JMStV gekippt – Sach-, Lach- oder Mach(t)geschichten aus NRW?

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 17.12.2010

In einer parlamentarischen Demokratie ist es notwendig und wichtig, dass es Leute gibt, die Politiker sein wollen. Bürgerinnen und Bürger können froh sein, wenn Menschen diesen Job übernehmen. Im Grunde gilt insoweit das Gleiche wie bei der Straßenreinigung, dem Schneeräumungsdienst und der Müllabfuhr. Auch die allgemeine Erwartungshaltung an alle genannten Berufsgruppen ist eigentlich gleichgerichtet. Man darf ebenso enttäuscht sein, wenn die Leerung der Mülltonnen angekündigt und dann tatsächlich nicht geleert wird, wie wenn ein Staatsvertrag von allen Ministerpräsidenten bereits im Juni 2010 als „notwendiger Schritt für einen effektiven Jugendschutz“ beschlossen und von fast allen Landesparlamenten bestätigt wird, um dann im Landtag von Nordrhein-Westfalen von allen (!) Fraktionen  abgelehnt zu werden.

Dass es sich dabei ausgerechnet um ein Bundesland handelt, dass derzeit von einer Minderheitsregierung von SPD und Grünen geführt wird,  ist nur aus naiver Sicht ein Zufall. Entsprechend ging es meines Erachtens bei der gestrigen Debatte auch nur vordergründig um Sachfragen. Viel näherliegend ist, dass die CDU-Fraktion – darum wissend, dass FDP und Linke dem neuen JMStV ihre Zustimmung verweigern würden – eine Chance witterte, Rot-Grün bei der Abstimmung erstmals im Parlament zu blamieren und in den bösen Schein der „Regierungsunfähigkeit“ zu stellen. Wenig verwunderlich ist freilich, dass Rot-Grün in der Folge eine „Kampfabstimmung“ wie der Teufel das Weihwasser scheute.

Sehr gelegen kamen da die „Horrorszenarien“, welche manche Beteiligte schon vor Monaten in Anhörungen für den Fall an die Wand gemalt hatten, dass der neue JMStV in Kraft treten würde. Die von selbsternannten Zensurgegnern seit jeher parolenhaft vorgetragene Besorgnis einer „de facto“-Alterskennzeichnungspflicht für „private Internetanbieter“ ließ bei verständigen Beobachtern ebenso den Eindruck entstehen, die Postulierenden hätten noch nie den Entwurfstext und die aktuell schon seit 2003 geltende JMStV-Fassung gelesen, wie die wahlweise vorgetragene Prophezeiung, der geänderte JMStV würde zu neuen „Abmahnwellen“ (v.a. aufgrund der geplanten Pflicht zur Angabe des Jugendschutzbeauftragten) führen.

Mühsam versuchten daher im Rahmen der gestrigen parlamentarischen Debatte alle Redner von Schwarz, Rot und Grün, sich auf diese längst gehörten Argumentationen zu berufen, wobei diese teils in nebulös und nachgerade bedrohlich wirkende, indes unbelegte Worthülsen wie die der „verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit“ gekleidet wurden. Die Zwischenfrage, warum der am Rednerpult stehende Politiker der vormaligen Rüttgers-Regierung von einer solchen nun ausgehe, im Rahmen der vormaligen Sitzungen zum JMStV ausweislich der Protokolle indes nicht eine einzige (kritische oder sonstige) Frage gestellt hatte, wurde ernsthaft mit der Antwort quittiert, er habe sich damals nicht in den Vordergrund drängen wollen.

Wenn nun alle Fraktionen der Schwarzen, (Hell-)Roten und Grünen in NRW behaupten, ihr Abstimmungsverhalten habe nichts mit den derzeitigen Machtverhältnissen in NRW, sondern lediglich mit Sachfragen zu tun, so muss folgende Gegenfrage erlaubt sein: „Heißt dies, dass auch künftig bereits von den Ministerpräsidenten nach zahllosen Anhörungen ausgehandelte und beschlossene Staatsverträge zum Jugendmedienschutz noch von einzelnen Landtagsfraktionen eines Bundeslandes in letzter Sekunde aufgrund einer „abweichenden Einschätzung von Sachfragen“ gekippt werden könnten?“. Bejahendenfalls könnte man dies achselzuckend mit der Plattitüde der „gelebten Demokratie“ zur Kenntnis nehmen.

Ebenso gut ließe sich aber auch der Schluss ziehen, das – vorgeblich an Sachargumenten orientierte – Gezänk um den Jugendmedienschutz in den Länderparlamenten könne künftig zu einer Handlungsunfähigkeit auf dieser Entscheidungsebene führen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unangebracht, sich daran zu erinnern, dass die Regulierungsmaterie des Jugendschutzes nach herrschender Meinung eine solche der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Wollen SPD und Grüne in NRW den JMStV nun ernsthaft „auf den Prüfstand“ stellen, nachdem bereit hunderttausende Euro von Steuergeldern für eine entsprechende Überprüfung durch das Hans-Bredow-Institut ausgegeben worden sind und die Untersuchungsergebnisse sich gerade im gestern abgelehnten Staatsvertrag-Entwurf zum Teil wiederfanden, so gehört aus meiner Sicht ebenso auf den Prüfstand, ob die Regelung des Jugendmedienschutzes für alle Medien (nicht nur für Kinofilme und Trägermedien) nicht im Rahmen einer einheitlichen Bundesregelung besser aufgehoben wäre.

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35 Kommentare

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Mir scheint es eher ein Fall von "des Kaisers neue Kleider" zu sein - ein einzelnes Landesparlament traut sich auszusprechen, dass der JMStV "nackt" ist. Dass die Motive dafür nicht rein sachgeleitet sein mögen, räume ich gerne ein - dass die anderen Parlamente aber sehenden Auges offensichtlichen Unsinn verabschieden, ist weitaus schlimmer.

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Ist es denn so verwerflich, dass ein Parlament sich nicht von einem Mitglied der Exekutive einen Gesetzestext vorschreiben lassen will? Die Gründe dafür sind mE weniger relevant, da die Abgeordneten immerhin rechtlich unabhängig sind.

Ich erinnere daran, dass es eine (kleine) Minderheit unter den Staatsrechtlern gibt, die das Instrument des Staatsvertrages grundsätzlich für verfassungswidrig halten. Demzufolge gibt es im Gefüge des Grundgesetzes entweder den Bund oder die einzelnen Länder. Eine Kooperationseben aller Länder unabhängig vom Bund wäre dann systemwidrig.

 

Rechtsgebiete, in denen Einheitlichkeit wichtig ist, müssten dann in die Zuständigkeit des Bundes übertragen werden.

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Sehr geehrter Herr Kollege Liesching,

Sie erwecken den Eindruck, als würde es keine sachlichen Argumente gegen die Novellierung des JMStV und das Grunkonzept dieses Staatsvertrags geben. Das ist aber nicht der Fall.

Erst vor wenigen Wochen hat hier im Beck-Blog Thomas Hoeren den JMStV deutlich kritisiert, wie Sie vermutlich wissen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Mehrheit der Medienpädagogen der Novellierung des JMStV kritisch bis ablehnend gegenüber steht.

Letztlich versucht der JMStV klassische Instrumente des Jugendschutzes (Alterskennzeichnung, Sendezeiten) 1:1 ins Internet zu transportieren, was bereits in technischer Hinsicht nicht funktionieren kann.

Wenn man schließlich über den Aspekt der geplanten Alterskennzeichnung spricht, sollte man allerdings auch den unmittelbaren Zusammenhang zum Einsatz von Jugendschutzsoftware erwähnen.

Fragwürdige Behauptungen habe ich, gerade von den Befürwortern des JMStV, immer wieder gehört. So jüngst die Staatskanzlei von RLP:

http://www.internet-law.de/2010/12/die-befurworter-des-jmstv-werden-nerv...

Sehr geehrter Herr Liesching,

erklären sie doch bitte einmal dem geneigten Publikum wie eine Web 2.0 Website hinsichtlich Judenschutz geprüft werden kann, mit einem Ergebnis das Bestand hat.

im Gegensatz zu Filmen, Computerspielen und Zeitschriften kann ein Betrag kontinuierlich fortgeschrieben werden. In jedem Kinderforum ist es fortwährend möglich, Hardcore Material (Text,Ton, Bild, Video) unterzubringen.

Damit ist jede Prüfungsmöglichkeit hinfällig. Sicherlich können Benutzer den Administrator informieren, das ab 18 Material eingefügt wurde, aber wer tut sowas bei "ab 16" oder "ab 12 Material" auf einer Kinderseite "ab 6" Jahren.

Der Treppenwitz ist doch das Zeitungen wie Bild weiter nackte Tatsachen präsentieren dürfen, weil mal ja allumfassend berichtet. Aber wenn ein Blogbetreiber über genau das Photo aus der Bild "fachsimpelt" wird eine Jugendprüfung für den Betrag fällig.

 

Nein DANKE!

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R.Meller schrieb:

...Web 2.0 Website hinsichtlich Jugendschutz geprüft werden kann...

sorry blöder Tippfehler, war nicht gemeint

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Kurz vorweg: Ich gehöre zu denjenigen, die von einer "de facto"-Kennzeichnungspflicht gesprochen haben. Ich ziehe mir den Schuh, mich mit dem Gesetz nicht auseinandergesetzt zu haben, nicht an. Zu meinen Vorarbeiten gehörte unter anderem auch ein intensives Studium Ihrer Kommentierungen des JMStV 2003.

Ich habe die genannte Behauptung im Verlauf der Debatte mehrmals vorgetragen und habe, bis auf die Entgegnung, die "Kennzeichnungspflicht sei rein freiwillig", keine substantiellen Gegenargumente gehört.

Ich würde dieses Missverständnis dennoch gerne noch aufklären. Wenn ich - und ich denke, das gilt für die meisten anderen Kritiker des JMStV genauso - davon spreche, es gebe eine "faktische Kennzeichnungspflicht", dann meine ich folgendes:

Für einen Webseitenbetreiber, der jugendgefährdendes Material, auf der Seite hat, das für über-12-jährige jugendgefährdend wäre, hätte es faktisch keine andere Möglichkeit gegeben, den JMStV einzuhalten, als sich selbst einzustufen und zu kennzeichnen.

http://www.telemedicus.info/article/1911-SchwenkeMoeller-Infografik-zum-...

(vgl. dort insbesondere bei *11)

Wo also denken Sie, liege ich falsch?

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Hallo Herr Kollege Stadler,

ich wollte hier keinen "Eindruck" in irgendeiner Form erwecken. Das Thema gehört im Blog platziert und in diesem Zusammenhang habe ich meine persönliche Meinung geäußert. Natürlich hat der JMStV-Entwurf auch Schwachpunkte gehabt, insbesondere die zu recht umstrittene und von Prof. Hoeren kritisierte Regelung zur Kennzeichnung durch Plattformen (§ 5 Abs. 3 JMStV-E). Die Praxis (Medienaufsicht, Selbstkontrolleinrichtungen und sonstige Jugendschutzstellen) war hier bereits in zahlreichen Gesprächsrunden und Veranstaltungen auf einem guten Weg, aus den teilweise wirklich kaum verständlichen oder "schiefen" Vorschriften eine praktische Umsetzung zu gewährleisten, welche taugliche Lösungen und Verbesserungen für die Anbieter bedeutet hätten.

Allerdings hatte der JMStV-Entwurf auch gute Regelungsansätze und hätte in vielen Bereichen auch erhebliche Chancen eröffnet, künftig 16- und 18- Inhalte rechtssicher im Internet zugänglich zu machen. Nun bleibt es bei dem Risiko für Anbieter, bei entsprechenden entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten von der Medienaufsicht abgemahnt zu werden und allenfalls mit einer "Perso-Nr.-Abfrage" oder anderen nutzerunfreundlichen "technischen Mitteln" (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV) Rechtssicherheit mit dem Einbruch von Nutzerzahlen zu erkaufen - oder ein hohes Bußgeld oder Verwaltungsgebüren bei Beanstandungen zu zahlen. Dies ist - wie Sie wissen - status quo spätestens seit 2003.

Wenn Sie nicht nur den Blog von Herrn Prof. Hoeren gelesen haben, sondern auch sorgfältig den JMStV-E, so wissen Sie bestimmt, dass das entworfene System nach Alterskennzeichen keinesfalls "1 zu 1" aus dem JuSchG übernommen worden ist. Vielmehr ist - außer den Altersstufen 6, 12, 16, 18 - eigentlich gar nichts aus dem JuSchG-System übernommen worden. Überdies ist die JMStV-E-Alterskennzeichnung als rein freiwilliges Konzept für den Anbieter normiert worden, auch insoweit übrigens ein Unterschied zu dem faktisch restriktiveren System für Bildträger-Kennzeichen nach dem JuSchG.

Ihren Hinweis auf die Jugendschutzsoftware verstehe ich. Insoweit habe ich im Beck-Blog vermutlich schon zuviel an Vorwissen über den Inhalt des 14. Rf. ÄndStV vorausgesetzt. Hierfür bitte ich um Nachsicht. Gerne aber auch hierzu der Hinweis, dass sich in den letzten Wochen überwiegend der Konsens gebildet hatte, dass ein Tagging für ein Jugendschutzprogramm auch ohne (optische) Alterskennzeichnung hinreichend gewesen wäre, um seiner Anbieterpflicht nach § 5 Abs. 5 Nr. 1 JMStV-E zu genügen und Rechtssicherheit zu erlangen. Von "de facto"-Allteskennzeichnungspflicht also keine Spur, sondern im Grunde nur Chancen auf Rechtssicherheit für Anbieter.

Sei´s drum. Da der 14. Rf.ÄndStV nun beerdigt ist, geht es mir in dem Blog auch eher um den Blick und die Diskussion nach vorne. Vor diesem Hintergrund ist aber doch nicht unwichtig, ob bei künftigen rechtspolitischen Anläufen erneut ein Schlingerkurs einzelner ausbrechender Länderparlamente zu befürchten ist, ob namentlich jede Fraktion in den Ländern am Ende ihr eigenes Süppchen kochen könnte. Nimmt man die Äußerungen der Fraktionen in NRW ernst, nach der die gestrige Abstimmung eine Sachentscheidung und keine politische (aufgrund der Stimmenverhältnisse im Landtag NRW) war, so sind Umsetzungsunsicherheiten auf für künftige JMStV-ÄndStVe anzunehmen. Aus meiner Sicht ist doch wichtig, dass föderale Politik der Länder mit dem Anspruch bundeseinheitlicher Normierung auch funktioniert und zu Ergebnissen kommt. So dies scheitert, stellt dies eine Steilvorlage an den Bund dar, nun über eine bundeseinheitliche Regelung des Jugendschutzes in den Medien nachzudenken.

Ihre Kritik im Blog von Prof. Horen habe ich noch nicht gelesen, werde dies aber sicher nachholen. Ihnen und allen Bloggern schöne Feiertage und einen guten Start in 2011. ML

Herr Liesching, vielleicht sollten Sie sich mal die Stellungnahmen der Kritiker durchlesen, bevor Sie irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen. Und dass Sie als Beleg für Ihre Kritik an den Kritikern nur einen verqueren Kommentar in einer Publikumszeitschrift finden können, ist ja nun auch nicht wirklich juristisch sauber, passt aber zur Stimmungsmache der JMStV-Befürworter aus dem Dunstkreis der (Co-) Autoren …

Was die "de facto Kennzeichnungspflicht" anbelangt empfehle ich Ihnen nochmals die Lektüre des JMStV-E inklusive der Protokollerklärungen und den Beschluss der Jugendschutz-Runde bei Hans ernst Hanten vom BKM, dass „Jugendschutzprogramme“ alles nicht gekennzeichnete in der Standardeinstellung zu blockieren haben.

 

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Hallo Herr Möller:

Für einen Anbieter, der entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte "ab 16" oder "ab 18" als eigene Inhalte verbreitet, gibt es auch schon seit 2003 und nun weiterhin eine Pflicht, seine Inhalte entsprechend einzustufen und Maßnahmen zu ergreifen (z.B. "technische Mittel" wie Perso-Nr.-Abfrage) oder Verbreitungszeitbegrenzung. Tut er dies nicht, riskiert er Bußgelder nach § 24 JMStV. Nochmals: Dies gilt bereits seit 2003 und nun auch weiterhin. Hauptunterschied, welcher der neue JMStV gebracht hätte: Der Anbieter hätte die - rein freiwillige - Möglichkeit gehabt, sein Angebot für ein Jugendschutzprogramm zu taggen, um seinen Anbieterpflichten der Wahrnehmungserschwernis (die seit 2003 und weiterhin gelten!) zu erfüllen. Hätte der Anbieter nach Inkrafttreten des JMStV-E seine Inhalte nicht gekennzeichnet, wären ihm keinerlei rechtliche Nachteile entstanden. Er hätte weitermachen können wie bisher auch. Keine Medienaufsicht oder sonstige Stelle hätte irgeneinem Anbieter einen Vorwurf aus der Nichtkennzeichnung machen können, wenn er sich an das bereits seit 2003 geltene Recht anderweitig hält.

Im Übrigen noch ein Hinweis zu Plattformbetreibern nach § 5 Abs. 3 JMStV-E. Diese genießen die Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG und haften für Inhalte, die andere Nutzer eingestellt haben, erst ab Kenntnis hiervon. Auch hier hätte der JMStV-E nichts gegenüber dem status quo geändert. Sehr geehrter Herr Möller, es freut mich natürlich sehr, dass Sie auch mit meinem Kommentar von 2003 arbeiten, der naturgemäß zur jetzt gescheiterten Novelle nicht viel enthält. Ich finde nun, wie bereits vorstehend ausgeführt, dass nun die Diskussion nicht im "Hätte, Wäre, Wenn" versinkt, sondern schon mit Blick nach vorne darüber nachgedacht würde, was für regulatorische Konsequenzen das Scheitern des 14. RfÄndStV gerade für den gesetzlihen Jugendmedienschutz hat bzw. haben könnte. Herzliche Grüße. ML

Hallo zusammen,

"de facto Kennzeichnungspflicht" heisst doch übersetzt einfach folgendes:

1.) im JMStV ist man nur dann VERFPLICHTET zu kennzeichnen, wenn man beeinträchtigende Inhalte publiziert

2.) Hersteller von Kindersicherungen (wie wir von kinkon.de) sind VERPFLICHTET diese auszuwerten. Bei FEHLENDER Kennzeichnung ist ein Zugriff zu sperren.

Die Kombination 1.) plus 2.) führt dazu, dass Webseiten die KEINE Kennzeichnung haben bei Kindern nicht mehr zur Anzeige gebracht werden. Diese Tatsache ist zum einen einem erschreckend geringen Anteil von Anbietern überhaupt klar, und betrifft eine hohe Anzahl von Vereinsseiten, Privaten Seiten etc... Die Liste ist ewig lang.

Daher kommt es immer wieder zur Aussage der Der JMStV beinhaltet eine "defacto Kennzeichnungspflicht". Denn FAKT wäre, kennzeichne ich NICHT, bin ich bei gesicherten Rechnern NICHT sichtbar. Will ich sichtbar bleiben, MUSS ich kennzeichnen, selbst wenn es eine "ab 0 Jahren" Kennzeichnung wäre.

Das ist doch nachvollziehbar und richtig so, oder? 

Für die betroffenen Industrien (Porno, Spiele...) ist es recht einfach zu kennzeichnen, und damit rechtssicherheit zu erlangen. Das ist richtig! Das kann ja auch gerne so sein. Wenn das aber bedeutet, dass zig-tausende anderer Seiten dadurch in der logischen Konsequenz GEBLOCKT werden, weil eine Kennzeichnung "GUTER" Seiten nicht erfolgt, dann wird hier eine Regelung geschaffen die nur einseitig nützt (Industrie) aber FAKTISCH den Familien, Eltern und Kindern, auch nur bedingt weiterhilft.

 

Also lassen Sie uns doch mit den Spitzfindigkeiten "steht ja so nicht im JMStV" aufhören, und die echten Konsequenzen und Ergebnisse bei Anwendung der Regelungen sprechen!

Grüße aus dem zugeschneiten Kaiserslautern!

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Hallo Herr Freude, ich kenne die Unterlagen und die Diskussionen und bin weiterhin an einer sachlichen Diskussion - auch mit Ihnen - interessiert. Ein Blog ist freilich kein juristischer Schriftsatzwechsel mit entsprechenden Darlegungs- und Beweisobliegenheiten, auch dient der Link nicht als "Beleg". Gleichwohl möchte ich auch Sie herzlich einladen, einmal juristisch sauber zu erläutern, woraus sie in § 5 JMStV-E eine "de-faco-Kennzeichnungspflicht" ersehen: Für alle Bloger nochmals der Text des § 5 JMStV-E (Unterstreichungen des Verf.); die Anbieterpflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 und 6 besteht wohlgemerkt bereits seit 2003:

 

§ 5 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

(1) 1Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. 2Die Altersstufen sind:

1. ab 6 Jahren,

2. ab 12 Jahren,

3. ab 16 Jahren,

4. ab 18 Jahren.

3Die Altersstufe „ab 0 Jahre“ kommt für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträch­tigende Angebote in Betracht. 4Bei Angeboten, die Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergeben, können gegen den Anbieter erst dann Maßnahmen ergriffen werden, wenn eine anerkannte Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle oder die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) festgestellt hat, dass das Angebot entwicklungsbeeinträchtigend ist.

(2) 1Angebote können entsprechend der Altersstufen gekennzeichnet werden. 2Die Kennzeichnung muss die Altersstufe sowie die Stelle, die die Bewertung vorge­nommen hat, eindeutig erkennen lassen. 3Anbieter können ihre Angebote einer nach § 19 anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zur Bewertung oder Bestätigung ihrer Bewertung vorlegen. 4Durch die KJM bestätigte Alters­bewertungen von anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sind von den obersten Landesjugendbehörden für die Freigabe und Kennzeichnung inhaltsgleicher oder im Wesentlichen inhaltsgleicher Angebote nach dem Jugendschutzgesetz zu übernehmen; für die Prüfung durch die KJM gilt § 20 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 entsprechend.

(3) 1Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter die Einbeziehung oder den Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen, die das Alter der gekennzeichneten Altersstufe noch nicht erreicht haben, zu beeinträchtigen. 2Der Nachweis, dass ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, gilt als erbracht, wenn sich der Anbieter dem Verhaltenskodex einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwirft.

(4) 1Altersfreigaben nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes sind für die Bewertung zu übernehmen. 2Es sind die Kennzeichen der Selbstkontrollen nach dem Jugendschutzgesetz zu verwenden. 3Satz 1 gilt entsprechend für Angebote, die mit den bewerteten Angeboten im Wesentlichen inhaltsgleich sind.

(5) Der Anbieter kann seiner Pflicht aus Absatz 1 dadurch entsprechen, dass er

1. durch technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich macht oder wesentlich erschwert oder

2. die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählt, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen.

(6) 1Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 auf Kinder oder Jugendliche anzunehmen, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot nur zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. 2Wenn eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren zu befürchten ist, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. 3Bei der Wahl der Zeit zur Verbreitung des Angebots und des Umfelds für Angebote der Altersstufe „ab 12 Jahren“ ist dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen.

(7) Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 nur auf Kinder unter 12 Jahren zu befürchten, erfüllt der Anbieter von Telemedien seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot getrennt von für diese Kinder bestimmten Angeboten verbreitet wird oder abrufbar ist.

(8) Absatz 1 gilt nicht für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote bei Telemedien, es sei denn, es besteht offensichtlich kein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung.

MarcLiesching schrieb:

Ein Blog ist freilich kein juristischer Schriftsatzwechsel mit entsprechenden Darlegungs- und Beweisobliegenheiten, auch dient der Link nicht als "Beleg". Gleichwohl möchte ich auch Sie herzlich einladen, einmal juristisch sauber zu erläutern, woraus sie in § 5 JMStV-E eine "de-faco-Kennzeichnungspflicht" ersehen: Für alle Bloger nochmals der Text des § 5 JMStV-E (Unterstreichungen des Verf.); die Anbieterpflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 und 6 besteht wohlgemerkt bereits seit 2003:

Ich finde es zwar ein wenig skurril, dass Sie auf der einen Seite als Jurist und Autor des Blog-Beitrages von einem Nicht-Juristen in den Kommentaren zu Ihrem Beitrag eine juristisch saubere Erläuterung erbeten. Aber selbstverständlich kann ich Ihnen Erläutern, woher die Aussage einer "de-facto-Kenzeichnungspflicht für viele Seitenbetreiber" herrührt.

Entgegen Ihrem Kommentar stehen die relevanten Regelungen nicht nur in §5 (hier konkret Abs. 1 und 2), sondern auch in §11 Abs 1. sowie die passende Bußgeldvorschrift in §24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV-E. §12 spielt auch noch mit rein.

§5 untersagt das Betreiben von Webseiten mit "Erziehungsbeeinträchtigenden" Inhalten nach verschiedenen Altersstufen. Wer entsprechende Inhalte hat, muss Maßnahmen ergreifen. Die Maßnahme mit dem für die meisten Fälle einzig vertretbaren Aufwand ist in der Regel die Kennzeichnung.

Daher kann man meines Erachtens bei erziehungsbeeinträchtigenden Inhalten durchaus von einer "de-facto-Kennzeichnungspflicht" reden. Wie schnell man bei "erziehungsbeeinträchtigenden" Inhalten ist, hat ein Experiment des AK Zensur gezeigt: http://ak-zensur.de/jmstv/

Hinzu kommen aber noch zwei andere Sachen. Zum einen die Protokollerklärungen. 

Quote:

 

Die Länder erwarten, dass Anbieter gemäß § 3, die gewerbsmäßig oder in großem Umfang Telemedien verbreiten oder zugänglich machen, auch die für Kinder oder Jugendliche unbedenklichen Angebote für eine Positivliste programmieren,

 

[...]

 

Die Länder begrüßen die Anstrengungen der Anbieter, zur Kennzeichnung von Inhalten Selbstklassifizierungssysteme zu entwickeln. Sie sehen in Selbstklassifizierungssystemen einen wichtigen Schritt zur Verbreitung von Alterskennzeichnungen. Die Länder nehmen in Aussicht, die Nutzung solcher Systeme weiter zu privilegieren, sobald entsprechende Erfahrungen aus der Praxis vorliegen

 

Aussagen aus Bayern, die Aufrufe "erstmal abwarten und nichts machen, nicht kennzeichnen" als Boykott bezeichnen, decken diese Forderung.

 

Zum anderen war geplant, dass „Jugendschutzprogramme“ nur dann anerkennungsfähig sind, wenn sie in der Standardeinstellung nicht gekennzeichnete (und nicht vom Filter-Hersteller selbst eingestufte) Inhalte blockieren. Das ist Stand 2. Dezember 2010 (Anhörung Saarland) und wurde meines Wissens bei der Runde bei Hans Ernst Hanten am 3. Dezember 2010 bestätigt. Aufgrund ihrer Nähe zur KJM bin ich davon ausgegangen, dass Ihnen dieses bekannt ist.

Welche Folgen hat dies?

Die "zugelassenen" Inhaltsfilter werden sicherlich vornehmlich in Schulen und öffentlichen Einrichtungen eingesetzt. Webseiten, die dort nicht blockiert werden wollen, müssen also gekennzeichnet werden. Das betrifft zum Beispiel die Webseiten von Sportvereinen und Jugendclubs, von Firmen die Ausbildungsplätze anbieten und so weiter.

Viele Webseiten beispielsweise der Landesjugendringe und anderer öffentlich geförderter Einrichtungen, die sich gezielt an Kinder richten, müssten ebenfalls gekennzeichnet werden. Da haben wir aber ein anderes Problem: rein formal sind viele solcher Webseiten möglicherweise für einzelne Altersstufen "Erziehungsbeeinträchtigend". Denn nach Definition der KJM hat die

 

Quote:

[…] Beurteilung der Beeinträchtigung […] an den schwächeren und noch nicht so entwickelten Mitgliedern der Altersgruppe zu erfolgen.

Das ist aber besonders für Aufklärungsangebote, die sich gezielt an 11-jährige wenden, schwierig, da dann die "schwächeren, nicht so entwickelten" 6-jährigen als Maßstab herangezogen werden müssen.

 

Zu dem ganzen kommt dann noch das Problem mit Nutzergenerierten Inhalten, auf das wir hier noch gar nicht eingegangen sind. Wer beispielsweise Kommentare erlaubt und keiner Vor- oder Nachmoderation unterzieht, wurde beim FSM-Tool nach entsprechenden Berichten mindestens als "ab 16" eingestuft. Hier greifen dann aber selbst bei großzügiger Auslegung keinerlei Priviligierungen mehr, so dass tatsächlich Maßnehmen (wie eine Kennzeichnung) verpflichtend sind. Und da die Kennzeichnung für viele die einzig praktikable Maßnahme ist, kann man durchaus von einer de-fakto-Kennzeichnungspflicht sprechen.

 

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Hallo Herr Liesching,

 

kurze Frage: Ist meine Darstellung im Kommentar #11 denn falsch oder richtig?

Gruß

 

PKS

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Hallo Herr Sanner,

 

wir sind zwar nicht immer einer Meinung, aber hier haben Sie völlig recht. Es wäre in der Tat so gewesen, dass Jugendschutzsoftware nicht gekennzeichnete Webseiten hätte sperren müssen. Ich habe daher immer als Beispiel angeführt, dass Betriebe, welche Ausbildungstellen anbieten, diese Webseiten hätten kennzeichnen müssen, um in Schulen noch abrufbar zu sein. Also eine defacto-Kennzeichnungspflicht für alle Anbieter - auch für solche mit nicht jugendgefährdenden Inhalten.

Stephan Schmidt

Hallo Herr Sanner, das wäre nur dann richtig, wenn bei den Jugendschutzprogrammen insbesondere in den default-Einstellungen alles ausgefiltert werden würde, was nicht getagt ist und gar - wie Sie es nennen eine Pflicht der Softwarehersteller zu solchen Einstellungen bestünde. Dem ist aber nicht so, da dies weder aus § 11 JMstV hervorgeht, noch den bereits weit fortgeschrittenen konzeptionellen Überlegungen der beteilgten Jugendschutzstellen entsprach. Auch insoweit hätte es keine "de facto"-Kennzeichnungspflicht zur Verhinderung des Ausgefiltertwerdens gegeben. Auch in der Vergangnheit wäre es freilich möglich gewesen, dass Eltern Ratingprogramme so einstellen, dass nur getagte oder bestimmte "whitelist" Inhalte abrufbar sind.

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende! ML

Hallo Herr Schmidt.

 

wo waren wir uns uneins? ;-)

Schön, dass Sie das auch so sehen. Denn aus der Logik heraus - und meiner Sicht als Vater - müsste ein Jugendschutzprogramm per default genau so vorgehen.

Oder denkt irgendjemand, dass die pornXYZ.com seiten aus irgendwo einen Tag setzen würden? Und genau da liegt der Hase im Pfeffer begraben. Will man dem Schutzgedanken des JMStV folgen, und effektiven Schutz bieten, wäre diese der einzig logische Schluss! Auch, wenn es so nirgends geschrieben steht, so wäre das meine Interpretation von "Stand der Technik" der im JMStV beschrieben wird.

Man ganz dahingestellt, dass "Stand der Technik" sowas von Wackelpudding für ein Gesetz ist, dass ich mich an den Kopf fassen muss.

Niemand weiss nach was er entwicklen muss, damit er eine Zulassung bekommt! Und da die KJM bisher noch in Summe "NULL" Programme zertifiziert hat ist das eigentlich eine Frechheit!

Gruß

 

PKS

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Hallo Herr Liesching,

danke für die Antwort. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich, wenn ich von "Kennzeichnungspflicht" spreche, auch die Pflicht zur "technischen" Kennzeichnung nach § 5 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1; § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JMStV meine. An dieser Pflicht ist höchstens "rein freiwillig", dass ein Webseitenbetreiber theoretisch noch die Möglichkeit hätte, Sendezeiten oder technische Zugangssperren einzuführen. Da dies praktisch nicht in Frage kommt, führt es zu einer faktischen Pflicht zur Selbst-Kennzeichnung.

Danke auch für Ihre Ausführungen zum JMStV a.F. Dass die Rechtslage schon früher ähnlich war, hat allerdings keinen Einfluss auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit meiner Einschätzung zur (damals noch potentiell) neuen Rechtslage.

Gearbeitet habe ich übrigens mit Ihrer Kommentierung im BeckOK JMStV, Stand März 2010.

Ich stimme übrigens mit Ihrer Einschätzung überein, dass der Jugendmedienschutz auf Bundesebene deutlich besser aufgehoben wäre.

@ Peter Sanner:

Das Argument, die Jugendschutzprogramme würden zu einer faktischen Kennzeichnungspflicht führen, sehe ich so eher nicht. Meiner Meinung nach ist / wäre es nicht zu erwarten, dass diese Programme größere Verbreitung finden. Aktuell gibt es noch gar kein solches Programm; und auch später wären diese maximal auf solchen PCs installiert, die bestimmungsgemäß von Kindern verwendet werden. Das dürfte nur ein winziger Anteil sein.

In der Praxis würden die meisten nicht-kennzeichnenden Webmaster von den Programmen gar nichts merken. Eine Ausnahme wäre vielleicht bei Seiten zu machen, die speziell für Kinder gedacht sind (z.B. SchülerVZ).

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Hallo,

tja - dann wäre es aber so, dass hier ein großer Aufwand dafür betrieben würde eine Kennzeichnung durchzuführen, die dann aber nur an wenigen Stellen "verarbeitet" wird.

Soll der JMStV neben viel Arbeit auch noch einen Effekt haben, dann müsste doch ein erklärtes Ziel sein möglichst viele Familien- bzw. Kinder PCs mit Filterlösungen auszustatten. Hierzu gibt es ja auch schon ettliche Kampagnen.

Würde sich das so entwickeln wie Sie es andeuten - eh nur geringe Zahl von geschützten Rechnern - dann wäre der ganze Aufwand für alle doch eigentlich für die Katz? Oder?

Also: JMStV und Kindersicherungen erfolgreich = besser Kennzeichnen, sonst wir man ggfls geblock

Oder: JMStV und Kindersicherungen nicht erfolgreich = gesetzlich wird viel Aufwand erzeugt, der keinem was nützt?

Gruß

 

PKS

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Die Frage ist doch, wie man in diesem Zusammenhang "erfolgreich" definiert. Ich meine, eine solche Initiative ist dann erfolgreich, wenn sie in Familien mit Kindern von 10 - 15 Jahren Verbreitung findet. Falls das der Fall wäre, würde sich im Vergleich zu der Zahl der Internetnutzer insgesamt noch kein größerer Anteil ergeben.

Ich sehe also nicht den von Ihnen beschriebenen Widerspruch. Es wäre durchaus möglich, dass das Programm Erfolg hätte, ohne dass eine Mehrheit der PCs "blocken" würde. Nehmen wir als Beispiel dieses Blog: Ich gehe davon aus, dass hier nicht viele Personen lesen, die ein solches Programm installieren würden, wenn es verfügbar wäre. Der Beck-Verlag hätte also faktisch keine Nachteile, würde er das "tagging" unterlassen.

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Sehr geehrter Herr Dr. Liesching,

vielen Dank für den aus meiner Sicht sehr gelungenen Kommentar. Die nach wie vor emotionale Debatte zeigt insbesondere eins ganz deutlich: Es braucht wesentlich mehr Information und Aufklärung.

Ganz wichtig ist es hier aber, die Erfahrungen der letzten sieben Jahre mit einzubeziehen. Insofern, Herr Sanner, ist das eingeführte, zumindest halbwegs verobjektivierbare Kriterium des "Standes der Technik" kein Fluch, sondern ein Segen im Vergleich zur alten (und nun weiter bestehenden) Regelung zur Anerkennung von Jugendschutzprogrammen. Die Wahrscheinlichkeit, ein Jugendschutzprogramm zur Anerkennung zu bringen, wäre damit erheblich gestiegen - das grundsätzliche Konzept, und dies wird oft vergessen, von Alterskennzeichnungen und sie auslesenden Jugendschutzprogrammen ist mit gleichem Mechanismus bereits im "alten" JMStV verankert (vgl. §§5, 11 JMStV).

Ich möchte auch noch einmal die angebliche Kennzeichnungspflicht aufgreifen. Wichtig ist hierbei aus meiner Sicht folgendes:

Die Anzeige nur von getaggten Seiten wäre eine konfigurierbare Option innerhalb von Jugendschutzprogrammen gewesen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der "Stand der Technik" anhand von derzeit existierenden und damit ohne Tagging auskommenden Jugendschutzprogrammen hätte festgelegt werden müssen. Weder das Gesetz noch die beteiligten Institutionen hatten die Vorstellung, alle anderen Inhalte standardmäßig durch Jugendschutzprogramme zu filtern. Jugendschutzprogramme arbeiten auch mit anderen Mechanismen, die natürlich nach wie vor relevant gewesen wären.

Man mag zur Kennzeichnung stehen wie man will, aber die Freude darüber, dass diese Option nun nicht zur Verfügung steht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Denn nun bleiben praktisch nur Sendezeitbeschränkungen und technische Zugangsbarrieren (s. alte Regelung, insbesondere §5 JMStV). Insofern, Herr Möller, ist ihren Ausführungen hinzuzufügen, dass das so stark kritisierte  Konzept der Kennzeichnung (Programmierung für ein Jugendschutzprogramm) wie gesagt auch nach altem (und nun weiter bestehenden Recht) besteht, aber aufgrund der unklaren Anerkennungsvoraussetzungen nicht gelebt werden kann. Der Anbieter hat also eine Option weniger, die als einzige keine zeitliche oder technische Hürde für Nutzer bedeutet hätte.

Im übrigen möchte ich Ihren Ausführungen, Herr Möller, hinzufügen, dass bei Inhalten "ab 12 Jahren" der Anbieter nach alter und neuer Rechtslage nichts tun muss (bzw. hätte tun müssen), soweit er das Trennungsgebot beachtet.

Das Problem, dass Schulfilter etc. bestimmte Seiten ggf. nicht anzeigen, besteht auch heute schon. Hier kommt es auf die Konfiguration der Software an. Daran hätte der neue JMStV absolut nichts geändert.

Es macht natürlich wenig Sinn, sich nun weiter zu streiten, was denn passiert wäre, hätte man den JMStV so ratifiziert. In jedem Fall darf man gespannt sein auf die alternativen Vorschläge. Jugendschutz ist immerhin grundgesetzlich verankerte Aufgabe des Staates. Irgend etwas wird man sich insofern für problematische Inhalte überlegen müssen.

Allen, die nun sagen, dass die gescheiterte Ratifikation nun einem neuen, besseren und effektiveren Gesetz Platz machen wird, halte ich entgegen, dass es in einer föderalen Struktur nach jahrelangem Aushandeln des letzten Entwurfs und vor dem Hintergrund der politischen Querelen nun kaum zackig und pragmatisch voran gehen wird. Aber man wird sehen. So lange jedenfalls werden wir nun mit der alten Regelung leben müssen. Auch für Blogger heisst das: Seite bewerten und spätestens bei Inhalten "ab 16" oder "ab 18" Sendezeit oder technische Zugangsbarriere implementieren.

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Ihre Argumentation mag juristisch präzise sein, praxisrelevant ist sie nicht :

 

- Wenn sie von Verbesserungen gegenüber der 2003er Version sprechen gehen Sie von dem aus, was damals auf Papier geschrieben, darüber hinaus gehend aber niemals umgesetz wurde.
Deshalb handelt es sich um eine de facto Verschärfung der Rechtslage, weil die neuen (etwas liberaleren) Regelungen dann ja wahrscheinlich auch durchgesetzt werden sollen im Gegensatz zu den alten.

- Das Internet hört nicht an der Deutschen Staatsgrenze auf. Die Software muss zwangsläufig so eingestellt werden, dass sie alle nicht getaggten Seiten ausschliesst. Ansonsten führt es dazu, das öffentlich Rechtliche Mediatheken sich mit lächerlichen Sendezeitbegrenzungen rumärgern während youporn und Konsorten vollkommen unbehelligt bleiben. An dem Konzept der Sendezeitbeschränkungen (nach welcher Zeitzone überhaupt) erkennt man auch sehr schön, dass die Verfasser des Gesetzes das Internet als globales Medium nicht verstanden haben.

- Dem abgelehnten Vertrag liegt die Annahme zu Grunde, dass es sich bei dem Internet um ein oligopolistisch strukturiertes Konsummedium mit einigen wenigen grossen "Anbietern" handelt. In einer solchen Umgebung könnten die Regelungen funktionieren, dem ist aber natürlich nicht so.

- Man muss sich fragen wer die Zielgruppe dieser Regelungen sein sollte. Bei 6-10 Jährigen mag das Konzept funktionieren. Jugendliche werden sich von derartigen Sperren nicht lange aufhalten lassen und das ist auch gut so. Es kann nicht ernsthaft als Fortschritt gelten, unsere Jugendlichen wieder von dieser grossartigen Weltweiten Kommunikationsplatform abzuschneiden und ihren Horizont erneut auf das nationale zu beschränken (und anders eingestellt machen die Filter einfach überhaupt keinen Sinn)

- Betreiber von kleinen blogs/foren/vereinsseiten... könnten zwar auch mit Sendezeitbeschränkungen anfagen, werden sie aber nicht. Erstmal werden sie nichts tun, aber sobald der Druck von Judendschutz.net und co abgemahnt zu werden steigt wird es in der Praxis aber wohl auf ein vorbeugendes ab 18 tag hinaus laufen.

- Diese praktische untauglichkeit der Regelungen würde (oder wird falls die Kennzeichnungen der 2003er Version wieder aufgegriffen werden) dazu führen, dass ausser ein paar übervorsichtiger und technisch ahnungsloser Eltern niemand diese Filter installiert.

- In Deutschland gehosteten softporno Seiten hätte der Vertrag tatsächlich geholfen, so viel sei zugegeben.

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Ihre Argumentation mag juristisch präzise sein, praxisrelevant ist sie nicht :

 

- Wenn sie von Verbesserungen gegenüber der 2003er Version sprechen gehen Sie von dem aus, was damals auf Papier geschrieben, darüber hinaus gehend aber niemals umgesetz wurde.
Deshalb handelt es sich um eine de facto Verschärfung der Rechtslage, weil die neuen (etwas liberaleren) Regelungen dann ja wahrscheinlich auch durchgesetzt werden sollen im Gegensatz zu den alten.

- Das Internet hört nicht an der Deutschen Staatsgrenze auf. Die Software muss zwangsläufig so eingestellt werden, dass sie alle nicht getaggten Seiten ausschliesst. Ansonsten führt es dazu, das öffentlich Rechtliche Mediatheken sich mit lächerlichen Sendezeitbegrenzungen rumärgern während youporn und Konsorten vollkommen unbehelligt bleiben. An dem Konzept der Sendezeitbeschränkungen (nach welcher Zeitzone überhaupt) erkennt man auch sehr schön, dass die Verfasser des Gesetzes das Internet als globales Medium nicht verstanden haben.

- Dem abgelehnten Vertrag liegt die Annahme zu Grunde, dass es sich bei dem Internet um ein oligopolistisch strukturiertes Konsummedium mit einigen wenigen grossen "Anbietern" handelt. In einer solchen Umgebung könnten die Regelungen funktionieren, dem ist aber natürlich nicht so.

- Man muss sich fragen wer die Zielgruppe dieser Regelungen sein sollte. Bei 6-10 Jährigen mag das Konzept funktionieren. Jugendliche werden sich von derartigen Sperren nicht lange aufhalten lassen und das ist auch gut so. Es kann nicht ernsthaft als Fortschritt gelten, unsere Jugendlichen wieder von dieser grossartigen Weltweiten Kommunikationsplatform abzuschneiden und ihren Horizont erneut auf das nationale zu beschränken (und anders eingestellt machen die Filter einfach überhaupt keinen Sinn)

- Betreiber von kleinen blogs/foren/vereinsseiten... könnten zwar auch mit Sendezeitbeschränkungen anfagen, werden sie aber nicht. Erstmal werden sie nichts tun, aber sobald der Druck von Judendschutz.net und co abgemahnt zu werden steigt wird es in der Praxis aber wohl auf ein vorbeugendes ab 18 tag hinaus laufen.

- Diese praktische untauglichkeit der Regelungen würde (oder wird falls die Kennzeichnungen der 2003er Version wieder aufgegriffen werden) dazu führen, dass ausser ein paar übervorsichtiger und technisch ahnungsloser Eltern niemand diese Filter installiert.

- In Deutschland gehosteten softporno Seiten hätte der Vertrag tatsächlich geholfen, so viel sei zugegeben.

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Dass nicht gekennzeichnete Inhalte durch ein installiertes Jugendschutzprogramm standardmäßig nicht angezeigt werden sollten, ist definitiv unrichtig. Das wäre mit dem Wortlaut von § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 JMStV-2011 (okay, Umgewöhnung: "JMStV-E") nicht so Recht in Einklang zu bringen ("dem Nutzer ermöglichen") und auch praktisch wenig hilfreich. Ich habe die Entwicklung der FSM-Kriterien für Jugendschutzprogramme begleitet. Wir haben erwogen, diese "strenge" Einstellung als Standard zumindest für dei Altersstufen 0/6 vorzusehen (zeige gekennzeichnete Seiten und die Whitelist an) - doch eine solche Standardkonfiguration erfordert selbstverständlich eine transparente Erläuterung und einen deutlichen Hinweis an die Eltern. Im Ergebnis macht es mehr Sinn, den Eltern die Möglichkeiten eines Programms zu erklären und sie selbst entscheiden zu lassen, wie "strikt" sie den Filter einstellen. Die strenge Einstellung als Standard auch für höhere Altersstufen zu setzen, führt dagegen nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Das Verhältnis zwischen Over- und Underblocking wäre katastrophal. Für die Kollegen, die inbeirrt und laut von einer De-facto-Kennzeichnungspflicht sprechen: Ihnen ist aber schon klar, dass wir, von Ihren Annahmen ausgehend, jetzt auf unbestimmte Zeit weiterhin ein "De-facto-Verbot" von Inhalten "ab 16/18" haben?! Wenn nach dem verworfenen Entwurf die Kennzeichnung mit einer Altersstufe die einzig praktikable Möglichkeit gewesen wäre, Inhalte dieser Altersstufe anzubieten, was machen wir denn jetzt ohne die Kennzeichnungsmöglichket? Ah, Sendezeiten. Brillanter Plan. Herzlichen Glückwunsch!
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Hallo Herr Drechsler,

das Problem ist doch, dass es einfach nicht eindeutig ist. Ich hatte mich am Runden Tisch bei der Vorstellung der FSM Klassifizierung (im Sommer) schon gefreut, dass man sich hier richtig detaillierte Gedanken gemacht hat. Aber da die Klassifizierung immer noch nicht vorlag/-liegt, und die von Alvar Freude zitierten Aussagen

 

  1. Zum anderen war geplant, dass „Jugendschutzprogramme“ nur dann anerkennungsfähig sind, wenn sie in der Standardeinstellung nicht gekennzeichnete (und nicht vom Filter-Hersteller selbst eingestufte) Inhalte blockieren. Das ist Stand 2. Dezember 2010 (Anhörung Saarland) und wurde meines Wissens bei der Runde bei Hans Ernst Hanten am 3. Dezember 2010 bestätigt. Aufgrund ihrer Nähe zur KJM bin ich davon ausgegangen, dass Ihnen dieses bekannt ist.

 

im Raum stehen, UND es eigentlich die einzigst logische Vorgehensweise für ausländische Seiten a la Pornubg et al ist, ist die Ableitung: Nicht gekennzeichnet = zu blocken aus meiner Sicht korrekt. Ansonsten hat das ganze System doch ein Loch das man mit einem LKW befahren könnte, ohne das es einer merkt, oder die Kinder geschützt werden, was man doch erreichen will.

Daher ist dieser ganze Punkt eben zu kritisieren, weil weder eindeutig bei Anbietern von Kindersicherungen, noch offensichtlich den Treibern des Verfahrens klar.

Und wenn etwas unklar ist, kann es nicht eindeutig umgesetzt werden.

Das ist das, was mich am meisten ärgert!

Trotz alledem Frohe Weihnachten.

Lasst uns doch zusammen arbeiten - wir haben schliesslich ein gemeinsames Ziel!

Gruß

Peter Sanner

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Hallo Herr Sanner,

einen Punkt dürfen Sie aber nicht übersehen: Ein Jugendschutzprogramm darf sich selbstverständlich nicht lediglich auf das Auslesen von Kennzeichen beschränken (sie wie sich übrigens auch ein JSP nach dem aktuellen JMStV nicht darauf beschränken darf, die "Programmierung für ein JSP" zu lesen). Diese Funktionalität sollte aber gerade der Clou sein, die - segmentweise - unbefriedigenden Filterergebnisse der aktuellen Programme abzurunden.

Mal sehen, in welche Richtung es nun weitergeht. Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen man kommt, wenn der Twitter-Sturm sich gelegt hat und parteipolitisches Hickhack vergessen bzw. sich auf andere Themen konzentriert hat.

Frohes Fest!

 

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Hallo Herr Freude,

um zunächst ein Missverständnis zu vermeiden: Ich wollte Sie nicht um eine juristische Argumentation bitten oder diese gar einfordern. Die Teilnahme an dem Blog und auch die Art und Weise der Argumentationsführung ist freiwillig und nicht verpflichtend. Insoweit hoffe ich, dass Sie nicht einem ähnlichen Missverständnis unterliegen wie im Rahmen der Debatte um die Alterskennzeichen. Sie dürfen selbstverständlich auch gerne weiter nicht-juristisch argumentieren.

Nach meiner persönlichen Einschätzung würde es aber einem Arbeitskreis, der in seinem Namen den nicht gerade zur Versachlichung beitragenden Terminus „Zensur“ führt und der sich in den Kegel des Rampenlichts bei der Diskussion um einen neuen Staatsvertrag stellt, auf besondere Weise gut zu Gesicht stehen, auch juristische Argumente gegen einen Gesetzestext ins Feld zu führen. Vor allem, wenn man das plakative „können“ in § 5 Abs. 2 S. 1 JMStV als („de-facto“) Kennzeichnungspflicht auslegen will. Wer behauptet, ein Gesetz hätte diese oder jene Auswirkung, sollte dies doch anhand des Gesetzeswortlauts belegen können. Ob und in welcher Form Sie dies tun, unterliegt ihrem freien Willen. Ich möchte aber jedenfalls für diesen Blog zu einer möglichst sachlichen Argumentation einladen.

Da Sie in ihrem letzten Beitrag nun aber auch persönlich werden und zu meiner Person eine „Nähe“ zur KJM behaupten, muss ich Sie zunächst aufklären, dass ich als unabhängiger Rechtsgutachter für die KJM – auch zu dem JMStV-Entwurf – tätig geworden bin. Ebenso habe ich in der Vergangenheit Gutachten für nahezu alle derzeit bestehenden Selbstkontrolleinrichtungen oder auch für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verfasst und/oder diese beraten und publiziere für das Bundesjugendministerium ebenso unabhängig wie für den C.H. Beck-Verlag. Der Gutteil unserer Mandantschaft besteht indes aus Anbietern des Rundfunks und der Telemedien. Gerade die von uns betreuten Internetanbieter haben den JMStV-Entwurf ganz überwiegend als Chance für mehr Rechtssicherheit begriffen und  hierauf bereits mit ihrer Angebotsausgestaltung hingearbeitet. Ich hoffe, dass in Ihrer Bemerkung nicht ein Unterton des Parteilichkeitsvorwurfs mitschwingen sollte.

In der Sache sind Ihre Argumente leider aus meiner Sicht nicht überzeugend. §§ 11, 12 JMStV „spielen“ – wie sie es nennen – freilich in das Thema „mit rein“. Allerdings legt doch § 11 JMStV nur die Voraussetzungen der Eignung von Jugendschutzprogrammen und des Anerkennungsverfahrens fest. Zudem ist mir nicht klar, wie dem ebenfalls in § 11 Abs. 1 JMStV verwendeten Rechtsbegriff  „kann“ eine verpflichtende Wirkung beigemessen werden kann. § 12 JMStV betrifft die festzulegenden Standards für Alterskennzeichen also den modus operandi. Wo wollen Sie denn hieraus (§§ 11, 12 JMStV-E) eine Kennzeichnungspflicht ableiten?

Weiter schreiben Sie: „§5 untersagt das Betreiben von Webseiten mit "Erziehungsbeeinträchtigenden" Inhalten nach verschiedenen Altersstufen. Wer entsprechende Inhalte hat, muss Maßnahmen ergreifen. Die Maßnahme mit dem für die meisten Fälle einzig vertretbaren Aufwand ist in der Regel die Kennzeichnung“.

Sie haben hier in einem Punkt recht. Dass der Betreiber entwicklungsbeeinträchtigender Angebote (v.a. „ab 16 und „ab 18“) aber Maßnahmen ergreifen muss, ist ein nachgerade „alter Hut“, der seit 2003 im JMStV steht und auch nach Scheitern des 14. RfÄndStV nach wie vor gilt. Wie Sie zu Recht sagen, wäre die Kennzeichnung eine Möglichkeit für Anbieter gewesen, mit „vertretbarem Aufwand“ dieser Maßnahmepflicht nachzukommen. Nun hat aber NRW verhindert, dass Anbieter dies auf diesem Wege können. Sie müssen also weiterhin Maßnahmen „mit unvertretbarem Aufwand“ ergreifen wie z.B. Verbreitungszeitbeschränkungen oder PersoChecks, die dem Internet nicht Rechnung tragen, nutzerunfreundlich sind und gerade im Ansatz zensorische Tendenzen aufweisen. Dies wollte der 14. RfÄndStV mit einer neuen – rein fakultativen, zusätzlichen – Anbieteroption der Kennzeichnung für ein Jugendschutzprogramm ändern.

Es ist ja auch schön und gut, dass Sie aus Plenarprotokollen zitieren, in denen Länder ihre – gesetzlich nicht geregelten – Erwartungen schildern. Ich kann auch nicht verstehen, wie Sie aus dem Text im Plenarprotokoll „Die Länder erwarten, dass Anbieter gemäß § 3, die gewerbsmäßig oder in großem Umfang Telemedien verbreiten oder zugänglich machen, auch die für Kinder oder Jugendliche unbedenklichen Angebote für eine Positivliste programmieren“, eine Kennzeichnungspflicht ableiten wollen.

Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass § 11 Abs. 5 JMStV geltender Fassung ein „Positivrating“ bereits seit 2003 in dem Sinne der von Ihnen nun ins Feld geführten „Erwartungshaltung“ der Länder regelt. § 11 Abs. 5 JMStV lautet: „Wer gewerbsmäßig oder in großem Umfang Telemedien verbreitet oder zugänglich macht, soll auch die für Kinder oder Jugendliche unbedenklichen Angebote für ein anerkanntes Jugendschutzprogramm programmieren, soweit dies zumutbar und ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist“. Diese seit langem gesetzlich geregelte „Erwartung“, welche Sie nunmehr als vermeintlich neues Bedrohungsszenario kritisieren, sollte durch den gescheiterten 14. RfÄndStV gerade fallen. Ich verstehe Ihre Argumentationsweise wirklich nicht und habe Sie auch in Ihren Stellungnahmen zur Anhörung nie verstanden.

 Ich darf Ihnen aber – wirklich nicht überheblich gemeint – als nicht mehr ganz unerfahrener Jurist im Jugendschutz den völlig unverbindlichen Rat geben, für künftige Sachdiskussionen um ein Gesetz sowie für etwaige Prognosen und für den Entwurf von Zukunftsszenarien sich in erster Linie an den Gesetzeswortlaut und subsidiär bzw. ergänzend an die Entwurfsbegründung zu halten. Dies zählt in der Praxis nahezu alleine und war Grundlage zahlreicher vorbereitender Gespräche und Arbeitssitzungen der Jugendschutzstellen und der Anbieter. Und vor diesem Hintergrund wäre ich wirklich dankbar für ein Sachargument, aus dem sich eine Kennzeichnungspflicht in §§ 5, 11, 12 oder einer sonstigen JMStV-Vorschrift ergeben soll.

Nochmals: § 5 JMStV-E sah nur eine zusätzliche „freiwillige“ Option der Alterskennzeichnung zur Erfüllung der seit jeher für „16“- und „18“-Anbieter bestehenden gesetzlichen Pflicht vor, Wahrnehmungserschwernisse i.S.d. § 5 Abs. 3 zu setzen. Möglich gewesen wäre – auch ohne optische Kennzeichnung – alleine ein Tagging für ein geeignetes Jugendschutzprogramm (vgl. § 11 Abs. 1 JMStV-E: „Programmierung für ein Jugendschutzprogramm“).

Auch was die Standardeinstellungen für Jugendschutzprogramme angeht, muss die Gegenfrage erlaubt sein, ob Sie § 11 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 bis 3 JMStV-E bis jetzt richtig zur Kenntnis genommen haben. Gerade Nrn. 2 und 3 wären ja völlig überflüssig gewesen, wenn der Gesetzgeber schon in den default-Einstellungen lediglich für das Jugendschutzprogramm gelabelte Inhalte hätte durchlassen wollen. Das ist nun wirklich nicht vertretbar und es ist mir auch nicht aus Gesprächen mit beteiligten Machern des Staatsvertragstexts bekannt, dass eine solche Auslegung geplant war.

Mir erschließt sich aus dem zur Abstimmung in NRW gestandenen 14. RfÄndStV im Normtext nicht der geringste Anhaltspunkt für eine („de facto“)-Alterskennzeichnungspflicht. Der Entwurf war in vielen Punkten handwerklich eher schlechtgemacht und enthielt viele Ungereimtheiten – eine Kennzeichnungspflicht gehört hierzu aber nicht. Sehr geehrter Herr Freude, es steht Ihnen frei, ob sie ein juristisches Argument aus dem Normtext benennen oder nicht. Nur hätte meines Erachtens allein aus dem Wortlaut des Staatsvertragsentwurfs die Sachkritik hergeleitet werden müssen, um nicht dem Verdacht ausgesetzt zu sein, aus bloßen anderweitigen nebulösen „Zutaten“ jenseits der eigentlichen Staatsvertragsregelungen lediglich eine Verschwörungstheorie gebraut zu haben.

Sehr geehrter Herr Liesching,

ein paar Anmerkungen zum JMStV, zugegebenermaßen nicht bezogen auf den jetzt toten Entwurf, sondern auf den gegenwärtig geltenden. Die Schwächen teilen diese Regelwerke allerdings.

1. Es spielt keine Rolle, ob die vorgegebene Standardeinstellung ausschließlich gelabelte Inhalte oder auch eine Whitelist zulässt. Beides wird die Folge haben, dass ein weitaus überwiegender Teil des Internet von Jugendlichen nicht abrufbar sein wird, wenn Filter eingesetzt werden. Die meisten deutschen Anbieter werden sich nicht labeln lassen (das ist schließlich auch etwas komplizierter, als "Ab 16" in die Metatags zu schreiben) und internationale Anbieter werden dies schon gar nicht machen. Das hat zwei Effekte: die Medienkompetenz wird nicht gefördert und die Filter können wegen der Informationsfreiheit in Schulen, Bibliotheken etc. nicht eingesetzt werden.Wahrscheinlich werden wie bisher sowieso keine Jugendschutzprogramme eingesetzt.

2. Die KJM dürfte verfassungswidrig sein, da sie eigentlich wegen der Dauerhaftigkeit der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung mit Beamten besetzt sein müsste. Die Vorstellungen von dem "Beurteilungsspielraum" liegen neben der Sache, der KJM dürfte keiner zustehen (ob etwas pornographisch oder gewaltverherrlichend ist, können auch Strafrichter beurteilen, dann können Verwaltungsrichter das auch, dafür brauchts keinen Beurteilungsspielraum), die Selbstkontrolleinrichtungen, die gegenüber der KJM einen bräuchten, haben keinen.

3. Der JMStV verpflichtet entgegen der Begründung und der guten Absicht auch Host- und Accessprovider zum Jugendschutz. Das folgt schon daraus, dass die Freistellung im TDG auf die Beteiligung an fremden Rechtsverletzungen bezogen ist, es sich bei den Verpflichtungen des JMStV aber um eigene Verpflichtungen der Provider handelt. Für diese bietet das TDG gerade keine Privilegierung. Access- und Hostprovider können die Vorschriften des JMStV aber kaum umsetzen.

4. Für den Jugendschutz wird das alles überhaupt nichts bringen, denn Anbieter, die das Modell des JMStV für unpraktikabel halten, sind schon lange aus dessen Geltungsbereich verschwunden und können ihre Angebote völlig frei verbreiten.

Vielleicht sollte man sich eher fundamentale Gedanken machen, ob diese Art des Jugendschutzes überhaupt wirksam und sinnvoll ist, statt ideologisch immer weiter stramm geradeaus zu marschieren.

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Hallo Herr Dr. Liesching,

mich würde freuen, wenn Sie meinen letzten Kommentar noch beantworten könnten. Das Argument von Herrn Freude und das von mir zu der "de facto" Kennzeichnungspflicht sind nämlich deckungsgleich. Zumindest Herr Drechsler / McDigit haben mir im Kern auch nicht widersprochen, sondern lediglich angemerkt, dass die Kennzeichnungspflicht gegenüber der alten Rechtslage eine zusätzliche Option, d.h. eine Erleichterung darstellt und nur für Inhalte "ab 16" und "ab 18" gilt.

Diese Anmerkungen sind durchaus richtig, berühren aber eben nicht den Kern der Aussage.

Ich möchte das auch noch einmal präzisieren. Sie schreiben:

"Zudem ist mir nicht klar, wie dem ebenfalls in § 11 Abs. 1 JMStV verwendeten Rechtsbegriff  „kann“ eine verpflichtende Wirkung beigemessen werden kann."

Der Begriff "kann" steht in diesem Kontext dafür, dass der Anbieter auch noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung hat, die Jugendschutz-Pflicht aus § 5 Abs. 1 JMStV-E zu erfüllen. Da in der Praxis Sendezeiten und Alterskontrollen nicht umsetzbar sind - der Anbieter könnte genausogut schließen - bleibt ihm nur die eine Möglichkeit. Damit verdichtet sich die Auswahl zu einer "de facto"-Kennzeichnungspflicht.

Zu den Jugendschutzprogrammen:

Ich denke, man sollte diese Programme vor dem Kontext sehen, in dem sie eingesetzt würden. Hier werden ja idealerweise technische Schutzvorkehrungen mit "offline"-Schutzmaßnahmen verzahnt. Z.B. steht in meinem Bekanntenkreis der Internet-PC für die Kinder jeweils im Wohnzimmer und wird nur unter Aufsicht benutzt. Die Eltern haben den Internetkonsum der Kinder auch immer aufmerksam verfolgt, überwacht und den entsprechenden Kontext vermittelt (z.B. sich mit den Kindern über mediale Gewaltdarstellungen unterhalten).

Ein Jugendschutzprogramm wäre also üblicherweise lediglich eine weitere, ergänzende Schutzmaßnahme. Z.B. könnte ein Elternteil die Kinder mit dem Computer auch alleine lassen, so lange dort das Programm aktiviert ist. Ich stelle mir ein solches Programm sinnhaft nur für Kinder im Alter von 8 bis 13 vor. Jüngere Kinder gehen ohnehin nicht ins Internet (sie können ja noch nicht einmal richtig lesen), ältere Kinder sind durch technische Sperren nicht zu bremsen. Je nach der Rahmensituation kann dann das Elternteil das Programm konfigurieren, z.B. bei kleinen Kindern noch als reine "Whitelist", bei älteren Kindern als "Blacklist". Außerdem mag es Zwischenlösungen geben, z.B. die Kombination einer Blacklist mit der Limitierung auf die de-TLD.

Zu neuen Entwicklungen im Jugendmedienschutz:

Ich bin auch gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Vor allem bin ich gespannt, von wem sie angestoßen werden. Ich habe in den letzten Tagen viel über das Thema nachgedacht und dabei festgestellt, dass sich das Thema kaum klären lassen wird, ohne dabei den ein oder anderen "Kulturschock" auszulösen. Eine realistische Betrachtung der Situation muss m.E. dazu führen, dass Kindern heutzutage ein Schutz in dem Umfang, wie er der Konzeption des bisherigen Jugendmedienschutzrechts zugrundeliegt, nicht zu garantieren ist. (Es wäre auch die Frage, ob das jemals der Fall war.) Es wäre also zu klären, inwieweit ein solcher Schutz überhaupt notwendig ist und welche Schutzmaßnahmen bei realistischer Betrachtung erfolgsversprechend ist. Es gibt dazu ganz gute Rahmeninformationen aus der medien- und sexualpädagogischen Forschung. Hier mal diejenigen, die mir bisher aufallen sind:

Bravo Dr. Sommer-Studie 2009 (S. 96 ff)

http://www.bauermedia.de/uploads/media/BRAVO_DrSommerStudie2009_Sperrfri...

"Porno im Web2.0" - Studie der NLM 2010

http://www.nlm.de/78.html?&cHash=7874a59832&tx_ttnews[backPid]=18&tx_ttn...

Shell-Jugendstudie 2010

http://www.shell.de/home/content/deu/aboutshell/our_commitment/shell_you...

KIM-Studie 2008

http://www.mpfs.de/index.php?id=10

JIM-Studie 2009

http://www.mpfs.de/?id=161

 

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Hallo Herr Möller, danke für Ihre Nachfrage.

Sie schreiben:

"Der Begriff "kann" steht in diesem Kontext dafür, dass der Anbieter auch noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung hat, die Jugendschutz-Pflicht aus § 5 Abs. 1 JMStV-E zu erfüllen. Da in der Praxis Sendezeiten und Alterskontrollen nicht umsetzbar sind - der Anbieter könnte genausogut schließen - bleibt ihm nur die eine Möglichkeit. Damit verdichtet sich die Auswahl zu einer "de facto"-Kennzeichnungspflicht".

Wie ich Herrn Freude auch schon geschrieben habe, können Sie so eher nicht argumentieren, denn letztlich sagen Sie ja nur: "Nach bisherigem Recht gibt es nur schwer umsetzbare Maßnahmen, deshalb werden alle Anbieter die neue, umsetzbare Maßnahme nutzen müssen". Hier ist es doch keine Lösung, zu fordern, dass deshalb die umsetzbare Maßnahme nicht in Kraft treten soll und die Anbieter weiter auf schlechtere, indes gesetzlich in jedem Fall geforderte Instrumente zu verweisen. Im Übrigen ist es ja nicht richtig, dass Anbieter gar keine alternativen Maßnahmen ergriffen haben. Gerade wegen des bisherigen restriktiven und nun leider so weitergeltenden Rechts müssen viele deutsche Anbieter ihr Angebot nach Zeiten beschränken oder komplizierte PIN-Abfrage oder PersoCheck-Abfragesysteme vorhalten oder zumindest eine "Kostenbarriere" z.B. per Kreditkartenzahlung implementieren.

Aber nochmals zur Verdeutlichung des in Ihrer Frage steckenden Kerns ein etwas metaphorisches Bild: Angenommen wir hätten eine gesetzliche Autobahngebühr für PKW-Fahrer und nach der alten Rechtslage wäre es den PKM-Fahrern nur möglich gewesen, bei jeder Fahrt an der Autobahnauffahrt gesondert bar zu zahlen. Nun kommt ein Gesetzesvorschlag, nachdem sich die Autofahrer auch alternativ "freiwillig" bei der Automautbehörde mit ihren personenbezgenen Daten anmelden und einmal eine Jahrespauschale zahlen können. Jeder Autofahrer könnte aber auch weiterhin am Auffahrtsschalter bar zahlen. Würden Sie sagen, es ist eine "de facto"-Pflicht für die Autofahrer, sich mit ihren personenbezogenen Daten bei der Automautbehörde zu registrieren, nur weil dies für sie wesentlich leichter umsetzbar ist?

Im Übrigen hat es Herr Drechsler aus meiner Sicht gut auf den Punkt gebracht. Zusätzliche Optionen wie das Programmieren für ein wirklich existentes Jugendschutzprogramm stellen keine Einschränkung sondern eine Erweiterung der Möglichkeiten dar. Das Scheitern des 14. RfÄndStV hat nur dazu geführt, dass wir bei den eingeschränkten Mitteln der Verbreitungszeitbeschränkung und nutzerunfreundlicher "technischer Mittel" stehen bleiben. Dies hat für 16er und 18er Inhalte faktisch eine teilweise zensorische Wirkung für Internetangebote, welche kaum im Sinne des "AK Zensur" gewesen sein dürfte.

Sehr geehrter Herr Möller, das rechtpoitische Karussel fährt nun ja weiter und ich wäre nicht überrascht, wenn nun eine Neuregelung auf Bundesebene angestrebt würde. Ob und hier neue Lösungen angedacht werden, ist sicher zu früh zu sagen. Auf jeden Fall können wir uns auf neue Diskussionen einstellen, die dann hoffentlich vor allem an den konkreten Regelungsvorschlägen und entworfenen Normtexten orientiert sind. Beste Grüße und schöne Festtage. ML

 

Hallo Herr Dr. Liesching,

danke für Ihre Antwort. Ich denke, Sie haben Ihre Position auf den Punkt gebracht - streiten ließe sich jetzt nur noch um semantische Feinheiten, z.B. ob ihre Frage zu dem Beispiel mit der Autobahnmaut jetzt mir "ja" oder mit "nein" zu beantworten wäre. Ich persönlich würde sagen: Ja, natürlich gäbe es in einem solchen Fall eine de facto-Pflicht, sich bei der Aufsichtsbehörde zu registrieren. Ob das gut oder schlecht für die Autofahrer wäre, ist eine andere Frage, über die man sicherlich geteilter Meinung sein kann.

Ich bin jedenfalls, wie gesagt, gespannt auf die konkreten Regelungsvorschläge und Normtexte.

Ihnen auch ein frohes Weihnachtsfest!

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Auf die inhaltliche Diskussion möchte ich garnicht eingehen, das haben andere schon genug gemacht und das andere finde ich viel grundsätzlicher und wichtiger (abseits der politischen Spielchen rund um diese Entscheidung!):

Ehrlich gesagt, finde ich es äußerst beunruhigend, wenn Juristen in einem demokratischen Rechtsstaat meinen enttäuscht sein zu müssen ...

"... , wenn die Leerung der Mülltonnen angekündigt und dann tatsächlich nicht geleert wird, wie wenn ein Staatsvertrag von allen Ministerpräsidenten bereits im Juni 2010 als „notwendiger Schritt für einen effektiven Jugendschutz“ beschlossen und von fast allen Landesparlamenten bestätigt wird, um dann im Landtagvon Nordrhein-Westfalen von allen (!) Fraktionen abgelehnt zu werden."

bzw. wenn gefragt wird:

"Heißt dies, dass auch künftig bereits von den Ministerpräsidenten nach zahllosen Anhörungen ausgehandelte und beschlossene Staatsverträge ... noch von einzelnen Landtagsfraktionen eines Bundeslandes in letzter Sekunde aufgrund einer „abweichenden Einschätzung von Sachfragen“ gekippt werden könnten?“. Bejahendenfalls könnte man dies achselzuckend mit der Plattitüde der „gelebten Demokratie“ zur Kenntnis nehmen."

Ein Staatsvertrag ist in erster Linie ein Landesgesetz. Und ich halte es für äußerst begrüßenswert, wenn Gesetze vom Gesetzgeber aus seiner eigenen Verantwortung erlassen oder eben auch nicht erlassen werden. Das ist dann auch keine Plattitüde von „gelebten Demokratie“, das IST Demokratie: Gesetze werden von dem durch die Verfassung dafür vorgesehen Organ beschlossen und nicht von der Exekutive. Und wenn in bestimmten Bereichen unbedingt a) eine Länderregelung her soll und b) diese einheitlich sein soll, ja dann ist das halt so, daß alle LandesGESETZGEBER damit einverstanden sein müssen.

Um mal in dem Beispiel zu bleiben: Die Leerung der Tonnen wird von denen angekündigt, die rechtlich diese Entscheidung für das Müllunternehmen treffen (dürfen). Ein Ministerpräsident darf aber keine Gesetze erlassen, seine Unterschrift ist erstmal nicht mehr als eine politische Absichtserklärung der Regierung, daß man den Entwurf dem Gesetzgeber vorlegen will und seinen politischen Einfluß über die Regierungskoalition geltend machen will. Also sollte man der Unterschrift nicht zuviel Bedeutung beimessen.

Das ganze gilt natürlich um so mehr, als ein neuer Landtag und eine neue Regierung nicht an politische Absichtserklärungen einer Vorgängerregierung gebunden sein können. (Von wegen "aus staatspolitischer Verantwortung heraus ...")

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@-stm: Es ist ja schon reichlich naiv, das hohe Lied der Demokratie dann anzustimmen, wenn zum ersten Mal seit es Staatsverträge der Länder überhaupt gibt, alle Fraktionen im NRW zu Zeiten einer Minderheitsregierung plötzlich nichts mehr davon wissen wollen, vormals am Verhandlungstisch gesessen zu haben. Ich weiß ja nicht, ob Sie die Debatte im Landtag NRW verfolgt haben, aber so ein Armutszeugnis für die Demokratie habe ich selten erlebt. Mit welch fadenscheinigen Gründen die CDU-NRW sich nunmehr nicht mehr an die Unterschrift des damals noch einmütig gestützten Rüttgers gebunden fühlen wollte, nur um Rot-Grün zu blamieren. Dann wollte Frau Kraft in einer internen SPD-Fraktionssitzung der JMStV sogar durchwinken, hat sich dafür eingesetzt und bekam ein 60-40 Stimmenergebnis. Dann plötzlich im Plenum stimmt man geschlossen gegen den JMStV, weil man Angst hatte, als nicht regierungsfähige Mannschaft dazustehen. Was hat denn das mit parlamentarischer Demokratie zu tun?

@Herr Liesching. Ich danke Ihnen für Ihren Blog-Beitrag. Sie haben es geschafft, die Gegner des neuen JMStV aus der Reserve zu locken. Ich finde, Ihnen ist es gelungen, das Zensurgebülle als heiße Luft zu entzaubern. Eigentlich müsste man jedem NRW-Landtagsabgeordneten einen Link zu diesem Blog schicken. Entweder hat sich die Politik vor den Karren der Verschwörungstheoretiker spannen lassen oder hat umgekehrt die Politk die "heiße Luft" dieser Leute geschickt genutzt, um von den eigentlich stattgefundenen Machtrenkespielen abzulenken.

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Noch ein Nachtrag an "stm". Wenn Sie wirlich denken, es ist in dem Blog um einen Vergleich der Berufsgruppen "Politiker" und "Angehörige der Müllabfuhr" gegangen, so sollten Sie die neben Ihrem Beitrag erschienenen Diskussionsbeiträge mal richtig lesen.

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@K. Herold:

Ich hatte bewußt geschrieben: "abseits der politischen Spielchen rund um diese Entscheidung!" Das sollte hinreichend deutlich machen, daß mir die besondere "Dynamik" der konkreten Situation durchaus bewußt ist; gerade weil ich auch die Sitzung gesehen habe.

Aber ich gewann beim Lesen des Artikels auch den Eindruck, daß es bei der Verwunderung ob des erstmaligen Nicht-Abnickens eines Staatsvertrages nicht (nur) um die konkrete Enscheidung ging, sondern vielmehr um die grundsätzliche Frage, ob denn Landtage sowas (moralisch/politisch) dürften. Und mit genau dieser habe ich mich beschäftigt. Und genau darauf haben Sie sich wiederum leider garnicht eingelassen.

Und wegen dem Vergleich von Berufsgruppen. Ich habe diesen Vergleich, der sicher auch vom Autor als "Einstieg" gewählt wurde, in gleicher Weise als ausschmückenden Aufhänger aufgegriffen, mehr aber auch nicht. Im übrigen hilft es leider nicht weiter, die anderen Kommentare zu lesen, da es in denen nämlich zumeist gerade um den anderen Aspekt des Artikels ging (nämlich den JMStV) und nicht um den von mir angesprochenen zum Wesen eines Staatsvertrages und die IMHO bedenklichen Vorstellungen, wie Demokratie (nicht) zu funktionieren hat.

Und Ihre Einlassungen in der Sache, "Zensurgebrülle" und dergleichen, sind mir - mit Verlaub - eines Kommentares nicht wert.

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