Großkanzleien "schreiben" Atomvertrag?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 29.09.2010

Ich möchte doch gerne mal diesen neuen Zeit-Artikel hier im Blog zur Diskussion stellen:

http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-09/bundesregierung-kanzlei-beratung

Kernaussage:  Der umstrittene Atomvertrag zwischen den vier Energiekonzernen und der Bundesregierung sei unter "maßgeblicher Mitwirkung" zweier Großkanzleien entstanden. " Die Anwälte arbeiten nach Informationen von ZEIT ONLINE auch für den Energieversorger RWE", so der Artikel.

Fragen an alle:

Ist die Darstellung der "Zeit" sachlich richtig?

Inwieweit ist es legitim, dass die Bundesregierung auf externe Rechtshilfe zurückgreift?

Gibt es im konkreten Fall Interessenskonflikte?

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

10 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Oppenhoff und RWE :

Berater RWE Innogy
Oppenhoff & Partner (Köln): Dr. Lars Böttcher (Federführung; Gesellschaftsrecht), Stephan Müller (Vergaberecht), Henning Fischer (Energierecht), Dr. Maxim Kleine (Kartellrecht); Associate: Holger Hofmann (Vergaberecht)

wer von O&P tatsächlich die Regierung beraten hat, ist vermutlich nur über Kanäle zu erfahren, die dem Quellenschutz unterliegen...

Externe Rechtshilfe ist natürlich legitim und Interessenkonflikt gibt es schon deswegen keinen, weil die Regierung die gleichen Interessen vertritt wie das marktbeherrschende Oligopol und De-facto-Kartell der Atomkraftwerksbetreiber. Und dass es so etwas wie einen Amtseid gibt, werden die dummen Wähler in den nächsten drei Jahren sowieso vergessen haben. Wenn schon ohne jede Hemmungen ein ehemaliger Atomlobbyist wie Gerhard Hennenhöfer heim ins Reich, äh, ins warme Nest der schwarz-gelben Ministerialbürokratie geholt und für Reaktorsicherheit verantwortlich gemacht wird, dann bleibt einer Regierung wohl nichts anderes übrig, als wesentliche Vereinbarungen per möglichst geheimem Vertrag zu regeln -- weil ein Verwaltungsakt wegen §20 VwVfG nichtig wäre.

Dass die Regierung versucht, Vereinbarungen wie die hier zitierte (bzw. auf http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/6954-sammelsurium-fuer-die-akw-sicherheit und http://www.klimaretter.info/images/nachruestmanahmen_03_09_2010.pdf) geheim zu halten, ist verständlich, sprechen die Fakten doch der Propaganda vom "Primat der Sicherheit" Hohn.

Seltsamerweise erinnert mich das irgendwie daran bzw. daran -- damals teilten zwei Großmächte ohne demokratische Legitimation die Beute auf Kosten eines Dritten...

0

Mir fällt als einzige Lösung die Aufhebung des Berufsbeamtentums ein. Nur damit bekommt man wieder fähige Leute in die Ministerien. Wenigstens für ein paar Jahre am Anfang der Karriere, und die guten werden später in Kanzleien abgeworben.

 

Es sieht doch so aus, als gäbe es kaum noch akzeptable - von guten ganz zu schweigen - Juristen unter 50 in der öffentlichen Verwaltung. Die wird es unter den bestehenden Umständen auch nie wieder geben. Wo sollen sie denn her kommen, wenn A14 oder vielleicht A15 die höchstmögliche Beförderungsstufe für irgendwann in 25 Jahren ist.

0

Wie kommen Sie darauf, dass in der Verwaltung die Juristen über 50 Jahre besser bzw. akzeptabler sind. Der Vorgang deutet doch daruf hin, dass in der gesamten Verwaltung der Bundesregierung kein Jurist der Sache gewachsen war. Aber vielleicht mussten die aus arbeitszeitrechtlichen Gründen auch nur zu früh ins Bett?

0

Dazu gab es am Freitag eine Tagung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Institut für Gesetzgebung und Verfassung befasste sich mit dem Thema "Gesetzgebungsoutsoucing - Gesetzgebung durch Rechtsanwälte?"

 

Anlass waren die von Linklaters bzw. Freshfields erstellten Gesetze im Rahmen der Finanzkrise, die Regelungen in Zusammenhang mit der Verlängerung der Reakterlaufzeiten spielte in der Diskussion ebenfalls eine Rolle.

 

Einen Tagungsbericht dazu gibt es hoffentlich morgen in einem noch zu bestimmenden Blog - und mit etwas Glück in der nächsten JuS

0

bleibt die Frage, was zu bevorzugen ist: verdeckte Einflussnahme durch den üblichen Lobbyismus, die nur selten so offensichtlich wird wie bei den Formulierungen der Pharmaindustrie, die sich nahezu 1:1 in den Entwürfen zur Gesundheitsreform wiederfinden oder gleich offenzulegen, dass man externe Juristen mit der Gesetzesformulierung beauftragt hat. Im einen Fall wird das Honorar direkt vom Steuerzahler getragen, im anderen Fall über den Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung...

0

Transparenz ist das Stichwort. Externe Konsultation bei der Gesetzgebung ist weder neu noch per se schlecht. Problematisch wird es allerdings (spätestens) dann, wenn der komplette Entwurf von Großkanzleien erstellt wird, zu deren Mandanten pikanterweise Banken oder eben Energiekonzerne zählen.

Ich habe ebenfalls an der Tagung des IGV teilgenommen, die ich insgesamt als gelungen bewerte. Schade fand ich allerdings, dass nahezu alle Referenten die Wichtigkeit eines transparenten Verfahrens betonten, ohne jedoch in ausreichender Weise auf entsprechende Regelungsmöglichkeiten einzugehen.

Allerdings konnte ich an der abschließenden Podiumsdiskussion aus Zeitgründen nicht mehr teilnehmen, vielleicht kam das dort noch zur Sprache. Insoweit hoffe ich auf einen aufschlussreichen Tagungsbericht, den Sie, Herr Striebel, nach Veröffentlichung vielleicht hier verlinken könnten.

 

Viele Grüße,

Jannis Sokianos

Mein Tagungsbericht findet sich nun hier. Mit einem Ergebnis der Schlussdiskussion kann ich jedoch leider auch nicht dienen: Leider hatte ich ebenfalls keine Zeit datu.

Alle Achtung Herr Striebel,

Sie haben Sich ja richtig ins Zeug gelegt! Besteht die Möglichkeit, Ihren Bericht zu speichern? In Ihrem Blog kann ich die Ansicht nicht vergrößern und Google Docs verpixelt alles ab Seite 3. Oder ist das ein Problem meines Browsers (Firefox)?

 

Mit freundlichen Grüßen,

Jannis Sokianos

Rechtsklick auf die Titelleiste (zwischen dem Google-g und 1/13), dann in neuem Tab oder Fenster öffnen -- voilà

0

weitere Information darüber, wie sich Unternehmen und ihre Lobyyisten mittlerweile ihre Gesetze selber schreiben, auch in diesem Telepolis-Artikel bzw. Interview -- Zitate:

Seit dem "Austauschprogramm Seitenwechsel" ist es nämlich offiziell erlaubt, dass sich Lobbyisten als "Leihbeamte" direkt in den Bundesministerien einquartieren. ... Allein zwischen 2004 und 2006 waren pro Jahr im Schnitt 100 Leihbeamte in den Ministerien - insgesamt rund 300. ... Auch der Einfluss dieser Lobbyisten auf die Arbeit der Bundesregierung war enorm: Mehr als 60 Prozent der externen Mitarbeiter vertraten die Bundesregierung bei Veranstaltungen und Verhandlungen. Über 60 Prozent erstellten Leitungsvorlagen für Topbeamte. Über 25 Prozent waren an Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge beteiligt. Und über 20 Prozent der Leihbeamten haben sogar direkt an Gesetzen und Verordnungen formuliert....

wo bleibt da §20 VwVfG ..???

Das in Deutschland bis dato verbotene Angebot von Hedgefonds sollte auch in Deutschland legalisiert werden. Hier wurde ein Damm gebrochen, den Deutschland wohlweislich gegen die Hedgefonds mit ihren gefährlichen Geschäftsmodellen errichtet hatte - auch angesichts der hochproblematischen Erfahrungen, die man in den USA schon seit Jahrzehnten mit diesem Finanzinstrument gemacht hatte. Das Gesetz wurde schließlich von einer Angestellten des Bundesverband Investment und Asset Management e.V mitformuliert worden. Die Dame hatte - just während der heißen Phase der Gesetzesformulierung, von Januar bis August 2003 - einen eigenen Schreibtisch im Ministerium, und zwar in der Abteilung "Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik". Die "Leihbeamtin" wurde weiterhin vom BVI bezahlt. Das Finanzministerium übernahm nur Kosten, die ihr Einsatz zusätzlich mit sich brachte: etwa 2000 Euro insgesamt. Die Lobbyarbeit hat sich gelohnt: Die ausländischen Hedgefonds haben sich in Deutschland rasant ausgebreitet, mittlerweile sind sie an rund 1000 deutschen Firmen beteiligt. Das hat vor allem einen Grund: Wenn Anleger ihre Anteile verkaufen, dann müssen sie in Deutschland keine Steuern zahlen - dank der Lobbyistin im Bundesfinanzministerium. Dadurch entgehen dem deutschen Staat Milliarden. ...

Das Bundesinnenministerium wird nun zweimal im Jahr über den Einsatz von Leihbeamten berichten. Offengelegt und dokumentiert werden soll, wie viele Leihbeamte in den Ministerien eingesetzt werden und wie lange sie tätig sind, was sie genau tun, für wen sie arbeiten und was sie in dieser Zeit verdienen. Allerdings soll das Innenministerium lediglich den Haushaltsausschuss informieren. Und dieser Bericht ist vertraulich. Das Wirken der Inside-Lobby soll also weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit vonstatten gehen.

Es stellt sich die Frage, warum sich die Bundesregierung nicht dazu durchringen kann, die Beschäftigung von Leihbeamten in den Bundesministerien ganz zu beenden. Aus meiner Sicht führt auch selbst eine noch so lückenlose Transparenz in die Leere. Denn das entscheidende Argument gegen die Inside-Lobbyisten lässt sich auch durch die beste Verwaltungsvorschrift nicht aus der Welt schaffen: das in einem Ministerium angesammelte Insiderwissen und der entscheidende Zeitvorsprung, den die Inside-Lobbyisten hier gewinnen. ...

Selbst das Parlament im Ursprungsland der Finanzkrise, das amerikanische Repräsentantenhaus, lehnte das dort von der Regierung vorgelegte Rettungspaket zunächst ab, sodass Zeit für Nachbesserungen entstand - klassischer Parlamentarismus. Doch von dem hat sich die Bundesrepublik mit ihrem Vorgehen bei dem 500-Milliarden-Paket wohl auf längere Sicht verabschiedet.

Hat zwar nur indirekt damit etwas zu tun: aber dass hier etwas gründlich schiefläuft und über ihre Köpfe hinweg entschieden und ausgekungelt wird, ahnen die Wähler ja schon länger -- und nun haben sie mit Stuttgart21 den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Für vollkommen blöd nach dem Motto "wir haben das mal so beschlossen, die 200 Prozent Budgetüberschreitung zahlt das dumme Volk sowieso" lassen sich die Wähler eben nicht ewig verkaufen ... siehe z.B. hier , hier ... oder hier

 

 

 

 

 

0

Kommentar hinzufügen