Loveparade 2010 - fünf Monate danach: Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen werden konkretisiert

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.12.2010

Achtung: Dieser Beitrag stammt aus dem Dezember 2010. Der aktuelle Beitrag von Juli 2015 befindet sich hier: 

http://blog.beck.de/2015/07/24/f-nf-jahre-und-kein-ende-die-strafverfolg...

Mittlerweile ist es fünf Monate her, dass bei der in Duisburg veranstalteten Loveparade 21 Besucher ums Leben kamen, da sie auf dem Weg auf das (bzw. von dem) Veranstaltungsgelände in ein tödliches Gedränge gerieten. Diese 21 Besucher erlitten Quetschungen und erstickten in der unkontrollierbaren Massenturbulenz, viele andere erlitten zum Teil schwere Verletzungen.
Nach fünf Monaten intensiver Ermittlungen werden nach Presseberichten die staatsanwaltlichen Ermittlungen nun nicht mehr gegen unbekannt, sondern gegen bestimmte Beschuldigte geführt, wobei aus der Stadtverwaltung Duisburg und aus der Firma des Veranstalters mehrere Personen verdächtigt werden sollen, zudem stehe auch ein leitender Polizeibeamter unter Tatverdacht (Quelle).
Dies würde weitgehend die hier vor einigen Monaten angestellten Überlegungen bestätigen, nämlich dass bei Planung und Genehmigung gravierende Fahrlässigkeiten begangen wurden, die im zurechenbaren Zusammenhang mit den Todesfällen stehen. Zudem können auch der Polizei Fahrlässigkeiten zur Last gelegt werden, da sie durch Sperren die Situation vor Ort noch verschärft hat.
Die einzelnen Vorwürfe sind in meinem Beitrag vom 23.09. und in dem vom 28.07. und in den dazu gehörigen Kommentaren wesentlich ausführlicher dargelegt, hier nur ganz knapp zusammengefasst:

Die Planung der Veranstaltung sah eine Menge von Besuchern vor, die in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf das Gelände gelangen konnten. Es musste daher zum Stau kommen, dessen Bewältigung nur unzureichend geplant war.
Bei der Genehmigung der Veranstaltung wurden zudem Besucherströme nur in einer Richtung beachtet und nicht berücksichtigt, dass nach der Planung Hunderttausende gleichzeitig auf das Gelände kommen und es verlassen sollten - über mehrere Stunden und durch nur einen Ein-/Ausgang - eine Unmöglichkeit. Diese Unmöglichkeit wurde trotz Erkennbarkeit ignoriert, auch von den Strömungsphysikern, die die Stadt mit der Analyse der Entfluchtung des Geländes beauftragt hatte.
An entscheidenden Stellen - nämlich auf hunderten von Metern (Tunnel/Rampe) zwischen dem Einlass und dem eigentlichen Festgelände, gab es außerdem keine Fluchtwege.
Diese Wegführungen (die selbst als Fluchtweg galten)  waren überdies verengt von Bauzäunen, Polizeiwagen und Brezel-Ständen. Sie wichen insofern ab von der Genehmigung. Die Besucher wurden auch nicht durch Lautsprecherdurchsagen gesteuert, obwohl dies bei der Größe der Veranstaltung und der Eingangssituation unbedingt erforderlich war.
An der späteren Stelle der Katastrophe befand sich ein offen stehender Gulli, der mit einem dazu ungeeigneten Bauzaun abgedeckt worden war. Hier starben im Gedränge die meisten Menschen - sie konnten dieser Gefahrenstelle nicht ausweichen.

Wenn man diese Punkte noch einmal zusammenfasst, bedrückt es noch heute, selbst wenn man nicht unmittelbar betroffen ist: Hier sind Menschen gestorben, weil einfachste und gesetzlich klar geregelte Sicherheitsvorschriften nicht beachtet wurden, weil man offenbar unbedingt diese Veranstaltung durchführen wollte. Zu Recht wird nach wie vor auch die politische Verantwortung des Duisburger Oberbürgermeisters eingeklagt. Er hätte sich auch in der Anerkennung gesonnt, die eine gut verlaufene Loveparade 2010 ihm gebracht hätte, entsprechend muss er politisch dafür haften, dass es katastrophal misslungen ist - ganz unabhängig von unmittelbarer strafrechtlicher Verantwortung, die nach den Presseberichten der Staatsanwaltschaft wohl nicht angenommen wird (Quelle). Dass die Stadt Duisburg nach den Ereignissen sich mit Hilfe eines für mehrere Hunderttausend Euro bei einer Anwaltskanzlei bestellten "Rechtsgutachtens" reinwaschen wollte, gehört auch zu den vom OB verantworteten politischen Missgriffen.

Die strafrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit diesem Ereignis sind hier im Blog mit einer Nachhaltigkeit diskutiert worden, die bisher bei keinem der hier verhandelten Themen erreicht wurde. Die drei (update 08.02.2011: vier) von mir eingestellten Beiträge sind  insgesamt bislang 25000 mal (update 08.02.2011: 42500mal) aufgerufen und über 1100 mal (update 08.02.2011: über 1350 mal) kommentiert worden. Damit wurde die Leistungsfähigkeit der Kommentarfunktion in diesem Blog mehrfach auf eine ernsthafte Probe gestellt.  Dabei wird - wie nicht anders zu erwarten bei so einem komplexen Geschehen, die Diskussion nunmehr weitgehend von wenigen "Experten" geführt, die sich in den vergangenen Monaten in alle Einzelheiten des Geschehens und der im Netz verfügbaren Planungsunterlagen eingearbeitet haben. Viele der Kommenatre sind hilfreich und alle zusammen vermitteln ein realistisches Bild von den Abläufen vor und bei dieser Veranstaltung. Als Fazit lässt sich wohl festhalten: Die Katstrophe war kein unglücklicher Zufall oder einfach Pech, sondern sie war bei der mangelhaften Planung, der widerrechtlichen Genehmigung und der mangelhaften Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen geradezu erwartbar. Die Loveparade hätte in dieser Größenordnung an diesem Ort und mit diesen Vorkehrungen nicht stattfinden dürfen.
 
Es ist schwierig,  derart  komplexe Fälle strafrechtlich zu ermitteln - es gibt hunderte Zeugen, die befragt werden können/müssen, es gibt hunderte von Video- und Fotodokumenten, die analysiert werden müssen und natürlich hat jeder (potentiell) Beschuldigte  auch das gute Recht, sich zu verteidigen, insbesondere auch das Recht zu schweigen. Daher kann der - soweit berichtet wird - umfangreich ermittelnden Staatsanwaltschaft kein Vorwurf gemacht werden, dass es zu langsam gehe. Wenn und soweit die Ermittlungen am Ende erfolgreich  sind und ein Rechtsfrieden schaffendes Ergebnis haben, sollten diese Ermittlungen auch gründlich sein und dies braucht eben Zeit.

Ich habe hier mehrfach die große Wichtigkeit einer strafrechtlichen Aufarbeitung betont, wenn auch das Strafrecht (bei Weitem) nicht die einzige bedeutsame Perspektive ist, unter der die Loveparade 2010 analysiert werden kann. Das Strafrecht ist, auch wenn dadurch direkt keine emotionalen und finanziellen Schäden behoben werden, das stärkste Signal der Gesellschaft, dass ein solches Ereignis nicht hingenommen wird, und dass man die Sicherheit der Besucher nicht hinter dem "Ruhm", eine solche Veranstaltung durchgeführt zu haben, zurückstehen lassen darf.

Die Diskussion geht sicherlich noch weiter.

 

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537 Kommentare

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Der Verein "Massenpanik Selbsthilfe" lädt Samstag nächster Woche zu einem runden Tisch in den Kleinen Prinzen in der Stadtmitte.

"Es geht um offene Fragen und erste Antworten rund um die Loveparade-Katastrophe vom letzten Juli. Zur Tagung kommen beispielsweise Anwälte, die Opfer und Angehörige vertreten, eine Traumatherapeutin, die Opfer betreut und der Landesombudsmann. Definitiv abgesagt hat der Veranstalter der Loveparade, sagt Mitorganisator Lothar Evers

Zur Tagung im Kleinen Prinzen am 5. Februar können Interessierte sich noch anmelden. Die Adressen bekommen sie auch im Internet unter radioduisburg.de in den Lokalnachrichten."

http://www.radioduisburg.de/Lokalnachrichten.1381+M5b06d241a36.0.html

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http://massenpanik-selbsthilfe.de/

http://docunews.org/loveparade/veranstaltungen/duisburg-5-februar-2011-l...

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Neue Meldung auf Spiegel-Online: Ein Polizist soll den Befehl zur Öffnung der Schleusen gegeben haben (hier). Dass die Schleusen geöffnet wurden und Ordner weggeschickt wurden, darüber hatten wir hier im Blog schon diverse Meldungen.

Sofern - der genauen Zeitpunkt der Schleusenöffnung müsste noch genannt werden - die Polizei gleichzeitig noch die Rampe blockierte, wäre dies in der Tat ein möglicherweise entscheidender Aspekt, der zum Gedränge auf dem unteren Drittel der Rampe beitrug. Bisher hatte die Polizei eine entscheidende Mitwirkung am Geschehen immer geleugnet.

Andererseits könnte, weil es möglicherweise an den Schleusen ebenfalls zu gefährlichen Situationen gekommen war, das Öffnen derselben durchaus verständlich sein. Dies führt dann wieder zurück auf die entscheidenden Planungsfehler: Man meinte wohl in völliger Fehleienschätzung, man könne Stauungen im Tunnelbereich verhindern, indem man hunderttausende Menschen einfach blockiert.

Zudem könnte hier auch wieder der Vorwurf mangelnder Funkkommunikation der Polizei untereinander diskutiert werden. Wusste der Polizist, der die Schleusen öffnete, was gleichzeitig auf der Rampe passierte? Wussten die Polizisten auf der Rampe, dass die Schleusen geöffnet wurden?

Warnen muss man davor, diesem einen Polizisten jetzt die (alleinige) Verantwortung zuzuschieben.

Henning Ernst Müller schrieb:

Neue Meldung auf Spiegel-Online: Ein Polizist soll den Befehl zur Öffnung der Schleusen gegeben haben (hier). Dass die Schleusen geöffnet wurden und Ordner weggeschickt wurden, darüber hatten wir hier im Blog schon diverse Meldungen.

Sofern - der genauen Zeitpunkt der Schleusenöffnung müsste noch genannt werden - die Polizei gleichzeitig noch die Rampe blockierte, wäre dies in der Tat ein möglicherweise entscheidender Aspekt, der zum Gedränge auf dem unteren Drittel der Rampe beitrug. Bisher hatte die Polizei eine entscheidende Mitwirkung am Geschehen immer geleugnet.

Andererseits könnte, weil es möglicherweise an den Schleusen ebenfalls zu gefährlichen Situationen gekommen war, das Öffnen derselben durchaus verständlich sein. Dies führt dann wieder zurück auf die entscheidenden Planungsfehler: Man meinte wohl in völliger Fehleienschätzung, man könne Stauungen im Tunnelbereich verhindern, indem man hunderttausende Menschen einfach blockiert.

Zudem könnte hier auch wieder der Vorwurf mangelnder Funkkommunikation der Polizei untereinander diskutiert werden. Wusste der Polizist, der die Schleusen öffnete, was gleichzeitig auf der Rampe passierte? Wussten die Polizisten auf der Rampe, dass die Schleusen geöffnet wurden?

Warnen muss man davor, diesem einen Polizisten jetzt die (alleinige) Verantwortung zuzuschieben.

Habe ebenfalls mit Mitarbeitern der Security West gesprochen. Versuche es zur Tagung am Samstag noch etwas detailreicher zu bekommen. Es spricht in der Tat nicht für koordiniertes Handeln der Polizei und für Druck an allen Stellen. Es wäre sehr hilfreich wenn Innenmisterium und Polizei bald wieder öffentlich sprechen würden.

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Vielen Dank Professor Müller. Ich bin mir sicher, dass dies in der Kombination für die Katastrophe zu dem Zeitpunkt an der Stelle absolut ursaächlich war, denke aber genau wie Sie, dass eine juristische oder moralische Bewertung dennoch sehr schwierig ist. Siehe dazu mein Beitrag im anderen Thread. Ich habe ihn geschrieben, bevor ich Ihren Beitrag gelesen habe.

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Ihren Ausführungen in der anderen Diskussion ist wenig hinzuzufügen.

Ich zitiere ergänzend aus meinem eigenen post von vergangener Woche:

Das "Steuern" zur Vermeidung von Stau im Tunnel funktioniert bei einer Masse von hunderttausenden Personen nur zeitlich begrenzt: Wenn immer mehr aus Richtung Bahnhof nachströmen, kann man an den Vereinzelungsanlagen nicht einfach auf unbestimmte Zeit dicht machen, ohne hier ein (tödliches) Gedränge zu riskieren, was man im Tunnel vermeiden will. Dann ist auch mit Unmut der Besucher zu rechnen, der schnell in Gewalt umschlagen kann.

 

Mir neu:
Sonderausgabe "streife" zur Loveparade vom Oktober 2010:
http://www.polizei-nrw.de/streife/stepone/data/downloads/d5/00/00/streife_loveparade_2010.pdf

"streife" ist die Zeitung des Innenminsteriums für die Polizei.

Interessant insbesondere:
(mir) neue Fotos vom Tatort. Ausserdem ein Bericht eines der ersten Todesermittler dort. 

Sowie interessante Einblichke in Struktur und Arbeitsteilung der EG in Köln und der Duisburger
Staatsanwälte.

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Die Loveparade war nicht genehmigungsfähig. Aber man fand kreative Lösungen dafür, indem man Ausnahmen genehmigte, die gesetzlch nicht vorgesehen sind und den Bereich Tunnel/Rampe aus der einen oder anderen Betrachtung einfach herausließ.

Der Meister für Veranstaltungstechnik hat schon mehrfach in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass sich ein Laissez-faire bezüglich der Sicherheitsvorschriften für Veranstaltungen auf gefährliche Weise verbreitet hat und deshalb eine Katastrophe wie bei der Loveparade regelrecht zu erwarten war.

 

Nun haben offenbar auch die Duisburger Behörden und Feuerwehr Lehren aus der Loveparade gezogen, wie xtranews berichtet:

http://www.xtranews.de/2011/02/02/duisburger-karnevalsverein-bangt-um-veranstaltungsgenehmigung-imd-vermietet-halle-ohne-brandschutz/

Demnach sollte eine Veranstaltung in einer Halle stattfinden, in der schon 1997 Brandschutzmängel festgestellt wurden. Dennoch wurden dort seither regelmäßig Veranstaltungen durchgeführt. Nun plötzlich erhielt eine Karnevalsveranstaltung mit Hinweis auf diese 1997 festgestellten Mängel keine Genehmigung.

 

Auszüge aus dem Artikel:

Im November, bei der letzten Sitzung des Vereins, gab es noch keine Beanstandung. Anfang Januar habe man die Schankerlaubnis beantragt und erfahren, dass es angeblich Brandschutzmängel geben solle, die schon 1997 protokolliert worden seien, so Schmitz. Warum man erst 14 Jahre und hunderte Veranstaltungen später das Protokoll findet, konnte uns der Vereinspräsident nicht erklären.

Bei einer Ortsbegehung mit Vertretern der Feuerwehr, des Ordnungsamtes und der Bezirksvertretung, wurde dann der Mangel benannt.

Die Theke im Foyer könnte brennen, ließ der Sachverständige der Feuerwehr verlauten und dies sei nur mit dem Einbau einer mobilen Löschanlage genehmigungsfähig.

„Wir haben daraufhin eine mobile Löschanlage für über 3000 Euro geordert“, erzählt uns Schmitz auf telefonische Nachfrage.

Auch bei der Sitzbelegung, die offiziell für 328 Personen ausgelegt ist, habe man in den sauren Apfel gebissen und sei auf die Vorschläge des Ordnungsamtes eingegangen, und nur mit 250 Plätzen geplant.

Am Dienstag kam dann der karnevalistische Super-GAU: Das Duisburger Bauordnungsamt verweigerte die Nutzungsgenehmigung. Es sei, so das Amt, einfach zu gefährlich, im Foyer zu tanzen.

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Auch hier wieder: die Kurzfristigkeit, die Kurzfristigkeit...

Für den Karnevalsverein würde ein Ausfallen der Veranstaltung einen Verlust in hoher fünfstelliger Summe bedeuten.

Die Karnevalsveranstaltung wird bereits seit vielen Jahren - wie auch viele andere Veranstaltungen - dort durchgeführt. Und die Loveparade fand vor sieben Monaten statt. Aber die seit vielen Jahren bestehenden Mängel fallen erst wenige Tage vor der Karnevalsveranstaltung auf.

Genau dies ist der Boden, auf dem kreative Lösungen zulasten der Sicherheit gedeihen. Und dann einfach reihenweise kurzfristig die Veranstaltungen platzen zu lassen, kann ja wohl auch kaum sinnvoll sein. Wann wird von Seiten der Genehmigungsbehörden endlich dazu übergegangen, nicht mehr mit irrwitzig kurzfristigem Blick zu arbeiten?

 

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xtranews hat ein Interview mit Kultur- und Jugenddezernent Karl Janssen veröffentlicht. Eine Stelle dieses Interviews finde ich interessant, weil es dort um den Krisenstab geht.

Wir haben uns bislang gefragt, ob der Krisenstab nur dann in Aktion treten sollte, wenn eine Krise eintritt. Damit verbunden war auch die Frage, wie das Eintreten einer Krise erkannt werden sollte bzw. wie Krise in diesem Zusammenhang definiert war.

Janssen sagt in dem Interview, dass der Krisenstab mit Beginn des Tages seine Arbeit aufnahm und in regelmäßigen Abständen Lagebesprechungen durchführte. Demnach muss der Krisenstab den ganzen Tag über fortlaufend informiert worden sein. Und Lagebesprechungen wurden demnach auch unabhängig von Ereignissen geführt, die man als Krise hätte definieren müssen.

 

Hier der entsprechende Auszug aus dem Interview:

xn: Wo bitte waren Sie am 24. Juli?

Karl Janssen: Am 24. Juli war ich als Stellvertreter für meinen Kollegen, Herrn Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe, im Krisenstab vorgesehen. In dieser Rolle hatte ich Bereitschaftsdienst und war nur deshalb an diesem Tag in der Stadt. Der Krisenstab hat eine koordinierende Funktion beim Eintritt einer Krisensituation und war am Tag der Loveparade in der Hauptfeuerwache der Stadt Duisburg verortet. In meiner Vertreterrolle habe ich den Krisenstab um 16 Uhr aufgesucht, da mein Kollege an der Pressekonferenz auf dem Loveparade-Gelände teilnehmen musste. Aufgrund der dann eintretenden schrecklichen Ereignisse war ich bis 1.30 Uhr des folgenden Tages im Krisenstab.

xn: Als Sie um 16 Uhr die Leitung des Krisenstabes übernahmen, wussten oder ahnten Sie es da schon, dass eine Überfüllung des Eingangsbereiches drohte?

Karl Janssen: Nein

xn: Ein Krisenstab steht ja zunächst nur in Bereitschaft. Haben Sie den Krisenstab dann in (Handlungs-)funktion gesetzt, wenn ja um wie viel Uhr und aufgrund welcher Hinweise?

Karl Janssen: Der Krisenstab hat mit Beginn des Tages seine Arbeit aufgenommen und in regelmäßigen Abständen Lagebesprechungen durchgeführt.

xn: Haben Sie dann den ganzen Abend den Krisenstab geleitet, oder ab wann hatte Herr Rabe wieder die Leitung übernommen?

Karl Janssen: Ich habe mehrere Lagebesprechungen geleitet in Vertretung von Herrn Rabe.

Quelle: http://www.xtranews.de/2011/02/05/loveparade-ich-persoenlich-fand-es-nicht-einladend-auf-einer-geroellflaeche-im-kreis-zu-tanzen/

 

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Die Leserin schrieb:

Der bislang ausführlichste Artikel, den ich über die gestrige Tagung in Duisburg fand:

http://www.wdr.de/themen/panorama/loveparade_2010/hintergruende/110205_rundertisch.jhtml?rubrikenstyle=panorama

Gerade kommt noch dieser auf "DER WESTEN" dazu:
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Runder-Tisch-tagte-Wer-ist-verantwortlich-id4251154.html

Herzlichen Dank, an alle KollegInnen aus dem Beck . Blog die als ReferentInnen und / oder UnterstützerInnen  mitgewirkt haben!

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Lothar Evers schrieb:

Die Leserin schrieb:

Der bislang ausführlichste Artikel, den ich über die gestrige Tagung in Duisburg fand:

http://www.wdr.de/themen/panorama/loveparade_2010/hintergruende/110205_rundertisch.jhtml?rubrikenstyle=panorama

Gerade kommt noch dieser auf "DER WESTEN" dazu:
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Runder-Tisch-tagte-Wer-ist-verantwortlich-id4251154.html

Eine inzwischen recht vollständigen Medienspiegel gibt es hier:
http://docunews.org/loveparade/aktuell/

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Am 18. Januar wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft nun gegen 16 konkrete Personen ermittelt: 11 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, 4 von Lopavent und einen Polizeibeamten (Bericht u.a. bei Der Westen ).

Anderthalb Wochen später, am 29. Januar tauchten in der Presse (u.a. im Spiegel) Berichte auf, dass mehrere Ordner, die an der westlichen Einlasskontrolle des Veranstaltungsgeländes im Einsatz waren, schwere Vorwürfe gegen einen leitenden Polizisten erhoben haben. Der Beamte habe am Nachmittag des 24. Juli die komplette Öffnung der Eingangsschleuse befohlen, obwohl die Veranstaltungsleitung zuvor das genaue Gegenteil angeordnet hatte.
Es ist dabei nicht gesagt worden, ob es sich bei diesem Polizeibeamten um denselben handelt, gegen den nun ermittelt wird, die Vermutung liegt aber nahe.

Da ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Polizeiführung vor Ort eklatante Fehler begangen hat, die maßgeblich zur Verdichtung der Massen und letztendlich zu den Todesfällen geführt haben, war ich zunächst verwundert, dass bei den Tatverdächtigen nur ein Polizist dabei ist. Nach einigem Nachdenken musste ich mich revidieren: Die Frage ist eigentlich die, weshalb da überhaupt ein Polizist dabei ist.

Es ist ja nichts neues, dass sich Ermittlungen gegen Polizeibeamte immer besonders schwierig gestalten, da ein wesentlicher Teil der Ermittlungsarbeiten eben auch von Polizisten geleistet wird, die natürlich nichts auf ihre Truppe kommen lassen wollen.
(Ich denke da z.B. mit Grausen an das Verfahren gegen den Berliner Polizeikommissar Reinhard R., der am Silvesterabend 2008 ohne Not einen Kleinkriminellen erschossen hat und dafür "wegen Totschlags in minderschwerem Fall" 2 Jahre auf Bewährung gekriegt hat - (siehe hier).

Im Falle des Polizisten bei der Loveparade (die BILD nannte auch seinen Namen: Kuno Simon) kann ich mir vorstellen, dass die Beweislage gegen den Herrn so erdrückend ist, dass man ihn quasi als "Bauern-" oder besser als "Offiziersopfer" preisgibt, um weitere Untersuchungen, die möglicherweise weiteres Fehlverhalten der "Truppe" aufdecken, zu verhindern.

Es ist unstrittig, dass ein "Gesamtpaket" von Fehlplanungen und Fehlentscheidungen zur Katastrophe in Duisburg geführt hat. Fehler wurden von der Stadtverwaltung und vom Veranstalter gemacht, m.E aber auch von der Polizei.

Natürlich hätte die Veranstaltung besser gar nicht stattfinden sollen, aber selbst das fällt auf die Polizei zurück: Weshalb genehmigt sie das Ganze bzw. verbietet es nicht, wenn sie für die Sicherheit nicht garantieren kann?

Als sich herausstellte, dass der Veranstalter das Chaos nicht beherrscht und die Lage zu eskalieren drohte, hätte die Polizei - d.i. m.E. ihre Pflicht - wirksame Maßnahmen ergreifen müssen. Schlimmstenfalls hätte sie das ganze Terrain vollständig abriegeln oder (besser) die Veranstaltung abbrechen müssen. Aber obwohl eine "Gefahr im Verzug" war, hat das offenbar niemand der Verantwortlichen erkannt und - was noch schlimmer ist - keine sinnvollen Maßnahmen eingeleitet, um das Unglück zu verhindern. Im Gegenteil.

Auch wenn Herr Jäger immer wieder gern betont, dass seine Truppe nur auf Bitte des Veranstalters tätig geworden ist, sollte nicht übersehen werden, dass die Polizei spätestens ab 15:30 Uhr die eigentliche Hoheit auf dem Platz hatte. D.h. sie hatte die Befehlsgewalt, was jetzt zu tun und zu lassen ist, sie hatte Entscheidungen zu treffen und auch getroffen, sie war selbst dem Veranstalter gegenüber weisungsbefugt. Dies schon allein wegen § 1 des NRW-Polizeigesetzes, nachdem sie im Gefahrenfall eigenständig zu handeln hat.

Was aber hat die Polizei getan?

(1) Sie hat es nicht vermocht, die Vorsperren im Straßenraum, für die ausschließlich sie verantwortlich war, zu halten
(2) Sie hat, wie sich nun wohl doch herausstellt, die Regulierung an den Einlassschleusen aktiv beeinflusst, indem sie Befehle gab, die den Anweisungen des Veranstalters zuwider liefen
(3) Sie hat auf dem einzigen(!) Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände, der Rampe, Fahrzeuge abgestellt und dadurch die Fluchtwege zusätzlich verengt. Auch hat sie das Gewirr an zusätzlichen Absperrzäunen auf der Rampe (wer immer das auch veranlasst hat) geduldet.
(4) Sie hat innerhalb des Veranstaltungsterrains (für das sie ja angeblich nicht verantwortlich war), mehrere Sperren ohne erkennbares Konzept errichtet
(4a) Die Sperren in den Tunneln mögen noch halbwegs sinnvoll gewesen sein, jedoch hätte man den weiteren Zufluss an den Vereinzelungsanlagen besser verhindern können
(4b) Die Sperre auf der Rampe hingegen machte im Zusammenhang mit (4a) keinen Sinn, da nun an drei Stellen Menschen aufgestaut wurden, die irgendwann aufeinander prallen mussten.
(5) Sie hat ohne erkennbaren Grund ein Fahrzeug durch die dicht gedrängt stehende Menschenmenge geschickt und damit die Verdichtung noch verschärft, d.h. eine sehr gefährliche Situation geschaffen (die womöglich sogar die finale Ursache für die Knäuelbildung war)
(6) Sie hat es versäumt, den Veranstalter darauf zu drängen, sofort alle Notausgänge zu öffnen und durch Ansagen etc. die Besucher entsprechend zu orientieren. Dies wäre ab etwa 16:30 Uhr dringend erforderlich gewesen! (Gesten von einzelnen Polizisten ab etwa 16:40 Uhr, die Heimkehrer mögen die Rampe zurück nach oben gehen, waren ohne akustische Unterstützung einfach zu wenig)
(7) Sie hat das Verlassen des Kessels über die "illegalen" Notausgänge (Treppe, Lichtmast, Container) zugelassen und sogar aktiv unterstützt, anstatt es umgehend zu verhindern. Die Aussicht, an diesen Stellen (vor allem über die Treppe) die Rampe verlassen zu können, hat zu einer immer größeren Verdichtung unmittelbar vor diesen Punkten geführt. Über alle diese "Ausgänge" hätten aber auch in einer Stunde nur wenige hundert Menschen entkommen können. Dies konnte keine Lösung sein für Tausende, die im Gedränge feststeckten!

Den auf der Rampe künstlich verursachten Stau von heimkehrenden Besuchern halte ich nach wie vor für den Kardinalfehler der operativen Maßnahmen vor Ort. Das machte einfach keinen Sinn. Entweder man lässt die Leute einfach durch, in der Hoffnung sie schlagen sich einzeln durch den Gegenstrom, oder man schickt sie gleich weg zu alternativen Ausgängen. Hier aber einige Tausend Menschen anzustauen, so dass ein Pfropf entsteht, obwohl man genau weiß, dass einige Zehntausend aus der Gegenrichtung zu erwarten sind, ist für mich die grob fahrlässige Herbeiführung einer akuten Gefahrensituation für Leib und Leben Tausender Menschen!

Die Polizei - und ich rede nicht von einzelnen Polizisten, sondern von den Verantwortungsträgern - hat nicht nur keine wirkungsvollen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen, sondern sie hat durch ihre tatsächlich durchgeführten Maßnahmen das eigentliche Unglück (Menschenverdichtung & Verknäuelung) ursächlich mit herbeigeführt! Das war meine Meinung schon wenige Wochen nach der Katastrophe und das ist sie bis heute - nachdem ich mich ein halbes Jahr mit der Materie beschäftigt habe - auch geblieben.

Es gäbe aus meiner Sicht also so einiges, was die Polizei verbockt hat. Die Fehlleistung des einzelnen Offiziers, der an der Einlassschleuse Düsseldorfer Str. deren Öffnung befohlen hat, ist dabei nur ein Mosaikstein. Da es für seine Anweisungen mehrere Zeugen gibt, wird man ihn womöglich opfern.

Für alle anderen Fehlleistungen gibt es auch Zeugen. Das Problem aber scheint mir zu sein, diese Fehler klar als Fehler zu erkennen und zu benennen. Und noch schwieriger dürfte es werden, daraus Straftatbestände abzuleiten. Oder?

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Lieber Pilsbier,

habe sehr wahrscheinlich mit dem/n selben Ordnern gesprochen wie der SPIEGEL.
Teile des Telefoninterviews haben wir auf dem Runden Tisch" am Samstag eingespielt.

Kann einige Deiner Vermutungen nachvollziehen und beschränke mich erst mal darauf,  Fakten zu korrigieren:

Pilsbierchen schrieb:
Anderthalb Wochen später, am 29. Januar tauchten in der Presse (u.a. im Spiegel) Berichte auf, dass mehrere Ordner, die an der westlichen Einlasskontrolle des Veranstaltungsgeländes im Einsatz waren, schwere Vorwürfe gegen einen leitenden Polizisten erhoben haben. Der Beamte habe am Nachmittag des 24. Juli die komplette Öffnung der Eingangsschleuse befohlen, obwohl die Veranstaltungsleitung zuvor das genaue Gegenteil angeordnet hatte. Es ist dabei nicht gesagt worden, ob es sich bei diesem Polizeibeamten um denselben handelt, gegen den nun ermittelt wird, die Vermutung liegt aber nahe.

Ja diesen Eindruck erweckt DER SPIEGEL, obwohl er es besser wissen könnte.
Die beiden Polizisten sind nicht identisch.
Mit anderen Worten:
die Anweisungen kann zwar von Simon gekommen sein. Es ist aber eher unwahrscheinlich und die Person, die sie den Westordnern überbrachte, war definitiv nicht Simon.


Pilsbierchen schrieb:
Im Falle des Polizisten bei der Loveparade (die BILD nannte auch seinen Namen: Kuno Simon) kann ich mir vorstellen, dass die Beweislage gegen den Herrn so erdrückend ist, dass man ihn quasi als "Bauern-" oder besser als "Offiziersopfer" preisgibt, um weitere Untersuchungen, die möglicherweise weiteres Fehlverhalten der "Truppe" aufdecken, zu verhindern.

Herr Simon ist der oberste Polizeiführer in diesem Einsatz. Die Rolle ist weder mit Offizier noch mit Bauer gut beschrieben. Da hören meine Militär und Schachkenntnisse aber auch schon auf.

Dies Vorausgeschickt

Pilsbierchen schrieb:
Als sich herausstellte, dass der Veranstalter das Chaos nicht beherrscht und die Lage zu eskalieren drohte, hätte die Polizei - d.i. m.E. ihre Pflicht - wirksame Maßnahmen ergreifen müssen.

Ja das stimmt, genau dann.
Die  Frage "Wann konnte wer was übersehen?" wird strafrechtlich zu würdigen sein.
Dazu müssen wir Individuen und Zeiten würdigen.
Als erster dürfte Herr Walter in seinem Container merken, dass der Ein- und Ausgang des Geländes die Besucher weder auf die Loveparade bringt, noch wieder herunter.
Das muss er seiner Veranstaltungsorganisation mitteilen. Die hat, wenn Walter Recht hat, die Veranstaltung abzubrechen, weil Gefahr für die Besucher droht.
Offensichtlich hat Walter lange geglaubt, die Krise noch in den Griff zu bekommen.
Oder:
er hatte die strikte Anweisung, die im oberen Bereich laufende Dauerwerbesendung von McFit nicht zu stören.

Für den Fall der Krise war folgendes vereinbart:
Telefonkonferenz ab Auslastung von 80% eines Sektors.
Es könnte gut sein, dass Lopavent Herrn Walter über diese Instrument gar nicht informiert hat. Anders kann man sein 45 minütiges Herumgeeiere, einen Polizisten mit geeigneter Ausrüstung und Befugnis zu bekommen, nur schwer erklären.
Der vereinbarte Weg geht nämlich so:
Walter bündelfunkt Wagner an. Der oder Sasse, oder Sattler oder der die Veranstaltung "fahrende "Meister für Veranstaltungstechnik, also, wer immer bei Lopavent Telfonkonferenzbeauftragter ist, hat 5 Minuten später Simon und alle anderen Organisationen und deren leitened Funktionsträger an der Strippe.

Die vereinabaren Massnahmen und protokollieren diese.
Dann geht es in der Hierarchiekette wieder abwärts, zwecks praktischer Umsetzung.

Klar ist auch, wer nach und gegen den Veranstalter für die Schliessung des Geländes zuständig ist:
das Ordnungsamt der Stadt Duisburg.
Es sei denn der Krisenstab lebt und wirkt.
Dann nämlich dieser Krisenstab. 

Da ist der von allen Beteiligten vereinbarte Weg für den Krisenfalll.
Die Polizei aber auch alle anderen Beteiligten müssen handeln, wenn gefahr droht. Aber auch dann nicht in Polizeistaatsmanier die "schnelle Eingreiftruppe schicken. Sondern die richtige Telefon(konferenz)nummer wählen.
Bleibt die Frage:
Wann musste  wer wissen, dass er zu telefonieren hatte, bzw Vorgestzte dazu hätte auffordern sollen?
Da beginnt die persönliche Verantwortung. 
Und kurz danach ist das Handeln strafrechtlich relevant.

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Hallo Lothar, erstmal vielen Dank, dass Du mich bezüglich der Faktenlage ins rechte Bild setzt. Ich hatte ja eingeräumt, nicht zu wissen, ob Simon derjenige ist, der den Befehl zur Öffnung der Westschleuse gegeben hat und es entsprechend offen gelassen.

Wenn er also der oberste Polizeiführer des Einsatzes war, ist der strafrechtliche Verdacht gegen ihn aus meiner Sicht auf jeden Fall gerechtfertigt. (Im Schach gibts oberhalb der Offiziere nur noch den König, allerdings unteteilt man Offiziere in leichte und schwere Figuren. Simon ist in diesem Sinne also eine schwere Figur).

Lothar Evers schrieb:
Es könnte gut sein, dass Lopavent Herrn Walter über diese Instrument gar nicht informiert hat. Anders kann man sein 45 minütiges Herumgeeiere, einen Polizisten mit geeigneter Ausrüstung und Befugnis zu bekommen, nur schwer erklären.

Zustimmung. Dass ich dieses ganze Pressegeschreibe wegen des nicht vorhandenen oder nicht funktionierenden Handys oder Funkgerätes des Verbindungsoffiziers im Container für sekundär halte, hatte ich schon vor langer Zeit im loveparade2010doku-Blog geschrieben. Ich kam schon damals zu dem Schluss, dass es kein Problem gewesen wäre, über die Kommunikationsschiene des Herrn Walter auch die oberste Polizeiführung zu erreichen.

Lothar Evers schrieb:
Offensichtlich hat Walter lange geglaubt, die Krise noch in den Griff zu bekommen.

Sehr lange kann er das nicht geglaubt haben. Er war bereits um 16:32 Uhr (Video manxqxq, Start 16:31:26) außerhalb des Containers, als zwischenzeitlich schon einmal 12 Leute auf das Dach desselben gestiegen waren. Allerdings ist bisher nicht belegt, ob er danach noch einmal in das Innere zurückgekehrt ist. Spätestens um 16:48 (Video coolwojtek-3, Start 16:48:34), wahrscheinlich aber schon etwas früher, hat er den Container dann endgültig verlassen und sich daran beteiligt, die Zäune zwischen Container und Dixiklo festzuhalten. Das ist für mich schon das Eingeständnis der Niederlage.

Lothar Evers schrieb:
Für den Fall der Krise war folgendes vereinbart: Telefonkonferenz ab Auslastung von 80% eines Sektors.

Ich hatte mal (ebenfalls im loveparade2010doku-Blog) meine Meinung zu dieser Auslastungsanalyse geschrieben. Sie ist in der Tat ein wichtiges Dokument, und zwar um die totale Unfähigkeit der beteiligten Entscheidungsträger zu beweisen.

Lothar Evers schrieb:
Bleibt die Frage: Wann musste wer wissen, dass er zu telefonieren hatte, bzw Vorgestzte dazu hätte auffordern sollen?

Du bringst es auf den Punkt. Jedoch: Die obersten Chefs hätten die richtigen Entscheidungen nur treffen können, wenn sie durch die Verantwortlichen vor Ort richtig ins Bild gesetzt worden wären. Das ist nun die große Frage: Wer hat was gemeldet und wer hat was angeordnet?

Ich denke, die haben das alle unterschätzt. Fakt ist ja, dass es auf der Rampe um 15:30 Uhr viel gefährlicher aussah, als zum Beispiel um 16:10 Uhr, als sich durch die Polizeisperren die Lage scheinbar entspannt hatte und der Platz unten fast menschenleer war. Die konnten sich einfach nicht vorstellen, welche Folgen die gerade eingeleiteten Maßnahmen (Sperrung von drei Seiten) irgendwann haben musste. Und dann ging das ja alles sehr schnell, wie wir wissen.

Lothar Evers schrieb:
Die Frage "Wann konnte wer was übersehen?" wird strafrechtlich zu würdigen sein.

Ich befürchte, es wird darauf hinauslaufen, dass auch die "kleinen" Entscheidungsträger vor Ort alle behaupten werden, dass niemand von ihnen es voraussehen konnte, da ihnen ja diese und jene Informationen fehlten bzw. dass A nicht wusste, was B getan hat. Die großen Chefs machen es ihnen ja vor, wie man den Kopf aus der Schlinge zieht. Schuld haben grundsätzlich immer die anderen.

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Pilsbierchen schrieb:

Lothar Evers schrieb:
Offensichtlich hat Walter lange geglaubt, die Krise noch in den Griff zu bekommen.

Sehr lange kann er das nicht geglaubt haben. Er war bereits um 16:32 Uhr (Video manxqxq, Start 16:31:26) außerhalb des Containers, als zwischenzeitlich schon einmal 12 Leute auf das Dach desselben gestiegen waren. Allerdings ist bisher nicht belegt, ob er danach noch einmal in das Innere zurückgekehrt ist. Spätestens um 16:48 (Video coolwojtek-3, Start 16:48:34), wahrscheinlich aber schon etwas früher, hat er den Container dann endgültig verlassen und sich daran beteiligt, die Zäune zwischen Container und Dixiklo festzuhalten. Das ist für mich schon das Eingeständnis der Niederlage.

Klar um die Zeit war für Walter die Situation verloren. 
Ich meine die Zeit zwischen 14 und 16:00 Uhr. Und den Inhalt der Vereinbarung mit dem Polizeiführer "Schutz des Veranstaltungsgeländes", nach meiner Idee so gegen 15:45. Übrigens interessant dass man Hinweise darauf auf keiner Kamera findet.

Diese Vereinbarung enthält ja drei Elemente:

  • Eingangsschleusen werden geschlossen (wie lange?, da ja kein Abbruch oder Schliessung vereinbart war).
  • Pusher entzerren den Stau am Rampenkopf
  • Polizei- und Ordnerketten nehmen den Druck vom Rampenkopf weg.

Meiner Meinung nach fehlt schon hier ein wesentliches weiteres Element, das aber handeln auf dem Veranstaltungsgelände und nicht nur im Eingangsbereich erfordert hätte:

  • Entflechtung von Ein- und Ausgangsstau durch Öffnung (einiger) Notausgänge

Wenn Walter klar war, dass es gar keine oder nicht genügend Pusher gab, war das auf diese Pusher gestützte Verfahren am Rampenkopf von vorneherein hinfällig und er hätte es nicht in den Massnahmenmix einstellen sollen. Jedenfalls nicht ohne

  • von Wagner weitere Ordner zum Einsatz als Pusher zu bestellen.
  • Durchsagen über die Floats "Bitte gehen Sie nach Norden" zu organisieren. 

Naheliegende Ideen. Ob da kommuniziert wurde wissen wir nicht. Ohne Konzept an der Engstelle "Rampenkopf", verlagert sich das Problem "Überfüllung - zu enge Ein- und Ausgänge" nur nach hinten: von Wagner zu Walter zur Polizei, zur Bahnpolizei...

Genau an dieser Stelle, wo Walter das Problem, im Eingangsbereich lösen will, sprach sowohl die -ja Kamera gestützte- in dem Excelsheet dokumentierte Auslastungserhebung, als auch jedwede Wahrnehmung für eine Telfonkonferenz mit vereinbarter Handlungsstrategie.

Für mich macht diese Organisation des Veranstraltungsgeländes in getrennten Teilen, die Desintegration des Ordnerdienstes in zwei Bündelfunksysteme, und die nicht Integration aller Elemente via Telefonkonferenz bei drohender Gefahr unter Sicherheitsaspekten keinen Sinn.

Fragt man, "cuis bono; wer hat davon einen Vorteil?
Dann ist es die im oberen Bereich des Veranstaltungsgeländes laufende Parade / Dauerwerbesendung, die weder durch Lautsprecherdurchsagen noch durch geöf.fnete Notausgänge gestört wird.

Seit ich von der Aufspaltung des Geländes und der Security weiss, habe ich immer wieder das Bild Trägerrakete und Raumkapsel im Kopf. 

Sobald die Veranstaltung ihre audiovisuell vermittelten Kreise zog, lies sich der Eingangsbereich, ohne Schaden für das Raumschiff absprengen.

 

 

 

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Die Bilder ALLER Überwachungskameras wurden in das HOIST-Haus übertragen. Dort kann niemand sagen, er habe ja keinen Anruf bekommen und daher nichts wissen können.

 

 

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Die Leserin schrieb:

Die Bilder ALLER Überwachungskameras wurden in das HOIST-Haus übertragen. Dort kann niemand sagen, er habe ja keinen Anruf bekommen und daher nichts wissen können.

 

Man sollte meinen, dass sich da niemand rausreden könnte. Es wurde trotzdem schon getan.

Zur Erinnerung dieser Spiegel-Online-Artikel vom 04.08.2010:

Das Auge der Katastrophe

Darin Ole Dietrich: "Wir konnten alles einsehen, beobachteten auch einen starken Zulauf, aber aufgrund der Kameraperspektive kann man anhand der Stauung nicht erkennen, ob das Gelände nur voll ist oder ob es sich um Gedränge handelt"

Weiteres Zitat aus dem Artikel:

Innerhalb der nächsten 30 Minuten nimmt die Masse gewaltig an Dichte zu. Auf der rechten Seite beginnen die ersten, die Lichtmasten hochzuklettern - eine Art Abkürzung, um die verstopfte Rampe zu umgehen und so auf die obere Ebene zu gelangen.

Im Lagezentrum im Hoist-Haus sieht man diese Entwicklung, bleibt aber zunächst gelassen. "Das ist völlig normal bei solchen Veranstaltungen", sagt R.A.D.-Chef Jan-Ole Dietrich, seit 15 Jahren bei der Love Parade mit Mitarbeitern im Einsatz. Viele an den Bildschirmen der Einsatzzentrale glauben, die Leute wollten gucken, sich inszenieren, Freunden zuwinken. Dass sie in Not handeln, registriert zunächst keiner. "Für uns war keine Paniksituation erkennbar", so Dietrich.

Ich sagte ja schon, die haben das völlig unterschätzt. Spricht natürlich nicht gerade für eine professionelle Veranstaltungsführung.

 

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Pilsbierchen schrieb:

Man sollte meinen, dass sich da niemand rausreden könnte. Es wurde trotzdem schon getan.

Zur Erinnerung dieser Spiegel-Online-Artikel vom 04.08.2010:

Das Auge der Katastrophe

 

Den Artikel kenne ich. Der stammt von Anfang August, also wenige Tage nach der Loveparade. Da konnte man in der Öffentlichkeit noch allerhand Mist erzählen.

So hatte Lopavent z.B. die Aufnahmen der Überwachungskameras noch nicht online gestellt. Man konnte der Presse also Rabarber erzählen, was diese Kameras angeblich gezeigt hätten.

 

Ich habe in diesem Thread

http://blog.beck.de/2010/09/23/love-parade-unglueck-zwei-monate-nach-den-tragischen-ereignissen-im-internet-weitgehend-aufgeklaert 

auf Seite 1 ab Beitrag #46 die Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras ausgewertet.

 

Daraus geht völlig eindeutig und unmissverständlich hervor, dass sich eine äußerst bedrohliche Situation vollkommen ohne jeden Zweifel anbahnt. Und dies wird ersichtlich über einen langen Zeitraum hinweg auf den Aufnahmen mehrerer Kameras. Es ist unmöglich, das zu übersehen.

 

Die Verantwortlichen haben nicht gehandelt.

Sie haben auch das nicht getan, was vor der Veranstaltung für entsprechende Notfälle vereinbart worden war.

Die Gründe für das Nichthandeln gehören zu den Rätseln dieser Katastrophe.

 

Viel zu spät erfolgten sehr sonderbare Dinge, die überhaupt nicht vereinbart worden waren.

Da hampelt der Crowd-Manager herum, um mit jemandem von der Polizei zu sprechen, weil er vermutlich nicht über die Vereinbarung einer Telefonkonferenz informiert worden war.

Da beschließt die Polizei auf eigene Faust irgendwelche Sperren, welche die Situation verschärfen, statt die vereinbarte Telefonkonferenz einzuberufen.

Wer jetzt sagt, es sei Gefahr im Verzug gewesen und da habe die Polizei eben spontan handeln müssen, der muss mir erklären, inwiefern die endlos langen Zeitabläufe etwas mit spontan zu tun haben sollen. Da wurde getrödelt und gezögert bis zum bitteren Ende (viel zu späte und nicht sinnvolle Sperren, die viel zu lange aufrecht erhalten wurden).

Und Krisenstab wie auch Ordnungsamt bekamen - so will es uns scheinen oder gescheint werden - von nix nix mit.

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Weiß jemand vielleicht, wo es Infos darueber gibt, wer alles im Lagezentrum werkelte und wie diese vernetzt waren mit anderen? Vielen Dank!

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Es drängt sich durchaus der Eindruck auf, dass die Veranstaltung auf Teufel komm raus weitergeführt werden sollte.

 

Die Bilder der Kameras und die sich daraus logisch ergebenden Schlussfolgerungen hätten einen Abbruch der Veranstaltung zwingend gemacht.

 

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@Pilsbierchen, vielen Dank für Ihre Ausführungen zu (möglichen) Versäumnissen der Polizei.

Sie haben aus meiner Sicht schon einmal Recht insofern, als es regelmäßig schwierig ist, Polizeibeamte für Fehlverhalten strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Der von Ihnen zitierte Fall ist ja noch ein positives Beispiel, in vielen Fällen kommt es ja nicht einmal zu einer Anklageerhebung, trotz schwerer Folgen wird das Verfahren eingestellt (so zum Beispiel das hier im Blog heiß diskutierte Verfahren im Fall Tennessee Eisenberg).

Einige Ihrer Punkte möchte ich im Einzelnen ansprechen:

Natürlich hätte die Veranstaltung besser gar nicht stattfinden sollen, aber selbst das fällt auf die Polizei zurück: Weshalb genehmigt sie das Ganze bzw. verbietet es nicht, wenn sie für die Sicherheit nicht garantieren kann?

Die Polizei hat keine "Genehmigung" erteilt. Allerdings hat die Polizei im Vorfeld (wie übrigens auch die Feuerwehr) offenbar ihr notwendiges Einvernehmen mit dem Sicherheitskonzept ausgesprochen. Dass dies nicht ganz unbedeutend ist, zeigt ja die Bochumer Entscheidung im Vorjahr. Da das Sicherheitskonzept hinsichtlich der Zustrom/Abstrom-Planung Lücken und Widersprüche enthielt, hätte dies einem in Sicherheitsfragen erfahrenen Polizeibeamten auffallen müssen. Die Polizei war relativ frühzeitig in die Planung intensiv einbezogen, nicht erst - wie vom Innenminister angedeutet -  erst am Tag der Loveparade.

Als sich herausstellte, dass der Veranstalter das Chaos nicht beherrscht und die Lage zu eskalieren drohte, hätte die Polizei - d.i. m.E. ihre Pflicht - wirksame Maßnahmen ergreifen müssen. Schlimmstenfalls hätte sie das ganze Terrain vollständig abriegeln oder (besser) die Veranstaltung abbrechen müssen. Aber obwohl eine "Gefahr im Verzug" war, hat das offenbar niemand der Verantwortlichen erkannt und - was noch schlimmer ist - keine sinnvollen Maßnahmen eingeleitet, um das Unglück zu verhindern. Im Gegenteil.

Hier bin ich etwas vorsichtiger. Was ist das "ganze Terrain". War eine komplette Abriegelung oder ein Abbruch überhaupt möglich, ohne an anderen Stellen Gefahren heraufzubeschwören?

Auch wenn Herr Jäger immer wieder gern betont, dass seine Truppe nur auf Bitte des Veranstalters tätig geworden ist, sollte nicht übersehen werden, dass die Polizei spätestens ab 15:30 Uhr die eigentliche Hoheit auf dem Platz hatte. D.h. sie hatte die Befehlsgewalt, was jetzt zu tun und zu lassen ist, sie hatte Entscheidungen zu treffen und auch getroffen, sie war selbst dem Veranstalter gegenüber weisungsbefugt. Dies schon allein wegen § 1 des NRW-Polizeigesetzes, nachdem sie im Gefahrenfall eigenständig zu handeln hat.

Das sehe ich genauso. Sobald die Polizei aktiv eingegriffen hat, kann sie sich nicht mehr auf (angebliche) Unzuständigkeit berufen.

(1) Sie hat es nicht vermocht, die Vorsperren im Straßenraum, für die ausschließlich sie verantwortlich war, zu halten

Das mag richtig sein, aber Unmögliches kann man von niemandem verlangen. Vorwerfbar wäre allenfalls, wenn diese Vorsperren vorhersehbar unzureichend besetzt waren. Dann aber ist noch das Problem, inwieweit die Vorsperren mit den Toten an der Rampe in Verbindung stehen.


(2) Sie hat, wie sich nun wohl doch herausstellt, die Regulierung an den Einlassschleusen aktiv beeinflusst, indem sie Befehle gab, die den Anweisungen des Veranstalters zuwider liefen

Ja. Hier ist  wohl ein Zusammenhang erkennbar, allerdings muss auch die dortige Lage beachtet werden (war es ebenfalls so eng, dass man aus Gefahrenabwehrgründen öffnen musste?)


(3) Sie hat auf dem einzigen(!) Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände, der Rampe, Fahrzeuge abgestellt und dadurch die Fluchtwege zusätzlich verengt. Auch hat sie das Gewirr an zusätzlichen Absperrzäunen auf der Rampe (wer immer das auch veranlasst hat) geduldet.

Das Abstellen der Fahrzeuge auf einem Rettungsweg habe ich und einige andere schon im Juli als eklatantes Fehlverhalten festgstellt. Es ist zweifellos ein Indiz für das mangelnde "Sicherheitsbewusstsein" der verantwortlichen Polizeibeamten. Allerdings gab es an dieser Stelle der Rampe kein tödliches Gedränge, der Ursachenzusammenhang mit den Todesfällen ist deshalb zweifelhaft. Zuständig für das Freihalten der Rampe (als Rettungsweg) war wohl das Ordnungsamt. Ebenso wie bei der Gulli-Bauzaun-Angelegenheit hat dieses Amt hier versagt. Wer war für die Einhaltung der Auflagen verantwortlich? Wer hat hier geprüft? Es scheint mir nicht Sache der Polizei zu sein, die Rampe freizuräumen.

(4) Sie hat innerhalb des Veranstaltungsterrains (für das sie ja angeblich nicht verantwortlich war), mehrere Sperren ohne erkennbares Konzept errichtet

(4a) Die Sperren in den Tunneln mögen noch halbwegs sinnvoll gewesen sein, jedoch hätte man den weiteren Zufluss an den Vereinzelungsanlagen besser verhindern können
(4b) Die Sperre auf der Rampe hingegen machte im Zusammenhang mit (4a) keinen Sinn, da nun an drei Stellen Menschen aufgestaut wurden, die irgendwann aufeinander prallen mussten.

Ja. Sehe ich genauso als Fehler an. Die Sperren haben jedenfalls mit zur Konzentration auf dem unteren Drittel der Rampe beigetragen.

(5) Sie hat ohne erkennbaren Grund ein Fahrzeug durch die dicht gedrängt stehende Menschenmenge geschickt und damit die Verdichtung noch verschärft, d.h. eine sehr gefährliche Situation geschaffen (die womöglich sogar die finale Ursache für die Knäuelbildung war)

Ich habe, nehme ich an, dieselben Videos gesehen, kann aber so deutlich wie Sie es folgern, dort nicht erkennen, dass hier eine finale Ursache gesetzt wurde. Fahrlässig war es allemal - und vor allem fehlt bisher jede plausible Erklärung der Polizei für diese Maßnahme.

(6) Sie hat es versäumt, den Veranstalter darauf zu drängen, sofort alle Notausgänge zu öffnen und durch Ansagen etc. die Besucher entsprechend zu orientieren. Dies wäre ab etwa 16:30 Uhr dringend erforderlich gewesen! (Gesten von einzelnen Polizisten ab etwa 16:40 Uhr, die Heimkehrer mögen die Rampe zurück nach oben gehen, waren ohne akustische Unterstützung einfach zu wenig)

Die Öffnung der Notausgänge wäre angezeigt gewesen, aber um 16.30 Uhr war es schon zu spät, durch eine Notausgang-Öffnung oben auf dem Gelände, die Menschen auf der Rampe zu retten.


(7) Sie hat das Verlassen des Kessels über die "illegalen" Notausgänge (Treppe, Lichtmast, Container) zugelassen und sogar aktiv unterstützt, anstatt es umgehend zu verhindern. Die Aussicht, an diesen Stellen (vor allem über die Treppe) die Rampe verlassen zu können, hat zu einer immer größeren Verdichtung unmittelbar vor diesen Punkten geführt. Über alle diese "Ausgänge" hätten aber auch in einer Stunde nur wenige hundert Menschen entkommen können. Dies konnte keine Lösung sein für Tausende, die im Gedränge feststeckten!

Das sehe ich auch so. Allerdings wäre es zusätzlich nötig gewesen, die Menschen über Lautsprecher zu informieren. Fahrzeuge mit Beschallungsanlagen standen dort ja. Man hätte versuchen müssen, die leute, die großteils orientierungslos aus den Tunneln ins Gedränge kamen, zu informieren und um etwas Geduld zu bitten. Man hätte sie warnen können vor den "illegalen" Aufgängen. Ich schätze, es hätte eine kritische Masse an vernünftigen Besuchern gegeben, die man durch solche eindringlichen Informationen hätte erreichen können.

Den auf der Rampe künstlich verursachten Stau von heimkehrenden Besuchern halte ich nach wie vor für den Kardinalfehler der operativen Maßnahmen vor Ort. Das machte einfach keinen Sinn. Entweder man lässt die Leute einfach durch, in der Hoffnung sie schlagen sich einzeln durch den Gegenstrom, oder man schickt sie gleich weg zu alternativen Ausgängen. Hier aber einige Tausend Menschen anzustauen, so dass ein Pfropf entsteht, obwohl man genau weiß, dass einige Zehntausend aus der Gegenrichtung zu erwarten sind, ist für mich die grob fahrlässige Herbeiführung einer akuten Gefahrensituation für Leib und Leben Tausender Menschen!

Sehe ich genauso. Allerdings war dies Folge der unzureichenden (nicht vorhandenen) Planung hinsichtlich der Gegenströmung überhaupt. Wo denn hin mit den Leuten?

Für alle anderen Fehlleistungen gibt es auch Zeugen. Das Problem aber scheint mir zu sein, diese Fehler klar als Fehler zu erkennen und zu benennen. Und noch schwieriger dürfte es werden, daraus Straftatbestände abzuleiten. Oder?

Es gibt nur die Straftatbestände fahrl. Tötung und fahrl. Körperverletzung, die hier eine Rolle spielen. Das ist nicht allzu kompliziert. Kompliziert sind die Ursachen- und Zurechnungszusammenhänge jeweils einzelner Polizeibeamter und einzelner Entscheidungen derselben. Selbst wenn Sie Fehler beweisen können, müssen Sie auch noch beweisen, dass genau diese Fehler zu den Folgen geführt haben und dass diese Folgen auch für den einzelnen Polizeibeamten vorhersehbar waren. Bei einigen Ihrer geschilderten Vorwürfe bin ich derselben Meinung, bei anderen denke ich, dass die Polizei Opfer desselben Chaos war, das die Katastrophe insgesamt auszeichnete.  Und für dieses Chaos sind dann doch die in der Planungsphase Beteiligten (einschl. der dort bet. Polizisten) in der größeren Verantwortung.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Und für dieses Chaos sind dann doch die in der Planungsphase Beteiligten (einschl. der dort bet. Polizisten) in der größeren Verantwortung.

Genau das ist ein Punkt, der mir auch immer wieder zu denken gibt:

Die Polizei war von Anfang an intensiv in die Planung der Loveparade involviert.

Dennoch wird sie in dieser Rolle - außer hier im Beck-Blog - meinen Informationen nach nirgendwo genannt.

Gibt es Informationen darüber, wer von Seiten der Polizei die Verantwortung für das Einvernehmen mit den Veranstaltungsplänen trägt?

 

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Die Leserin schrieb:

Henning Ernst Müller schrieb:

Und für dieses Chaos sind dann doch die in der Planungsphase Beteiligten (einschl. der dort bet. Polizisten) in der größeren Verantwortung.

Genau das ist ein Punkt, der mir auch immer wieder zu denken gibt:

Die Polizei war von Anfang an intensiv in die Planung der Loveparade involviert.

Dennoch wird sie in dieser Rolle - außer hier im Beck-Blog - meinen Informationen nach nirgendwo genannt.

Gibt es Informationen darüber, wer von Seiten der Polizei die Verantwortung für das Einvernehmen mit den Veranstaltungsplänen trägt?

Wer von Seiten der Polizei beteiligt war ist klar: dass PP Duisburg unter operativer Leitung von Simon und über dem von Schmeling sowie der Stab aus Düsseldorf. Was unklar ist: wie wurde das Einvernehmen hergestellt.
Zunächst:
diese Notwendigkeit des Einvernehmens bezieht sich nur auf das Sicherheitskonzept. Es ist eine spannende Frage, ob die Polizei die Sonderbauverordnung und die für sie darin vorgesehene Rolle überhaupt kannte, also wusst, dass hier Einvernehmen herzustellen war. Bei den vorigen Loveparades galt sie ja nicht.
Weitere Frage: welches Sicherheitskonzept?
Das vom 28. 6. das zum Bestandteil des Bescheides wurde? 
Ein älteres?
Oder das vom 12.7., das wir alle bisher nicht kennen aber Grundlage des Brandschutzkonzeptes wurde.
Nächste Frage:
wie hergestellt?
Durch Lopavent befragt?
Formalisiert und unterschrieben wohl kaum. Das hätte uns Frau Dr. Jasper nicht vorenthalten.

Wir haben ja nicht mal ein Protokoll eines Treffens der AG Sicherheit, auf dem ein Sicherheitskonzept  diskutiert wurde.
Schliesslich: worauf hat Polizei zu prüfen?
Worauf die Feuerwehr.

Meiner Meinung nach Rettungskonzeptionen Fluchtwege Staus eher letztere. 
Mir wäre es schon etwas unheimlich, wenn es zu jedem grösseren Open Air Event einen Übernehmeplan der Polizei gäbe. Aber klarere Indikatoren, ab wann von Gefahr zu sprechen ist müssen deutlich bekannt und vorgeschrieben werde.

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Lothar Evers schrieb:

Es ist eine spannende Frage, ob die Polizei die Sonderbauverordnung und die für sie darin vorgesehene Rolle überhaupt kannte, also wusst, dass hier Einvernehmen herzustellen war. Bei den vorigen Loveparades galt sie ja nicht.

  

Diese Frage finde ich nicht besonders spannend. Die Polizei ist kein Laienkarnevalsverein. Natürlich muss sie Gesetze kennen, die sich auf ihre Pflichten beziehen. Aus diesem Grund ist von einer entsprechenden Kenntnis der Polizei auszugehen.

Um unverständliche Unkenntnis wichtiger Vorschriften zu vermeiden, empfiehlt der Meister für Veranstaltungstechnik den Besuch von Weiterbildungskursen der Verantwortlichen wenigstens alle zwei Jahre.


Lothar Evers schrieb:
 

Weitere Frage: welches Sicherheitskonzept?
Das vom 28. 6. das zum Bestandteil des Bescheides wurde? 
Ein älteres?
Oder das vom 12.7., das wir alle bisher nicht kennen aber Grundlage des Brandschutzkonzeptes wurde.

  

Ganz einfach: Der Polizei hätte auffallen müssen, dass jede der vorgelegten Versionen (das betrifft zumindest alle Versionen, die uns vorliegen, und laut Abschlussbericht der Stadt Duisburg gab es insgesamt keine Version, die sich grundsätzlich vom ersten Vorschlag unterschied) als Sicherheitskonzept vollkommen indiskutabel war.

 

Dieselben Kritikpunkte betreffen auch die Feuerwehr und die Rettungskräfte, deren Einvernehmen ebenfalls in der Verordnung vorgeschrieben ist.

 

Für alle Laienkarnevalsvereine sei diese Checkliste der AGBF (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland) empfohlen:

  

   Checkliste bzw. Inhaltsstichpunkte zur Aufstellung eines Sicherheitskonzeptes gemäß § 43 MVStättV für Versammlungsstätten: 

 

http://www.agbf.de/AK/AVBG/Sicherheitskonzepte_fuer_Versammlungsstaetten.pdf  

 

 

Lothar Evers schrieb:
 

Wir haben ja nicht mal ein Protokoll eines Treffens der AG Sicherheit, auf dem ein Sicherheitskonzept  diskutiert wurde.
Schliesslich: worauf hat Polizei zu prüfen?
Worauf die Feuerwehr.

In der "Begründung und Erläuterung zur Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung - MVStättV) - Fassung Juni 2005", also in jenem Kommentar der Verordnung, die auch schon der Meister für Veranstaltungstechnik im vorhergehenden Blog zitiert hat, heißt es, Zitat (Fettsetzung von mir):

Bei diesen großen Versammlungsstätten ist ein Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste herzustellen. [...] Die Mitwirkung der Behörden soll sicherstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften beachtet werden und Festsetzungen, z.B. die Anzahl der erforderlichen Ordnungskräfte sich an den sicherheits- und ordnungsrechtlichen Bedürfnissen ausrichten und unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen getroffen werden. 

Im Sicherheitskonzept von Lopavent wird die Anzahl der Ordnungskräfte jedoch gar nicht festgelegt (!). Angaben über die Planung der Ordner stehen stattdessen in der Veranstaltungsbeschreibung.

Insgesamt entsprach das Sicherheitskonzept noch nicht einmal dem, was sich Laien darunter vorstellen. Und bei der Veranstaltungsplanung wurden diverse Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung (die 2009 in NRW als Teil 1 in die Sonderbauverordnung eingearbeitet wurde) missachtet.

Da braucht es kein Abnahmeprotokoll, sondern ein deutliches Zurückweisen solcher Papiere, über die jemand fälschlicherweise "Sicherheitskonzept" geschrieben hat.

 

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Lothar Evers schrieb:

Wir haben ja nicht mal ein Protokoll eines Treffens der AG Sicherheit, auf dem ein Sicherheitskonzept  diskutiert wurde.

 

Doch. Sorry, hier jetzt noch die Protokolle zu den eben von mir beschriebenen Sitzungen:

Termin am 21. April: Anlage 42

Termin am 23. April, also Vorstellung des Sicherheitskonzepts vor der Arbeitsgruppe Sicherheit: Anlage 14

 

"Diskutiert" wurde das Sicherheitskonzept dem Protokoll nach tatsächlich nicht.

Im Protokoll steht: "TOP 5 (Veranstaltungskonzept / Sicherheitskonzept Lopavent GmbH): Dieser Tagesordnungspunkt wurde vorgezogen und bereits als TOP 3 behandelt. Das vorgestellte Konzept wird noch mit der Bauordnung abgestimmt und weiter fortgeschrieben. Das Konzept ist als Anlage beigefügt."

Diese Notizen machen leider den Eindruck, als habe man die weitere Diskussion über das Konzept einfach an das Bauaufsichtsamt weitergeschoben, das Konzept als Anlage entgegengenommen und dann nix mehr dazu gesagt.

Sollte ich mich irren, so bitte ich um eine anderes belegende Information.

 

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Die Leserin schrieb:

Lothar Evers schrieb:

Wir haben ja nicht mal ein Protokoll eines Treffens der AG Sicherheit, auf dem ein Sicherheitskonzept  diskutiert wurde.

 

Doch. Sorry, hier jetzt noch die Protokolle zu den eben von mir beschriebenen Sitzungen:

Termin am 21. April: Anlage 42

Termin am 23. April, also Vorstellung des Sicherheitskonzepts vor der Arbeitsgruppe Sicherheit: Anlage 14

 

"Diskutiert" wurde das Sicherheitskonzept dem Protokoll nach tatsächlich nicht.

Im Protokoll steht: "TOP 5 (Veranstaltungskonzept / Sicherheitskonzept Lopavent GmbH): Dieser Tagesordnungspunkt wurde vorgezogen und bereits als TOP 3 behandelt. Das vorgestellte Konzept wird noch mit der Bauordnung abgestimmt und weiter fortgeschrieben. Das Konzept ist als Anlage beigefügt."

Diese Notizen machen leider den Eindruck, als habe man die weitere Diskussion über das Konzept einfach an das Bauaufsichtsamt weitergeschoben, das Konzept als Anlage entgegengenommen und dann nix mehr dazu gesagt.

Sollte ich mich irren, so bitte ich um eine anderes belegende Information.

Man hat in der Tat die Frage der Baugenehmigung aus der AG 4 heraus und in den kleineren Kreis Stadt (Ordnung, Feuerwehr, Bau) und Lopavent verlegt. Wenn inclusive des Sicherheitskonzeptes, würde das die AG4 ja fast funktionslos machen.

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Lothar Evers schrieb:

Man hat in der Tat die Frage der Baugenehmigung aus der AG 4 heraus und in den kleineren Kreis Stadt (Ordnung, Feuerwehr, Bau) und Lopavent verlegt. Wenn inclusive des Sicherheitskonzeptes, würde das die AG4 ja fast funktionslos machen.

Man hat immerhin noch einige mögliche Notfall-Szenarien und den Umgang mit ihnen inklusive Zuständigkeiten geplant - sich dann jedoch am Veranstaltungstag nicht daran gehalten.

 

Ich vermute den Grund darin, dass sich am Veranstaltungstag bereits am frühen Nachmittag herauskristallisierte, dass die Rampe als einziger Ein- und Ausgang absolut nicht funktionierte. Die Kamerabilder zeigten dann sehr schnell immer deutlicher, dass nur eine weitgehende Unterbindung des Menschenzustroms Abhilfe schaffen konnte. Aber die konnte realistischerweise nur erfolgen, indem man die Anreise nach Duisburg unterband. Das aber wollte man - vorab besprochene Szenarien hin oder her - vermutlich auf gar keinen Fall. Denn das hätte das Eingeständnis bedeutet, dass man sich mächtig verplant hatte. Also beschloss man womöglich in dieser kausalen Abfolge etwas, das im Vorfeld nicht geplant worden war, nämlich die seltsamen Polizeisperren.

 

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Die Leserin schrieb:

Lothar Evers schrieb:

Man hat in der Tat die Frage der Baugenehmigung aus der AG 4 heraus und in den kleineren Kreis Stadt (Ordnung, Feuerwehr, Bau) und Lopavent verlegt. Wenn inclusive des Sicherheitskonzeptes, würde das die AG4 ja fast funktionslos machen.

Man hat immerhin noch einige mögliche Notfall-Szenarien und den Umgang mit ihnen inklusive Zuständigkeiten geplant - sich dann jedoch am Veranstaltungstag nicht daran gehalten.

Die Polizei hat dazu einen Workshop veranstaltet. Nicht die AG 4. 
Diese Inititiative wäre eigentlich Sache des koordinierenden Ordnungsamtes gewesen.
Stell Dir vor diesen Workshop mitsamt Anlagen, Excelsheet Zuständigkeitstabelle, etc hätte es nicht gegeben....

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Und noch kurz zum Abbruch der Veranstaltung, denn die Verantwortlichen fürchteten ja dadurch noch mehr Chaos.

 

Für den Notfall waren im Vorfeld Szenarien besprochen worden, wie z.B. sofortiges Einstellen des Zugverkehrs nach Duisburg.

Genau dies tat man dann auch, allerdings erst, nachdem es bereits Tote gegeben hatte.

Außerdem sperrte man alle Zufahrtsstraßen nach Duisburg.

Durch diese beiden Maßnahmen wurde ein weiteres Nachströmen von Besuchern unterbrochen, allerdings zu spät.

  • Hätte man das frühzeitig genug getan - nämlich dann, als die Überwachungskameras deutlich zeigten, dass die Rampe als einziger Ein- und Ausgang zu einer höchst gefährlichen Situation führt -,
  • hätte man obendrein die Notausgänge für die Abgänger geöffnet und darüber Informationen per Lautsprecher auf dem Festivalgelände durchgegeben
  • und diese Maßnahmen ergänzt durch das, was man faktisch getan hat, nämlich zu versuchen, die Leute auf dem Weg zum Festivalgelände möglichst aufzuhalten und die bereits vorhandenen Personenströme (es wären ja keine mehr hinterher gekommen) dadurch zu entzerren,

dann hätte es m.E. vielleicht keine Toten gegeben.

Die Party hätte man m.E. mit denjenigen Ravern, die sich dann bereits auf dem Festivalgelände befanden, weiterlaufen lassen können, um so Massenströme von Abgängern zu vermeiden.

 

Keine Frage: Ein Abbinden weiterer Personenströme hätte zu großer Verärgerung vieler Besucher, welche das Gelände nicht hätten erreichen können, geführt. Also hoffte man wohl, das Ganze irgendwie in den Griff zu bekommen, und probierte Vorgehensweisen aus (Polizeiketten), die im Vorfeld nicht besprochen worden waren. So erkläre ich persönlich mir das.

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Das Ordnungsamt hatte sich im Vorfeld die Entscheidung über eine Sperrung des Festivalgeländes vorbehalten.

Getroffen werden sollten Entscheidungen dieser Art im Rahmen von Telefonkonferenzen.

Dazu war festgelegt worden, unter welchen Umständen eine solche Telefonkonferenz auf jeden Fall einzuberufen sei. Verschiedene Faktoren hierfür waren dann über einen längeren Zeitraum am Nachmittag gegeben.

Dennoch liegen uns Informationen über Telefonkonferenzen erst vor, nachdem die Katastrophe bereits im vollen Gange war. Sobald es Tote gab, wurde dann - unseren Informationen nach - ständig konferiert.

 

Hinsichtlich des Crowd-Managers gehen wir davon aus, dass er über die Vereinbarung von Telefonkonferenzen bzw. die Telefonnummer nicht informiert war. Es würde sonst keinen Sinn ergeben, warum er so lange nach einem entscheidungsbefugten Polizeibeamten suchte (falls die uns vorliegenden Informationen hierzu korrekt sind!).

 

Ich frage mich jedoch, ob auch die entscheidungsbefugten Polizeibeamten keine Information über die vereinbarten Konferenzen bzw. die Telefonnummern hatten.

Irgendwer muss ja darüber Informationen gehabt haben, sonst hätte man später ja nicht dauernd konferieren können.

 

Warum berief die Polizei nicht die vereinbarte Telefonkonferenz ein?

War man der Ansicht, sofort handeln zu müssen, so wäre dies kein Grund, eine solche Konferenz nicht zusätzlich einzuberufen, um die Ansprechpartner wenigstens über die bereits eingeleiteten Maßnahmen zu unterrichten. Außerdem handelte man ja gar nicht sofort.

 

Dadurch, dass uns hierüber keinerlei Information vorliegt und obendrein erzählt wurde, die Kameraaufnahmen hätten nicht bedrohlich ausgesehen, entsteht der Eindruck, Ordnungsamt und Krisenstab hätten womöglich gar nichts von der Gefahr gewusst.

 

Freilich konferierte die Polizei offenbar vor Einrichtung ihrer Sperren mit der Feuerwehr (die ja später zu Protokoll gab, mit der Polizeikette im Tunnel nur einverstanden gewesen zu sein, wenn man gleichzeitig die zweite, kleinere Rampe für Aufgänger öffnet).

Konferierte die Polizei nur mit der Feuerwehr?

Waren die Verantwortlichen der Polizei also nicht über die Einrichtung der Konferenz-Telefonnummern informiert, so dass man spontan dachte: "Mit wem reden wir denn jetzt am besten mal über die Maßnahmen, die wir durchführen wollen? Ach, da könnten wir doch mal mit der Feuerwehr drüber reden."?

 

Oder fand womöglich doch eine Telefonkonferenz auch unter Beteiligung des Ordnungsamtes statt?

Das würde die für uns so unverständlichen Polizeiketten zu einer Gemeinschaftsentscheidung der konferierenden Seiten unter Leitung des Ordnungsamtes machen.

Und es würde einen logischen Sinn ergeben, da es der im Vorfeld vereinbarten Vorgehensweise entspricht und es einfach unglaubwürdig ist, dass Ordnungsamt und Krisenstab nichts von der konkreten Situation erfuhren.

 

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Spannend ist folgende Betrachtung:

Wer versucht hier auf welche Weise, sich aus der Verantwortung zu ziehen?

 

Der Crowd-Manager sagt, er habe sehr lange Zeit überhaupt keinen Entscheidungsbefugten sprechen können und als dies endlich gelungen sei, da habe der dann ganz anderes gemacht als er, der Crowd-Manager, wollte.

 

Über die Polizei existieren Aussagen, in denen vorgegeben wird, sie sei quasi völlig überraschend zu der Loveparade gerufen worden, nachdem diese bereits aus dem Ruder gelaufen war, und habe dann halt versucht, irgendetwas zu unternehmen. Das ist - so wie es dargestellt wurde - glatt gelogen.

 

Über die Feuerwehr existiert die Information, sie habe vor den Sperren gewarnt bzw. sich nur einverstanden erklärt, wenn gleichzeitig die kleine Rampe geöffnet wird. Außerdem haben wir Infos über Rettungsmaßnahmen. Weitere Informationen über Konferenzen, Entscheidungen etc. fehlen.

 

Bezüglich Ordnungsamt und Krisenstab entsteht der Eindruck, man habe nur ein paar harmlose Kameraaufnahmen gesehen und ansonsten erst, nachdem es bereits zur Katastrophe gekommen war, erfahren, was sich da an der Rampe zutrug.

 

Ich denke, da fehlen uns einfach bislang ein paar Informationen und Protokolle.

 

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Ich möchte auch noch etwas zur Polizei sagen, genauer zum Statement von Polizeiinspekteut Werhe am 02.09,10 im Innenausschuss:

 

Um 15:46 Uhr ist die Anordnung nach unseren Unterlagen über Funk durch den Crowd-Manager an die Kräfte des Veranstalters an den Schleusen gekommen, die Schleusen zu schließen. Daraufhin hat der Polizeiabschnittsführer seine Kräfte in Richtung Rampe losgeschickt, die diese Sperre eingerichtet haben, aber vergeblich die Ordner, die gar nicht da waren, gesucht haben. Dann hat er taktisch entschieden, dass es nicht funktionieren könne, wenn man Menschen vor sich hat, die raus wollen, aber gleichzeitig Menschen unten hat, die rauf wollen. Also macht man einen Puffer und hat dann zwei Polizeiketten im Tunnel gebildet im vollen Bewusstsein, dass die Schleusen natürlich zugemacht worden sind. Das hatte er über Funk mitgehört. Eine dieser Ketten hat er so verlegt, dass die Menschen, die noch von der Düsseldorfer Straße kamen, die Rampe nutzen konnten, um auf das Güterbahngelände zu gehen.

 

Welche Leute von der Düsseldorfer Str??? Ich denke, es war angeordnet, diese Schleuse zu schließen, was sie offensichtlich auch von kurz vor 15:55 Uhr bis kurz vor 16:02 Uhr war, vergl. Kamera 14. Und genau um 16:02 Uhr wurde die Kette im Tunnel so verlegt, dass die Nebenrampe als Eingang genutzt werden konnte, nämlich für die Leute, die nun wieder durch die geöffnete Schleuse kamen!

Er sagte dann: "(..) Aber eine Anordnung, eine Sperre zu öffnen, hat es polizeilicherseits nicht gegeben. Im Gegenteil: Es gibt einen Funkspruch aus dem Einsatz, ob es nicht möglich ist, die Sperren zu öffnen, damit wir den Druck von der Düsseldorfer Straße kriegen. Die definitive Antwort: Nein, das ist aufgrund der Situation im Tunnel nicht möglich."

 

Ein glatter Widerspruch... denn oben hat er ja bereits "zugegeben", dasss die 2. Rampe für Besucher von Westen geöffnet worden war! Oder verstehe ich da etwas falsch...?

 

Interessant finde ich auch diesen Satz:

"Noch einmal ein Wort zur Düsseldorfer Straße: Ich habe der Empfehlung Folge geleistet, mir die Bilder anzugucken. Mir ist aufgefallen, dass Bilder der Kameras gerade von dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht existieren. Oder ich habe diese Bilder nicht gesehen. Dort wird von Ihnen eine Skizze mit Computeranimation gezeigt."

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf

ab Seite 56

 

 

 

 

 

 

 

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Daphne schrieb:

Ein glatter Widerspruch... denn oben hat er ja bereits "zugegeben", dasss die 2. Rampe für Besucher von Westen geöffnet worden war! Oder verstehe ich da etwas falsch...?

 

@ Daphne: Ich denke, dass uns einfach ein paar wesentliche Informationen über Entscheidungen fehlen, die in Telefonkonferenzen und/oder Lagebesprechungen getroffen wurden. Dadurch erscheint manches noch unlogisch.

 

Ich bin momentan völlig davon abgekommen, an einsame Entscheidungen der Polizeiführung am Veranstaltungstag zu glauben. Das ergibt einfach kein vollständiges, schlüssiges Bild der Geschehnisse. So fragt man sich doch beispielsweise, was denn der Krisenstab ständig zu "lagebesprechen" hatte, wenn er angeblich gar nicht in die Vorkommnisse vor Ort involviert war, ja vielleicht noch nicht einmal informiert darüber.

Hier noch einmal das entsprechende Zitat von Kultur- und Jugenddezernent Janssen im Interview mit xtranews, der zeitweise im Krisenstab Ordnungsdezernent Rabe vertrat: "Der Krisenstab hat mit Beginn des Tages seine Arbeit aufgenommen und in regelmäßigen Abständen Lagebesprechungen durchgeführt. "

 

Meine These lautet aktuell: Da hat viel mehr Kommunikation stattgefunden als wir bislang wissen.

Um diese These zu belegen, kommt es jetzt darauf an, über diese Kommunikation Informationen zu finden.

 

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Die Leserin schrieb:

Daphne schrieb:

Ein glatter Widerspruch... denn oben hat er ja bereits "zugegeben", dasss die 2. Rampe für Besucher von Westen geöffnet worden war! Oder verstehe ich da etwas falsch...?

 

@ Daphne: Ich denke, dass uns einfach ein paar wesentliche Informationen über Entscheidungen fehlen, die in Telefonkonferenzen und/oder Lagebesprechungen getroffen wurden. Dadurch erscheint manches noch unlogisch.

 

 

Nu ja... aber Wehe sollten diese wesentlichen Information eigentlich nicht gefehlt haben....

 

 

 

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Und jetzt schauen wir noch mal, wie sich das mit dem Sicherheitskonzept konkret verhielt:

 

21. April 2010

Der Sicherheitsbeauftragte von Lopavent stellt der Stadt das Sicherheitskonzept für die Loveparade vor. Anschließend findet ein Gespräch mit dem Eigentümer des Geländes, der Firma Aurelis statt.

Es kommt zu Diskussionen über die Größe und Herrichtung des Festival-Geländes. Auch über Fluchtwege und Personen pro Quadratmeter etc. wurde diskutiert. Mit anderen Worten: Die Sicherheitsschwächen wurden von Anfang an gesehen.

In den Folgetagen wurden Ordnungsdezernent Rabe und Baudezernent Dressler über die Diskussion, bei der es nicht zu Einigungen kam, informiert.

 

23. April 2010

Zum sechsten Mal tagt die Arbeitsgruppe Sicherheit.

Tagesordnungspunkt 5 des Temins widmet sich dem Sicherheitskonzept der Lovapent: Der Veranstalter stellt nun auch der Arbeitsgruppe Sicherheit den Entwurf des Sicherheitskonzepts vor.

Das Protokoll macht auf mich den Eindruck, als wäre das Sicherheitskonzept eben als einer von diversen Punkten abgehandelt worden.

Laut Abschlussbericht der Stadt Duisburg wird das Sicherheitskonzept in der Folge noch mit den Sicherheitsbehörden abgestimmt und fortgeschrieben, behält jedoch seinen wesentlichen Inhalt bis zur Endversion bei. Diese Aussage bestätigt sich durch Ansicht der uns vorliegenden Versionen des Sicherheitskonzepts: wesentliche Änderungen gibt es nicht.

Zu den Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe zählten - neben Bauaufsichtsamt und Ordnungsamt - auch Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte.

 

Aus keinem der uns vorliegenden Protokolle geht für mich hervor, dass Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte oder Ordnungsamt nennenswerten Widerspruch gegen das Sicherheitskonzept vorgetragen hätten.

Meiner Erinnerung nach hatte die Polizei lediglich ein paar Ergänzungen zur Wegführung. So wurden irgendwann die Einlassschleusen ein Stück weit vor die Tunnel gezogen.

Heftige Diskussionen gab es lediglich immer wieder mit dem Bauaufsichtsamt.

Sollte jemandem eine andere Information vorliegen, so bitte ich um Korrektur.

 

Dabei gehe ich nicht davon aus, dass die Protokolle, welche uns als Anhänge des Abschlussberichts vorliegen, falsch sind. Immerhin ist davon auszugehen, dass sie im Anschluss an die entsprechenden Sitzungen auch den Beteiligten vorgelegt wurden. Hätte man im Protokoll wesentliche Kritikpunkte einzelner Beteiligter einfach weggelassen, so hätte es gegen das entsprechende Protokoll Widerspruch oder jedenfalls in der Folge irgendeine Diskussion geben müssen.

Und Widerspruch gegen die Pläne des Veranstalters und dessen Konzepte wurde ja auch immer wieder protokolliert. Er kam stets vom Bauaufsichtsamt.

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War zwar selber bei der Sitzung des Innenausschusses, ahhte es aber vergessen. Laut Herrn Berstermann hat die erste Telefon konferenz auf Initiative der Polizei doch eher (kurz vor 15 Uhr) stattgefunden:

"Dort wurde von dem leitenden Polizeibeamten um 14:58 Uhr ausgeführt, der Hubschrauber habe eine Auslastung des Geländes von einem Drittel gemeldet. Ansonsten hat man hier erkannt, dass es einen gewissen Druck auf den Westeingang gibt. Die Polizei hat erklärt, sie habe eine Vorsperre auf der Mercatorstr. eingerichtet. Im Übrigen klingt die Telefonkonferenz dann nicht weiter dramatisch." 

Die nächste ist dann erst   "16:40 Uhr. Das steht ja im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis. Diese Telefonkonferenz ist vom Veranstalter einberufen worden, eine TK2 – also mit Veranstalter; die erste war ohne Veranstalter. Der Veranstalter – Herr Sasse – hat mitgeteilt, dass ein starker Druck auf der Rampe  entstanden ist. Die Feuerwehr hat dazu berichtet, Teile des Tunnels seien durch die Polizei gesperrt worden. Man war sich dar- über einig, dass eine Druckentlastung sofort geschaffen werden muss, und man hat verschiedene Maßnahmen diskutiert, wie das zu erfolgen hat. Die Polizei erklärte um 16:42 Uhr wörtlich: Beide Eingänge schließen wir jetzt.   Die nächste Telefonkonferenz begann um 16:55 Uhr. Dort wurde auch weiter intensiv über Maßnahmen diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt – die ging bis 17:12 Uhr – war den Beteiligten noch gar nicht bekannt, dass überhaupt etwas passiert war.  Insofern komme ich auch vielleicht gleich zu der dritten um 17:32 Uhr. (...) Erst zu diesem Zeitpunkt wurde auch den Teilnehmern an der Telefonkonferenz über 100 Verletzte und zwei Tote berichtet." http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf S. 66f.
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Lothar Evers schrieb:

War zwar selber bei der Sitzung des Innenausschusses, ahhte es aber vergessen. Laut Herrn Berstermann hat die erste Telefon konferenz auf Initiative der Polizei doch eher (kurz vor 15 Uhr) stattgefunden:

"Dort wurde von dem leitenden Polizeibeamten um 14:58 Uhr ausgeführt, der Hubschrauber habe eine Auslastung des Geländes von einem Drittel gemeldet. Ansonsten hat man hier erkannt, dass es einen gewissen Druck auf den Westeingang gibt. Die Polizei hat erklärt, sie habe eine Vorsperre auf der Mercatorstr. eingerichtet. Im Übrigen klingt die Telefonkonferenz dann nicht weiter dramatisch." 

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf S. 66f.

 

Ja... und kein Wort vom überfüllten Rampenkopf & dem Stau auf der Rampe?

 

 

 

 

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Daphne schrieb:

Lothar Evers schrieb:

War zwar selber bei der Sitzung des Innenausschusses, ahhte es aber vergessen. Laut Herrn Berstermann hat die erste Telefon konferenz auf Initiative der Polizei doch eher (kurz vor 15 Uhr) stattgefunden:

"Dort wurde von dem leitenden Polizeibeamten um 14:58 Uhr ausgeführt, der Hubschrauber habe eine Auslastung des Geländes von einem Drittel gemeldet. Ansonsten hat man hier erkannt, dass es einen gewissen Druck auf den Westeingang gibt. Die Polizei hat erklärt, sie habe eine Vorsperre auf der Mercatorstr. eingerichtet. Im Übrigen klingt die Telefonkonferenz dann nicht weiter dramatisch." 

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf S. 66f.

 

Ja... und kein Wort vom überfüllten Rampenkopf & dem Stau auf der Rampe?

Das ist Berstermanns Paraphrase!
Da können Teile fehlen. Um einen Eindruck von den Beteiligten gegen 15:00 zu bekommen bräuchten wir wenigstens ein Wortprotokoll, besser einen Mitschnitt.
Wie immer fokusieren die Duisburger Berichte auf die Polizei, weniger auf die eigenen Mannen und Lopavent.

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Lothar Evers schrieb:

Daphne schrieb:

Lothar Evers schrieb:

War zwar selber bei der Sitzung des Innenausschusses, ahhte es aber vergessen. Laut Herrn Berstermann hat die erste Telefon konferenz auf Initiative der Polizei doch eher (kurz vor 15 Uhr) stattgefunden:

"Dort wurde von dem leitenden Polizeibeamten um 14:58 Uhr ausgeführt, der Hubschrauber habe eine Auslastung des Geländes von einem Drittel gemeldet. Ansonsten hat man hier erkannt, dass es einen gewissen Druck auf den Westeingang gibt. Die Polizei hat erklärt, sie habe eine Vorsperre auf der Mercatorstr. eingerichtet. Im Übrigen klingt die Telefonkonferenz dann nicht weiter dramatisch." 

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf S. 66f.

 

Ja... und kein Wort vom überfüllten Rampenkopf & dem Stau auf der Rampe?

Das ist Berstermanns Paraphrase!
Da können Teile fehlen. Um einen Eindruck von den Beteiligten gegen 15:00 zu bekommen bräuchten wir wenigstens ein Wortprotokoll, besser einen Mitschnitt.
Wie immer fokusieren die Duisburger Berichte auf die Polizei, weniger auf die eigenen Mannen und Lopavent.

 

Es war ja auch eine Frage und kein Aussagesatz... ;o)

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Die Leserin

Genial wie immer! Bin ich, oder wer, Ihr größter Fan?

Hierzu möchte ich was sagen: "Das würde die für uns so unverständlichen Polizeiketten zu einer Gemeinschaftsentscheidung der konferierenden Seiten unter Leitung des Ordnungsamtes machen."

Also vielleicht doch nicht so bekloppt meine Theorie mit der Zentralsteuerungshypothese.

und noch 'n bissken Senf: "

Über die Feuerwehr existiert die Information, sie habe vor den Sperren gewarnt bzw. sich nur einverstanden erklärt, wenn gleichzeitig die kleine Rampe geöffnet wird. Außerdem haben wir Infos über Rettungsmaßnahmen. Weitere Informationen über Konferenzen, Entscheidungen etc. fehlen."

Immerhin waren die members of the AK Verkehr, Anlage 6, Seite 3 c)

"Kollateralschäden" war allen bekannt!

 

Und Daphne, auch von Dir bin ich ein großer Fan!

"Welche Leute von der Düsseldorfer Str???" (da man annehmen sollte, die Schleusen seien dicht gewesen):

Die, die schon im tunnel waren? Lediglich eine Richtungsbeschreibung also?

 

 

 

 

 

 

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Felix Licht schrieb:

 

"Welche Leute von der Düsseldorfer Str???" (da man annehmen sollte, die Schleusen seien dicht gewesen):

Die, die schon im tunnel waren? Lediglich eine Richtungsbeschreibung also?

 

 

Hatte ich auch drüber nachgedacht, Felix...macht aber mMn wenig Sinn, für die paar dort Verbliebenen extra die Westrampe zu öffnen...denn ab 15:55 Uhr kamen ja kaum noch Besucher in den Tunnel... Und wozu zwei Sperren? Eine an der Schleuse & eine im Tunnel? Macht auch keinen Sinn... Nee, nee... ca. 16:00 Schleuse auf  & 16:02 Nebenrampe auf... um Druck von der Kreuzung zu nehmen... so seh ich das.

 

 

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Noch eine andere provokative Frage in den Raum gestellt:

Wozu genau brauchte man den Crowd-Manager eigentlich? Die Kamerabilder waren auch im HOIST-Hochhaus zu sehen.

 

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Die Leserin schrieb:

Noch eine andere provokative Frage in den Raum gestellt:

Wozu genau brauchte man den Crowd-Manager eigentlich? Die Kamerabilder waren auch im HOIST-Hochhaus zu sehen.

 

Auch die der Eingangsschleusen?

 

PS: Wir haben Dich vermisst am Samstag... schön, dass Du wieder fit bist :o)

 

 

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Die Leserin schrieb:

Noch eine andere provokative Frage in den Raum gestellt:

Wozu genau brauchte man den Crowd-Manager eigentlich? Die Kamerabilder waren auch im HOIST-Hochhaus zu sehen.

 

Weil Kamerabilder eben doch nicht alles sind. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich einer der "Spezialisten" für die Videosynchronisation im loveparade2010doku-Blog. Ich habe wahrscheinlich schon hunderte Stunden das vorliegende Videomaterial gesichtet und Sie glauben gar nicht, was man dabei alles übersehen kann, was mir also erst bei vierter oder fünfter Betrachtung auffiel.

Ich will damit sagen: Natürlich macht es Sinn, dass man verantwortliche Leute auch vor Ort hat, die (so sollte man meinen) nach Augenschein die Lage besser beurteilen können, als weit entfernt sitzende "Zuschauer", die zudem immer nur einen Teil (nämlich die jeweilige Kameraperspektive) sehen. Entscheidungen können die Leute vor Ort natürlich nicht allein treffen, da ihnen evtl. die Kenntnis der Lage an anderen Schauplätzen fehlt.

Im Falle der Loveparade haben Sie insofern recht, dass der Crowd Manager den direkten Blick auf das Geschehen gar nicht hatte. Er saß ja in einer fensterlosen Stahlkiste, die man ebensogut am Duisburger Hafen hätte abstellen können. Der Vorteil seines tatsächlichen Standortes war aber, dass er hier am sensibelsten Punkt des ganzen fragwürdigen Zu- und Abwegekonzepts saß und dass er sich im Notfall mit den Einsatzkräften vor Ort (Security, Polizei) unmittelbar hätte abstimmen können.

Nun wissen wir: Der Notfall ist eingetreten, aber ein sinnvoll koordiniertes Handeln vor Ort fand nicht statt. Wie sollte es auch: Die "vertikale" Kommunikation (von unten nach oben und umgekehrt) klappte ja schon nicht, wie sollte sie da "horizontal" (zwischen den Einsatzkräften am Ort) funktionieren.

Außerdem war ja kaum jemand vor Ort, der hier hätte handeln können. Ordner sah man den ganzen Nachmittag nur vereinzelt an dieser Stelle und von den wenigen Polizisten, die in Containernähe waren, hat sich ein Teil gegen 16:44 Uhr nach oben verkrümelt, während ein anderer Teil die Zäune festgehalten hat. Und der Crowd Manager selbst hatte ab etwa 16:48 Uhr nichts besseres mehr zu tun, als denen dabei zu helfen.

Das ist für mich so in etwa das Gleiche, als wenn ein General während der Schlacht seinen Kommandostand verlässt, um dem Feldkoch beim Möhrenputzen zu helfen.

Was bei mir dann die Frage aufwirft, weshalb man überhaupt einen Crowd Manager engagiert hatte. Welche Aufgaben der hatte, kann ich mir noch halbwegs vorstellen. Aber welche Befugnisse hatte der eigentlich, ist das irgendwo niedergeschrieben?

 

 

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Pilsbierchen]</p> <p> [quote=Die Leserin schrieb:

Weil Kamerabilder eben doch nicht alles sind. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich einer der "Spezialisten" für die Videosynchronisation im loveparade2010doku-Blog. Ich habe wahrscheinlich schon hunderte Stunden das vorliegende Videomaterial gesichtet und Sie glauben gar nicht, was man dabei alles übersehen kann, was mir also erst bei vierter oder fünfter Betrachtung auffiel.

Das gilt übrigens für Recherche generell, insbesondere auch für schriftliche Dokumente...
"Noch mal lesen, noch mal lesen, noch mal lesen, es steht alles drin, man darf es nur nicht überlesen..."
lautete die Devise und Anleitung von Gert Monheim (WDR), bei dem ich vor bald 20 Jahren gelernt habe...

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Pilsbierchen schrieb:

Im Falle der Loveparade haben Sie insofern recht, dass der Crowd Manager den direkten Blick auf das Geschehen gar nicht hatte. Er saß ja in einer fensterlosen Stahlkiste, die man ebensogut am Duisburger Hafen hätte abstellen können. Der Vorteil seines tatsächlichen Standortes war aber, dass er hier am sensibelsten Punkt des ganzen fragwürdigen Zu- und Abwegekonzepts saß und dass er sich im Notfall mit den Einsatzkräften vor Ort (Security, Polizei) unmittelbar hätte abstimmen können.

Nun wissen wir: Der Notfall ist eingetreten, aber ein sinnvoll koordiniertes Handeln vor Ort fand nicht statt. Wie sollte es auch: Die "vertikale" Kommunikation (von unten nach oben und umgekehrt) klappte ja schon nicht, wie sollte sie da "horizontal" (zwischen den Einsatzkräften am Ort) funktionieren.

Walter ist übrigens, so jedenfalls die Aussage der Ordner im Westen schon vorher vom Container durch den Tunnel dahin gewandert um die Lage in Augenschein zu nehmen, wohl auch weil durch den Krach (auch vor den Einlassstellen) die Verständigung schwierig wurde, jedenfalls auf dem aus Köln mitgebrachten Bündelfunk, mit dem er seinen Bereich steuerte.

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Die Leserin schrieb:

Noch eine andere provokative Frage in den Raum gestellt:

Wozu genau brauchte man den Crowd-Manager eigentlich? Die Kamerabilder waren auch im HOIST-Hochhaus zu sehen.

Um den Einlassbereich unabhängig von dem Rest des Veranstaltungsgeländes zu führen und damit dessen Filetierung, die wir schon an den Plänen und Genehmigung sehen, konsequent weiter zu führen.
 

Damit auch: 
ihn zumachen und abtrennen zu können, ohne die Veranstaltung und deren Liveübertragung zu gefährden.

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OT: Bin leider nicht wieder fit. Habe nur gerade ein paar kraftvolle Stunden. Aber das muss man ausnutzen :-)

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@ Meister für Veranstaltungstechnik:

 

Wir sind uns darüber einig, dass die Ursachen für die Todesfälle bereits in der Planung der Loveparade zu suchen sind. Mit Planung ist dabei alles gemeint, was die Loveparade an diesem Ort mit seinen geplanten Zu- und Abgängen, Personenstromplanungen, mangelnden Rettungswegen im Bereich Einlassschleusen bis inklusive Rampe und so weiter betrifft.

Dadurch musste es unseres Erachtens zwangsläufig zu enormen Gefährdungen der Veranstaltungsbesucher kommen - bis hin zu Todesfällen, die wir angesichts dieser Planungen nicht verwunderlich finden. Wir sehen in den Ereignissen geradezu eine Erfüllung dieser Planungen.

 

Obwohl ich mich heute für die Fragestellung interessiere, welche Besprechungen da am Veranstaltungstag stattgefunden haben, ist meine Einstellung zu dem eben Genannten unverändert. Ich sehe weiterhin in erster Linie die Planung als Ursache für die Todesfälle.

 

Meine Auffassung ist, dass man am Veranstaltungstag vielleicht eine Chance gehabt hätte, doch noch so Schlimmes zu verhindern. Notwendig dafür wäre m.E. das frühzeitige, rigorose Unterbinden des weiteren Zustroms an Besuchern in Duisburg gewesen, wie ich es in meinem Beitrag #73 schilderte.

 

Vergleichen wir das Ganze wieder mit einem Fall, den wir hier schon öfter als Beispiel besprochen haben: Jemand fährt wissentlich mit defekten Bremsen. Ein Fußgänger läuft ihm vor das Auto. Mit funktionierenden Bremsen hätte der Aufofahrer noch anhalten können. So aber überfährt er den Fußgänger und dieser stirbt.

Nun zu der Verhinderungs-Chance, die ich da am Veranstaltungstag untersuchen möchte - anhand dieses Beispiels:

Ein anderer Fußgänger hätte die Möglichkeit gehabt, den Überfahrenen vom Betreten der Fahrbahn abzuhalten. Die Aufnahmen von Überwachungskameras an der Kreuzung zeigen deutlich, dass derjenige vor ein heranrasendes Fahrzeug laufen wird UND sie zeigen auch, dass der andere Fußgänger das sieht und die Möglichkeit hat, denjenigen aufzuhalten. Er aber tut es einfach nicht.

Später erzählt er dazu widersprüchliche Dinge. Eine Untersuchung ergibt, dass er aus irgendwelchen Gründen ein Interesse daran hatte, dass der Überfahrene möglichst schnell die Straße überquert (ein eiliger Botengang, auf den er denjenigen geschickt hat oder was auch immer).

 

@ Herr Professor Müller:

 

Wie wäre diese Beispielsituation strafrechtlich zu beurteilen?

Unterlassene Hilfeleistung?

 

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