Entscheidungsgründe zur Tariffähigkeit der CGZP liegen vor

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.03.2011

Der 1. Senat des BAG hat nunmehr die Entscheidungsgründe des für die Leiharbeitsbranche hochbedeutsamen Beschlusses vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, zur Pressemitteilung vgl. schon den Blog-Beitrag vom 14.12.2010) vorgelegt. Diese sind mit großer Spannung erwartet worden, da man sich Aufschluss über die weiteren Folgen für Ansprüche aus der Vergangenheit erhoffte. Hintergrund ist eine Bestimmung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, wonach – kurz gesagt – Leiharbeitnehmer genauso bezahlt werden müssen, wie die Stammarbeitnehmer des Entleihunternehmens. Von diesem sog. Equal-pay-Grundsatz kann jedoch durch Tarifvertrag abgewichen werden. Um von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, ist im Dezember 2002 die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) gegründet worden. Diese Tarifgemeinschaft hat in der Folgezeit zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen, die das für die Stammarbeitnehmer der Entleiher geltende Entgeltniveau regelmäßig deutlich unterschritten. Die Tariffähigkeit der CGZP ist jedoch von Anfang an bezweifelt worden. Das BAG hat nun – wie schon aus der Pressemitteilung ersichtlich – entschieden, dass der CGZP keine Tariffähigkeit zukomme. Sie sei insbesondere keine tariffähige Spitzenorganisation, da ihre Mitglieder ihr die Tariffähigkeit nicht vollständig vermittelt hätten und ihr Organisationsbereich über den ihrer Mitglieder hinausgehe. Der Organisationsbereich der Mitglieder, nämlich der CGM, der DHV und der GÖD, erfasse weder für sich allein noch bei einer Gesamtschau sämtliche Arbeitsverhältnisse im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 der DGZP-Satzung. Welche Folgen hat diese Entscheidung nun für die Vergangenheit? Eine rechtskräftige Entscheidung über den Status der CGZP in der Vergangenheit liegt nicht vor. Denn das BAG betont ausdrücklich, dass die Feststellungsanträge „auf die Gegenwart gerichtet und nicht vergangenheitsbezogen“ sind (vgl. Rdnr. 33, 52 und 63). Gleichwohl wird aus den Entscheidungsgründen deutlich, dass der Satzungsmangel bereits seit Dezember 2005 vorliegt, so dass eine Neubewertung für mehrerer Jahre geboten ist. Die Rechtsfolge mangelnder Tariffähigkeit besteht nach ganz h.M. in der Nichtigkeit gleichwohl abgeschlossene Tarifverträge. Von daher müssen sich die Verleihunternehmen auf die Nachzahlung von Entgeltdifferenzen und Sozialabgaben in beträchtlicher Höhe einstellen. Schon warnt der Hauptgeschäftsführer der BDA, Alexander Gunkel, die notwendigen Rückstellungen seien ein „akutes Problem“ für die betroffenen Zeitarbeitsunternehmen und ihre Kunden. Die Nachforderungen – von Seiten der betroffenen Leiharbeitnehmer sind allerdings entsprechende gerichtliche Klagen notwendig – können dem Vernehmen nach in die Milliarden gehen. Einigen Zeitarbeitsunternehmen dürfte damit eine baldige Insolvenz drohen. Ver.di bezeichnete die Entscheidung als „wichtigen Schritt“, um die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer zu verbessern. 

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9 Kommentare

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Guten Tag,

nun stellt sich die Frage nach den Auswirkungen für die Vergangenheit. Die Medien propagieren, dass betroffene Leiharbeitnehmer ohne weiteres Ansprüche für die Vergangenheit geltend machen könnten. Stimmt dies aber tatsächlich? Das BAG hatte über die Satzung aus dem Jahr 2009 und einen gegenwartsbezogenen Antrag zu befinden. Richtig ist, dass die Satzung aus 2005 auch angesprochen wird, die vorherige Satzung aber gar nicht. Auch wenn hier keine wesentlichen Unterschiede in der Bewertung zu erwarten sein dürften, kann aus der Entscheidung doch nicht die fehlende Tariffähigkeit auch für die Vergangenheit rechtlich bindend entnommen werden. Denn dazu wäre es notwendig, dass eine Feststellung getroffen wird, dass die CGZP auch für einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit nicht tariffähig war. Immerhin waren einige Mitgliedsgewerkschaften aus der CGZP ausgetreten, so dass man ggf. noch deren frühere Tarifzuständigkeit überprüfen müsste. Beide Punkte sind im Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG zu klären. Beim Arbeitsgericht Berlin sind derzeit zahlreiche entsprechende Anträge anhängig. Dies schien auch dem Land Berlin kurz vor der Verhandlung im Dezember 2010 aufgegangen zu sein. Offensichtlich hatte man noch kurzfristig einen vergangenheitsbezogenen Antrag gestellt.

M.E. muss jeder Arbeitnehmer bezogen auf den für ihn maßgeblichen Zeitraum ein eigenes Beschlussverfahren einleiten, sofern das Arbeitsgericht zutreffend das Ausgangsverfahren aussetzt. Dann muss (wahrscheinlich) jedes Beschlussverfahren durch die Instanzen getrieben werden, erst dann kann das Ausgangsverfahren weitergeführt werden. Kurzum: Betroffene Arbeitnehmer können nicht mit einer schnellen Klärung rechnen. Ob für die Zeitarbeitsunternehmen dieser Zeitgewinn wertvoll ist, mag im Einzelfall zu erwägen sein. Manchem Kläger könnte die "Luft ausgehen" bzw. das Geld fehlen, die Verfahren zu betreiben. Vieles wird auch von der Entscheidung des BAG zur Frage der Anwendbarkeit einer im Entleiherbetrieb geltenden tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die für den 23.3.2011 erwartet wird, abhängen. Es bleibt noch ein bisschen spannend.

Beste Grüße

superwash

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Ich glaube, es wird nicht viel passieren, denn:

- einige "wirtschaftsnahe" Medien verschweigen das Urteil

- die meisten Zeitarbeiter sind so arm, dass sie keine RSV haben und nicht in der Gewerkschaft sind

- von PKH oder "Rechtsantragstelle" haben sie vermutlich auch nie gehört

- die übrigen klagen gegen Firmen, die dann ihren letzten Euro in die Klageerwiderung stecken, das Verfahren verzögern, Geld aus der Firma abziehen, und nach dem Urteil umgehend Insolvenz anmelden. Soviel ich weiss haben die Grossen der Branche den DGB Tarif unterschrieben.

Hoffnung gäbe es wohl nur wenn es "reiche" Firmen gab, die so dumm/dreist waren, den "christlichen" Tarif zu unterschrieben.

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@ #1: die Zeit vor 2005 ist deswegen irrelevant, weil die Forderungen aus 2007 am 1.1.11 verjährt sind - und kein Menschenvermieter wird auf diese Einrede verzichten.
Was die tarifvertragliche Ausschlussfrist des Entleiherbetriebs angeht, wäre es extrem wirklichkeitsfremd, wenn das BAG aus der Kann-Bestimmung des $13 AÜG einen festen Bestandteil des Arbeitsvertrags machte (das würde auch den Maßstäben widersprechen, die das BAG bisher an die AGB-Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen angelegt hat).
@ #2: bezogen auf die vielen Mietarbeitnehmer gibt es vermutlich wenige Klagen auf Lohndifferenz über 4 Jahre - schon weil die AMP-Betriebe nach dem LAG-Urteil erkannt haben, wohin die Reise geht (nämlich ins Aussichtslose) und zur Schadensbegrenzung den meisten uninformierten Arbeitnehmern Zusatzvereinbarungen mit einem neuen Tarifvertragsbezug (neben der CGZP auch mit den Einzelgewerkschaften abgeschlossen) und AGB-konformen Ausschlussfristen untergejubelt haben.
Aber es gibt sie und es gibt auch Menschenvermieter, die sehr gut verdienen und eine Eigenkapitalquote von 70% aufweisen. Für das "Geld abziehen" hat allerdings das Insolvenzrecht tolle Regelungen - wer jetzt damit anfangen will, hat die Idee 2 Jahre zu spät.
Die Menschenvermieter wollen entsprechende Forderungen auch möglichst still regulieren und bieten entsprechende Einmalzahlungen an - nicht dass auch noch andere Angestellte auf die Idee kommen, ihre Ansprüche zu prüfen. Abgesehen von den Anwaltskosten ...
Die fallen für den Arbeitnehmer übrigens erst mit dem Urteil bzw. Vergleich an, für eine Klage braucht es keine Vorleistungen (eben aus dem von Ihnen angedeuteten Grund).
Dass ein derart wichtiges Urteil in der Berichterstattung so untergeht, ist allerdings eine Schande für alle Wirtschaftsredaktionen - ausnahmslos.

Mein Name schrieb:
Dass ein derart wichtiges Urteil in der Berichterstattung so untergeht, ist allerdings eine Schande für alle Wirtschaftsredaktionen - ausnahmslos.

Nur zur Klarstellung: Das "wichtige Urteil" war ein Beschluss.

Mein Name schrieb:
Was die tarifvertragliche Ausschlussfrist des Entleiherbetriebs angeht, wäre es extrem wirklichkeitsfremd, wenn das BAG aus der Kann-Bestimmung des §13 AÜG einen festen Bestandteil des Arbeitsvertrags machte (das würde auch den Maßstäben widersprechen, die das BAG bisher an die AGB-Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen angelegt hat).

richtig vermutet: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15039&pos=0&anz=20#druck

Pressemitteilung Nr. 20/11

 

Keine Anwendung der im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen auf „Equal Pay“-Anspruch des Leiharbeitnehmers

 

Kann der Leiharbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber, dem Verleiher, nach § 10 Abs. 4 AÜG die Erfüllung der wesentlichen Arbeitsbedingungen verlangen, wie sie der Entleiher vergleichbaren eigenen Arbeitnehmern gewährt, muss er die im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen nicht einhalten.

Der Kläger wurde von der Beklagten bei der tarifgebundenen C. GmbH mehrjährig als Leiharbeitnehmer eingesetzt. Er hat nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht, die C. GmbH gewähre ihren vergleichbaren eigenen Arbeitnehmern eine höhere Vergütung als die ihm von der Beklagten geleistete. Er fordert Vergütungsnachzahlung für mehrere Jahre. Sein Arbeitsvertrag enthält keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen. Arbeitnehmer der Stammbelegschaft des Entleiherbetriebs müssen eine tarifvertraglich geregelte Ausschlussfrist beachten. Die Parteien streiten darüber, ob diese Ausschlussfrist die Entgeltansprüche des Klägers untergehen ließ, weil er diese nicht fristwahrend schriftlich geltend machte. Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Klage im Wesentlichen abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden. Im Entleiherbetrieb geltende Ausschlussfristen gehören bei unionsrechtskonformer Auslegung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen, die der Verleiher den Leiharbeitnehmern „gewähren“ muss. Das Landesarbeitsgericht muss deshalb noch feststellen, ob mit dem Kläger hinsichtlich Qualifikation und Tätigkeit vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleiherunternehmens ein insgesamt höheres Entgelt als der Kläger erzielten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 12. November 2009 - 3 Sa 579/09 -

 

 

 

Für die Leiharbeitnehmer wäre es auch schon ein schöner Schritt, wenn Nachzahlungen an die Rentenversicherung vorgenommen werden.

 

Wie hoch beurteilen Sie die Chancen hierauf?

 

Wird die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen unabhängig von den Klagen der Arbeitnehmer vorgenommen?

 

Im diesem Artikel von FAZ.NET

 

http://www.faz.net/s/RubA5A53ED802AB47C6AFC5F33A9E1AA71F/Doc~E40E3ECA7B1C74600BB7638B55AFAB517~ATpl~Ecommon~Scontent.html

 

heißt es, Alexander Gunkel - Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Deutschen Rentenversicherung Bund – vertrete in der zweitgenannten Position einen Sozialversicherungsträger, welcher erhebliche Forderungen gegenüber den entsprechenden Zeitarbeitsunternehmen geltend machen könne.

 

In just jener Konstellation seiner Ämter und Aufgaben schlägt er also offenbar eine Stundung der Rentenversicherungsbeiträge, die für die betroffenen Leiharbeitnehmer nachzuentrichten sind, vor.

M.E. führt die Ämterkonstellation hier zu einem klaren Interessenskonflikt.

  

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@mein Name: Für die Zeit vor oder ab 2005 bis 2009. Es geht dabei nicht um Vergütungsansprüche aus 2005 oder früher oder später. Diese sind arbeitsrechtlich verjährt. Es geht um die Frage, wie die damals vereinbarten Tarifverträge zu beurteilen sind, also ob für die damaligen Tarifverträge Tariffähigkeit vorlag oder nicht. Das müsste im Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG - wohl - zunächst geprüft werden. Denn die Tarifverträge waren ja Grundlage der Vergütung aus den Jahren danach. Dies kann dann auch noch auf nichtverjährte Ansprüche ausstrahlen.

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Sollte sich eine menschenvermietende Firma tatsächlich auf den Standpunkt stellen, die CGZP sei 2005-2009 tariffähig gewesen, muss wohl bei einer Klage auf Lohndifferenz ein entsprechendes Verfahren zur Feststellung der Tarifunfähigkeit vor 2009 eingeleitet werden. Angesichts des vorliegenden Beschlusses ist der Ausgang jedoch so vorhersehbar, dass eine Firma sich gut überlegen wird, ob sie für ein derart klares Ergebnis noch Anwälte bezahlen will - oder nicht lieber gleich außergerichtlich eine Summe bietet, die nahe genug an der Nachforderung liegt.
Auch den SV-Prüfern dürfte es nun leichter fallen, die Beitragsdifferenz der letzten 4 Jahre einzutreiben.

Mein Name schrieb:
Auch den SV-Prüfern dürfte es nun leichter fallen, die Beitragsdifferenz der letzten 4 Jahre einzutreiben.

Findet denn diese Eintreibung unabhängig davon statt, ob einzelne Leiharbeitnehmer ihre Lohnansprüche gerichtlich einklagen?

 

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