Rechtsgrundlage dringend gesucht

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.10.2010
Rechtsgebiete: Familienrecht14|5388 Aufrufe

Nach dem der Kindesvater anlässlich eines gemeinsamen Urlaubsaufenthalts mit der Mutter in seinem Heimatland Ägypten das gemeinsame Kind aus dem Hotelzimmer entführt hatte, entwickelten Kind und vor allem wohl die Mutter eine vom Sachverständigen als irrational bezeichnete Angst vor dem Kindesvater.

Das AG hatte einen begleiteten Umgang angeordnet, das OLG  Hamm (Beschluss v. 10.05.10 - 6 WF 184/09) schloss auf die Beschwerde der Mutter den Umgang des Vaters bis zum 30.06.2012 vollständig aus.

In dem Beschluss des Senats heisst es am Ende:

Dementsprechend war der Mutter aufzugeben, ihre bestehenden Ängste vor der Gewährung von Umgang psychotherapeutisch behandeln zu lassen. Letztlich dient die Ermöglichung eines angst- und konfliktfreien Umgangs des Kindes mit seinem Vater auf Dauer dem Wohl des Kindes. Die Mutter hat ihren Beitrag dazu zu leisten.

Das mag inhaltlich sinnvoll sein, aber:

Wo bitte ist die Rechtsgrundlage für eine solche Behandlungsauflage an die Mutter?

Um sachdienliche Hinweise wird gebeten.

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14 Kommentare

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Und vor Allem:
Wo ist die Rechtsgrundlage für einen Umgangsausschluss zwischen Vater und Kind wo dieser doch, nach Erkenntnis des Gerichts, ausschließlich in der Psyche der Mutter seine Begründung findet?

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@ Gerhard Raden

Lesen Sie genau. Dass das OLG den Umgangsausschluss nur auf Grundlage der Angst der Mutter angeordnet habe, wird nicht berichtet. Auch das Kind hat Angst (nach einer Entführung nun auch wirklich verständlich und ganz gewiss nicht "irrational", Sachverständige gibt's!).

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Ich beziehe mich auf das, was Herr Burschel geschrieben hat und da geht es primär darum, die Mutter von ihren Ängsten zu heilen, damit der Umgang zukünftig funktionieren kann.

Sonst würde ja wohl das Kind behandelt werden und nicht die Mutter.

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Komischerweise wird auch immer nur dann von Entführung gesprochen, wenn der Vater der Mutter das Kind entzieht.

Umgekehrt ist es das normalste der Welt.

Ich habe jedenfalls noch nie gehört, dass über eine Mutter Umgangsauschluss verhängt würde, weil sie mit dem Kind abgehauen ist.

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§ 1666 Abs. 1 BGB?

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Der Hinweis von Kruemelmonster auf § 1666 Abs. 1 BGB erscheint mir sehr treffend. Allerdings kürzlich just abgelehnt von BGH, 17.02.2010 - XII ZB 68/09.

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@#6: ist nicht vergleichbar, in der zitierten Entscheidung ging es darum, ob die Mutter zur Mitwirkung bei der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens über sich mitwirken muss, bei dem festgestellt werden soll, ob sie nur eingeschränkt erziehungsfähig ist.

Dies wurde verneint, weil "eine sachverständige Exploration das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen berührt, weshalb sich die Weigerung der Mutter letztlich als Ausübung ihrer Grundrechte darstellt."

Es wurden nicht genügend Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft: "Das Beschwerdegericht hat es versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen - und auch eines psychologischen - Sachverständigen gerichtlich anzuhören und hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzu-ordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vor-gehen wäre vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig."

Rechtsgrundlage daher am ehesten:

§1666 Abs. 3 BGB: Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

   

Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen

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Ich teile die Bedenken von OG in #6

Wenn schon keine Pflicht zur Untersuchung im Rahmen des § 1666 besteht, wie soll dann eine Pflicht zur Behandlung bestehen?

1666 III betrifft das Kind, nicht einen Elternteil.

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Herr Raden

Wenn Sie nichts zum Thema beitragen können, sollten Sie besser schweigen.

dann hätte ich noch §1684 im Angebot...

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten.

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die o.g. BGH-Entscheidung bezog sich auf ein psychiatrisches Gutachten ("sachverständige Exploration"), das vor allem deswegen nicht zulässig war, weil andere Ermittlungsmaßnahmen unterblieben sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht war vor dem Hintergrund dieses Versäumnisses unverhältnismäßig -- auch wei les keine gesetzliche Grundlage dafür gibt.

In dem Beschluss steht aber auch:

"Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen."

i.V.m. 1684 ausreichend?

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§ 1684

eben:  die Eltern haben alles zu unterlassen...

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der Leitsatz zu der 1666 - Entscheidung des BGH :

In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen

so sehr die Auflage inhaltlich sinnvoll gewesen sein mag, so bleiben für mich doch Zweifel an der Rechtsgrundlage

siehe auch BVerfG FamRZ 2004, 523

An einer solchen verfassungsrechtlich gebotenen klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Grundlage für den hier vorliegenden weitreichenden Eingriff fehlt es, wenn eine Anordnung, die den Betroffenen zwingt, sich im Rahmen eines sorge- bzw umgangsrechtlichen Verfahrens psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen, - wie vorliegend - auf keine sie legitimierende Gesetzesnorm gestützt werden kann

 

 

ich würde hier wirklich unterscheiden zwischen

- der Anordnung, sich zur psychologischen und psychiatrischen Begutachtung und Beurteilung einem Sachverständigen vorzustellen mit dem Zweck, Aussagen über die Erziehungsfähigkeit zu gewinnen bzw. der Verfassungswidrigkeit einer solchen Anordnung (zitierte Entsch. von BVerfG und BGH) und 

- bei offensichtlich eindeutiger Entscheidung über SR und ABR und keiner drohenden Gefahr nach § 1666 das Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Eltern zu wahren (§ 1684) und die Hindernisse zu beseitigen, die dem entgegenstehen.

"Hindernis 1" - Angst des Kindes vor dem Vater wegen der Entführung. Entscheidung AG: begleiteter Umgang, andere Entscheidung OLG: 2 Jahre lang kein Umgang -- vermutlich damit die Ereignisse verarbeitet werden können.

"Hindernis 2" - Angst der Mutter, Entscheidung und Begründung Zitat des OLG oben. Und in diesem Sinne greift mMn § 1684 Abs. 2 und 3. Ansonsten wäre -- wenn die Mutter ihre (vom Sachverständigen als irrational beurteilte) Angst vor dem Kindesumgang mit dem Kindsvater weiterhin untherapiert im Beisein des Kindes ausleben könnte -- die Maßnahme wegen "Hindernis 1" konterkariert.

Es hat ja offensichtlich eine Beurteilung der Mutter durch einen psychologischen/psychiatrischen Sachverständigen stattgefunden und zwar auf eine Weise, die nicht verfassungswidrig ist, so wie sie der BGH in der o.g. Entscheidung unter Rn 32 beschrieben hat: 

"Das Beschwerdegericht hat es versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen - und auch eines psychologischen - Sachverständigen gerichtlich anzuhören und hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzu-ordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vorgehen wäre vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig. Der Senat schließt sich insofern der ganz herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre an (KG OLGZ 1988, 418, 421 ff.; BayObLG BayObLGZ 1972, 201, 204; 1970, 114, 116; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242 f.; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Böhm DAVorm 1985, 731, 733, 736; Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 33 Rdn. 7; Keidel/ Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rdn. 49; Säcker FamRZ 1971, 81, 83; Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; a.A. noch Jansen FGG 2. Aufl. § 12 Rdn. 68). Zwar ist auch mit einer Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht zum Zwecke der Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Betroffenen - insbesondere in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht - verbunden. Allerdings ist dieser Eingriff vorliegend gerechtfertigt, insbesondere ist hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden."

 

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wow, schon Top-Beitrag...

gibt es denn Zustimmung zu § 1684? Andere Meinungen?

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Bleibt da aber nicht die Frage, inwieweit eine Psychotherapie überhaupt in der Lage ist, die Ängste vor einer weiteren Entführung zu nehmen? Da der Kindesvater es in diesem zitierten Fall erfolgreich zwei Mal geschafft hat das gemeinsame Kind zu entziehen, wie kann der Mutter da die Angst genommen werden?

Jede Mutter, die eine solche Situation erlebt hat, wird nachvollziehen können, dass die Angst weder irrational ist, sondern sie auch nicht therapierbar ist, da sie ein gewollter Schutzmechanismus ist, um in einer ähnlichen Situation eine weitere Entführung zu verhindern, bzw eben solche Situationen zu vermeiden!

 

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Wie können Sie für sich in Anspruch nehmen, aus der Ferne schlauer sein zu wollen als der Sachverständige oder das Gericht oder gar beide zusammen?

Aber wenn wir schon mit Ferndiagnosen anfangen wollen: gerade durch den zweijährigen Ausschluss des Umgangs mit dem Vater gibt es ja keinen sachlichen, also rational erklärbaren Grund für die Angst vor einer Entführung bzw. dem Vater, für die Zeit danach dürfte auch nur begleiteter Umgang angeordnet sein. Folglich kann die Angst nur irrational sein...

Und: oben steht nur etwas von einer Entführung, woher haben Sie das "zwei Mal"? Bitte frei zugängliche Quelle nennen.

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