BGH: Sperrung von Mobilfunkanschlüssen bei Zahlungsverzug

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 18.02.2011

Der BGH kommt hier zu dem Ergebnis, dass AGB, die eine Sperrung von Mobilfunkanschlüssen bei einem Zahlungsverzug des Kunden von mindestens 15,50 Euro vorsehen, unzulässig sind. Eine solche Klausel halte einer Inhaltskontrolle nicht stand und sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Vielmehr hält der BGH die bislang auf das Festnetz beschränkte Regelung in § 45k TKG, nach der eine Sperre erst nach einem Zahlungsverzug von mindestens 75 Euro vorgenommen werden darf, für auf den Mobilfunk übertragbar.

Gibt es Meinungen zu diesem Urteil?

 Link zur BGH- Pressemitteilung: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=55124&linked=pm 

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4 Kommentare

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Dogmatisch komme ich da nicht mit:

§ 320 Abs. 2 BGB verbietet die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wider Treu und Glauben bei nur geringfügigem Rückstand. Somit stellen sowohl § 307 BGB im AGB-Recht wie auch § 320 Abs. 2 BGB auf Treu und Glauben ab. § 320 Abs. 2 BGB ist nach der von Ihnen vorgestellten BGH-Entscheidung die Norm, von deren Grundgedanken nach Ansicht der Richter die für unwirksam erachtete Klausel entgegen Treu und Glauben unangemessen abweiche. Das klingt folglich ein bisschen nach Zirkelschluss. Warum dann nicht gleich § 320 Abs. 2 BGB direkt anwenden ohne den Umweg übers AGB-Recht? Beide Normen setzen doch die Treu-und-Glauben Schranke. Die Antwort kann nur sein: weil § 320 Abs. 2 BGB dispositiv ist, sonst ist ja jede AGB-Kontrolle sinnlos. Aber ketzerisch gefragt: Stimmt das mit der Abdingbarkeit des Abs. 2 überhaupt? Kann ich folglich rechtsgeschäftlich über eine Norm, die die Treu-und-Glauben-Schranke aufstellt, dahin disponieren, dass vertraglich auch ein Verhalten erlaubt ist, das gegen Treu und Glauben verstößt?

 

RA M. Bender, Karlsruhe

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Vielen Dank für den Kommentar. Ich glaube die Frage ist falsch gestellt. Es geht darum, ob die Ausübung des Zurückbehaltungsrecht treuwidrig ist (nicht darum, ob § 320 dispositiv ist). Erst musste der BGH den Verstoß gegen Treu und Glauben (über §45k TKG analog) prüfen - und dann über § 320 Abs. 2 auf §320 Abs. 1 abstellen. Mal abwarten, was der Volltext des Urteils dazu bringt.

Ich hätte jetzt eigentlich erwartet, dass Sie mich für meinen scharfsinnigen Gedankengang loben statt zu "glauben", die Frage sei "falsch gestellt". Ich hatte mich mangels Volltext an der BGH-Pressemitteilung orientiert. Ich bin durchaus von der - im übrigen ja durch § 307 BGB vorgegebenen - Reihenfolge der Prüfungsschritte ausgegangen, wie man sie in der Pressemitteilung liest.

 

Es heißt dort:

"Die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen, weil die Klausel Nr. 11.2 einer Inhaltskontrolle nicht stand hält und sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie benachteiligt die jeweiligen Mobilfunkkunden der Beklagten entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Sperre des Mobilfunkanschlusses stellt der Sache nach die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts dar. Insbesondere von § 320 Abs. 2 BGB weicht die Klausel Nr. 11.2. zum Nachteil des Kunden ab. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der noch zu erbringenden Mobilfunkdienstleistungen steht der Beklagten danach nicht zu, wenn nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung noch offen steht. Dies kann bei einem Verzug mit einem Betrag von 15,50 Euro, der nach der Klausel die Sperre rechtfertigt, nicht ausgeschlossen werden. Dabei hat der Senat insbesondere in Betrachtung gezogen, dass der Gesetzgeber in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG für die Telefondienstleistungsunternehmen im Festnetzbereich als Voraussetzung für eine Sperre den Betrag von 75 € festgelegt hat."

Sie werden mir zustimmen, dass für § 307 Abs. 2 BGB, eine dispositive Gesetzesnorm benötigt wird, von der in AGB abgewichen wird. Diese Abweichung darf aber nicht dem wesentl. Grundgedanken der Norm zuwiderlaufen, denn sonst ist es gem. § 307 Abs. 1 BGB eine Benachteiligung entgegen Treu und Glauben. Als Norm, von deren wesentl. Grundgedanken die Klausel abweiche, nennt die Pressemitteilung nun gerade den Abs. 2 des § 320 BGB, der aber - und das ist mein Einwand - schon selbst den Treu-und-Glauben-Maßstab aufstellt.  Zugespitzt könnte man also sagen: Der BGH kommt zum Ergebnis, wenn AGB regeln wollen, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts trotz § 320 Abs. 2 BGB keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt, dann ist das über § 307 Abs. 1 BGB ein Verstoß gegen Treu und Glauben. Wenn man so vorgeht, ist doch ein anderes Resultat als dieses gar nicht zu erwarten. Daher ja auch mein Einwand, das klinge nach Zirkelschluss.
 

Und hier setzt meine Kritik an: Letzlich wird nämlich im äußeren Gewande einer AGB-Prüfung über § 307 BGB nichts anderes getan, als im Wege einer Subsumtion unter § 320 Abs. 2 BGB festgestellt, bei welchem Betrag die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gegen Treu und Glauben verstößt. In diesem Rahmen orientiert man sich dann an § 45 k Abs. 2 Satz 1 TKG.

 

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Danke, dass Sie sich so viele fundierte Gedanken zu §§320 /307 BGB machen.

Ich kenne den Urteilstext noch nicht und bin auch kein Zivilrechtsdogmatiker, aber es scheint mir, das der BGH  die AGB-Regelungen als lex specialis (von Amts wegen zu prüfen) anwendet,  die den allgemeinen Vorschriften der Einrede des § 320 BGB  vorgehen.

Die Tatsache, dass sowohl § 307 Abs. 1 Satz 1 und § 320 Abs. 2 BGB auf Treu und Glauben verweisen, steht dem nicht entgegen. Die Prüfungsperspektive ist in beiden Vorschriften ist unterschiedlich: in § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB it es die unangemessene Benachteiligung, die in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB konkretisiert wird.  Der Maßstab des Treu- und Glauben in § 320 Abs. 2 BGB bezieht sich auf das Leistungsverweigerungsrecht, dem Treu- und Glauben nicht entgegen stehen dürfen.  

Der Gedankengang des BGH wird sich wohl erst mit dem Erscheinen des Volltextes des Urteils völlig erschließen lassen.  

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