AG Meldorf: Geldbußenzumessung bei Gefährdung/Sachbeschädigung nach Vorfahrtsverstoß

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.01.2011

Mit einer durchaus "sperrigen" Thematik hatte sich das AG Meldorf: Urteil vom 10.11.2010 - 26 OWi 308 Js-OWi 24489/10 Hw (19/10) = BeckRS 2010, 29305 zu befassen. Dem Betroffenen wurde ein Vorfahrtsverstoß vorgeworfen, bei dem es zu einem Unfall gekommen war. Vom Wortlaut her war zunächst als "Grundtatbestand" Ziff. 34 BKat (Vorfahrtsmissachtung mit Gefährdung) einschlägig. Das Gericht hat die Regelgeldbuße von 100 Euro jedoch wegen dann noch eingetretener Sachbeschädigung erhöht auf 120 €. Hier die Begründung:

"....Entgegen der Ansicht der Betroffenen ist ihr verkehrsordnungswidriges Verhalten in Form der fahrlässigen Vorfahrtpflichtverletzung (§§ 8 II, 49 I Nr. 8 StVO i. V. m. § 24 StVG), welche zu einem unfallbedingten Fremdsachschaden geführt hat, grundsätzlich mit einer nach § 3 III BKatV i. V. m. Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV von 100,00 € (Ziff. 34 BKatV) auf 120,00 € erhöhten Regelgeldbuße bußgeldbewehrt. Denn gemäß § 3 III BKatV erhöhen sich die Bußgeldregelsätze, die einen Betrag von mehr als 35,00 € vorsehen, bei Vorliegen einer Gefährdung oder Sachbeschädigung nach der Tabelle 4 des Anhangs, soweit diese Merkmale oder eines dieser Merkmale nicht bereits im Tatbestand des Bußgeldkatalogs enthalten sind.

Dabei ist die Ausnahme in § 3 III 2. Halbs. BKatV - anders als die Betroffene meint - nicht etwa so zu verstehen, dass die Erhöhung nach Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV ausgeschlossen sein soll, wenn, sofern bzw. sobald auch nur eines der Merkmale „Gefährdung“ oder „Sachbeschädigung“ bereits im Grundtatbestand der entsprechenden Ziffer des Bußgeldkataloges enthalten ist. Denn der Verordnungsgeber hat die Ausnahme in § 3 III 2. Halbs. BKatV eben nicht derart unter Verwendung der Konjunktionen „wenn“, „sofern“ oder „sobald“ oder unter Rückgriff auf die sonst zur Verdeutlichung von Ausnahmen gebräuchliche Wendung „es sei denn“ formuliert. Hätte der Verordnungsgeber bereits bei Vorliegen auch nur eines der Merkmale „Gefährdung“ und „Sachbeschädigung“ einen Rückgriff auf die Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV und die dort geregelten Erhöhungssätze versperren wollen, hätte es auch nicht der Formulierung „diese Merkmale oder eines dieser Merkmale“ in § 3 III 2. Halbs. BKatV bedurft; „diese Merkmale“ hätte bei dem Verständnis der Betroffenen vom zweiten Halbsatz der Vorschrift des § 3 III BKatV keinen eigenständigen Sinn und wäre vollkommen überflüssig. Entsprechend hat der Verordnungsgeber durch die Benutzung der Konjunktion „soweit“ deutlich gemacht, dass eine Erhöhung der Regelgeldbuße der jeweiligen Ziffer des Bußgeldkataloges nur in einem bestimmten Umfang möglich bzw. ausgeschlossen sein soll. § 3 III 2. Halbs. BKatV soll hierbei ersichtlich verhindern, dass es zu einer „Doppelverwertung“ der die Höhe der Geldbuße mitbestimmenden Umstände kommt. Enthält der Grundtatbestand der jeweiligen Ziffer des Bußgeldkataloges bereits das Merkmal der „Gefährdung“, so dass überhaupt der Weg zur Festsetzung einer Geldbuße eröffnet ist, darf die tatsächlich eingetretene Gefährdung eben nicht zusätzlich noch als bußgelderhöhend verwertet werden.

Entspricht dieses Verständnis nach vorstehenden Erwägungen dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 III 2. Halbs. BKatV und überschreitet es auch nicht die bei Auslegung der Vorschrift zu beachtende Wortlautgrenze, so wird es darüber hinaus noch durch die Formulierung von Satz 2 der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV und dessen Existenz bestätigt. Denn nach Satz 2 der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV, der bei der Auslegung des § 3 III BKatV ebenfalls berücksichtigt werden kann und muss, führt eine Sachbeschädigung zu den dort im Einzelnen aufgeführten Erhöhungen der jeweiligen Regelsätze, wenn der Grundtatbestand bereits eine Gefährdung enthält. Systematisch wäre diese Regelung in Satz der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV überflüssig und verfehlt, wäre nach § 3 III 2. Halbs. BKatV in den Fällen des Vorliegens bloßer Gefährdung der Rückgriff auf Satz 2 der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV verwehrt; die Vorschrift des Satzes 2 der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV hätte dann keinerlei Anwendungsbereich.

Ist nach alledem vorliegend für die fahrlässige Vorfahrtspflichtverletzung der Betroffenen grundsätzlich eine nach Satz 2 der Tabelle 4 des Anhangs zur BKatV von 100,00 € auf 120,00 € erhöhte Regelgeldbuße von 120,00 € vorgesehen, so ist diese hier auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles als angemessene Geldbuße gegen die Betroffene zu verhängen...."

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