Ist Assange genau so ein Verschwörer wie die deutsche Exekutive?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 16.12.2010

In den USA versucht man nun, gegen Assange den Vorwurf der Verschwörung zu erheben (Quelle). Aber die "Verschwörung", nach der jetzt gesucht wird, wäre nur eine solche zwischen Manning, dem Whistleblower, und Assange, dem Publizisten. "Verschwörung" klingt natürlich ganz schlimm, hinter dem us-amerikanischen Delikt "conspiracy" steckt aber einfach nur das, was in Deutschland (der Sache nach)  in § 30 Abs.2 StGB geregelt ist, nämlich eine (von der Tat unabhängige) Verabredung zu Straftaten. Hier eine Definition von "conspiracy" aus einem US-Rechtsportal:

What is a conspiracy?
A conspiracy is an agreement between two or more people to commit a crime followed by any activity to carry out the agreement. The conspiracy itself is a separate crime. Therefore, the prosecutor can bring charges of conspiracy even if you did not complete the crime you intended to commit. Because conspiracy charges carry separate penalties, you can be convicted of both conspiracy and a crime that you or your fellow conspirators accomplished during the conspiracy (the "substantive" count). If you are convicted of both the crime and the conspiracy to commit the crime, then you will receive a sentence that covers both convictions.

Ob Manning tatsächlich mit Assange eine solche Vereinbarung getroffen hat, bevor er sich die offenbar nur lausig gesicherten Depeschen herunterlud und auf DVDs brannte, wissen wir nicht. Aber der analoge Zusammenhang, nämlich die Frage, inwieweit der Nutzer der Daten eventuell denjenigen, der sie ausspäht (neudeutsch "leakt"), dazu angestiftet hat, den haben wir hier Anfang des Jahres schon einmal diskutiert, nämlich bei den Steuerdaten-CDs. Diese illegal kopierten Daten wurden (und werden?) von unseren Finanzverwaltungen angekauft, um Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen. Ein Unterschied, der in der rechtlichen/moralischen Bewertung durchaus eine Rolle spielt: Es ist unwahrscheinlich, dass Assange für die von Manning ausgespähten Daten Geld bezahlt hat. Wenn überhaupt, dann wären diejenigen Vertreter der deutschen Exekutive, die für die Steuerdaten-CDs Geld geboten haben und weiter bieten, eher als "Verschwörer" zu bezeichnen. Schöne neue Welt der Verschwörer.

 

 

 

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13 Kommentare

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Danach könnten dann in Deutschland am Datenankauf Beteiligte in Exekutive, Judikative und Legislative, sofern etwa USA-Banken oder -Sachverhalte betroffen wären, eines Tages als Verschwörer verfolgt werden. Ein Hoch auf den Unterhaltungswert der Generalklauseln. ;-)

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Natürlich wissen wir, dass der Whistle blower nicht mit WikiLeaks konspiriert hat. WikiLeaks hat nämlich keinen Kontakt zu den Personen, die Daten hochladen, das ist technisch ausgeschlossen. So ist das System angelegt und das ist natürlich volle Absicht. WikiLeaks weiß nicht ob es Manning war, der die Dokumente hochgeladen hat und kann es nicht wissen. Nur Manning selbst weiß es und nur er konnte darüber plaudern.

 

 

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@Marc B. auch wenn ich einen vorherigen Kontakt zwischen Assange und Manning für sehr unwahrscheinlich halte, Ihre Argumentation basiert auf der Annahme, dass es ausschließlich die Netzstruktur gibt, über die Menschen kommunizieren können. Aber es gibt ja auch noch das Telefon. Und  man kann sich tatsächlich auch noch im realen Leben zum Händeschütteln treffen, auch wenn das überraschend klingt.

Ein Datenanalyst des Militärgeheimdienstes auf einem Stützpunkt im Irak ruft also mal eben einen Mann an, der keinen Wohnsitz hat und nur elektronisch erreichbar ist?

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Immerhin hat Manning solche Kontakte behauptet, so schreibt die New York Times (Quelle):

"Among materials prosecutors are studying is an online chat log in which Private Manning is said to claim that he had been directly communicating with Mr. Assange using an encrypted Internet conferencing service as the soldier was downloading government files. Private Manning is also said to have claimed that Mr. Assange gave him access to a dedicated server for uploading some of them to WikiLeaks.Adrian Lamo, an ex-hacker in whom Private Manning confided and who eventually turned him in, said Private Manning detailed those interactions in instant-message conversations with him. He said the special server’s purpose was to allow Private Manning’s submissions to “be bumped to the top of the queue for review.” By Mr. Lamo’s account, Private Manning bragged about this “as evidence of his status as the high-profile source for WikiLeaks.”

Kann natürlich nur Angeberei sein.

Selbstverständlich dürfte eine solche "conspiracy" nicht strafbar sein, denn dann müssten auch Journalisten bei vorherigem Kontakt zu whistleblower-Quellen dadurch zu Mittätern von deren Geheimnisbruch werden - kaum vorstellbar in einem Land, das die Meinungsfreiheit so hoch hält wie die USA.

In diesem Interview mit John Bellinger, einem Rechtsberater im Außenministerium der Bush-Regierung, werden die Schwierigkeiten einer Strafverfolgung von Assange durch die USA sehr deutlich benannt - von einem Juristen, der Assange sehr gern verfolgen würde (Quelle).

Ausschnitt:

MARK COLVIN: And the first amendment which protects freedom of speech would come into play there?

JOHN BELLINGER: In cases like this in the past, although there has not been one of this magnitude in the past, certainly individuals have raised their first amendment rights and with Mr Assange, in particular, who has said that he is a journalist engaged in news gathering, I think we can certainly expect that he would raise those issue as a defence.

(...)

MARK COLVIN: (...) What about the possibilities of extradition, either from Sweden or the UK?

JOHN BELLINGER: Well that may be potentially even harder. (...)
The United States has well functioning extradition agreements with both Britain and Sweden. There's a relatively new Extradition Treaty between the US and the UK. On the other hand both of those treaties have got exception for political offences and I think we can certainly expect that Mr Assange's lawyers would argue that at least charges under the Espionage Act count as political offences. And certainly in the UK with respect to extraditions in recent years, we have seen the British bar kick up huge legal battles.

MARK COLVIN: There's a British hacker who was arrested in 2002, Gary McKinnon, for hacking into US military computers. He was arrested in 2002 as I say and he's still in Britain despite the US's best efforts to extradite him.
(...) Could that happen to Julian Assange?

JOHN BELLINGER: I think that could potentially take a very long time to litigate his extradition. Obviously in this case Mr Assange has got a number of individuals who are supporting his case as an example of freedom of expression.

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Immerhin hat Manning solche Kontakte behauptet, so schreibt die New York Times

aktuell: die US-Ermittler konnten keine direkte Verbindung nachweisen

http://www.zdnet.de/news/digitale_wirtschaft_internet_ebusiness_us_ermittler_finden_keine_verbindung_zwischen_assange_und_manning_story-39002364-41546282-1.htm

http://www.msnbc.msn.com/id/41241414/ns/us_news-wikileaks_in_security/

Kim Zetter (wired) publiziert sogar das chat-Protokoll zwischen Lamo und Manning, in dem Manning über seine Kontakte mit Assange berichtet

Manning also discussed his role as a source for WikiLeaks and indicated that he had developed a relationship with Assange:

(2:04:29 PM) Manning: im a source, not quite a volunteer
(2:05:38 PM) Manning: i mean, im a high profile source… and i’ve developed a relationship with assange… but i dont know much more than what he tells me, which is very little
(2:05:58 PM) Manning: it took me four months to confirm that the person i was communicating was in fact assange

(Quelle)

Aber es ist schon fraglich, ob so etwas als Beweismittel vor einem amerikanischen Gericht zugelassen wird (hearsay-rule), solange Manning nicht selbst Assange belastet.

Weitere skeptische Einschätzungen aus den USA:

John Hudson (the Atlantic)

Josh Gerstein (politico)

 

leicht OT:

Hallo,

es gibt einen gemeinsamen Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks, initiiert von mehreren Akteuren:
taz, Frankfurter Rundschau, Der Freitag, Tagesspiegel, European Center For Constitutionel and Human Rights (ECCHR), Perlentaucher.de

inzwischen ebenfalls dabei:

Telepolis, Berliner Zeitung, netzpolitik.org, AK Zensur, Neues Deutschland

und mittlerweile über 6000 Unterstützer

=> http://bewegung.taz.de/aktionen/4wikileaks

Evtl. möchte ja jemand mitmachen? Könnte/sollte 'nen "shitstorm" werden ...

LG, Adi

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Die SZ schrieb nun in "US-Regierung kämpft gegen Wikileaks - Twitter macht's publik"  http://www.sueddeutsche.de/digital/us-regierung-kaempft-gegen-wikileaks-... : "Anfang Dezember hatte US-Justizminister Eric Holder, der für die rechtliche Aufarbeitung des Skandals zuständig ist, angedeutet: "Es ist ein Irrtum zu glauben, das Spionage-Gesetz sei die einzige Rechtsgrundlage, auf die wir schauen." Die New York Times hatte berichtet, das Ministerium prüfe etwa, Assange wegen mutmaßlich "illegalen Handels mit Regierungseigentum" zu belangen." Mal schauen, was sie noch aus der Wundertüte zaubern.

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