EU und Vorratsdatenspeicherung - Bleibt sie oder bleibt sie nicht?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 08.12.2010

Aus Brüssel hört man, dass sich keine schnelle Lösung bei der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene abzeichnet: EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström ist wohl der Ansicht, dass es mit ihr im Interesse der inneren Sicherheit kein Zurück geben werde bei der verdachtsunabhängigen Protokollierung von Verkehrsdaten. Bundestagsabgeordnete der FDP haben in einem Brief an EU-Innenkommissarin Cecilia Kommission Malmström "große Zweifel" geäußert, dass es sich bei der Evaluierung der Vorratsdatenspeicherung "um einen ergebnisoffenen Prozess handelt.  Die EU-Kommission will ihren der Evaluierungsbericht zur Vorratsdatenspeichungs-Rili wohl erst Ende des ersten Quartals 2011 vorlegen.

Mit Urteil vom 2. 03. 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Die Rili verpflichtet Deutschland jedoch zur Wiedereinführung eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.

Was meinen Sie, wie geht es in dieser Angelegenheit in Brüssel und Berlin weiter?

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Im Blog von Peter Schaar (http://www.bundesdatenschutzbeauftragter.de/   , Blog, widdet sich etwas versteckt am Ende unter dem 07.12. ein lesnswerter Bericht über die genannte Konferenz in Brüssel. Darin heißt es:

 

"Im Rahmen der Evaluierung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie (VDS-RL) fand am 3. Dezember 2010 in Brüssel die von der Europäischen Kommission organisierte Konferenz „Taking on the Data Retention Directive“ statt. Im Hinblick auf die Aktualität der Debatte und die Bedeutung der europarechtlichen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung möchte ich hier einen in meinem Hause erstellten Tagungsbericht einstellen. Dieser Bericht ist kein offizielles Protokoll der Konferenz.

Zunächst teilte die Kommission mit, dass der Evaluierungsbericht zur VDS-RL nunmehr Ende des ersten Quartals 2011 vorliegen soll.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx bezeichnete die VDS-RL als die am stärksten den Datenschutz und die persönliche Freiheit der Allgemeinheit beschneidende Richtlinie, die die EU jemals verabschiedet habe. Dermaßen einschneidende Maßnahmen seien nach europäischem Recht aber nur dann rechtmäßig, wenn belegt werden könne, dass sie zwingend notwendig und alternativlos seien. Nur dann könnten die Standards gehalten werden, die von den europäischen Gerichten in Straßburg und Luxemburg für einen verhältnismäßigen Eingriff immer wieder festgeschrieben wurden. Vorliegend scheine diese Verhältnismäßigkeit aber nicht gegeben zu sein. Andere Maßnahmen als die VDS seien durchaus vorhanden, was sich alleine dadurch belegen lasse, dass viele Länder weltweit ohne eine VDS auskämen. Insbesondere sei die zwingende Notwendigkeit bisher noch nicht tatsächlich (z.B. durch klare Statistiken) bewiesen worden. Könne dies auch in Zukunft nicht bewerkstelligt werden, müsste die RL wieder abgeschafft oder zumindest stark abgeändert werden. Weiterhin habe sich gezeigt, dass in vielen Mitgliedstaaten die Richtlinie genutzt worden sei, um eine weitergehende Nutzungen der Daten zu ermöglichen, beispielsweise zu präventiven und nachrichtendienstlichen Zwecken oder für „nicht-schwere“ Straftaten.

Für die Strafverfolger sprach der stellvertretende Vorsitzende der englischen Polizei, Herr Lewis Benjamin. Herr Benjamin stellte dar, dass Telekommunikations-Daten in der heutigen Zeit einen der wichtigsten und oftmals sogar den einzigen Ermittlungsansatz darstellen würden. Die Daten würden aber nicht nur dazu genutzt, Schuldige zu überführen, sondern dienten auch maßgeblich dazu Unschuldige zu entlasten. Die einheitliche Vorgabe, Daten für eine gewisse Zeit für Strafverfolgungszwecke zu speichern, sei essentiell um zu gewährleisten, dass Strafverfolgung nicht willkürlich wird. Ob ein Täter überführt wird, dürfe nicht dadurch beeinflusst sein, bei welchem Provider er seinen Internetzugang hat.

Für die Zivilgesellschaft sprach Herr Axel Arnbak von der Organisation Bits of Freedom. Er kritisierte, dass die Richtlinie einen gravierenden, nicht hinzunehmenden Eingriff in die durch die Grundrechtscharta gewährten Rechte der EU-Bürger darstelle. Er stellte in diesem Zusammenhang einige Untersuchungen vor, die belegen sollten, dass durch die Umsetzung der Richtlinie in den verschiedensten Mitgliedstaaten Rechte wie das Fernmeldegeheimnis oder die Pressefreiheit verletzt würden. Ebenso belegten Studien, dass sich das TK-Nutzungsverhalten der europäischen Bevölkerung aufgrund der VDS geändert habe und somit ein klarer Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit bewiesen sei.

In drei parallelen Sessions wurde die Diskussion fortgesetzt. Dabei wurden unter anderem Alternativen zur VDS diskutiert. Dabei wurde auch versucht zu evaluieren, inwieweit Quick-Freeze i.S.d. Cybercrime Convention und die VDS Überschneidungspunkte aufweisen, die eventuell eine alternative Verwendung der beiden Methoden ermöglichen.

Seitens der Strafverfolger wurde in diesem Zusammenhang argumentiert, dass die Cybercrime Convention sogar vorsieht, dass Inhalte eingefroren und ausgewertet werden, während die VDS „nur“ die Verkehrsdaten betrifft und somit als weniger eingriffsintensiv vorzuziehen sei. Darüber hinaus sei allenfalls eine parallele Verwendung sinnvoll, da mit den zwei Methoden verschiedene Zwecke erreicht werden sollen. Einen vollwertigen Ersatz für die VDS könnte ein Quick-Freeze-Modell aber nicht darstellen, da hierbei immer die Gefahr besteht, dass wenn die Anordnung zum Einfrieren erteilt wird, wichtige Daten bereits gelöscht und seien und somit der Strafverfolgung nicht mehr zur Verfügung stünden.

(...)

Im Rahmen der Diskussion zur Speicherdauer wurde vereinzelt noch einmal darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen, die an die Datennutzung geknüpft werden, maßgeblich auch vom Zeitrahmen abhängen, für den die Daten vorgehalten werden. Hieraus folge, dass die Datennutzung umso restriktiver beschränkt werden müsse, je länger die Daten vorgehalten würden. Hierzu wurde auch die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung herangezogen.

Zum Abschluss hielt Frau Kommissarin Malmström eine Rede, in der sie darauf hinwies, dass obwohl sie eine zwingende Notwendigkeit für die Beibehaltung der RL sehe (Zitat: „I am convinced data rention is here to stay“), sie als liberale Politikerin durchaus auch die mit ihr verbundenen Gefahren im Auge behalte. Obwohl die Evaluierung noch nicht abgeschlossen sei, könne sie bereits einige Zwischenergebnisse bekannt geben.

Zunächst habe sich die Notwendigkeit der RL bestätigt. Als weiteres Zwischenergebnis habe sich gezeigt, dass die durch die Richtlinie bezweckte Harmonisierung europäischen Rechts bislang noch nicht erreicht wurde. Insbesondere bei der Speicherdauer und der Nutzung der Daten (bezogen auf die Abrufbarkeit für andere Behörden neben Strafverfolgungsbehörden) seien teilweise gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen MS ausgemacht worden.

Bezüglich der Kosten habe man festgestellt, dass diese offensichtlich keine schwerwiegenderen Auswirkungen auf die Telekommunikations -Wirtschaft gehabt hätten.

Schließlich würden die Auswirkungen auf die Grundrechtecharta gründlich geprüft und dabei die grundsätzlichen Gefahren, die eine VDS mit sich bringt, berücksichtigt. Allerdings sei der Kommission auch kein einziger Fall von Missbrauch von Vorratsdaten bekannt geworden.

Ohne ein Ergebnis vorwegnehmen zu wollen erklärte Frau Malmström, dass sich die KOM nicht für eine Aufhebung, aber wohl für eine Anpassung der RL aussprechen wolle. Dabei sei es wahrscheinlich, dass man sich für eindeutigere Regelungen einsetzen werde, welche Daten gespeichert werden müssen. Eine Ausweitung der zu speichernden Daten, wie sie teilweise seitens des EP gefordert würde, sei hingegen nicht wahrscheinlich. Möglich sie allerdings, dass die Speicherdauer vereinheitlicht und verkürzt werde. Ebenso solle klar geregelt werden, welche Stellen auf die Daten zugreifen dürfen. Schließlich werde man sich auch mit dem Quick-Freeze-Verfahren beschäftigen, wobei dieses aus Sicht von Frau Malmström keine wirkliche Alternative zur VDS darstellen könne."

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