Netzsperren gegen Kinderpornographie wieder im Bundestag - wird das nicht angewendete Zugangserschwerungsgesetz nun wieder aufgehoben?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 10.11.2010

Das große Internet-Thema des vergangenen Jahres - das kurz vor der Bundestagswahl  entgegen massiver Kritik verabschiedete Zugangserschwerungsgesetz zur Bekämpfung kinderpornographischer Netzinhalte (siehe hier) - Stichwort Netzsperren bzw. "Stopp-Schilder", wird heute wieder im Bundestag diskutiert. Bekanntlich galt bislang der "Nichtanwendungserlass" der neuen Bundesregierung, mit dem dem eigentlich dazu gesetzlich verpflichteten BKA vorerst untersagt wurde, per Sperrliste Netzsperren bzw. "Stoppschilder" anzuordnen. Vielmehr sollte das BKA versuchen, unmittelbar die Löschung solcher Netzangebote zu erreichen - eine aus vielerlei Gründen vorzugswürdige Lösung. Dieser Nichtanwendungserlass ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen allerdings kaum vereinbar (siehe schon hier).

Nach nunmehr einem guten Jahr wurde auch eine Evaluation des "Löschen statt Sperren"-Modells  vom BKA publiziert (siehe hier). Es ergibt sich ein gemischtes Bild. Wohl weil für die Löschanfragen offizielle Behördenkanäle zu beschreiten waren, ist der Erfolg dieses Weges bislang "durchwachsen". Die Löschanfragen sind insbesondere im Hauptland der Kinderpornografie-Server, den USA, offenbar wenig erfolgreich. Dort lässt man polizeilicherseits die Angebote im Netz, vielleicht um die Hinterleute zu ermitteln statt sie aufzuscheuchen.

Dem Bundestag liegen mittlerweile mehrere Gesetzentwürfe der Oppositionsparteien vor, nach denen das Zugangserschwerungsgesetz gestrichen werden soll. Dazu gibt es heute im Rechtsausschuss eine Experten-Anhörung. Deren Stellungnahmen können jetzt teilweise schon gelesen werden. Während einige im IT-Bereich tätige Rechtsanwälte die Bundeskompetenz in Frage stellen, wird dies von Prof. Heckmann, Passau, etwas anders eingeschätzt (hier). Weitgehend einig ist man sich aber darin, dass die Netzsperren ungeeignet bzw. unverhältnismäßig seien. Die Sperrlisten tendierten zum "Over-Blocking", also auch der Sperre nicht strafbarer Netzangebote. Zudem könnten Sperrlisten, deren "leaking" kaum ausgeschlossen werden könne, selbst ein Problem sein, da dadurch einschlägig Interessierte möglicherweise erst auf bestimmte Angebote hingewiesen werden. Außerdem sei es sehr aufwändig, die Listen auf einem jeweils aktuellen Stand zu halten. Letztlich könnten auch alle Formen der Sperre umgangen werden, teilweise mit sehr einfachen Mitteln. Prof. Hoffmann-Holland beklagt in seiner Stellungnahme deshalb zutreffend eine überwiegend "symbolische Gesetzgebung" die Ressourcen bindet, ohne tatsächlich effizient zu sein. (Weiterführend sei für das Thema noch auf internet-law von Thomas Stadler  hingewiesen).

Inhaltlich hat sich die Kritik an den Netzsperren also kaum verändert. Aber anders als im vergangenen Jahr sind die Netzsperren kein großes öffentliches Thema mehr. Inzwischen wird mehr über die Frage diskutiert, ob und inwieweit "cybergrooming" schon strafbar ist oder noch strafbarer sein sollte (vgl. dazu Jens Ferner  einerseits und die bayerische Jusizministerin andererseits (hier). Hierzu wird offenbar Rechtspolitik durch ein fragwürdiges Fernsehformat betrieben (siehe schon hier im Blog).

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