wille zur Loveparade auch nicht zwingend diese Entscheidung. Es gab sicherere Lösungen, die nicht in Erwägung gezogen wurden.

Nicht die Lopa als ganzes hätte nicht genehmigt werden dürfen, sondern einzig die Nutzung dieses Bauwerks als alleinigen Ein- und Ausgang hätte nie genehmigt werden dürfen.

Welcher heiße Brei hat es geschafft, bei sämtlichen Planern die Binsenweisheit, die dem Bauwerk aus allen Poren schaut, in den Wind zu schlagen, oder, wie die Leserin so schön sagt: kreativ auszuklinken.

Auf meinem Blog unter 5.1.1-Die Suchbildmethode  versuche ich eine der möglichen Methoden zu beschreiben, die das geschafft haben kann. http://www.studio2010loveparade.wordpress.com/5-deutungsversuche/menschlich

Die Frage wäre dann aber immer noch, wer sie warum und auf welches Ziel hin angewendet hat.

Blue

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Man sollte von den bereits gegebenen Vorschriften und Regelungen keine Ausnahmen machen, nur um eine Veranstaltung auf Teufel komm raus zu realisieren.

 

Seit der Loveparade erscheinen täglich Zeitungsartikel in diversen Städten, in denen darüber geklagt wird, dass aufgrund der Loveparade nun viel mehr Sicherheitsvorschriften zu beachten seien. Das ist Quatsch. Die gab es schon lange. Solche Artikel zeigen allenfalls, wie viel Laissez-faire diesbezüglich in der Vergangenheit herrschte.

 

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Hier einige Zitate aus der Begründung zur MVStättV durch die Argebau 2005:

S.4. ......Finden dagegen im Rahmen eines Volksfestes z.B. auf einer Szenenfläche Darbietungen vor mehr als 1000 Besuchern statt und ist dieser Besucherbereich eingezäunt, so fällt jeweils dieser Teil des Volksfestes unter den Anwendungsbereich der MVStättV. ....

S.13 .....Absatz4 Satz1 regelt, dass die Rettungswegbreiten immer nach der größtmöglichen Personenzahl der Versammlungsstätte, also der Besucher und der Beschäftigten, zu berechnen ist. Dabei ist zunächst eine raumbezogenen Betrachtung vorzunehmen....

S.14 ....Bei Einhaltungen der Bemessungsregeln und der sonstigen Anforderungen an die Rettungswege wird eine ausreichend schnelle Räumung unterstellt. Die Regelungen der MVStättV 2002 machen "Evakuierungsberechnungen" für jeden Einzelfall entbehrlich.

S.27 .....Die Erkenntnisse über Gefahrensituationen bei Großveranstaltungen zeigen, dass insbesondere einer schnellen Information der Besucher eine erhebliche Bedeutung zukommt.....

Zum Zitat von S.4 - man erinnere sich an die späte Erkenntnis der Beteiligten, dass die VStättVo bzw SBauVO zugrunde zu legen ist. Gab es keine Weiterbildung seit dem Jahre 2005 und keine Zeit, Gesetze und Kommentare dazu zu lesen?

Zum Zitat von S.13 - "immer" heißt es gibt keine Ausnahme von dieser Regel. "Raumbezogene Betrachtung" heißt jeder Raum und der Tunnel ist ein Raum, musste also betrachtet werden - wie gesagt der Kommentar zur Begründung der MVStättVO stammt aus dem Jahre 2005; es war also 5 Jahre Zeit zu lesen und nachzufragen falls man es nicht verstanden hätte.

Zum Zitat von S.14 - Die Fachkommission Baurecht der ARGEBAU hält also schon 2005 sogenannte "Evakuierungsberechnungen" für entbehrlich, weist aber deutlich darauf hin, dass ALLE Anforderungen an Rettungswege inklusive der Bemessungsgrundlagen einzuhalten sind! Deutlicher geht es nicht mehr.

Zum Zitat von S.27 - Die ELA-Anlage war nicht nur gesetzlich gefordert; es wird sogar deutlich erklärt, warum eine solche Anlage zwingend benötigt wird.

Ich habe bewusst diesen alten Kommentar zitiert. Alle gesetzlichen Regelungen, gegen die verstoßen wurde, sind hinlänglich seit Jahren bekannt. Bisher war ich der Meinung, dass zusätzliche Gesetze und Verordnungen die Situation nicht verbessern können. Jetzt hätte ich doch einen Vorschlag: "Bedienstete der Feuerwehr in Brandschutzdienststellen und Beschäftigte in Baubehörden, die mit Versammlungsstätten betraut sind, haben ihre Kenntnisse des Baurechts, insbesondere der im jeweiligen Bundesland geltenden VStättVO bzw. SBauVO sowie der damit verbundenen weiteren Regelungen wie auch die Kenntnis der gültigen Unfallverhütungsvorschriften für diesen Bereich (BGV C1) alle 2 Jahre durch schriftliche Klausur und mündliche Prüfung nachzuweisen. Nachprüfungen sind nicht zulässig, eine erneute Zulassung zur Prüfung ist erst nach 2 Jahren wieder möglich."

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Meister für Veranstaltungstechnik schrieb:

Bisher war ich der Meinung, dass zusätzliche Gesetze und Verordnungen die Situation nicht verbessern können. Jetzt hätte ich doch einen Vorschlag: "Bedienstete der Feuerwehr in Brandschutzdienststellen und Beschäftigte in Baubehörden, die mit Versammlungsstätten betraut sind, haben ihre Kenntnisse des Baurechts, insbesondere der im jeweiligen Bundesland geltenden VStättVO bzw. SBauVO sowie der damit verbundenen weiteren Regelungen wie auch die Kenntnis der gültigen Unfallverhütungsvorschriften für diesen Bereich (BGV C1) alle 2 Jahre durch schriftliche Klausur und mündliche Prüfung nachzuweisen. [...]"

Also, ganz im Ernst: Eine Pflicht zum regelmäßigen Nachweis von Kenntnissen bei für solche Veranstaltungen Verantwortlichen wäre

  1. tatsächlich eine sinnvolle Maßnahme und
  2. gar nicht so ungewöhnlich, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag.

Leute, die mit Gasinstallationen zu tun haben bzw. an Gashähnen und -leitungen herumschrauben (z.B. Installateure) müssen z.B. regelmäßig nachweisen, dass sie in Kenntnis der aktuellen Vorschriften sind. Können sie das nicht, so erhalten sie keine entsprechende Zulassung von Seiten der Gasversorger mehr, die regelmäßig erneuert werden muss.

Piloten müssen regelmäßig Flugstunden nachweisen. Stewardessen müssen sich regelmäßigen Prüfungen unterziehen, bei denen es wesentlich auch um Sicherheitsaspekte geht. Wenn sie sie nicht bestehen, können sie nicht mehr als Flugbegleiter arbeiten.

Anderen fallen sicher noch andere Beispiele ein.

Nur an der Planung und Genehmigung von Massenveranstaltungen kann scheinbar jeder mitmachen, der mal eine Verwaltungsausbildung bei einer Stadt gemacht hat und anschließend im Bauamt gelandet ist, oder?

 

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Krankenschwestern müssen sich auch permanent weiterbilden. Das ist bei denen sogar ziemlich extrem.

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Und wer jetzt meint, die Loveparade sei ja doch ein Einzelfall, denn so oft käme es ja dann doch nicht vor, dass es bei einer Veranstaltung zu so vielen Toten, Hunderten von Verletzten und womöglich Tausenden von Traumatisierten komme,

der sei daran erinnert, dass der Meister für Veranstaltungstechnik bereits gut begründet ausführte, ein solcher Fall sei geradezu erwartet worden,

aufgrund von verbreiteter Unwissenheit der Verantwortlichen und vor allem fast schon standardmäßig eingerissenem Laissez-faire in Sachen Beachtung von Sicherheitsvorschriften.

 

Seit der Loveparade finden sich täglich Presseartikel, in denen zu lesen steht, aufgrund der Loveparade hätte man nun noch einmal das Sicherheitskonzept einer Veranstaltung überprüfen müssen. Wieso aufgrund der Loveparade?

In der Karnevalszeit finden sich haufenweise Artikel, in denen darüber geklagt wird, nun würden viel strengere Vorschriften gelten, aufgrund der Loveparade. Oder der Innenminister hätte aufgrund der Loveparade völlig neue Sicherheitsregeln eingeführt.

Hier ist so ein Artikel, inklusive Kommentar vom Meister für Veranstaltungstechnik:

http://www.wdr.de/themen/freizeit/brauchtum/karneval_2011/texte/sicherheitskonzept/index.jhtml?rubrikenstyle=karneval_2011

 

Der Meister hat Recht mit seinen Ausführungen über Unwissenheit und Laissez-faire. Kaum etwas zeigt das deutlicher als die mittlerweile unzähligen Artikel, deren Inhalte von oftmals geradezu anklagendem Erstaunen über angeblich ganz neue Sicherheitsregelungen erzählen.

 

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Als Randbemerkung bzw. Kleingedrucktes, um Missverständnissen vorzubeugen: Ausführen muss ich wohl nicht, dass ich nicht etwa solche Prüfungen für kleine Karnevalsvereine vorschlagen möchte. Der Meister für Veranstaltungstechnik nannte bereits die maßgeblich zuständigen Stellen.

 

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Blue

"Die Frage wäre dann aber immer noch, wer sie warum und auf welches Ziel hin angewendet hat."

Du meinst die Tunnelmethode, nicht? Schreckenberg? längster Weg zum Ziel. Eindämmung, Entzerrung, Kontrolle. Grund: nur 250.000 sollten die Sau rauslassen

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Es gibt eine Niederschrift eines ersten Gesprächs mit dem Bauordnungsamt zur Loveparade am 02.03.2010. Laut Niederschrift "waren sich alle Gesprächsbeteiligten einig, dass auf jeden Fall die Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung anzuwenden sind." Zwei Teilnehmer kamen vom Amt 62 (Bauamt), zwei vom Amt 32 (Ordnungsamt), einer von II (Rechtsdezernat), alle Namen im veröffentlichten Dokument geschwärzt.

Die erwähnte Versammlungsstättenverordnung NRW galt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, sie war am 17.11.2009 durch die Sonderbauverordnung SBauVO NRW ersetzt worden. Die neue SBauVO NRW galt ab 28.12.2009, zu diesem Zeitpunkt trat die Versammlungsstättenverordnung vom 20.09.2002 außer Kraft.

Alle Beteiligten waren sich also einig, ein nicht mehr gültiges Gesetz anzuwenden - das aktuelle, gültige Gesetz (SBauVO NRW) wird nicht erwähnt, keiner scheint es zu kennen. Selbst wenn die Unterschiede zwischen beiden Gesetzen nicht ursächlich für die Katastrophe sind, ist die mangelnde Sachkenntnis der beteiligten Behörden doch erschreckend. Der Fehler wäre bei korrekter Vorbereitung des Gesprächs nicht möglich gewesen. Da sich alle geeinigt hatten, die bereits ungültige VStättVO anzuwenden, hätte dies den Teilnehmern spätestens beim Lesen des Protokolls auffallen müssen - eine Korrektur wäre dann unerläßlich gewesen, fand aber offensichtlich nicht statt.

 

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Sehr geehrte Mitdiskutanten,

die Kommentaranzahl (mittlerweile fast 800!) zu diesem Beitrag ist etwas schwierig zu handhaben, ich nehme deshalb die 6-tägige Unterbrechung der Diskussion zum Anlass, die Kommentarfunktion hier auszuschalten. Ich lade alle ein, bei dem schon vor einiger Zeit begonnenen neuen Beitrag zum Thema Loveparade weiter zu diskutieren. Natürlich bleiben die Kommentare  hier lesbar.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

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