Arbeitsplatzaufgabe und ehebedingter Nachteil

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 10.03.2011

Nach vierjährigem nichtehelichem Zusammenleben hatten die Beteiligten 1987 geheiratet.

1988 kam ein Sohn auf die Welt.

1993 gab die Ehefrau ihre Arbeit bei der VW-AG auf, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Sie erhielt von VW eine Abfindung von 70.000 DM, die die Eheleute in die Ablösung eines Kredits für die gemeinsame Immobilie steckten. Ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes bei VW auf einem einvernehmlichen Entschluss der Eheleute erfolgte oder auf dem alleinigen Entschluss der Ehefrau beruhte, ist bis zum Schluss streitig geblieben. Jedenfalls trennten sie sich erst 2006 und wurden 2008 geschieden.

Die Immobilie wurde verkauft, jeder erhielt 50.000 €.

Die Ehefrau arbeitet jetzt bei einer Zeitarbeitsfirma, wo sie ca. 700 € weniger verdient als sie bei VW verdienen könnte, wäre sie dort geblieben.

Der Ehemann wurde zur Zahlung eines unbefristeten Unterhalts in Höhe von 502 € Elementarunterhalt und 124,80 € Altersvorsorgeunterhalt verpflichtet.

Berufung und Revision blieben erfolglos.

Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Dazu genügt es, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Ab welchem Zeitpunkt die Rollenverteilung praktiziert wird, ist nicht von Bedeutung. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Ehegatten die Rollenverteilung zu Beginn der Ehe, bei Geburt eines Kindes oder erst später planten oder praktizierten. Einem ehebedingten Nachteil steht demnach nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin den Entschluss zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes erst traf, als der gemeinsame Sohn bereits vier oder fünf Jahre alt war.

Da die Antragsgegnerin anschließend - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - trotz diverser Nebentätigkeiten die überwiegende Betreuung des Sohnes und des Haushalts übernahm, ist das Berufungsgericht mit Recht von einem auf der praktizierten Rollenverteilung beruhenden Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin ausgegangen. Ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes gegen den Willen des Antragstellers erfolgte, ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Das Berufungsgericht hat es offen gelassen, ob der Entschluss der Antragsgegnerin, das Arbeitsverhältnis bei der VW-AG aufzugeben, im Einverständnis des Antragstellers oder aber gegen dessen Willen umgesetzt wurde. Demnach ist für die Revisionsinstanz zu unterstellen, dass der Antragsteller mit der Arbeitsplatzaufgabe nicht einverstanden war.

Nach der Gesetzesformulierung kommt es darauf an, ob sich die Nachteile (vor allem) aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB). Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, ist somit auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen. Bei den in § 1578 b BGB aufgeführten Kriterien handelt es sich zudem um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaften, weshalb im Rahmen der Abwägung nach § 1578 b BGB nicht etwa eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 27 mwN). Daher kann der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden, dass er den Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 27). Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall, denn die Arbeitsplatzaufgabe ist der unterlassenen Erwerbstätigkeit vergleichbar. Auch die Arbeitsplatzaufgabe erfolgte im Zusammenhang mit der Ehegestaltung. Selbst wenn man im Rahmen des § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB - darüber hinausgehend - eine einvernehmliche Regelung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit entsprechend § 1356 BGB verlangen wollte, so würde dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen.

Denn das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ehe der Parteien nach der Arbeitsplatzaufgabe durch die Klägerin über dreizehn Jahre fortgesetzt wurde. Außerdem investierten die Ehegatten die für die Arbeitsplatzaufgabe erhaltene Abfindung in das gemeinsame Einfamilienhaus. Schon aus diesem Grund kann der Argumentation der Revision nicht gefolgt werden, dass der Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin durch die Abfindung ausgeglichen worden sei.

Ein ehebedingter Nachteil liegt bei einer solchen Fallgestaltung nur dann nicht vor, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das wäre der Fall, wenn die Antragsgegnerin ihren Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen, so etwa aufgrund einer von ihr persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers. In diesem Fall würde es an einem ehebedingten Nachteil fehlen, wenn der Erwerbsnachteil auch ohne die Ehe und die mit ihr verbundene Rollenverteilung eingetreten wäre. Dafür bestehen im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte. Das Arbeitsverhältnis der Antragsgegnerin war vielmehr nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch für die Zukunft gesichert. Demnach kann kein Zweifel bestehen, dass die Gestaltung der Haushaltsführung den Anforderungen des § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB entspricht.

BGH v. 16.02.2011  XII ZR 108/09

 

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4 Kommentare

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Die Konsequenz aus dem Urteil:

Gibt die Ehefrau ihren Arbeitsplatz gegen den Willlen des Mannes auf, muss dieser unverzüglich die Scheidung einreichen.

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Es ist in der Regel bei weitem in Deutschland noch nicht so, dass es Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt gibt. Das belegen auch die Statistiken. Insbesondere die "typischen" Frauenberufe liegen bei der Gehaltseinstufung ganz weit hinten. In den meisten Ehen sieht es deshalb leider immer noch so aus, dass wenn ein Kind da ist, die Frau beruflich zurück steckt, Stunden reduziert oder gar ganz aufhört zu arbeiten, da die finanziellen Einbußen nicht so erheblich sind, als wenn der Mann seinen besser bezahlten Job aufgibt. Das sind rein wirtschaftliche Gründe, die in einer glücklichen, gesunden Beziehung auch sehr gut nachvollziehbar sind. Zu diesem Zeitpunkt stehen das Wohl des Kindes und die Wirtschaftliche Sicherung der Familie im Vordergrund. Der Partner (es ist leider immernoch i. d. R. die Frau), der zu diesem Wohl auf Karriere und berufliches Fortkommen verzichtet, beschäftigt sich in diesem Moment leider nicht mit den Gedanken an eine evtl. in ferner Zukunft anstehenden Trennung und den Konsequenzen.

20 Jahre später kommt das böse Erwachen - Die Trennung

Der Ehemann konnte aufgrund dessen, dass er durch seine Frau den Rücken frei hatte die Karriereleiter hinauf steigen, konnte sich ganz dem Job widmen, sich qualifizieren, seinen Stand in der Firma sichern und Privilegien sammeln.  Die Ehefrau gilt mittlerweile als ungelernt. Selbst wenn sie den Einstieg in den Beruf schafft, wird sie ganz unten anfangen mit Gehaltseinbußen, Befristungen.......

Chancen, den Status zu erreichen, den sie gehabt hätte, wenn sie nicht verzichtet hätte und weiter arbeiten gegangen wäre, hat sie bis zur Rente nicht mehr. Dem zu folge hat sie auch wenig Chancen noch maßgebliche Rentenpunkte zu sammeln.

Meiner Meinung nach ist es genau richtig, dass im Einzelfall geprüft wird. Maßgeblich ist hier in jedem Fall auch die Dauer der Ehe. Und lieber Mitleser, zu diesem Komentar kann ich nur sagen: "machen, aber sofort und unverzüglich" nicht erst warten bis die Kinder aus dem gröbsten raus sind, und nichts mehr kosten. 

Das seit 2008 geänderte Ehescheidungsgesetz ist Augenwischerei und treibt Frauen in die Armut und insbesondere in die Altersarmut. Hier muss nachgebessert werden. 

 

 

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Frau schrieb:

Es ist in der Regel bei weitem in Deutschland noch nicht so, dass es Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt gibt. Das belegen auch die Statistiken. Insbesondere die "typischen" Frauenberufe liegen bei der Gehaltseinstufung ganz weit hinten.

Diese Behauptung ist durch gar nichts bewiesen. Schon gar nicht durch wissenschaftlich haltbare Statistiken.

Oder können Sie eine benennen?

 

Und sie ist schlicht falsch.

Es steht jeder Frau frei, sich auch für einen besser bezahlten Job zu bewerben, nur scheint das vielen Frauen zu anstrengend zu sein.

Sie entscheiden sich offenbar lieber für schlecht bezahlte Jobs, die erst dadurch zu "Frauenjobs" werden.

Wenn sich mehr Frauen auf besser bezahlte Stellen bewerben würden, würden sie nicht nur selbst mehr verdienen, sondern die Bezahlung der "Frauenjobs" würde auch besser werden, weil das Angebot an solchen Stellensuchern nicht mehr so weit über der Nachfrage liegen würde.

 

Ein deutliches Beispiel für diese Situation ist der Beruf der Tierärzte.

Ganz viele Frauen wollen Tierärztin werden, nur nicht auf dem Land weil das zu anstrengend ist.

Lieber wollen sie niedliche Kleintiere in der Stadt verarzten.

 

Das führt dazu, dass ein massiver Überhang an, zumeist weiblichen, Kleintierärzten in der Stadt besteht und ein großer Mangel an Landtierärzten. (Fast nur Männer)

Mit entsprechenden Folgen für das Einkommen.

Und das ganz ohne Diskriminierung oder Benachteiligung.

Jedenfalls nicht von Frauen.

 

Und wenn ein Mann seinen Job nur deswegen so gut machen konnte, weil seine Frau ihm den Rücken frei gehalten hat, dann kann er ihn offensichtlich nicht mehr so gut ausüben, wenn sie ihm nicht mehr den Rücken frei hält. Damit sollte aber auch der Anspruch entfallen, für das "Rückenfreihalten" bezahlt zu werden.

 

Recht haben sie mit Aussage, dass die Änderung von 2008 Augenwischerei ist.

Die Rechtsprechung hat sich überhaupt nicht geändert.

Es wird mehr und länger Unterhalt ausgeurteilt als jemals zuvor oder irgendwo sonst auf der Welt.

 

Wenn Frauen die Armut vermeiden wollen, sollen sie einfach anfangen, für sich selbst zu sorgen, statt immer nur nach Unterstützung durch Männer zu rufen.

Damit belegen sie nämlich nur, dass Frauen vielleicht doch nicht so stark und emanzpiert sind, wie sie immer behaupten.

 

Zum Glück kenne ich genug Frauen, die tatsächlich selbst "ihren Mann" stehen. Ganz ohne ständiges Geschrei, wie ungerecht alles sei und dass sie mehr Unterstützung durch Männer brauchen.

 

Die schaffen das, was sie schaffen ganz alleine.

Und das sind auch meistens keine Feministinnen.

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Zum Thema "Lohngleichgewicht" ein wunderbarer Aufsatz von Rieble in der Zeitschrift Recht der Arbeit, 2011, Seite 36 (RdA 2011, 36). Er führt mögliche Erklärungen für einen geringeren Lohn an und führt insbesondere dazu aus, dass ein Vergleich (Frau - Mann) in dieser Form viel zu pauschal ist.

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