Erste (veröffentlichte) Entscheidung, die die gemeinsame Sorge anordnet.

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.11.2010

Die Eltern lebten seit 2008 zusammen, 2009 kam die Tochter auf die Welt. Im  Jahr 2010 dann die Trennung.

Der Vater beantragt die gemeinsame Sorge.

Die Antragsgegnerin und Kindesmutter will das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Vermögenssorge weiterhin allein ausüben. Im Übrigen erklärt sie sich mit der gemeinsamen Sorge durch beide Elternteile einverstanden.

Sie trägt vor, der Kindesvater setze dem Kind nicht hinreichend Grenzen und verwöhne es. Zudem habe es Uneinigkeit bei den für … erforderlichen Impfungen gegeben. Außerdem habe der Vater sich nicht hinreichend an den Kosten der Ausstattung des Kindes beteiligt. Die Kindesmutter befürchtet, der Vater könne das Kind zu sich holen. Außerdem hat sie Sorge, dass er bei Vermögensangelegenheiten nicht mitwirkt.

Das Gericht:

Der Antrag des Antragstellers und Kindesvaters ist begründet.

Gem. § 1626 a BGB in Verbindung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 zum Aktenzeichen 1 BvR 420/09 ist den Kindeseltern die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen. Es dient dem Kindeswohl am besten, wenn die Eltern die gemeinsame Sorge ausüben.

Die gemeinsame Sorge ist insbesondere und auch hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts einzurichten.

Insofern haben beide Elteinteile zu Protokoll versichert, dass … Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter liegt.

Soweit die Antragsgegnerin die Befürchtung äußert, der Kindesvater könne … zu sich holen, kann er dies nicht auf Basis einer alleinigen Entscheidung. Die Befürchtung der Mutter stützt sich zudem auf keinerlei Tatsachen. Der Antragsteller hat glaubhaft zu Protokoll erklärt, dass er damit einverstanden ist, wenn … ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter hat.

Auch die Vermögenssorge ist beiden Eltern gemeinsam zu übertragen.

Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausübung der elterlichen Sorge betreffend Vermögensangelegenheiten durch beide Elternteile nicht möglich ist. Soweit die Antragsgegnerin beispielhaft angeführt hat, sie habe Sparverträge für die Tochter angelegt, auf die der Antragsteller nicht einzahle, ist dies seine alleinige Entscheidung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er sich einem neu anzulegenden Sparvertrag, auf den die Mutter allein für die Tochter einzahlen würde, versperrt. Dass er selbst keinerlei Einzahlungen vornehmen will, steht der Einrichtung der gemeinsamen Sorge nicht entgegen. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht vielmehr den Eindruck, dass es der Kindesmutter schlicht zu aufwendig ist, den Vater bei der Einrichtung eines Sparbuchs oder ähnlichem kontaktieren zu müssen. Dies ist indes kein Argument, es bei der alleinigen elterlichen Sorge zu belassen.

Für die weiteren Teilbereiche der elterlichen Sorge hat die Kindesmutter der Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam zugestimmt.

Das Gericht hat von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes abgesehen. Insoweit ist die Sachlage ausreichend ermittelt. Soweit die Kindesmutter sich mit der Einrichtung der gemeinsamen Sorge betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Vermögenssorge nicht einverstanden erklären konnte, beruht dies nach Auffassung der Richterin allein auf Befürchtungen der Mutter über Konflikte in der Zukunft, für die keinerlei Anhaltspunkte bestehen.

AG Düsseldorf v. 26.10.2010 - 252 F 277/10 BeckRS 2010, 26927

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

10 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Vielen Dank Herr Burschel.

 

Kennen Sie zufällig auch noch ein paar Zahlen über die eingereichten Anträge seit dem Zaunegger Urteil?

Wieviele gibt es?

Wieviele wurden abschlägig beschieden?

Wieviele wurden zurückgestellt? Vor dem BVerfG-Urteil / danach?

 

0

Sind Zahlen denn wichtig, Herr Raden?

Da diese Urteile Einzelfallentscheidungen sind, kann man sie ja nicht gegeneinander aufwiegen (wenngleich mir natürlich klar ist, weshalb Sie fragen).

Aber Kind A nützt es wenig, wenn in einer Entscheidung zu Kind B gemeinsames SR angeordnet wird, bzw. die Alleinsorge. Zahlen sind daher eher nicht so wichtig.

 

0

@Lilly

Ich finde schon, dass es wichtig wäre, mal einen Überblick zu bekommen, inwieweit denn von der neuen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.

Ich unterstelle mal, dass es durchaus einige Tausend Anträge geben wird und wenn davon erst ein einziger positiv beschieden ist, so würde ich daraus schon den Schluss ziehen, dass dem Menschenrecht nur sehr schleppend angemessen Raum gegegeben wird.

Die andere denkbare Schlussfolgerung, dass von Tausenden unehelichen Vätern alle bis auf Einen solche schlechten Menschen sind, dass man ihnen das Grundrecht auf gleichberechtigte Elternschaft vorenthalten muss, halte ich für wenig plausibel.

Auch das Verhältnis von ruhenden Verfahren zu Zeiten vor der Schaffung einer Rechtsgrundlage durch das BVerfG zu ruhenden Verfahren danach, wäre aus meiner Sicht sehr aufschlussreich.

 

Von der Annahme, das von Tausenden Müttern alle geeignet sind das alleinige Sorgerecht auszuüben aber von Tausenden Vätern nur einer für das gemeinsame Sorgerecht geeignet ist, kann doch wohl kein vernünftiger Mensch ernsthaft ausgehen.

5

Tut mir leid, solche Statistiken gibt es nicht.

Die Gerichte führen Jahrestatistiken, die dann länderweise an das statistische Bundesamt weitergeleitet werden. Anfang/Mitte nächsten Jahres wird dann die Justizstatistik für 2010 veröffentlicht.

Dabei werden sie auch keine Rubrik "Anträge nichtehelicher Väter auf das gemeinsame Sorgerecht" finden, sondern nur eine Gesamtzahl der anhängig gewesenen Sorgerechtsverfahren. Man müsste dann schauen, ob nach der Entscheidung des BVerfG die Anzahl der Sorgerechtsverfahren signifikant angestiegen ist.

I.Ü. wären Ihre Fragen ein schönes Forschungsprojekt für einen entsprechenden Lehrstuhl.

hallo,

ich bin demnach der zweite, erfolgreiche vater :-)

am 23.11.10 bekam ich die info, dass die gemeinsame, elterliche sorge auf beide elternteile übertragen wird.

 

5

hallo,

und ich bin demnach der dritte erfolgreiche vater/papa :-)

mir wurde die gemeinsame elterliche heute (24.11.) durch Beschluss übertragen

5

danke, gleichfalls...

es wurde ja eigentlich nur ein normalzustand hergestellt...für viele väter/papas, die sich kümmern...und darüber bin ich persönlich sehr glücklich.

es wäre schon einmal sehr interessant zu erfahren und zu erheben, um welche Dimensionen es in diesem Punkt eigentlich geht und was aufgrund der Entscheidung des BVerfG bei den familiengerichten und jugendämtern jetzt ins rollen gerät...

5

Gratulation an die erfolgreichen Väter!

Und schießt mir natürlich gleich die Frage in den Kopf:
"Wie habt ihr es geschafft?"

Ich google mich dumm nach Urteilen, Begründungen etc.

Da mein Anwalt nicht wirklich mitziehen will bei der Beantragung der gemeinsamen elterlichen Sorge, fühle ich mich grad ziemlich als Einzelkämpfer... Aber so geht's doch sicherlich vielen, oder?

 

(N.B.: Ich es mit einer Richterin zu tun, die mich während einer Erörterung mit dem Satz "Das Kind gehört nun mal der Mutter" überraschte. Solideste Vorbereitung und Begründung scheint also angeraten).

5

Ergänzung: Der Ausspruch der Richterin folgt aus "kein Sorgerecht" für das Kind. (Gemeinsame elterliche Sorge für Kind 1, für Kind 2 Sorgerecht (bislang) allein bei der Mutter; beide sind nichteheliche, leibliche Kinder).

0

Kommentar hinzufügen