Anruf beim Anwalt rettet bei der Selbsthilfe

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 28.09.2010

Der Mieter war seit sechs Monaten verschwunden und seine Angehörigen hatten Vermisstenanzeige erstattet. Da sich der Mietrückstand monatlich vergrößerte, nahm der Vermieter an, der Mieter sei endgültig verschwunden und räumte die Wohnung vollständig aus. Die aus seiner Sicht wertlosen Möbel entsorgte er. Zu sediner Überraschung meldete sich eines Tages der Mieter und verlangte seine Möbel zurück. Als der Vermieter die Entsorgung mitteilte, änderte der Mieter sein Begehren und verlangte Schadensersatz in Höhe von über 60.000 €.

Amts- und Landgericht wiesen die Klage ab, weil der Mieter den Schaden nicht schlüssig dargestellt habe. Insbesondere habe er nicht die für eine Schätzung nach § 287 ZPO notwendigen Anknüpfungstatsachen zur Qualität der Inventarstücke vorgetragen.

Abgesehen davon, dass der BGH (Urteil v. 14.7.2010 – VIII ZR 45/09, WuM 2010, 578) einen Teil des Schadens bereits für schlüssig dargestellt hält und deshalb schon die vollständige Klageabweisung missbilligt, hebt er hervor, dass in einem solchen Fall nicht der Mieter, sondern der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig ist. Immerhin treffe den Vermieter bei einer Selbsthilfe wie hier eine Obhutspflicht hinsichtlich des Inventars. Diese gebiete ihm, nicht nur ein Inventarverzeichnis zu errichten, damit der Mieter ggfs. seine Herausgabeansprüche präzisieren kann, sondern auch eine Wertermittlung!

Der Fall spricht für sich und sollte jeden Vermieter davon abhalten, zur Selbsthilfe zu schreiten oder doch wenigstens die Möbel zu entsorgen. Denn der Schaden wird regelmäßig die Einbußen, die durch eine Räumungsklage (ggfs. mit öffentlicher Zustellung) entstehen, überschreiten.

Für die Kollegen noch ein Bonbon: Ein Vermieteranwalt handelt pflichtwidrig, wenn er seinen Mandanten bei fortbestehendem Mietverhältnis nicht davon abhält, die Türschlösser auszutauschen, um das Vermieterpfandrecht durchzusetzen. Kündigt der Mieter daraufhin fristlos, haftet der Anwalt für den gesamten Mietausfallschaden (OLG Koblenz v. 16.10.2003 - 5 U 197/03, NZM 2004, 39). Der Vermieter hatte seine Absicht im Rahmen eines Telefonats mit dem Kollegen mitgeteilt!

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen