Mehrfachverteidigung: Auch nach Verfahrensverbindung verboten!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.11.2010

Wichtig für alle Richter und Verteidiger: Das OLG Celle, Beschluss v. 16.09.2010 - 2 Ws 312/10 hat zur Mehrfachverteidigung Stellung genommen und zwar in dem nicht ganz selten vorkommenden Fall, dass diese erst durch eine Verfahrensverbindung des Gerichts zustandekommt. Beschwert hatten sich Angeklagter und entpflichteter Verteidiger:

"...Die Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt H. ist nicht zu beanstanden. Die gleichzeitige Verteidigung des Angeklagten G. in diesem Verfahren sowie eines weiteren Angeklagten in dem verbundenen Verfahren verstößt gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung gem. § 146 StPO. Nach dem Wortlaut des § 146 Satz 2 StPO in der seit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 geltenden Fassung darf ein Verteidiger nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen. Es ist allerdings umstritten, ob dies auch für den Fall einer Verbindung nach § 237 StPO gilt (so Laufhütte in: KK-StPO, 6. Aufl., § 146 Rn. 8), oder ob dafür eine Verbindung nach §§ 3 ff. StPO erforderlich ist (in diesem Sinne wohl OLG Stuttgart, NStZ 1985, 326. Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 146 Rn. 17), weil durch § 237 StPO nur die gleichzeitige Verhandlung möglich wird, aber keine Verfahrensidentität eintritt (vgl. Meyer-Goßner a. a. O. § 237 Rn. 1).

Nach Auffassung des Senats kann es allerdings für das Vertretungsverbot nach § 146 Satz 2 StPO nicht auf die formale Frage nach dem Grund der Verfahrensverbindung ankommen, sondern allein darauf, ob bei gleichzeitiger Verhandlung verschiedener Straftaten für den Verteidiger, der darin mehrere Angeklagte vertritt, ein Interessenkonflikt entstehen kann. Nur dies entspricht dem Sinngehalt von § 146 StPO, der den Beschuldigten vor typischerweise auftretenden Interessenkonflikten seines Verteidigers schützen soll (Meyer-Goßner, a. a. O. Rn. 1 m.w.N.).

Dafür spricht auch die Änderung des § 146 StPO durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1987. Der Begründung des Gesetzgebers ist zu entnehmen, dass durch die Neufassung von § 146 StPO, der bis dahin lediglich allgemein eine Mehrfachverteidigung allgemeint verbot, die sukzessive Mehrfachverteidigung erlaubt werden sollte (BTDrucks. 10/1313 S. 15 und 10/6592 S. 6, vgl. a. Laufhütte in: KK-StPO,6. Aufl., § 146 Rn. 1). Der Umkehrschluss ergibt, dass jedenfalls eine gleichzeitige Verteidigung mehrerer Angeklagter im selben Verfahren nicht ermöglicht werden sollte, jedenfalls dann nicht, wenn ein Interessenkonflikt des Verteidigers im Rahmen der Mehrfachverteidigung nicht auszuschließen ist.

So liegt es hier, ein Interessenkonflikt ist nicht nur nicht auszuschließen, er steht vielmehr konkret im Raum. Da der Angeklagte G. und der in dem hinzuverbundenen Verfahren angeklagte weitere Mandant von Rechtsanwalt H. durch denselben Zeugen belastet werden, können bei beiden Angeklagten unterschiedliche prozessuale Interessen hinsichtlich der Anerkennung des Inhalts dieser Zeugenaussage entstehen. Für einen der beiden Angeklagten kann sich eine Verständigung auf der Grundlage der Zeugenaussagen anbieten, für den anderen nicht. Einem der beiden Angeklagten kann es im Verlaufe des Verfahrens auf eine möglichst geringe Bestrafung ankommen, während der andere einen Freispruch erstrebt. Jedes Einräumen einer Tat durch einen der Angeklagten aber würde die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen erhöhen und damit die Möglichkeit eines Freispruchs für den anderen Angeklagten verringern. Der dadurch eintretende Interessenkonflikt eines gemeinsamen Verteidigers liegt auf der Hand.

Damit ist die Entpflichtung von Rechtsanwalt H. als Verteidiger des Angeklagten G. zu Recht erfolgt. Die Beiordnung für den Angeklagten des verbundenen Verfahrens war früher erfolgt und es ist sachlich nicht zu beanstanden, die Frage, welches Mandat aufzugeben ist, nach der Dauer der Vertretung zu entscheiden (s. a. OLG Stuttgart a. a. O.). ..."

 

 

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