Bundesbehörde lehnt Bewerber wegen Übergewichts ab

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.03.2011

 

Übergewichtige Bewerber haben es bei Bewerbungen schwerer als Normalgewichtige. Dies belegen zahlreiche Studien u.a. der OECD. Konkrete Fälle gelangen allerdings eher selten vor die Gerichte. Über einen Fall berichtet der Generalanzeiger Bonn in einem Artikel vom 17.3.2011. Hierin heißt es: "Damit hatte ein Mitarbeiter einer obersten Bundesbehörde in Bonn wohl nicht gerechnet: Weil er übergewichtig ist, hat die Behörde ihn nach längerer, befristeter Beschäftigung nicht, wie ursprünglich zugesagt, fest angestellt. Die Stelle hat sie an einen anderen Bewerber vergeben.Der Mann fühlt sich benachteiligt und hat gegen die Entscheidung seines bisherigen Arbeitgebers geklagt. Am Mittwoch war Verhandlung im Arbeitsgericht Bonn vor der dritten Kammer. Wie bei allen Dienststellen des Bundes müssen sich potenzielle Mitarbeiter einem Gesundheitscheck unterziehen, erläutert die Justiziarin der Behörde. So auch der Bewerber. Da seine Werte äußerst schlecht gewesen seien, habe man die Unterlagen einem weiteren, für den Bund tätigen Mediziner zur Überprüfung gegeben. Auch er sei zu dem gleichen Ergebnis wie sein Kollege gelangt. `Es hat wirklich nichts mit dem optischen Eindruck zu tun, dass wir den Mann nicht übernommen haben´, versichert die Beklagtenseite. Doch dem hat der Kläger offensichtlich nicht viel Glauben geschenkt, wie seine Anwältin ausführt. Denn ihr Mandant ging zu einem dritten Arbeitsmediziner und dieser bescheinigte ihm, dass er gesund und ohne Einschränkung arbeitsfähig sei. `Lassen Sie uns doch noch einmal einen unabhängigen Gutachter nehmen´, schlägt sie vor. Die Gegenseite winkt ab. Zumal der Posten ohnehin nicht mehr zu haben sei. Das ruft den Kammervorsitzenden auf den Plan. `Wenn Sie den Prozess verlieren, müssen Sie ihn einstellen´, sagt er. Weil beide Parteien sich nicht einig werden, setzt er einen Kammertermin an.“ Soweit der Pressebericht. Fraglich dürfte sein, ob hier eine Diskriminierung nach dem AGG vorliegt. Unter welchen Voraussetzungen stellt Übergewichtigkeit eine Behinderung dar? Derzeit ist der Begriff der Behinderung noch recht konturenlos. Dass eine krankhafte ärztlich attestierte Adipositas in gravierenden Fällen eine Behinderung darstellt, wird man nicht per se ausschließen können. Man müsste dann darüber nachdenken, ob eine Rechtfertigung nach § 8 AGG in Betracht kommt. Jedenfalls bei starker Fettleibigkeit dürften häufigere Ausfälle und mitunter auch Einschränkungen in der Beweglichkeit zu besorgen sein, die je nach Aufgabengebiet die Erfüllung der übertragenen Tätigkeiten in Frage stellen können. Man darf gespannt sein, wie sich die Rechtsprechung hier positionieren wird.

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4 Kommentare

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"Das ruft den Kammervorsitzenden auf den Plan. `Wenn Sie den Prozess verlieren, müssen Sie ihn einstellen´, sagt er."

 

§ 15 Abs. 6 AGG? Selbst wenn, was ich bezweifele, eine Diskriminierung gegeben sein sollte, woher kommt nach (angeblicher) Ansicht des Kammervorsitzenden dann der Anspruch auf eine Einstellung?

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Der Fall spielt im öffentlichen Dienst. Wenn das Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 GG) ergibt, dass der Bewerber am besten qualifiziert ist, muß er eingestellt werden. Denkbar, daß die Aussage des Kammervorsitzenden dieser besonderen Rechtslage des öffentlichen Dienstes geschuldet ist. 

Ein Hauch HR-Zynismus am Rande:

Am Anfang der arbeitsrechtlichen Geschichtsschreibung wählte der Personalchef nach Aussehen aus. Die Ergebnisse waren eher zufällig. Ein Verbesserung stellte das Leistungsprinzip dar. Man stellte stur nach Note ein. Davon kam man ab, weil dadurch die Praxistauglichkeit eines Bewerbers nicht dokumentiert wurde. In der Folge installierte man Assessment-Center. Das Ergebnis war, daß der anpassungsfähigste Bewerber gewann, also der mit dem flexibelsten Rückgrat. Da auch das auf Dauer kontraproduktiv erschien, kehrt man nun wieder zum Anfang zurück und stellt nach Aussehen ein. Nur heißt der Personalchef jetzt HR-Manager. Wenn das kein Fortschritt ist.

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