BMI-Gesetzesentwurf zum Schutz vor besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet und Kodex betr. Geodatendienste

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 01.12.2010

An dem Ziel gibt es wohl nichts zu deuteln, aber ist das Mittel tauglich?  Was meinen Sie? 

Die Bundesregierung will die Persönlichkeitsrechte von Internetnutzern stärken. Bundesinnenminister de Maizière stellte heute in Berlin einen Gesetzentwurf vor, der den Schutz vor besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet über das TMG (neuer §38b) verbessern soll. Einige Schwerpunkte: 

  • Ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen liegt insbesondere vor, wenn in Telemedien personenbezogene Daten veröffentlicht werden, (1) die geschäftsmäßig gezielt zusammengetragen, gespeichert und gegebenenfalls unter Hinzuspeicherung weiterer Daten ausgewertet wurden und die dadurch ein umfangreiches Persönlichkeits- oder Bewegungsprofil des Betroffenen ergeben können oder (2) die den Betroffenen in ehrverletzender Weise beschreiben oder abbilden. 

 

  • Eine „gezielte Verbreitung von Persönlichkeitsprofilen“ soll nur dann erlaubt  sein, wenn die Betroffenen dem zugestimmt haben oder ein „klar überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung“ bestehe.

 

  • Soweit ein Betroffener ausnahmsweise in einen solchen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht einwilligt, muss diese Einwilligung des Betroffenen ausdrücklich und gesondert erklärt werden.

Gleichzeitig hat BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.), de Maizière einen Datenschutzkodex der IKT-Branche zu Google Street View und ähnlichen Diensten (Geodatendienste) übergeben.

 

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5 Kommentare

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Noch ein Nachtrag: Die Federal Trade Commission (FTC) hier in Washington DC bevorzugt den "Do-Not Track" - Ansatz, d.h. dass die Verbraucher, die keine Datenspeicherung wünschen auf einer Webseite sich entsprechend registieren können. Ein ähnliches, recht erfolgreiches System besteht bereits für ungewollte Anrufe ("Do-Not-Call" - Liste) auf nationaler Ebene:

Hier ein Auszug aus der FTC - Presseerklärung von heute:

FTC Staff Issues Privacy Report Offers Framework for Consumers, Businesses, and Policymakers

Endorses “Do Not Track” to Facilitate Consumer Choice About Online Tracking

The Federal Trade Commission, the nation’s chief privacy policy and enforcement agency for 40 years, issued a preliminary staff report today that proposes a framework to balance the privacy interests of consumers with innovation that relies on consumer information to develop beneficial new products and services. The proposed report also suggests implementation of a “Do Not Track” mechanism – likely a persistent setting on consumers’ browsers – so consumers can choose whether to allow the collection of data regarding their online searching and browsing activities.

“Technological and business ingenuity have spawned a whole new online culture and vocabulary – email, IMs, apps and blogs – that consumers have come to expect and enjoy. The FTC wants to help ensure that the growing, changing, thriving information marketplace is built on a framework that promotes privacy, transparency, business innovation and consumer choice. We believe that’s what most Americans want as well,” said FTC Chairman Jon Leibowitz.

The report states that industry efforts to address privacy through self-regulation “have been too slow, and up to now have failed to provide adequate and meaningful protection.” The framework outlined in the report is designed to reduce the burdens on consumers and businesses.

“This proposal is intended to inform policymakers, including Congress, as they develop solutions, policies, and potential laws governing privacy, and guide and motivate industry as it develops more robust and effective best practices and self-regulatory guidelines,” according to the report, which is titled, “Protecting Consumer Privacy in an Era of Rapid Change: A Proposed Framework for Businesses and Policymakers. ...”

"To reduce the burden on consumers and ensure basic privacy protections, the report first recommends that “companies should adopt a ‘privacy by design’ approach by building privacy protections into their everyday business practices.” Such protections include reasonable security for consumer data, limited collection and retention of such data, and reasonable procedures to promote data accuracy. Companies also should implement and enforce procedurally sound privacy practices throughout their organizations, /including assigning personnel to oversee privacy issues, training employees, and conducting privacy reviews for new products and services.

Second, the report states, consumers should be presented with choice about collection and sharing of their data at the time and in the context in which they are making decisions – not after having to read long, complicated disclosures that they often cannot find. The report adds that, to simplify choice for both consumers and businesses, companies should not have to seek consent for certain commonly accepted practices. It is “reasonable for companies to engage in certain practices – namely, product and service fulfillment, internal operations such as improving services offered, fraud prevention, legal compliance, and first-party marketing,” the report states. “By clarifying those practices for which consumer consent is unnecessary, companies will be able to streamline their communications with consumers, reducing the burden and confusion on consumers and businesses alike.

One method of simplified choice the FTC staff recommends is a “Do Not Track” mechanism governing the collection of information about consumer’s Internet activity to deliver targeted advertisements and for other purposes. Consumers and industry both support increased transparency and choice for this largely invisible practice. The Commission recommends a simple, easy to use choice mechanism for consumers to opt out of the collection of information about their Internet behavior for targeted ads. The most practical method would probably involve the placement of a persistent setting, similar to a cookie, on the consumer’s browser signaling the consumer’s choices about being tracked and receiving targeted ads."

Quelle: http://www.ftc.gov/opa/2010/12/privacyreport.shtm

- was soll denn ein „klar überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung“ einer privaten Persönlichkeitsprofils sein? Öffentliche Fahndung? Ein AbgeordnetenVZ?

- "do not track": ein Ansatz, bei dem Verbraucher, die keine Datenspeicherung wünschen, ihre Daten über eine Registrierung speichern lassen müssen? Klingt nicht gerade logisch... 

- "the placement of a persistent setting, similar to a cookie, on the consumer’s browser": am DAU-sichersten in diesem Sinne wäre die Verpflichtung für die Browserhersteller/-vertreiber, einen Google Analytics/Adsense/sonstige Werbetracker-Blocker einzubauen und bei Browserinstallation aktiviert zu haben, so dass die Datenpreisgabe eine bewusste Entscheidung des Internetnutzers sein muss. Oder, noch einfacher: vorgeschriebene standardisierte Scripts für die Werbetracker, die dann blockiert bzw. freigegeben werden können analog zu Flashblock.

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Ein Entwurf, der meiner Meinung nach zu begrüßen ist, obschon damit der Einnahmequelle von Facebook & Co. wohl der Hahn abgedreht werden könnte: Die auf den Benutzer auf Grund seiner personenbezogenen Daten zusammengestellte Werbung. Das Konzept basiert ja gerade darauf, die Daten des Nutzers auszuwerten, in ein Persönlichkeitsprofil umzuwandeln, um so ganz gezielt ihn mit passender Werbung versorgen zu können. Wäre das unter den Entwurf zu subsumieren?

Oder ist die Veröffentlichung der eigenen Daten auf Facebook schon bereits eine Einwilligung darin, dass die eingegebenen Daten gesammelt, ausgewertet und wirtschaftlich genutzt werden? Dies würde dann aber wohl wiederum mit dem dritten Punkt schwer vereinbar sein.

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Viel spannender finde ich eine gesetzessystematische Frage: Wenn § 38b lediglich die "rote Linie" markiert, die im Internet nicht überschritten werden darf, heißt das nicht denklogisch, dass die sonstigen Regelungen des BDSG (z. B. § 29) auf Telemedien grundsätzlich keine Anwendung finden? Nach Aussage des Innenministers soll das Internet ja möglichst unreguliert von staatlichen Eingriffen bleiben. Das wäre entgegen der deutschen Linie (u.a. BGH zu spickmich.de), aber im Einklang mit der formalen Betrachtungsweise des EuGH zum Presseprivileg und mit einer historischen/systematischen Auslegung des BDSG.

Hoffentlich wird das nicht wieder so ein Jugendschutzmedienstaatsvertrag ...

Die beiden letzten Punkte scheinen auch Bewertungsportale für Lehrer etc. im Visier zu haben. Ist mir persönlich zwar egal, aber gerade bei Symbolpolitik ist immer die Frage nach dem "wem nützt es tatsächlich" ganz hilfreich.

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