Revsionsgrund leicht gemacht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.11.2010

Da ist das Landgericht ganz schön auf den Verteidiger reingefallen (BGH, Beschluss des 1. Strafsenats vom 5.10.2010 - 1 StR 264/10 -):


"...Das Landgericht hat am ersten und am fünften Hauptverhandlungstag die Geschädigte, die 1992 geborene Zeugin R. (Stieftochter des Angeklagten), vernommen und jeweils für die Dauer der Vernehmung die Ent-fernung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Gelegentlich der Vernehmung der Geschädigten am fünften Hauptverhandlungstag hat die Verteidigung eine Fotografie vorgelegt, welche die Gegebenheiten einer von der Geschädigten in ihrer Vernehmung genannten Örtlichkeit zeigt. Das Protokoll verhält sich dazu wie folgt:

„Der Verteidiger des Angeklagten übergab ein Lichtbild über die Örtlichkeiten des Badezimmers. Das Lichtbild wurde von der Kammer, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Sachverständigen, dem Verteidiger und der Zeugin in Augenschein genommen. Die Zeugin äußert sich hierzu."

2. Dieser Verfahrensgang begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Die hier durchgeführte Augenscheinsnahme (a) ist vom re-striktiv auszulegenden Begriff der Vernehmung i.S.d. § 247 StPO nicht umfasst (b), so dass entgegen § 230 Abs. 1 StPO ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde. Der daraus resultierende Verfahrensverstoß wurde hier auch nicht geheilt ..."


Nachdem der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gerufen wurde, wurde er vom Vorsitzenden über den Inhalt der Aussage der Zeugin R. informiert, auch zu deren Angaben zum vorgenannten Lichtbild. Eine (nochmalige) förmliche Augenscheinnahme fand nicht statt.

 

Interessant ist die Entscheidung aus dem allgemeinen Strafrecht prozessual wegen der Differenzierung von "Vernehmungsbehelf" und "förmlicher Beweisaufnahme"

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11 Kommentare

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"... ganz schön auf den Verteidiger reingefallen."? Was kann denn der Kollege für die Fehlleistungen des Gerichts??

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Sorry, aber ich verstehe die Formulierung nicht. "reingefallen" beinhaltet, dass der Verteidiger es auf den Revisionsgrund angelegt hat. Woher wollen Sie das wissen bzw. wie können Sie das behaupten. Die Verfahrenssituation ist im Grunde alltäglich und es sollte einer Strafkammer bekannt sein, dass die Augenscheinseinnahme zu wiederholen ist. Wenn sie es nichtz tut. Ihr Fehler und sie ist reingefallen, aber nicht auf den Verteidiger, sondern auf ihre Unkenntnis.

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Der Herr Burhoff, der nervt langsam. Ist wohl der neue Kumpel von Honig und Seibers...wohl wegen der auflagenstarken Advokatenzielgruppe.

Ja, vor 10 Jahren (Zulassungen <100K) waren es im Regelfall Organe der Rechtspflege. Heute gilt das Gegenteil, bis zum Nachweis des Anstandes.

Natürlich hat der Advokat es auf einen Revisionsgrund angelegt.

Es bleibt: Burhoff ist langsam plonkgefährdet :-(

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Ich denke, dass man hier im Blog ruhig offen diskutieren, "knackig" und auch manchmal provozierend schreiben sollte, nicht aber auf diesem Niveau. Auch wenn sich ein Leser hier von einzelnen Beiträgen eines anderen Lesers genervt fühlt, so kann man das auch nett ausdrücken, vielleicht sogar mit seinem echten Namen.

 

knackig, provozierend - bittesehr: 

man sollte doch eigentlich meinen, dass das Landgericht Regensburg mit Anklagen "wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 20 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, in fünf Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern und in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung" durch die Verbrechen der pädosexuellen Priester (und deren Vertuschung durch den Bischof) im dortigen Bistum genug Routine haben müsste, damit solche Fehler nicht vorkommen... oder war's klammheimliche Hilfe für einen Mitbruder?

(wow ... Regensburg als einziges LG ohne Verlinkung auf der Seite http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/ und auf der eigenen HP ist die aktuellste Meldung vom 26.01.2006 - das spricht für sich)

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Das ist leider  wieder ein typisches Mein Name -Produkt:

Alles miteinander verschwurbeln, weil ja alles zusammenhängt, und irgendwelche unsinnigen Vermutungen in die Welt blasen ("Hilfe für einen Mitbruder").

Die Augenscheinsfrage ist ein alter Hut. Richtig wäre,wie in der BGH-Entscheidung angeführt: entweder Augenschein nachholen oder aber gar nicht erst einen protokollierten Augenschein vornehmen, sondern Foto als Vernehmungsbehelf. Vielleicht war der Verteidiger in der Frage eben etwas versierter als die Kammer und hat erfolgreich einen absoluten Revisionsgrund produziert. Die mitbloggenden Verteidiger freuen sich doch sonst auch über solche Zwischenerfolge (ob endgültig erfolgreich, zeigt sich dann nach dem zweiten Durchgang).

Die "Verbrechen der pädosexuellen Priester" sind so weit ich weiß weitgehend erst in jüngster Zeit bekannt geworden. Von "genug Routine" (falls die Taten nicht verjährt waren oder es nicht nur für eine Anklage zum AG gereicht hat) kann daher wieder einmal nur spekulativ die Rede sein, zumal die Augenscheinsfrage mit der Frage, ob ein Sexualstraftäter oder ein Betrüger angeklagt ist, nur bedingt etwas zu tun hat (Ausschluss des Angeklagten während ZV kommt natürlich eher bei Sexualdelikten vor...)

 

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Danke für das "faul und dumm". Aber was hat der verlinkte Artikel zu besagen? Vor derselben Kammer verhandelt wie die der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Sache (3.12.2009; Riekofen: Urteil LG Regensburg vom März 2008 bei unfaulem Anschauen der weiteren Suchergebnisse: http://www.welt.de/vermischtes/article1797312/Pfarrer_muss_wegen_Kindesmissbrauchs_in_Haft.html)? Und was hätte das mit einer "Routine" zu tun?

Und was mit einer "Hilfe für einen Mitbruder"?

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