Ende der Schonzeit - update -

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 14.12.2010

Bereits hier hatte ich darüber berichtet, dass der BGH mit Urteil vom 25.11.2009 (NJW 2010, 440) entschieden hatte, dass entgegen der von Prütting/Helms und Zöller/Geimer vertretenen Auffassung auf Altverfahren altes Rechtsmittelrecht anzuwenden ist und dass es nach Auffassung des OLG Hamm (Beschluss vom 06.05.2010 - 2 UF 4/10 in FamFR 2010, 398 mit Anmerkung von mir) ein anwaltliches Verschulden darstellt, wenn der Anwalt statt der Berufung beim OLG Beschwerde beim AG einlegt hat

Der BGH hat nun diese Auffassung des OLG Hamm bestätigt und den Reigen dieser Fälle um eine weitere Variante bereichert.

Es existierten Jugendamtsurkunden, in denen sich der Vater zur Zahlung von 61,2% des Mindestunterhalts verpflichtet hatte.

Mit einer vor dem 01.09.2009 eingegangenen Klage beantragte er weitere Herabsetzung. Die Kinder erhoben Widerklage mit dem Ziel der Abänderung auf 100%. Die Widerklage wurde nach dem 31.08.2009 zugestellt.

Das FamG wiese die Klage ab und gab der Widerklage statt.

Am letzten Tag der Berufungsfrist legte die Anwältin des Vaters Beschwerde bei dem Amtsgericht ein (Eingang 16.41 Uhr), die an diesem Tag nicht mehr zum OLG weitergeleitet wurde.

Ergebnis Berufung unzulässig.:

Durch die Widerklage ist zwar der Streitgegenstand des Verfahrens geändert worden. Dadurch ändert sich die Rechtsnatur des bereits durch die Klage eingeleiteten Verfahrens aber nicht. Das Verfahren ist einheitlich zu behandeln und kann insbesondere im Hinblick auf Rechtsmittel nicht sinnvoll in Klage- und Widerklage-Verfahren aufgeteilt werden

Wiedereinsetzung abgelehnt:

Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Prozessführung überträgt, vertraut zu Recht darauf, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist.

Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen (BGH Beschluss vom 9. Juli 1993 - V ZB 20/93 - NJW 1993, 2538, 2539 mwN). Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur (vor allem Fachzeitschriften und Kommentare) über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Ver-anlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt.

Nach diesen Maßstäben hätte die Rechtsanwältin des Klägers bei sorgfältiger Auswertung der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur - zumindest auch - eine fristwahrende Berufung beim Oberlandesgericht einlegen müssen.

Die Rechtsanwältin des Klägers hatte überdies schon im Hinblick auf die von ihr zur Begründung ihrer Auffassung angeführte Kommentarstelle (Geimer in Zöller aaO) Anlass zu einer näheren rechtlichen Nachprüfung. Denn dort be-findet sich nicht nur ein Hinweis darauf, dass die Frage streitig sei, sondern ist insbesondere auch eine - bei Kommentierung noch nicht veröffentlichte - Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 21. September 2009 zitiert, die von der Fortgeltung des alten Verfahrensrechts ausgegangen ist.

BGH Beschluss vom 03.11.2010 – XII 197/10

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