Keine Briefmarke und kein Fax in der JVA - Revisionseinlegung klappte nicht

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.01.2011

Die eingelegte Revision war verspätet - Wiedereinsetzung gab es auch keine, BGH Beschluss vom 9.12.2010 - 4 StR 574/10 -:


"...Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig.

Nach § 45 Abs. 2 StPO bedarf es der Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung des Antrages. Es fehlt an einem ausreichenden Vortrag der Tatsachen, die ein Verschulden des Angeklagten an der Versäumung der Frist des § 341 Abs. 1 StPO ausschließen könnten. Mögen zwar dem Angeklagten, der noch am Tag der Urteilsverkündung in die JVA Bützow zurückverlegt wurde, keine Postwertzeichen und kein Telefax zur Einlegung der Revision zur Verfügung gestanden haben, so ist dem Vorbringen jedoch nicht zu entnehmen, weshalb er nicht über seinen Verteidiger Revision einlegen konnte oder die Vorführung zum Amtsgericht des Verwahrungsortes (§ 299 StPO) beantragt hat...."

 

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9 Kommentare

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Kommentare zum StrVollZG gehören zur nicht geduldeten Literatur. Diese ist geeignet, die Sicherheit der Anstalt zu gefährden.

Mit dem -passiven- Betreten gibt der Insasse nicht nur das Grundrecht der Freiheit, sondern grundsätzlich die Mehrzahl der Grundrechte auf. Das Verschließen der Augen vor diesem Skandal macht den Grundrechtsverlust nicht ungeschehen.

 

 

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@Matthias:

Ihre Propaganda ist in dieser Pauschalität wie jedes Pauschalurteil Unsinn.

 

Zunächst geht es hier nicht um das Strafvollzugsgesetz, sondern um die Strafprozessordnung.

Eine google-Abfrage, zur angeblich "nicht geduldeten Literatur" 5 Sekunden liefert u.a. folgende Ergebnisse:

-  Strafgefangene haben sogar sogar an Kommentaren zum StVollzG mitgearbeitet:

http://de.wikipedia.org/wiki/Denis_P%C3%A9cic

- In der Tegeler Knastzeitung werden StVollzG-Kommentare rezensiert : http://www.lichtblick-zeitung.de/Lichtblickausgaben/05_2006.pdf

- oder vielleicht die Stellungnahme eines Anstaltsleiters (ganz unten):

http://www.strafvollzugsarchiv.de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_id=20&beitrag_id=336&gelesen=336

Was den Ausgangsfall angeht: jeder Verurteilte erhält in der Regel schon nach der Urteilsverkündung ein Merkblatt "Rechtsmittelbelehrung", in dem detailliert beschrieben ist, wie ein Rechtsmittel eingelegt werden kann. Abgesehen davon, dass der von der BGH-Entscheidung Betroffene so wie jeder andere U-Häftling regelmäßig auch einen Verteidiger hat.

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Die Haltung der Obergerichte gegenüber Gefangenen und Untergebrachten ist wenig nachvollziehbar, mitunter lebensfremd. Hierzu gehört auch die Auffassung, daß die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels, z.B. die ohnehin schon äußert kurze einwöchige Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde, nicht mit der Aushändigung der Entscheidung an den Gefangenen/Untergebrachten beginnt, sondern dann, wenn die Post in der JVA eingeht. Wenn die JVA dann ein paar Tage oder sogar die ganze Woche benötigt, um den Brief an den Gefangenen auszuhändigen, ist die Frist entweder bereits abgelaufen oder der Gefangene hat kaum noch hinreichend Zeit, selbst Rechtsmittel einzulegen oder seinen Anwalt zu informieren (so er einen hat).

 

Ähnlich abstrus ist manchmal der Vorschlag der Gerichte, der irgendwo in einem tiefen Wald in einem Psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachte könne sich doch zu Protokoll des Gerichts erklären, nicht berücksichtigend, daß das nächste Gerichte oftmals 30-50 km entfernt liegt, das PKH keine Sonderfahrten zu diesen Zwecken veranstaltet und die Untergebrachten eben aus jenen psychischen Gründen, die zu ihrer Unterbringung geführt haben, überhaupt nicht in der Lage sind, irgendetwas zu begreifen oder zu veranlassen.

 

 

 

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Sehr verehrte Traudel,

abstrus wäre es, wenn es sich so verhielte, wie Sie es schildern. Aber: In der Psychiatrie aufgrund des PsychKG Untergebrachten (und zwar zwangsweise aufgrund eines Gerichtsbeschlusses) ist immer ein Rechtsanwalt beigeordnet (soifern der Betroffene nicht ohnehin einen Betreuer hat).

Die Möglichkeit, sich telefonisch mit diesen in Verbindung zu setzen, setze ich natürlich voraus. Da bedarf es keiner Fahrt ins 30 km entfernte Gericht. Vielmehr muss ggf. der Richter den betroffenen aufsuchen.

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@klabauter

Ich akzeptiere, dass es schwer fällt, das zu glauben. Kognitive Dissonanz ist grade bei Juristen extrem unbeliebt.

In Niedersachsen wird einem Gefangen auch der Dietz beschlagnahmt und zur "Habe" genommen.

Als Ausgleich für dieses Unrecht wird die Verteidigerpost von der Anstalt vor Aushändigung an den Gefangenen geöffnet.

 

 

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@RA.Stöcker

 

Ich meinte jene, die aufgrund der Vorschriften des StGB in einem PKH oder einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Hier ist eine Pflichtverteidigerbestellung und eine mündliche Anhörung des Betroffenen - trotz eindeutiger gesetzlicher Regelungen und obergerichtlicher Rechtsprechung - bei den Strafvollstreckungskammern keineswegs selbstverständlich.

 

Vgl. z.B. hier:

 

http://www.recht21.com/olg_frankfurt_2010_05_25.html

http://www.recht21.com/olg_frankfurt_2010_03_19.html

 

Im übrigen gilt auch für den Fall, daß ein Anwalt beigeordnet ist, daß die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels mit der Zustellung an den Betroffenen beginnt. Und der erhält erstaunlicherweise die Entscheidung oft Tage vor dem Verteidiger, so daß das vom Anwalt eingelegte Rechtsmittel nicht selten verspätet ist:

 

http://www.recht21.com/olg_frankfurt_2008_01_03.html

 

Nicht gerade menschenrechtsfreundlich gegenüber Betroffenen, die wegen psychischer Störungen oder als Strafgefangene (oftmals auch nicht die Hellsten...) untergebracht sind.

 

 

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...interessante Unterhaltung, in die ich mich aus dem schicken Berliner Süden gerne einklinke. Bei Strafgefangenen, welche an der Kommentierung zum Strafvollzugsgesetz mitarbeiten, handelt es sich zweifellos um Einzelfälle. Gemeint ist hier wohl der AK-StVollzG von Prof. Feest und als Strafgefangener in Person Dennis Pecic als damaliger Mitkommentator. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass zu Zeiten von Herrn Pecic eine nicht so große Zensur herrschte, wie sie heute das Redaktionskollektiv der Berliner Gefangenen-Zeitung "der lichtblick" (JVA Tegel) erleiden muss. Doch aber haben es letztlich die dortigen Redaktionsmitglieder in der Hand, dagegen den Aufstand zu proben. Proben tun sie diesen allerdings nicht, da sie, in der Natur der Sache liegend, sich ihre vollzuglichen Außenmaßnahmen nicht verbauen möchten. Solange, wie es das Modell der auf Wiedereingliederung abzielenden Lockerungen des Justizhaftvollzuges gibt, sind Redaktionen von Gefangenenzeitschriften immer erpressbar. 

 

- Oliver Kulik -

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