Pflichtverteidigung: mehrere Zeugen, Widersprüche, erforderliche Vorhalte

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 27.10.2010

Die Frage, wann unter einer Straferwartung von 1 Jahr eine Pflichtverteidigung wegen schwieriger Sach- und Rechtslage notwendig ist, ist im Einzelfall schwer zuverlässig zu beantworten und ständiger Streitpunkt im Strafverfahren. Das LG Berlin hat mit Beschluss vom 11.05.2009 - 525 Qs 63/09 (der erst sehr verspätet veröffentlicht wurde, so etwa in NStZ 2010, 536) einen Fall mit mehreren sich widersprechenden Belastungszeugen entschieden und hier eine Pflichtverteidigerbestellung gem. § 140 Abs. 2 StPO vorgenommen. Maßgeblich war für das Gericht die Ladung von 8 Belastungszeugen durch das Amtsgericht, wobei sich die Belastungszeugen in ihren polizeilichen Vernehmungen teils widersprochen hatten, so dass ausführliche Vorhalte aus den Ermittlungsakten erforderlich schienen.

Solch eine Konstellation kommt natürlich häufiger vor...

 

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2 Kommentare

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Da gibt es überhaupt keine einheitliche Linie. Das hängst immer von der Person des Strafrichters und/oder des Vorsitzenden der Beschwerdekammer ab. Oftmals genügt bereits ein Wechsel in der Position des Kammervorsitzenden, um die "st. Rspr. d. Kammer" auf den Kopf zu stellen.  Ist nun einmal Geschmackssache bzw. eine Frage des rechtspolitischen Standpunkts, ob man eine Pflichtverteidigerbestellung für notwendig erachtet. Und die Rechtsprechung zu § 140 Abs. 2 StPO ist so unübersichtlich, daß (fast) jede Entscheidung zumindest vertretbar ist. Eine Fundstelle, die das genauso sieht, findet man immer.

 

Die Beschwerdekammer des hiesigen Landgerichts hat unter ihrem Vorsitzenden jahrelang Pflichtverteidigerbestellungen  fast immer abgelehnt, weil der Vorsitzende eher ein "Hardliner" war. Nun ist dieser Vorsitzende Präsident und der neue Vorsitzende, ein eher liberaler Kopf, gibt fast jeder Beschwerde statt und ordnet Pflichtverteidiger bei. Für einen juristischen Laien sieht Rechtssicherheit sicher anders aus. Aber so ist das nun 'mal. Auch in einem Rechtsstaat hängt der Ausgang eines Rechtsstreits weniger von den Gesetzen als von der Person des Richters ab. Und was ist bei der heutigen Bandbreite von Gesetzeskommentaren und Gerichtsentscheidungen (Internet und juris sei Dank) schon "unvertretbar"?

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