Mehr Hauptschulabschlüsse, weniger Mord und Totschlag, 1,42 Milliarden Euro gespart - Kriminologische Ursachenforschung durch Volkswirte

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 19.11.2010

Nicht geringe Aufmerksamkeit hat die jüngst publizierte Studie "Unzureichende Bildung: Folgekosten durch Kriminalität" der Volkswirtschaftler Horst Entorf und Philip Sieger erhalten. Sie wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt, auf deren Website sie kostenlos heruntergeladen werden kann (pdf-Dokument, 81 Seiten).
Laut Einleitung kommt die Studie zu dem Ergebnis, es sei:

"erstmals für Deutschland zu belegen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen unzureichender Bildung in Form eines fehlenden
Hauptschulabschlusses und kriminellem Verhalten gibt. Ein chancengerechteres Bildungssystem könnte damit eine deutliche Reduktion der Gewalt- und Eigentumsdelikte bewirken. Vielfaches persönliches Leid von Opfern und Angehörigen würde vermieden, jeder könnte sich in seinem täglichen Leben sicherer fühlen. Hochgerechnet bedeutet dies: Durch eine Halbierung des Anteils der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss im Jahr 2009 hätten 416 Fälle von Mord und Totschlag, 13.415 Fälle von Raub und Erpressung sowie 320.000 Diebstähle vermieden werden können. 1,42 Milliarden Euro an Folgekosten aufgrund kriminellen Verhaltens könnten – konservativ geschätzt – in nur einem Jahr eingespart werden."

In der Studie selbst wird dann dargelegt, wie man zu diesen Erkenntnissen gelangt ist. Dabei wird der Kausalzusammenhang zwischen unzureichender Bildung (definiert als "ohne Hauptschulabschluss") und kriminellem Verhalten mittels ökonometrischer Analyse belegt, wobei eine Haftinsassenbefragung (1800 Teilnehmer) und die Befragung einer Bevölkerungsstichprobe (1200 Teilnehmer) zugrunde gelegt wurden. Dabei ergibt sich für die Faktoren "Abbruch der Ausbildung" , "ohne Hauptschulabschluss" und "Besuch der Hauptschule" jeweils eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung, und dies unabhängig von anderen relevanten biografischen Faktoren (wie etwa Vorstrafe von Elternteilen oder Trennung der Eltern). Plausibilisert wird dies mit folgender Überlegung:
 
"Aufgrund des Einflusses dieser Variablen ist zu vermuten, dass insbesondere bei Jugendlichen, die ihren Schulabschluss nicht geschafft haben oder – aus welchen Gründen auch immer – ihre Ausbildung nicht erfolgreich zu Ende führen konnten, die Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Folgen für ihre gesellschaftliche Teilhabe dazu führen, dass häufiger kriminelle Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden und die Gefahr besteht, in die Kriminalität abzurutschen. Um kriminellem Verhalten wirksam vorzubeugen, ist es daher von entscheidender Bedeutung, Jugendlichen Bildungschancen und, damit verbunden, die Aussicht auf ein selbstbestimmtes und glückliches Leben in Beruf und Gesellschaft zu eröffnen."

Entorf/Sieger kommen in einem weiteren Schritt zu dem Ergebnis, man könne durch Reduzierung des Anteils der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss die Fälle von Raub/Erpressung, von Diebstahl sowie  von Mord/Totschlag signifikant reduzieren. Dieser Zusammenhang wird auch monetär ausgedrückt, wohl um deutlich zu machen, dass sich Bildungsinvestitionen bei der Kriminalitätsreduktion auch finanziell "lohnen". So wird einer Reduktion der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss von 10, 25 oder 50 % jeweils die dann eintretende "Einsparung" von Kriminalitätskosten gegenübergestellt und dies sogar auf einzelne Bundesländer heruntergerechnet, wohl um zu zeigen, in welchen Ländern sich Bildungsinvestitionen besonders rechnen.

Mit dem dadurch angeregten bzw. unterstützten Engagement für die Schulbildung (Reformansätze ab S. 54) kann man sich wohl uneingeschränkt identifizieren. Es ist den Forschern zuzustimmen, wenn sie - wegen der plausiblen Zusammenhänge zwischen Bildungsdefiziten und Verhalten - für eine Investition insbes. auch in die Hauptschulbildung plädieren. Das Ziel, Schulabbrüche möglichst zu vermeiden und jedem die Cnace zu geben, eine angemessene und befriedigende Ausbildung und Position in unserer Gesellschaft zu erreichen, ist zudem nicht nur im Hinblick auf Kriminalprävention erstrebenswert.

Freilich muss sich die Studie auch der kriminologischen Kritik stellen, die ich hier nur punktuell darstellen möchte.
In einem Artikel auf Spiegel Online hat bereits Christian Pfeiffer einige Kritikpunkte angeführt, die man dort nachlesen kann. Dass es einen Zusammenhang zwischen (unzureichender) Bildung und Kriminalität gibt, sei  eine Banalität, die hier als neue Erkenntnis verkauft werde. Die komplexen Beziehungen der Faktoren untereinander  würden dabei nicht beachtet. Schließlich wird auch Kritik daran geübt, dass die Volkswirte für die Kostenberechnung Zahlen aus Großbritannien herangezogen hätten (Quelle).  

Meine Kritik setzt an einem anderen Punkt an, nämlich an der von Entorf/Sieger vorgenommenen Operationalisierung  von "Kriminalität". Jedem Kriminologen ist klar, dass "Kriminalität" auch das Ergebnis einer Bewertung von Verhalten ist. Daher ist es in der Ursachenforschung enorm wichtig, die zu erklärende Variable "kriminelles Verhalten" von den in Betracht gezogenen möglichen Ursachen unabhängig zu definieren.  Man muss zur Vermeidung eines methodischen Zirkels besonders gut darauf achten, dass die gesuchte Ursache nicht schon in das für Kriminalität gewählte Messkriterium eingeflossen ist. Entorf/Sieger haben die "Verurteilung" als Kriterium für Kriminalität gewählt, d.h. sie haben auch bei der Kontrollgruppe aus der allg. Bevölkerung das Kriterium "Verurteilung" ermittelt (S. 25). Gemessen wird damit "der Zusammenhang zwischen Kriminalität und Bildung als erklärendem Faktor (...) durch die Tatsache einer Verurteilung durch ein Gericht" (S. 25).

Strafrechtspraktiker und Kriminologen wissen, dass eine "Verurteilung" am Ende eines Entscheidungsprozesses  steht, der mit dem polizeilichen Tatverdacht beginnt und über die weiteren Ermittlungen bis zur Anklageerhebung führt, die aber weniger häufig erfolgt als eine Verfahrenseinstellung. Selbst nach Anklageerhebung können im Hauptverfahren noch Entscheidungen gefällt werden, die eine Verurteilung verhindern. Wir wissen, dass im Jugendstrafrecht ca. 2/3 der Verfahren ohne Anklageerhebung beendet werden und zwar meist nicht mangels Tatverdacht, sondern weil nach Ansicht des Staatsanwalts eine informelle Erledigung (§ 45 JGG) ausreicht. Auch im allg. Strafrecht erfolgt ein hoher Anteil von Opportunitätseinstellungen nach §§ 153 f. StPO. In die Bewertung, ob eine Anklageerhebung/Verurteilung erforderlich ist oder nicht, fließen auch die durch kriminologische Alltagstheorien geprägten Ansichten der Praktiker ein, bei welchen Beschuldigten auch ohne Verurteilung ein erzieherischer Zweck eintreten wird und bei welchen nicht. Und eine dieser plausiblen Alltagstheorien, deren Bewertungsgrundlage auch meist relativ leicht den Akten zu entnehmen ist,  ist etwa Schulabbruch bzw. mangelnde Schulbildung und/oder fehlender Ausbildungsplatz oder langfristige Arbeitslosigkeit als "Risikofaktoren" für kriminelles Verhalten. Zudem fließt in diese Entscheidungen ein, wie gut oder schlecht sich jemand bei einem Tatverdacht verteidigen kann, und ob er z.B. Geld für einen Strafverteidiger aufbringen kann oder nicht. D.h. aber: Als Grundlage für eine Untersuchung, ob der fehlende Hauptschulabschluss "Ursache" für "kriminelles Verhalten" ist, ist es ungeeignet, die "Verurteilung" zur Messung heranzuziehen. Denn damit wird die mangelnde Bildung als "Ursache" des Verhaltens ermittelt, wo sie doch möglicherweise zu einem gewissen Anteil Ursache der Bewertung dieses Verhaltens ist. Dieser Zusammenhang ist Kriminologen selbstverständlich geläufig seit Lombroso mit seiner Vermessung der Körper und Gesichtszüge von Inhaftierten mit kriminologischer  "Ursachenforschung" begann, aber eigentlich nur belegte, dass Menschen mit auffälligen Gesichtszügen und Körpermaßen ein höheres Risiko tragen, verdächtigt und eingesperrt zu werden. Volkswirte, die sich regelmäßig mit ganz anderen Daten befassen, haben hier möglicherweise einen dunklen Fleck.

Bei der entscheidenden Tabelle 5 (S. 26), die jeweils die Abhängigkeit der Verurteilung von einzelnen Faktoren darstellt, ergibt sich das mangelnde Verständnis unmittelbar aus dem erläuternden Satz in der Fußnote und im Text auf S. 27:
"Eine Person ohne Hauptschulabschluss hat eine um 12,8 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit verurteilt zu werden als jemand aus der Gruppe der Realschulabsolventen und Abiturienten."
Diesen Satz versteht ein Kriminologe wörtlich - nämlich, dass mangelnde Schulbildung die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung erhöht - wobei dieser Zusammenhang unterschiedliche Gründe haben kann. Entorf/Sieger meinen aber, die höhere Wahrscheinlichkeit, verurteilt zu werden, beweise zugleich, dass Menschen mit fehlendem Schulabschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit  eine Straftat begehen. Sie setzen eben "Verurteilung" mit "Kriminalität" gleich, besonders deutlich auf S. 29, wo der Begriff "Verurteilung" in aufeinander folgenden Sätzen mit Kriminalität und Legalverhalten bzw. kriminellem Verhalten gleichgesetzt wird. Nur ergänzend wird auch eine Dunkelfeldbefragung  als Messkriterium erwähnt (S. 25), allerdings nur hinsichtlich der Begehung eines Kaufhausdiebstahls, und gänzlich ohne Problembewusstsein: So hätte es Entorf/Sieger doch auffallen müssen, dass die einzige echte Dunkelfeldprobe zugleich "die einzige ohne signifikanten Einfluss der Bildungsvariablen ist" (S. 32).  Wenn sie daraus schlussfolgern, diese Art der Kriminalität sei eben nicht nur in unteren Bildungsschichten verbreitet, belegt dies erneut, dass sie den Unterschied zwischen kriminellem Verhalten und "Verurteilung" in einer ganz enstcheidenden Dimension verkennen.

Auch in der Frage, ob Vermeidung von unzureichender Bildung tatsächlich Kriminalitätskosten einspart, darf man zweifeln: Da die Einstellungsquoten auch in gewisser Weise die Kapazitätslasten der Justiz spiegeln, ist gar nicht ausgemacht, ob die Zahl der Verurteilungen sinkt, wenn eine bestimmte "Ursache" wegfällt. Die bis auf den einzelnen Cent berechnete - und damit Präzision vortäuschende - Kostenersparnis, hängt ebenfalls von so vielen weichen und flexiblen Faktoren ab, dass sie kaum in der Art eintreten wird wie von Entorf/Sieger vorhergesagt.

Fazit: Das Ergebnis der Studie, ein Plädoyer für Bildungsinvestitionen am unteren Ende der Skala, ist sicherlich richtig. Ob es mit der Studie  gelungen ist, unzureichende Bildung als isolierte Ursache für kriminelles Verhalten nachzuweisen, kann dagegen bezweifelt werden. 

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2 Kommentare

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Bei derart vielen Einflussfaktoren ist es immer schwierig, statistisch saubere Zusammenhänge nachzuweisen - das war auch schon das Problem beim Zusammenhang zwischen Abtreibungsstrafbarkeit und Kriminalität (Lewitt-Artikel zu den Folgen von Roe vs Wade als PDF zum Download: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=174508 , methodische Kritik: http://www.economist.com/node/5246700?story_id=5246700 , das Buch von Lewitt mit Besprechungen: http://www.buecher.de/shop/fachbuecher/freakonomics-deutsche-ausgabe/levitt-steven-d--dubner-stephen-j-/products_products/detail/prod_id/20762225/ ; auch die Schlussfolgerungen aus dem rumänischen Abtreibungsverbot sind interessant: http://www.princeton.edu/chw/lectures-conferences/lectures/past-lectures/spring2005/04-18-06.pdf )

Ich finde auch, dass vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Elternhäuser von Hauptschulabbrechern und Realschul- bzw. Gymnasiumsabsolventen 12,8% kein wirklich großer Unterschied ist - es liegt die Vermutung nahe, dass bei der in Deutschland herrschenden "Bildungsapartheid" (hohe Kindergärtenbeiträge, keine Kindergartenpflicht, Aufteilung nach Leistung bereits nach der 4. Klasse) es einen größeren Einfluss hat, welchen Anwalt (falls überhaupt einen) sich die Eltern des angeklagten Jugendlichen leisten können.

Was den Kaufhausdiebstahl angeht, sind die Gründe für den fehlenden Einfluss doch aufgeführt: "was den vorsichtigen Schluss zulässt, dass diese Art des „Mal-was-Mitgehen-Lassens“ nicht nur in unteren Bildungsschichten verbreitet ist. Für Kaufhausdiebstahl ist im Übrigen das Alterspolynom in signifikanter Weise konvex, d.h. es handelt sich um ein passageres Problem, das mit zunehmendem Alter stark an Bedeutung verliert." -> Kaufhausdiebstahl ist eine jugendliche Mutprobe vor sich selbst oder der peer group und unabhängig vom Bildungsniveau.

Bemerkenswert finde ich jedenfalls den Einfluss von Elternscheidung auf die Verurteilungen...

Es ist trotz der inkorrekten Gleichsetzung von Kriminalität und Verurteilungen und der Ungenauigkeiten dennoch richtig, solche Berechnungen anzustellen, genau dies ist ja Aufgabe und der Nutzen der Ökonomie und von Ökonomen: wie sollen knappe Güter eingesetzt werden, damit sie einen möglichst großen Nutzen bringen?  Wenn Sie mit Verfahrenseinstellungen aufgrund Überlastung argumentieren, begehen Sie ja denselben Fehler, denn das bedeutet doch nicht, dass die Kriminalität deswegen abnimmt! Und berechenbare Folgekosten entstehen mitnichten nur im Justiz- und Strafverfolgungsapparat, sondern auch bei den Opfern und der Allgemeinheit (Verdienstausfall, Behandlungskosten, Steuerausfälle usw.). 

Auch die Juristen/StGB-Verfasser spiegeln ja eine "Ergebnisgenauigkeit" vor, die durch nichts nachvollziehbar ist: der Strafrahmen für fahrlässige Tötung ist genau der gleiche wie der für Diebstahl. Soll damit vermittelt werden, dass die zu sühnende Schuld an der Allgemeinheit für die Toten bei der Loveparade nicht größer ist als wenn ich das nicht abgeschlossene Auto von Herrn Schaller klaue, in dem der Schlüssel steckt? 

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@Mein Name, vielen Dank für Ihren Kommentar. Zu einigen Ihrer Einwände möchte ich kurz Stellung nehmen:

Was den Kaufhausdiebstahl angeht, sind die Gründe für den fehlenden Einfluss doch aufgeführt: "was den vorsichtigen Schluss zulässt, dass diese Art des „Mal-was-Mitgehen-Lassens“ nicht nur in unteren Bildungsschichten verbreitet ist. Für Kaufhausdiebstahl ist im Übrigen das Alterspolynom in signifikanter Weise konvex, d.h. es handelt sich um ein passageres Problem, das mit zunehmendem Alter stark an Bedeutung verliert." -> Kaufhausdiebstahl ist eine jugendliche Mutprobe vor sich selbst oder der peer group und unabhängig vom Bildungsniveau.

Die Annahme, dass hier kein Problembewusstsein der Forscher entstand, habe ich darauf gestützt, dass die Forscher hier - und nur hier - auf Dunkelfelddaten zurückgreifen und die Abweichung dann mit anderen Faktoren erklären, statt nachzuprüfen, ob die Abweichung vielleicht auch daran liegt, dass sie hier ein anderes Messkriterium herangezogen haben. Interessant wäre es doch, wie sich der Kaufhausdiebstahl bei "Verurteilung" als Messkriterium darstellt. Wenn dann die fehlenden Bildungsabschlüsse doch wieder eine Rolle spielten, würde dies belegen: Nicht (nur) das kriminelle Verhalten, sondern auch zu einem bestimmten Ausmaß die Selektion bis hin zur Verurteilung wird durch die Bildung beeinflusst. Im Übrigen verliert kriminelles Verhalten mit zunehmenden Alter generell stark an Bedeutung, nicht nur der Kaufhausdiebstahl. Durch die Verwendung von Wörtern wie "Alterspolynom", "konvex" und "passager"  wird diese Banalität von den Forschern hier zur "Besonderheit" erklärt.

Wenn Sie mit Verfahrenseinstellungen aufgrund Überlastung argumentieren, begehen Sie ja denselben Fehler, denn das bedeutet doch nicht, dass die Kriminalität deswegen abnimmt!

Meine Annahme beruht auf dem von der Studie gewählten Ausgangspunkt "Verurteilung" = "Kriminalität". Indes halten Entorf/Sieger dieses Kriterium bei der Kostenermittlung nicht durch, wie Sie zutreffend bemerkt haben. Wenn die Forscher aber bei der Ursachenforschung allein an die Verurteilungen anknüpfen, ist es ein kategorischer Fehler, wenn sie dieses Ergebnis dann auf die Kosten der Gesamtkriminalität (Fallzahlen der PKS, nicht der Verurteilungsstatistik) übertragen. Wenn man nur die gefundene "Ursache" für die Verurteilungen ausschaltet, heißt das eben nicht, dass dann die Kosten der Gesamtkriminalität  im selben Umfang geringer werden. Dieser Fehler entsteht, weil Entorf/Sieger  unterstellen, dass Verurteilungen einen quasi repräsentativen Querschnitt der Gesamtkriminalität darstellen. Was Entorf/Sieger ebenfalls außer Acht lassen ist das Dunkelfeld der Kriminalität  jenseits der PKS. So wird von ihnen einfach eine bestimmte Anzahl von Straftaten und Trends in der PKS als Realität unterstellt (S. 38/39), um daraus die Kosten berechnen zu können. Dass hier die Anzeigequote ein entscheidendes Kriterium ist, wird nicht angesprochen. 

Auch die Juristen/StGB-Verfasser spiegeln ja eine "Ergebnisgenauigkeit" vor, die durch nichts nachvollziehbar ist: der Strafrahmen für fahrlässige Tötung ist genau der gleiche wie der für Diebstahl. Soll damit vermittelt werden, dass die zu sühnende Schuld an der Allgemeinheit für die Toten bei der Loveparade nicht größer ist als wenn ich das nicht abgeschlossene Auto von Herrn Schaller klaue, in dem der Schlüssel steckt?

Da ich die Gesetze nicht gemacht  habe, fühle ich mich nur indirekt angesprochen, aber die Strafrahmen lassen allg. einen größeren Spielraum zu, so dass von "Präzision" hier kaum die Rede sein kann. Allerdings ist ein wesentliches Kriterium der Vorsatz - im Allgemeinen werden Vorsatztaten strenger bestraft als Fahrlässigkeitstaten. Wenn Sie daran etwas ämndern wollen, müssten Sie entspr. auf den Gesetzgeber einwirken. Hinsichtlich der LoPa-Verantwortlichen sind wir sicherlich derselben Auffassung.

 

 

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