Klapperstorch im Internat erschlagen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 29.10.2010

Eine Internatsschule hatte von der Mutter einer elfjährigen Schülerin über 8.000 Euro ausstehendes Schulgeld eingeklagt. Die Mutter hatte den Vertrag mit der Schule zuvor mit sofortiger Wirkung gekündigt. Dies begründete sie damit, dass die Zimmergenossin ihrer Tochter mit weiteren Mitschülerinnen heimlich geraucht habe. Weiterhin hatte die Mutter einen von der Elfjährigen geschriebenen Zettel mit angeblichen Intimitäten zwischen Schülern und Schülerinnen gefunden. Die Mutter meint, ihre Tochter sei durch den Internatsaufenthalt erheblich geschädigt worden. Zuvor habe die Tochter noch geglaubt, die Kinder würden vom Storch gebracht. Sie sei bei den Wochenendbesuchen körperlich und geistig total ausgelaugt gewesen. Die Schulleitung verletzet nach Auffassung der Mutter ihre Fürsorge- und Aufsichtspflicht, weil die Tochter mit Vorgängen konfrontiert worden sei, die schädlich für deren Entwicklung seien. Die Schule gab an, dass die heimlich rauchende Mitschülerin einen Verweis und Arbeitsstunden erhalten habe. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Erziehungs- und Schulvertrages liege nicht vor.

LG: Kind muss nach und nach auf Realitäten vorbereitet werden

Auch das LG Coburg meint, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund lägen nicht vor. Das Rauchen berechtige nicht zur außerordentlichen Kündigung, weil das Kind einvernehmlich in ein anderes Zimmer verlegt worden sei. Zudem sei zwischen dem Aufdecken des Zigarettenkonsums bei der Mitschülerin und der außerordentlichen Kündigung über ein halbes Jahr verstrichen. Hinsichtlich der Konfrontation der Elfjährigen mit sexualbezogenen Themen stellte das Gericht fest, dass es erforderlich ist, ein Kind nach und nach auf die Realität vorzubereiten. Damit könne das Kind den Einflüssen standhalten, denen es früher oder später ohnehin ausgesetzt sei. Nach den Feststellungen des Gerichts kam es zu Gesprächen älterer Schülerinnen im Beisein der Tochter der Beklagten über Beziehungen zwischen anderen Schülerinnen und Schülern. Der Ablauf und der genaue Inhalt dieser Gespräche blieben für das Gericht ebenso unklar wie deren Wahrheitsgehalt.

Glaube an den Klapperstorch nicht ewig bewahrbar

Soweit die beklagte Mutter eine Schädigung ihrer Tochter behauptete, konnte das LG Coburg keinen Zusammenhang mit den Sexualthemen sehen. Zwar sei die Sorge der Mutter um das Wohl ihres Kindes anzuerkennen. Es sei jedoch vorhersehbar gewesen, dass die elfjährige Tochter im Internat mit dem Thema Sexualität konfrontiert werden würde. Vor dem Hintergrund des Konzepts des Internats, nach dem Kinder verschiedener Altersklassen gemeinsam untergebracht werden, sei es für das Gericht unrealistisch, dass sich die Tochter im Internat ihren Glauben an den Klapperstorch bewahren würde. Das Gericht meinte, dass sowohl die Mutter als auch die Schule das Gespräch mit der Elfjährigen hätten suchen können, um diese kindgerecht und aufklärend an das Thema Sexualität heranzuführen. Einen sofortigen Schulwechsel hielt das Gericht für nicht geboten. Die Mutter müsse daher das bis zum vertraglich vorgesehenen Kündigungstermin anfallende Schulgeld bezahlen.

LG Coburg v. 06.07.2010 - 23 O 105/10 (Pressemitteilung des Gerichts)

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4 Kommentare

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Genießen Störche nicht Artenschutz, ob mit oder ohne Klapper sollte man neben dem Zivilrechts- vielmehr den Verwaltungsrechtsweg bemühen.

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Verwaltungsrecht? Gegenüber welcher Behörde, wenn es sich hier um ein privates Internat handelt? Oder kennen Sie öffentliche Schulen, die ein Schulgeld in Höhe von 8000 Euro verlangen?

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