Auflösungsantrag des Arbeitgebers: Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.12.2010

Erweist sich eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung als sozial nicht gerechtfertigt, ist jedoch dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, kann das Gericht auf seinen Antrag hin das Arbeitsverhältnis gegen Festsetzung einer Abfindung auflösen, § 9 KSchG. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit der Fortsetzung insbesondere aus dem Prozessverhalten des Arbeitnehmers ergeben (BAG vom 12.1.2006 - 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917, 922; vom 6.9.2007 - 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, 641).

Umstritten war bislang, ob nur das Prozessverhalten des Arbeitnehmers selbst, oder ob auch (allein) dasjenige seines Bevollmächtigten den Auflösungsantrag des Arbeitgebers begründen kann. Diese Frage hat das BAG jetzt im letztgenannten Sinne entschieden (Urt. vom 10.06.2010 - 2 AZR 297/09, BeckRS 2010, 74938):

Die vom Landesarbeitsgericht vertretene und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur gelegentlich geäußerte Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (...), stimmt nicht ausreichend mit den gesetzlichen Vorgaben überein. (...) Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob das jeweils konkrete Verhalten Dritter geeignet ist, die Vertrauensgrundlage für weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien entfallen zu lassen. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten entscheidend veranlasst hat (BAG, Urt. vom 14.5.1987 - 2 AZR 294/86, NZA 1988, 16). Beim Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ist dies deshalb anders, weil der Arbeitnehmer sich seiner im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst bedient und Prozessverhalten des Bevollmächtigten dem Arbeitnehmer schon wegen des § 85 ZPO zugerechnet wird. Prozessvortrag des Bevollmächtigten gilt von vornherein als Vortrag der Partei. Tatsächliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei „verpflichtend“, wenn sie die Erklärungen nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese gesetzliche Regelung steht der Annahme entgegen, Prozessvortrag des Arbeitnehmers könne nur dann als Auflösungsgrund berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nachweise, dass ein bestimmter - etwa beleidigender - Teil des Prozessvortrags vom Arbeitnehmer entscheidend veranlasst worden sei. Da es um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.

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