LAG Mainz zur Rechtmäßigkeit der Versetzung an einen anderen Ort

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 08.01.2011

Das LAG Mainz (23.9.2010 - 11 Sa 213/10, BeckRS 2010, 75077) hat sich in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil mit der Versetzung eines Mitarbeiters an einen anderen Ort auseinandergesetzt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Arbeitgeberin, ein mit Reinigungsarbeiten in Zügen und Bussen befasstes Unternehmen, ihre bisherige Arbeitsorganisation wegen mangelnder Auslastung grundlegend umstrukturiert und dem bisher in B. beschäftigten Kläger einen Einsatzort in einer anderen Stadt (L.) zugewiesen. Andere Arbeitskollegen verblieben hingegen in B. Der Kläger wandte sich gegen die Versetzung. Das LAG Mainz wies die Klage hingegen ab, obwohl im Arbeitsvertrag als Beschäftigungsort durch handschriftliche Eintragung "B-Stadt" angegeben war. Das LAG stützt sich vor allem auf einen rückseitig abgedruckten Passus folgenden Wortlauts: "Der Arbeitnehmer unterliegt hinsichtlich seines Arbeitseinsatzes dem betrieblichen Direktionsrecht." Hierin sei eine auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts beinhaltende Versetzungsklausel zu sehen, die auch rechtlich nicht zu beanstanden sei. Diese Auslegung erscheint hingegen nicht zwingend. Sie verkennt die Bedeutung der ausdrücklichen Nennung des Beschäftigungsorts im Vertrag. Sollte tatsächlich eine direktionsrechtserweiternde Klausel gewollt gewesen sein, die dem Arbeitgeber das ihm ansonsten nicht zustehende Recht einer ortsübergreifenden Versetzung erlaubte, hätte dies im Klauseltext deutlicher ausgedrückt werden müssen (§ 305c Abs. 2 BGB). Ein anderer Punkt ist hingegen weniger problematisch. Das LAG stellt nämlich im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (23.9.2004, NZA 2005, 359) fest, dass der Arbeitgeber bei einer Auswahlentscheidung vor Versetzungen keine Auswahl nach sozialen Kriterien (§ 1 Abs. 3 KSchG) durchführen müsse. Die Wahrung billigen Ermessens genüge. Dem Arbeitgeber billigt das LAG das Recht zu, bei seiner Auswahlentscheidung die Kriterien der individuellen Belastung der einzelnen Arbeitnehmer sowie die Frage, welche Arbeitnehmer als Ausdruck ihrer Motivation freiwillig bereit waren, eine Fortbildungsmaßnahme zu absolvieren, in den Mittelpunkt seiner Entscheidung zu stellen.

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5 Kommentare

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Die Formulierung "......die dem Arbeitgeber das ihm ansonsten nicht zustehende Recht einer ortsübergreifenden Versetzung erlaubte,.." fordert Kritik heraus.

Jedenfalls seit das Weisungsrecht in § 106 GewO positiv-rechtlich geregelt ist, entspricht es der neueren Rechtsprechung des BAG ( Urteil vom 11. 4. 2006 - 9 AZR 557/05; 3.6.2004 - 2 AZR 577/03), dass dieses mangels vertraglicher Einschränkung jeden Ortswechsel erlaube. Als Korrektiv verbleibt lediglich die Prüfung des billigen Ermessens.

Versetzungsklauseln sind somit gar nicht mehr notwendig.

 

 

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Ich stimme Prof. Dr. Stoffels zu. Die hier vorgestellte Entscheidung des LAG Mainz ist mit der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB nicht zu vereinbaren. Prof. Stoffels hat sich sehr gemäßigt ausgedrückt. Ich möchte deutlicher sagen, dass ich das Mainzer Urteil in diesem Punkt für krass falsch halte. Die Richter haben die Vorschrift nämlich nicht übersehen, was ja vielleicht einmal vorkommen mag, sondern ausweislich der Urteilsgründe "angewandt", hierbei aber einen ganz verfehlten Maßstab angelegt. Schon nach dem klaren Wortlaut des § 305 c Abs. 2 BGB gehen "Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders", hier also des beklagten Arbeitgebers. In geradezu Orwell'scher Begriffsverdrehung ("war is peace") wird statt dem im Gesetz normierten "Zweifel", was denn mit der AGB-Klausel gemeint sein könnte, vom LAG Mainz zu Gunsten des Verwenders (!) die  Gewissheit verlangt, dass eine andere Auslegung als die vom LAG vorgenommene "zwingend" eine andere Formulierung erfordert hätte. Wie man in Tatbestand und Gründen des Urteils nachlesen kann, hatte der Kläger nämlich vorgetragen, dass die individualvertraglich erfolgte Benennung der Stadt B als "Beschäftigungsort" sich nur dann durch die formularmäßige Versetzungsklausel wirksam hätte relativieren lassen können, wenn sich die Parteien einer anderen Formulierung bedient hätten. Die tatsächlich verwendete Formulierung deute hingegen auf den Vorrang der Stadt B als Beschäftigungsort hin.

Es bestand somit geradezu schulmäßig ein "nicht behebbarer Zweifel, und mindestens zwei Auslegungen waren rechtlich vertretbar" (vgl. zu dieser Definition des "Zweifels" i. S. d. § 305 c Abs. 2 BGB nur Grüneberg, in: Palandt, Rn. 18 zu § 305 c BGB).

Das Landesarbeitsgericht Mainz beschied dem Kläger stattdessen, diese Zweifel seien keine, denn seine Ansicht, wäre die Versetzung möglich, wäre dies anders formuliert worden, sei "keineswegs zwingend".  Das heißt auf deutsch: Treten bei der Auslegung, welche Bedeutung eine bestimmte Formulierung in AGB hat, Zweifel auf, so sind es keine Zweifel, solange nicht dieselbe Bedeutung eine andere Formulierung erzwingt. - Mit einem Wort: Absurd!

RA M. Bender, Fachanw. für Arbeitsrecht, Karlsruhe

 

 

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Was hier (und auch in anderen Medien) übersehen worden ist: Laut Urteil ist im Arbeitsvertrag handschriftlich "B-Stadt" als Arbeitsort eingetragen, wo der Mann "zunächst" arbeitete. Der Kläger war aber dann ("zuletzt") in M. beschäftigt. Im Rechtsstreit ging es nur um die Versetzung von M. nach L. – der Kläger wollte nicht etwa nach "B-Stadt" zurück...

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@ # 3 ("Journalist"):

Ich habe das (in meinem Beitrag # 2) nicht "übersehen". Es ist für die Rechtsfrage unerheblich. Im Vertrag steht vorgedruckt eine Versetzungsklausel und handschriftlich ein "Beschäftigungsort". Wo der liegt, ist "wurscht". Denn entscheidend ist nicht, ob der Kläger jetzt nach B zurückwill (weil das im Vertrag steht), sondern wie sich die individualvertragliche Nennung der Stadt B auf die vorformulierte Klausel, wonach er versetzt werden könne, auswirkt. Daher geht auch der Einwand des Gast-Users (Beitrag # 1) fehl. Er beruft sich auf eine Entscheidung des BAG, in der eine Versetzungsklausel "mangels vertraglicher Einschränkung" gebilligt worden sei, obwohl die hier im Thread diskutierte Entscheidung aus Mainz doch gerade eine solche vertragliche Einschränkung (Stadt B. ist Beschäftigungsort) betraf.

RA M. Bender, Fachanw. für Arbeitsrecht, Karlsruhe

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@ Martin Brender

Ich halte das nicht für so eindeutig. Denn die AGB-Versetzungsklausel selbst kann man "im Zweifel" nicht so auslegen, dass sie eine Versetzung verbietet. Das gibt der Wortlaut nicht her. Aus der Benennung des Beschäftigungsorts könnte man eine Beschränkung des räumlichen Direktionsrechts auf B-Stadt herleiten. Die wäre aber durch die Versetzung nach M, die ja wohl ohne Streit erfolgte, überholt, so dass es darauf ankäme, ob die Parteien bei der Versetzung nach M die räumliche Beschränkung aufgehoben oder M als neuen Beschäftigungsort fest vereinbart haben. Das aber ist keine AGB-Frage, sondern erfordert die Aufklärung der Umstände der Versetzung von B nach M und somit eine Einzelfallwertung möglicherweise konkludenten Verhaltens. Wenn sich der Arbeitnehmer damals beispielsweise der Versetzungsweisung einfach so unterworfen hätte, könnte man das schon (selbstverständlich nicht zwingend) aus der Empfängerperspektive des Arbeitgebers als Verzicht auf das Recht, nur in B arbeiten zu müssen, verstehen. Mein Fazit wäre, dass das AGB-Recht dem Arbeitnehmer beim Streit um den Umfang der Direktionsrechts regelmäßig nicht hilft, weil er eine Einschränkung belegen muss, die in den allgemeinen Vorschriften gerade nicht vorgesehen ist.

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