Das Fernglas im Datenschutzrecht

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 25.02.2011

Seit dieser Woche wird in Berlin das geplante Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz diskutiert. Dies gibt mir den Anlaß, zur Sicherung meiner Ideen ein Forschungsprojekt schon jetzt sicherheitshalber anzukündigen: eine Veröffentlichung über das Fernglas im Datenschutzrecht.

 

Hintergrund ist ein geplanter Passus im neuen BDSG. §32e IV Nr.3 BDSG n.F. verbietet optische Überwachungsmaßnahmen durch den Arbeitgeber und nimmt davon Fotoapparate und Ferngläser aus. Wir werden also bald den Rechtsbegriff des Fernglases im Datenschutzrecht haben.

 

Nun gut, hier mein Buchprojekt: Ich werde erst den Begriff des Fernglases zu definieren suchen und mich darüber mokieren, daß der Gesetzgeber keine Legaldefinition von "Fernglas" ins Gesetz aufgenommen hat. Dies erscheint mir natürlich angesichts der dann zu erläuternden Fülle von fernglasnahen Instrumenten (Theaterglas, Lupe, Zoomfunktion bei Fotoapparaten, Yps-Brille) kritikwürdig. Dann werde ich die Definitionen präzisieren, im Sinne einer objektiven Theorie (bloße Eignung zur vergrößerten Reproduktion der Wirklichkeit), einer subjektiven Theorie und einer (von mir natürlich präferierten) gemischt objektiv-subjektiven Theorie. Ich werde dann noch einen Blick ins Ausland werfen und Gesetzgebungsvorschläge zur Präzisierung des § 32e Abs. 4 Nr. 3 bringen, der dann m.E. um einen § 32e Abs. 4a mit einer Legaldefinition ergänzt werden müßte.

 

Vorsicht: diese Idee gehört mir. Wer ähnliches tun will, kann sich mit dem Begriff des Fotoapparats in § 32 e Abs. 4 Nr. 3 aA beschäftigen.

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11 Kommentare

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Ah ja. Wenn ich das richtig sehe, dann darf nach §32e IV Nr.3 BDSG n.F Spionage auf die altbekannte Art und Weise immernoch stattfinden. So wie ich das sehe, geht es darum, dass der Überwacher noch selbst entscheiden muss, was er sieht/ aufnimmt.

Eigentlich gibt es dann auch keinen Grund Fernglas und Fotoapparat restriktiv auszulegen, aber da es hier letzlich um Datenschutz geht wir das doch wohl geboten sein ein Fernglas als ein auf Vergrößerungslinsen basierenden beidäugigen optischen Lichtverstärker anzusehen und einen Foroapparat als Medium zur Speicherung von Bildern als Datei oder als Lichtbildnegativ.

Sehr geehrter Herr Glaedow,

besten Dank für Ihren Beitrag, der mich sehr gefreut hat. Ihre Intervention ist richtig. Nur mit Ihrer Definition des Fernglases habe ich ein Problem. Wenn Sie ein Fernglas als "ein auf Vergrößerungslinsen basierenden beidäugigen optischen Lichtverstärker" verstehen, tauchen erhöhte Abgrenzungsprobleme auf. Was mit ist einem Fernrohr (nur einäugig)? Was ist mit Lichtverstärkern, die nicht auf Linsen basieren (zB auf Prismen und Spiegeln oder Fall Yps-Brille)?

 

Was wäre von weit gefaßten Definitionen zu halten (zB optisches Gerät, um über größere Entfernungen blicken zu können als mit bloßem Auge)? Wikipedia definiert Fernglas als ein tragbares, in der Regel freihändig verwendbares Fernrohr.Dann ist aber jedes tragbares Fernrohr Fernglas; darüber hinaus wird das Problem nur auf den Begriff Fernrohr verlagert. Zusammengesetzt wäre dann ein Fernglas ein tragbares, optisches Instrument, bei dessen Nutzung entfernte Objekte um ein Vielfaches näher bzw. größer erscheinen.

Diese Umschreibung wäre dann zwar präziser. Aber es bleiben Abgrenzungsfragen - so etwa zu den Röntgenbrillen aus dem Tina-Versand (ein Objekt der Begierde aus meiner Jugendzeit).

 

Spannender ist m.E. der Blick in Patentschriften. Daraus läßt sich folgende Definition ableiten: Ein Fernglas ist ein tragbares optisches Vergrößerungsgerät mit zwei Tubussen, in denen jeweils ein Prismensystem zur Bildumkehr eines jeweils visuellen Beobachtungsstrahlengangs angeordnet ist, wobei das jeweilige Prismensystem aus einem Gleichschenkelprisma und einem mit diesem benachbarten Dachkantprisma besteht, wobei das Gerät bei der Benutzung von der benutzenden Person getragen werden kann.

 

Aber ich bin da erst am Anfang meiner datenschutzrechtlichen Forschung.

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So lustig es sich anlässt, es gibt in der Tat genügend Ansatzpunkte für weitere Klärung:
* Abgrenzung Fernglas/Rohr zum Feldstecher/Spektiv, für den/das ein Stativ benötigt wird - menschliche Bedienung erforderlich oder nicht?
* Abgrenzung Foto zur Videokamera - ab welcher Ausstattung ist eine moderne Digicam kein "Foto" mehr, wenn es um die Fähigkeit zu Serienaufnahmen oder Programmierbarkeit geht?
Es gibt übrigens auch Ferngläser ohne Prisma ...

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Lieber Myname,

das sind sehr wichtige Hinweise, besten Dank. Man würde wahrscheinlich (auch vom Sinn und Zweck des § 32 e Abs. 4 Nr. 3 her) auch Spektive in den Anwendungsbereich der Vorschrift nehmen und damit als "Fernglas" im juristischen Sinne interpretieren müssen. Denn ist die Tragbarkeit des Geräts aber nicht mehr konstitutives Merkmal des juristischen Fernglasbegriffs. Es bleibt dann das optische Vergrößerungsgerät (was ist dann mit Mikroskopen?). Aber ein Fernglas  ohne Prismen - hier wäre ich für Hinweise sehr dankbar! Ihr TH

Lieber Herr Prof. Hoeren,

endlich kommt die Yps-Brille auch in der Wissenschaft zu Ehren. Ich hatte leider nie eine und das hängt mir bis heute nach. Ich freue mich schon auf die Veröffentlichung (MMR-Sonderbeilage?) und vielleicht liegt ihr als Gimmick ja auch eine Yps-Brille bei - man könnte ja mal beim Verlag nachfragen.

 

Beste Grüsse und noch ein schönes Wochenende

Michael Karger

Was ist eine Yps-Brille und was macht die genau?

Bezüglich der Definition des Fernglases würde ich mich einstweilen unter die Definition des Patentamtes unterwerfen, wie genau und warum ein Fernglas funktioniert und wann Prismen und wann Linsen zum Einsatz kommen liegt außerhalb meiner Kenntnis. Mit einer Ausnahme, dass ich von der Beidäugigkeit nicht absehe. Letzlich geht es um den Schutz von Arbeitnehmerdaten, was eine restirktive Auslegung meines Erachtens nach erforderlich macht. Und da ist ein Fernglas nunmal für beide Augen. Wenn der Gesetzgeber ein Fern"rohr" oder ein Periskop oder sonstwas gleichartiges von der Regelung umfasst sehen will, dann sollte er es auch so in das Gesetz reinschreiben.

 

Übrigens sollte das ganze ergänzt werden auf alles, was die natürliche Sehkraft wieder herstellt, bzw Krankheiten (Kurzsicht, Weitsicht, Hornhautverkrümmung etc) ausgleicht. Sonst muss der Chef beim Schnüffeln die Brille abnehmen.

 

Will man aber nicht restriktiv am Gesetz rumwerkeln, dann gibt es keinen Grund nicht jedes technische Gerät, was zur Vergrößerung geeignet und bestimmt ist, solange die Anwendung permanent von menschlichem Willen getragen wurde (Der Spion soll hinsehen müssen). Dann ist es letzlich auch egal, ob das "Fernglas" das Bild auf die Netzhaut projeziert oder auf einem Monitor darstellt, also wären auch Endoskope umfasst. 

 

Was den Fotoapparat angeht finde ich es durchaus überdenkenswert, was noch als Foto gilt und was schon ein Video ist. Rein technisch gesehen ist ja ein Video nur eine aneinanderreihung von einzelnen Bildern. Draus würde ich ableiten, dass der Wortlaut der Norm ""Foto"-Apparat" keine Videos zulässt, also auch Serienaufnahmen verbietet.
Programmierbarkeit geht auch wieder zu sehr in die Richtung automatisierter Überwachung, wovor ja die Norm schützen will.
Auch die Beschaffenheit des Gerätes ob also analog oder digital und der Funktionsumfang dürfen nicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Fotoapparat ein Fotoapparat ist. Vielmehr sollte auf die Art der Benutzung abgestellt werden, welche im Sinne der Norm individuell und persönlich durch den Spion zu erfolgen hat.

Nachfolger der Yps-Brille sind die "Röntgen"-Apps von Jamba&Co. (für nähere Info bitte selbst eine halbe Stunde VIVA schauen, ich tu mir diese Werbeblöcke nicht freiwillig an) .
Die meisten Operngläser sind ohne Prisma gebaut, ebenso alte Modelle (bei EBay suchen - ich gebe mein Erbstück nicht her)

Besten Dank an alle für nette Grüsse und wichtige Hinweise. Zur Frage des juristischen Fotoapparatbegriffs wage ich mich nicht zu äußern; das erfordert den Umfang einer Dissertation. Aber zum Fernglas sei der Eindruck von Meinname bestätigt. Es gibt auch Ferngläser ohne Prisma. Bestätigt wird das durch die Fernglasrechtsprechung des Bundespatentgerichts. In gleich zwei Urteilen kurz vor Weihnachten setzte sich das BPatG mit Ferngläsern auseinander. Nach dem Beschluß vom14.12.2010 - 17 W (pat) 102/06 ist zu differenzieren zwischen Ferngläsern "mit Objektiv, Okular und Spiegelsystem oder Prisma". Das zeigt die Vielfältigkeit und Komplexität des hier diskutierten Themas.

Gut auch der Vorschlag von Herrn Gladow, auf die Beidäugigkeit nicht zu verzichten. Es geht um Ferngläser, englisch "binoculars". Im Interesse einer europafreundlichen Auslegung des BDSG wäre dabei diesem Kontext Rechnung zu tragen und von der Beidäugigkeit auszugehen. Dann wird es aber mit Spektiven schwer. Sollen die Spektive aus § 32 e Abs. 4 Nr. 3BDSG herausfallen? Ich bin da ratlos. Auch die oben erwähnte Brille scheint mir ein Problem. Ihr TH

... 'ne DigiCam, zum Beispiel, kann sowohl Fotoapparat als auch Fernglas sein (also ein Fotoapparat mit Zoom, d.h. mit einem Objektiv mit variabler Brennweite).  Fotos machen wäre dann also OK, Videos hingegen nicht!? Auch nicht, wenn man "Video" als aneinanderreihung von Einzelaufnahmen definieren würde?

OK, das war gerade - zugegebenermaßen - nicht wirklich ernst gemeint.

 

Ich würde gerne an die Experten der Rechtswissenschaften eine Frage richten und bediene mich dazu aus dem "kölschen Grundgesetz", Artikel 9:

"Wat soll dä Quatsch"?

Warum wird über Definitionen eines "geplanten" Passus diskutiert, anstatt über die eigentliche Sinnhaftigkeit dieses "geplanten" Passus zu diskutieren? WESHALB werden Fotoapparate und Ferngläser überhaupt ausgenommen? Denn unabhängig davon, daß scheinbar seitens Legislative sowieso 'mal wieder nicht ganz zeitgemäß formuliert wurde, wäre es doch ohnehin befremdlich, wenn der Arbeitgeber (z.B. in Form des Vorgesetzten) mit einem Fernglas durch die Büros / durch das Werk liefe. Oder?

 

Auch wird meiner Meinung nach offenbart, daß scheinbar wesentliche Grundgedanken des Datenschutzes seitens Legislative nicht verinnerlicht sind. Schließlich ist ein ganz wesentlicher Aspekt die "Zweckbindung".

D.h. wenn ich beispielsweise im Zoo arbeite und die Kollegen rennen dort mit dem Fernglas durch die Gegend, dann kann das durchaus zweckgebunden sein.

Würde ich hingegen z.B. als Fernsehmoderator arbeiten dann würde ich als Arbeitnehmer nahezu den ganzen Tag gefilmt werden. Sich dann auf den Datenschutz zu berufen, wenn man z.B. mal Stunk mit dem Chef hätte, wäre wohl nicht sonderlich erfolgversprechend...

 

Abschließend: Meiner persönlichen Meinung nach sollte man lieber "optische Überwachungsmaßnahme" genau definieren ("genau" heißt in dem Fall auch "genau"!), also sich im Grunde besser 'mal um die Regel kümmern als um die Ausnahme(n)... kann/könnte man dann immer noch tun.

 

Zusatzbemerkung: Sollte das Thema des blogs allerdings 'n Scherz sein (bin mir -ganz offen und ehrlich gesagt- nicht ganz sicher), dann habe ich ihn nicht auf Anhieb bemerkt. Als Ingenieur wäre ich nämlich geneigt, solch eine Diskussion als Spaß  einzuordnen. Andererseits verlieren sich Juristen ja auch schon 'mal ganz gerne in den eher uninteressanten Details...

 

Würde mich also über einen dezenten Hinweise sehr freuen!

 

Danke und Gruß, Baxter

 

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Ich möchte mich nur ungern unqualifiziert äußern und hoffe dennoch einen Beitrag leisten zu können.

Restlichtverstärkende Apparate tragbar oder nicht, einäugig oder zweiäugig wurden bisher nicht berücksichtigt. Auch solche Geräte können dazu geeignet sein, weiter entfernte Gegenstände näher zu projezieren. Wobei ich an der Stelle auf eine vermeintliche Ähnlichkeit zu Endoskopen kommen möchte. So weit ich mich an meine weit in der Vergangenheit liegenden Blicke durch ein solches Gerät erinnere, stellen Nachtsichtgeräte die Umwelt auf einer Art eingebautem Kleinstmonitor dar. Ob und in wie fern sich Prismen oder sonstige optische Finessen in den Geräten befinden, weis ich ebenfalls nicht. Ich würde mich über einen kurzen Kommentar, ob ich komplett daneben liege freuen.

 

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