BfDI: Vorratsdatenspeicherung oder Quick Freeze?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 18.11.2010

Wie sehen Sie die neueste Entwicklung zur Vorratsdatenspeicherung und "Quick Freeze"? Spiegel-Online berichtet,  dass Innenminister De Mazière, sich zunehmend entschlossen zeigt, die verdachtslose Vorratdatenspeicherung schnell wieder einzuführen. Demgegenüber geht es beim Quick-Freeze"-Ansatz um die vorübergehende Ad-hoc-Speicherung von Daten gleichsam auf Zuruf der Polizei.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar hat in seinem Blog zu den Vorwürfen Stellung genommen, er sei von der " korrekten Datenschützer- Linie" abgewichen.  Hier ein Auszug aus dem Blog von Herrn Schaar (Schreiben an den AK Vorratsdatenspeicherung vom 16.11.):

 "Die aktuelle Aufregung über meinen Vorschlag, ein Quick-Freeze Verfahren als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung in Betracht zu ziehen, kommt für mich sehr überraschend, zumal ich mich bereits seit längerem für das Konzept einsetze. Statt sich aber mit meinen Argumenten zu befassen, prangert ein Teil der netzpolitischen Szene meinen angeblichen Abfall von der korrekten Linie an und spekuliert darüber, warum ich den Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung „ohne Not“ aufgegeben hätte.

Dass dies gerade nicht der Fall ist, möchte ich an hier noch einmal ausdrücklich betonen: Ich teile nach wie vor die Bedenken gegen eine langfristige, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat! Eine derartige Maßnahme ist meines Erachtens ein bedenklicher Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in das Fernmeldegeheimnis. ....
...
Eine unmittelbare Umsetzung des puristischen Quick-Freeze Modells stößt in Deutschland aber auf erhebliche Probleme. Aufgrund der begrüßenswert restriktiven Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes werden bei den Telekommunikationsunternehmen in Deutschland Verkehrsdaten viel schneller gelöscht als bei US-Anbietern, die solche Daten teilweise über mehrere Jahre vorhalten. Insbesondere bei Internet-Zugangsanbietern werden Daten, die einem Flatratetarif unterfallen, in Deutschland grundsätzlich unmittelbar nach Beendigung der Nutzung, spätestens aber nach wenigen Tagen gelöscht und stünden somit nicht mehr zum „Einfrieren“ zur Verfügung. Daher habe ich als Kompromisslösung vorgeschlagen, diese Daten für einen gewissen, kurzen Zeitraum von der Löschung auszunehmen.

Dies würde eben nicht die Einführung einer pauschalen zweiwöchigen Vorratsspeicherung aller anfallenden Daten bedeuten. Vielmehr sollte gezielt evaluiert werden, inwieweit durch die sehr begrenzte Pufferung von Daten schwere Straftaten – etwa angekündigte Amokläufe oder Entführungen – verhindert oder aufgeklärt werden können und welche Daten dafür im einzelnen benötigt werden. Ich sehe es als eine Selbstverständlichkeit an, dass es sich hierbei um eine absolut restriktive Auswahl handeln muss und dass darüber hinaus die Daten besonderen Sicherheitsanforderungen unterliegen müssen. Zu nennen wären hier beispielsweise die vom Verfassungsgericht aus meiner Stellungnahme übernommenen Forderungen nach einer physisch separaten Speicherung, einer asymmetrischen Verschlüsselung und einem gesicherten Zugriffsregime (z.B. durch Nutzung des Vier-Augen-Prinzips) mit entsprechender revisionssicherer Protokollierung.

Ich denke, dass ein entsprechend ausgestaltetes Quick-Freeze Verfahren geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Straftaten einerseits und dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses und des informationellen Selbstbestimmungsrechts andererseits auf einem für beide Seiten akzeptablen Niveau in Einklang zu bringen. Vorschläge, die ausschließlich die datenschutzrechtlichen Aspekte berücksichtigen und dabei nicht auch auf die darüber hinausgehenden fachlichen Anforderungen eingehen, sind nach meiner Erfahrung leider nur in den allerseltensten Fällen durchsetzbar. Daher verstehe ich meine Aufgabe als Bundesbeauftragter für den Datenschutz so, im Sinne des Datenschutzes Lösungen vorzuschlagen, die auch für Nicht-Datenschützer akzeptabel sind, zugleich aber ein möglichst hohes Datenschutzniveau gewährleisten. ..."

Den vollständigen Text finden Sie auf der Internetseite des BfDI unter:

 http://www.bfdi.bund.de/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/RedenUndInterviews/blog/AWBriefAKVorratsdatenspeicherung.html

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5 Kommentare

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Was schreibt der denn da? "Vielmehr sollte gezielt evaluiert werden, inwieweit durch die sehr begrenzte Pufferung von Daten schwere Straftaten – etwa angekündigte Amokläufe oder Entführungen – verhindert oder aufgeklärt werden können und welche Daten dafür im einzelnen benötigt werden."

Hat er die Richtlinie nicht gelesen? "Nach dieser Richtlinie dürfen keinerlei Daten, die Aufschluss über den Inhalt einer Kommunikation geben, auf Vorrat gespeichert werden." http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:105:0054:01:DE:HTML

Wie will er "angekündigte" Straftaten verhindern außer mit den bisher zugelassenen Methoden? Und den Fall, bei dem eine Entführung durch Verkehrsdaten schneller hätte aufgeklärt werden können, wüsste ich gerne (bei einem Amoklauf bzw. einem Kurzzeit-Massenmord kommt's dann auch nicht mehr darauf an, so zynisch das auch klingen mag...)

Wenn er nicht einmal zwischen Verkehrsdaten und Kommunikationsinhalten unterscheiden kann, ist er ja ein toller Datenschutzbeauftragter ...

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Wenn der Herr Datenschutzbeauftragte mal etwas ändern will, um tatsächliche Kriminalität mit tatsächlichen Schäden einzudämmen (und nicht nur Hypothetisches), dann kann er doch hier anfangen:

http://sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftskriminalitaet-bei-anruf-betrug-1.1026091

" Zwei kriminelle Banden sollen über Österreich, Spanien und andere Staaten mehrere hunderttausend Menschen um fast 25 Millionen Euro erleichtert haben. ... Die Netzagentur beaufsichtigt die Telefonbranche, an ihrer Spitze steht Präsident Matthias Kurth. Er ist unzufrieden und verlangt von Bundesregierung und Bundestag, seiner Behörde mehr Ermittlungsbefugnisse einzuräumen. Nur so ließen sich offenkundig illegale Werbeanrufe aus Call-Centern besser verfolgen, glaubt er. Bislang hat die Netzagentur nicht das Recht, sich von den Telefongesellschaften die Verbindungsdaten geben zu lassen."

Was spricht dagegen, bereits jetzt eine Datenspeicherung verpflcihtend zu machen für a= Betreiber von  0190-Nummern und b) Callcenter und andere Firmen, deren Geschäftszweck telefonischer Kontakt zu Privatkunden ist?

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