Drei schwere Anwaltsfehler in nur einem Verfahren

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 22.11.2010

Der Beklagte (wir sind noch im alten Recht) hatte in 1. Instanz verloren, das Urteil war am 18.03.2009 zugestellt worden.

Am 20.04.2009 trudelte beim OLG ein Schriftsatz ein, mit dem Wiedereinsetzung und Prozesskostenhilfe begehrt wurde.

Dieser Schriftsatz enthielt die verhängnisvollen Sätze:

"zeige ich an, dass ich den Beklagten/Berufungskläger auch in dem beabsichtigten Berufungsverfahren vertrete. Abhängig von der Prozesskostenhilfebewilligung lege ich gegen das … Urteil … Berufung ein. Es werden bereits jetzt folgende Berufungsanträge angekündigt …

Die beabsichtigte Berufung wird wie folgt begründet:"

Am 11.08.09 bewilligte das OLG die PKH, der Beklagtenvertreter unternahm nichts.

Mit einem erst am 25. Januar 2010 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten beantragte der Beklagte "fürsorglich" Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist, bezogen auf die Frist für die Berufung und Berufungsbegründung.

Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig und wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück.

Zu Recht, sagt der BGH:

Eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe geknüpfte Berufungseinlegung ist grundsätzlich unzulässig (Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen). Eine Umdeutung in eine unbedingte Berufung mit dem Vorbehalt der Rücknahme bei Verweigerung der PKH sei bei dem gewählten Wortlaut ausgeschlossen.

Und weiter:

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Berufungs- und die Wiedereinsetzungsfrist deshalb unverschuldet versäumt zu haben, weil das Berufungsgericht ihn nicht auf die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hingewiesen habe. Da der Schriftsatz vom 20. April 2009 objektiv nur als bedingte und damit unzulässige Berufungseinlegung angesehen werden konnte, hatte das Oberlandesgericht nicht die Pflicht, den Beklagten vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist auf die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hinzuweisen (Senatsbe-schluss vom 14. März 2007 - XII ZR 235/05 - FamRZ 2007, 895 Rn. 14). Vielmehr durfte es davon ausgehen, auch dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei die Unzulässigkeit des Rechtsmittels bewusst, weshalb er nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 19. August 2009 innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Prozesshandlung nachholen werde. In dem pflichtwidrigen Verkennen der gesetzlichen Berufungs- und Wiedereinsetzungsfristen liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

BGH v. 27.10.2010 - XII ZB 113/10 = BeckRS 2010, 28103

Man kann bei der Wahl seines Anwalts also nicht vorsichtig genug sein.

 

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5 Kommentare

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"Vielmehr durfte es davon ausgehen, auch dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei die Unzulässigkeit des Rechtsmittels bewusst" 

Unabhängig davon, dass die Verfahrens- und Fristvorschriften verfassungsrechtlich zulässig und unbedingt zu beachten sind, ist die Begründung des Gerichts unschlüssig. Bei diesem Antrag und dieser Wortwahl drängt es sich auf, dass dem Rechtsanwalt die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels und die gewählte Wortwahl gerade nicht bewusst war. Ein Hinweis durch das Gericht hätte icht weh getan. Ansonsten: trauriger Fehler.

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Warum hat das OLG für eine unzulässige Berufung PKH bewilligt? Die Berufungseinlegungsfrist war zum Zeitpunkt des PKH-Antrags doch schon abgelaufen.

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Ich zitiere nochmals den BGH:

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe durch einen Rechtsanwalt beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über seinen Antrag wegen Mittellosigkeit als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen, sofern er nach den gegebenen Umständen nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen mangelnder Bedürftigkeit rechnen muss (vgl. für den Fall eines mit einer unzulässigen Berufung verbundenen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeersuchens BGH Beschluss vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99 - NJW 1999, 2823).Nachdem das Oberlandesgericht bereits mit dem Beklagten am 19. August 2009 zugestelltem Beschluss über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hatte, ist der am 22. Januar 2010 beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz des Beklagten, mit dem er Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist, bezogen auf die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragte, nicht mehr rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingegangen

Das wäre der Weg gewesen.

Ich hatte ähnliches mal bei Einlegung eines Widerspruches vor dem Sozialgericht gemacht.

Zum Glück sind die hier super nett und greifen Geschwind zum Höhrer und baten um Richtigstellung meines Antrages......Dem Vorsitzenden bin ich bis in aller Ewigkeit dankbar..........

Echt blöd sowas, aber Fehler passieren halt.......Übrigens auch Richtern...

 

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Echt blöd sowas, aber Fehler passieren halt.......Übrigens auch Richtern...

ohne Zweifel. Eben deshalb gibt es Rechtsmittel.

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