Vollmachtsnichtvorleger...mal wieder ausgebremst

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.11.2010
Rechtsgebiete: ZustellungVollmachtStrafrechtVerkehrsrecht3|4350 Aufrufe

Bei Openjur habe ich gerade die Entscheidung KG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - Az. 3 Ws (B) 84/10 gefunden, auf die auch im VollMachtsBlog bereits hingewisesn worden ist. Es geht einmal mehr um das Nichtvorlegen einer Vollmacht im Bußgeldverfahren. Das Kammergericht hat in der schon länger zurückliegenden Entscheidung trotz fehlender Vollmacht eine solche für erteilt erachtet:

"...Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate, danach sechs Monate. Vorliegend ist die Verjährung bezüglich der vom Betroffenen am 13. März 2009 begangenen Ordnungswidrigkeit durch den Erlass des am 3. Juni 2009 zugestellten Bußgeldbescheids am 28. Mai 2009 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG und die am 22. September und 27. Oktober 2009 erfolgten Anberaumungen eines Hauptverhandlungstermins gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG jeweils wirksam unterbrochen worden. Dabei ist die Zustellung des Bußgeldbescheids an Rechtsanwalt S... wirksam erfolgt. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG, § 5 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i. V. m. § .7 Abs. 1 Satz 1 VwZG kann an einen für bestimmte Angelegenheiten im Sinne von § 166 Abs. 2 BGB bestellten Vertreter des Zustellungsempfängers wirksam zugestellt werden (vgl. Lampe in KK, OWiG 3. Aufl., Rn. 82; Seitz in Göhler, OWiG 15. Aufl., Rn. 42; Wieser, OWiG, Rn. 5.3; Hannich in Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG 3. Aufl., Stand Mai 2006, Rn. 28; jeweils zu § 51 OWiG). Eine solche Vollmacht wird durch Erklärung gegenüber dem zu bevollmächtigenden oder dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, erklärt (§ 167 Abs. 1 BGB), wobei die Erteilung grundsätzlich auch formlos, unter Umständen auch konkludent erfolgen kann (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, VwVollStrG-VwZG, 8. Aufl., § 7 Rn. 1, 2; Sadler, VwVollStrG-VwZG, 6. Aufl., § 7 Rn. 4; Schramm in MK, BGB 5. Aufl., § 167 Rn. 4, 11, 15). Dabei ist davon auszugehen, dass allgemein bevollmächtigte Personen, wie z. B. Generalbevollmächtigte oder Prokuristen, in der Regel zur Annahme von Schriftstücken, die in Bußgeldverfahren zugestellt werden, nicht ermächtigt sein werden, da dies nicht zu ihrem Aufgabenkreis gehört. Das Gegenteil gilt jedoch für Vertreter, die für bestimmte Angelegenheiten bestellt sind und bei denen die Bevollmächtigung zugleich die Ermächtigung umfasst, Zustellungen in Empfang zu nehmen (vgl. Seitz in Göhler a. a. O.; Sadler a. a. O., Rn. 6). Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt, so darf im Hinblick auf dessen Stellung als Organ der Rechtspflege gemäß § 1 BRAO der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nur ausnahmsweise aus besonderem Anlass gefordert werden (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann a. a. O., Rn. 6; Sadler a. a. O., Rn. 4; jeweils m. w. N.) . Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze besteht kein Zweifel daran, dass die an Rechtsanwalt S... erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheides wirksam war, da es sich bei dem Rechtsanwalt um den für das Bußgeldverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde Bevollmächtigten handelte,..."

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Hohes Gericht, „mal wieder ausgebremst"?

Was gibt es da zu feiern, wenn das Kammergericht - wie im VollMachtsBlog aufgezeigt - unter sturer Missachtung von § 51 Abs. V S. 2 OwiG seine gesetzwidrige Fiktion einer tatsächlich nicht bei der Akte befindlichen Vollmachtsurkunde (!) auf eine kraft Gesetzes nicht anwendbare Norm stützt ???

0

Die Zustellung des Bußgeldbescheides erfolgte an den Rechtsanwalt. Sie ist wirksam gewesen, weil dieser entweder Verteidiger des Betroffenen oder dessen Vertreter war. Das KG hat § 51 Abs. 5 Satz 2 OWiG nicht übersehen. Vielmehr konnte dahinstehen, in welcher Funktion der Rechtsanwalt das Schriftstück empfing. Die vor Bewirken der Zustellung vorgelegte schriftliche Vollmacht schloss die Entgegennahme von Zustellungen nicht ausdrücklich aus. Daher gilt für den als Verteidiger tätigen Anwalt § 51 Abs. 3 OWiG, für den als Vertreter des Betroffenen tätigen das Verwaltungszustellungsgesetz.

0

Kommentar hinzufügen