BGH: Zurückgewiesener Beweisantrag und nicht ausreichend begründete Aufklärungsrüge der StA

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.03.2011

Meist hat man es bei abgelehnten Beweisanträgen mit solchen zu tun, die seitens der Verteidigung gestellt werden. In BGH, GH  BGHUrteil vom 13.1.2011 - 3 StR 337/10 - war das anders:

 

In der Hauptverhandlung am 30. April 2010 beantragte die Staatsanwaltschaft, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte "sich am 11. März 2009 zwischen 20.00 Uhr und 21.25 Uhr dem Tatort näherte und sich … um 20.25 Uhr … im Bereich des Tatorts befand …", im Wege des Urkundenbeweises die vom Diensteanbieter in einer Datei übermittelten Verkehrsdaten zu verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung einzuführen, "hilfsweise den zuständigen Sachbearbeiter" zu vernehmen. Das Landgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 3. Mai 2010 zurück. .....

 

Gegen die Ablehnung ihres Antrags wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Aufklärungsrüge (a). Diese genügt nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (b).  

Ist ein Beschwerdeführer der Ansicht, der Tatrichter habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, so steht es ihm grundsätzlich frei, entweder die Verletzung des Beweisantragsrechts zu rügen oder geltend zu machen, das Gericht habe durch die Nichterhebung des Beweises seine aus § 244 Abs. 2 StPO folgende Aufklärungspflicht verletzt (BGH, Urteil vom 25. März 1998 - 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, NStZ 1998, 79; Urteil vom 18. Januar 1984 - 2 StR 360/83, NStZ 1984, 329). Hier hat sich die Beschwerdeführerin für eine Aufklärungsrüge entschieden. Sie verweist darauf, dass das Landgericht die beantragte Beweiserhebung von Amts wegen hätte vornehmen müssen, und bezeichnet § 244 Abs. 2 StPO als verletzt. Für die Erhebung der Aufklärungsrüge spricht im Übrigen auch, dass es zumindest zweifelhaft erscheint, ob der Antrag vom 30. April 2010 überhaupt als Beweisantrag zu werten ist, denn zum einen spricht das genann-te Beweisthema (Aufenthalt des Angeklagten zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts) eher für die Darlegung eines Beweisziels als für die konkrete Behauptung eines Beweisertrags, der durch die Nutzung der benannten Beweismittel unmit-telbar erlangt werden kann; zum anderen teilt der Antrag nicht mit, beim Eintritt welcher Bedingung der "hilfsweise" benannte - weder nach Namen noch nach Funktion näher individualisierte - Zeuge vernommen werden soll.

b) Die Erhebung einer zulässigen Aufklärungsrüge setzt unter anderem voraus, dass der Beschwerdeführer die Umstände mitteilt, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Wird beanstandet, dass eine Urkunde nicht verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist es daher in aller Regel erforderlich, dass die Revision den Wortlaut der Urkunde wiedergibt (Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 368 mwN); denn nur dann ist das Revisionsgericht in der Lage zu prüfen, ob sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht zur Beweisaufnahme über den Urkundeninhalt hätte gedrängt sehen müssen.

Danach entspricht die von der Beschwerdeführerin erhobene Aufklärungsrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Beschwerdeführerin teilt den Wortlaut der Urkunde, deren Verlesung sie vermisst, nicht mit. Es entzieht sich deshalb einer Überprüfung durch den Senat, ob die Verlesung überhaupt zur Sachaufklärung hätte beitragen können (vgl. Meyer-Goßner aaO Rn. 13).

Die Darstellung des Urkundeninhalts war hier auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil "hilfsweise" die Vernehmung eines Zeugen zum selben Beweisthema beantragt worden war; denn dieser sollte ersichtlich allein Angaben zu der in der Urkunde enthaltenen Auskunft des Diensteanbieters machen.

Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin auch nicht den Inhalt des Beschlusses vom 11. Juni 2009 mitteilt, durch den das Amtsgericht Verden die Erhebung der Verkehrsdaten angeordnet hatte. Auch dies wäre erforderlich gewesen. Das Landgericht musste sich nur dann zur Einführung der Verkehrs-daten in die Hauptverhandlung gedrängt sehen, wenn diese unter den gesetzlichen Voraussetzungen nach Maßgabe der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts rechtmäßig erhoben worden und daher verwertbar waren. Ohne Kenntnis des Anordnungsbeschlusses vermag der Senat dies ebenfalls nicht zu prüfen. Zwar hat die Revision den Ablehnungsbeschluss des Landgerichts vom 3. Mai 2010 vorgelegt, in dem sich Ausführungen zum Inhalt des Anordnungsbeschlusses finden. Dem Senat ist aber nicht erkennbar, ob sich der Wortlaut der Anordnung in dem dort wiedergegebenen Inhalt erschöpft. Sollte das der Fall sein, wäre ihm mangels hinreichender Begründung der Anordnung und fehlender Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses durch das Landgericht deren eigenständige Beurteilung im Revisionsverfahren nicht möglich. In diesem Falle hätte die Beschwerdeführerin zusätzlich den Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der Anordnung mitteilen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 ff.).

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