Unfallflucht: Fahrerlaubnisentziehung (natürlich) auch ohne bedeutenden Schaden möglich

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.10.2010

In mehreren Zeitschriften ist gerade eine Entscheidung des LG Berlin (so etwa LG Berlin NZV 2010, 476) veröffentlicht, die § 142 StGB und die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nach § 111a StGB zum Gegenstand hat. Bekanntlich ist innerhalb des § 111a StPO zu prüfen, ob bei Verfahrensabschluss die (endgültige) Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB dringend wahrscheinlich ist. Im gegebenen Falle war der Schaden bei 1220 Euro anzusiedeln und damit unterhalb des Grenzwertes eines bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Das LG hat gleichwohl die Beschwerde gegen den § 111a-Beschluss des AG zurückgewiesen (hier gekürzt):

"...Zwar liegt die Höhe des an dem Pkw Porsche entstandenen Schadens mit 1220 € knapp unterhalb des Grenzwertes eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, der momentan bei etwa 1300 € anzusetzen ist (vgl. Fischer, StGB 57. Auflage, § 69, Rdnr. 29 m.w. Nachw.). Allerdings ist für die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Kraftfahrers das gesamte Tatverhalten zu berücksichtigen. Es kommt nicht allein darauf an, ob ein Regelbeispiel nach § 69 Abs. 2  StGB verwirklicht wurde, insbesondere dann nicht, wenn sich wie hier – die Frage des Regelbeispiels des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – nur im Grenzbereich dessen bewegt, was in der vielfältigen Rechtsprechung zu diesem Thema erörtert wird (vgl. z.B. LG Berlin, NZV 2006, NZV Jahr 2006 Seite 106: 1100 € oder LG Hamburg, DAR 2005, DAR Jahr 2005 Seite 168: 1250 €), und wie hier die polizeiliche Schätzung des Schadens mit 1000 € bereits sehr deutlich ausgefallen war. Die Feststellung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen setzt vielmehr eine umfassende Prüfung der Frage voraus, ob von dem Beschwerdeführer künftig bei Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr solche Verletzungen von Kraftfahrerpflichten zu befürchten sind, aus denen sich Gefahren für die Allgemeinheit ergeben, wobei eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit vorzunehmen ist (vgl. Fischer StGB, § 69 Rdnr. 37)......

Für die Frage der charakterlichen Eignung eines Kraftfahrers, der sich unter solchen Umständen von einem Unfallort entfernt, kann es nicht nur auf die rechnerische Schadenshöhe ankommen, zumal diese oft vom Zufall abhängt und vom Verkehrsteilnehmer nur eingeschränkt beeinflussbar ist. Bei vorläufiger Würdigung belegt das konkrete Verhalten des Beschuldigten indessen ein derart hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen und Rechtsgütern anderer, dass er voraussichtlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.

Der Beschuldigte hat sich – auch in der Beschwerdebegründung – zum Tatvorwurf bisher nicht eingelassen. Anhaltspunkte für eine andere Bewertung des Geschehens sind damit insgesamt nicht ersichtlich. Der knappen schriftlichen Aussage seines Beifahrers ist nur zu entnehmen, dass sich dieser noch an den geparkten Porsche erinnerte. Woher der Beifahrer allerdings eine solche Erinnerung nimmt, obwohl letztlich kein Unfall passiert sein soll, wird nicht nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschuldigten ein Verbleib am Unfallort ausnahmsweise nicht zumutbar gewesen sein könnte, er sich möglicherweise in einer Überforderungssituation befand, sind nicht erkennbar. Der Unfall ereignete sich bei Tageslicht in einer Wohngebietsstraße. Der Beschuldigte befand sich in Begleitung eines Beifahrers. Er brauchte keine Angst zu haben, sich auf ein klärendes Gespräch mit dem Zeugen einzulassen.

Bei zusammenfassender Würdigung der Gesamtumstände besteht nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen demnach eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Gericht dem Beschwerdeführer die Fahrerlaubnis entziehen wird...."

 

Zu diesem Thema weiter: Himmelreich/Bücken/Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Aufl. 2009, Rn. 259 ff.

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Anscheinend ist hier schon der hinreichende Tatverdacht nicht zweifelsfrei. Auch ansonsten vermag diese Begründung eher nicht zu überzeugen, auch nicht der Versuch, klaren Gesetzeswortlaut mit "Billigkeitserwägungen" auszuhebeln.

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