Vom Internet zum Darknet: "Daemon" und "Freedom" von Daniel Suarez

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 26.03.2011

Zuweilen lege ich den Palandt mal zur Seite und lese auch was anderes. Neulich fiel mir in einem Flughafen-Buchladen ein Buch in die Hände, dessen Cover vielversprechend aussah:  „Techno-Thriller“ war da auf dem Covertext zu lesen und  „a terrifying vision of an unstoppable computer program“. Also her damit.     

Freedom“ von Daniel Suarez (IT-Consultant in Kalifornien) ist der 2010 erschienene Nachfolgeband von "Daemon". Beide Bücher gehören zusammen. Im Kern geht es um einen Entwickler von Massive Multiplayer Online Games, der ein weltumspannendes Bot-Netz („the Daemon“) konzipiert. Die Bots nehmen die IT-Systeme von Unternehmen zu Geiseln.  Versuchen die Unternehmen die Kontrolle zurückzuerlangen, erfolgt der sofortige und totale Datenverlust. Also bleibt nur die Wahl zwischen Untergang und Kooperation. Zweck des Daemon ist aber nicht die Cyberattacke per se, denn gleichzeitig wird im Hintergrund eine neue Gesellschaftsstruktur aufgebaut, die durch das „Darknet“, eine Art Schatten-Internet, das nur ausgewählten Mitgliedern zugänglich ist, vernetzt ist.

In „Daemon“ und „Freedom“ wird  dabei ein Technologiefeuerwerk abgebrannt, das man für Science Fiction halten möchte: Von Hypersonic Sound Systems über Laser-Induced Plasma Channel Weapons zu Non-Lethal Infrasound. Schön auch die HUDs (Heads Up Displays) – Brillen, über die eine virtuelle Realität eingeblendet und damit optisch über das reale Bild projiziert wird – Smart-Phones etc. damit überflüssig. Alle Technologien sind jedoch heute im Grundsatz bereits verfügbar.

Blendet man die teilweise sehr gewalttätige „Action“ (die den Leser wach hält) einmal aus, bleibt eine intelligente, ebenso erschreckende wie faszinierende Vision einer Verbindung von Technologie und Ideologie, die für sich gesehen weder gut noch böse ist und die die Menschen in ihr System zwingt, ihnen aber gleichzeitig Optionen lässt. Ein dämonisches Computerspiel, das zur Realität wird.

Lesenswert für diejenigen, die wissen wollen, wie ein neues "1984" mit den Möglichkeiten der Informationstechnologie aussehen könnte - natürlich in einem extrem überzeichneten Worst-Case-Szenario. Der 2. Band "Freedom" ist bisher nur in englischer Sprache verfügbar, den 1. Band "Daemon" gibt es in deutscher Übersetzung.

Hintergründe zum Autor und zur Entstehungsgeschichte hier in WIRED und ein Interview mit Daniel Suarez hier in Spiegel-Online.

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6 Kommentare

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In der Tat eine sehr gute Lektüreempfehlung. Und wer sich dieselbe Thematik nicht nur als Fiktion, sondern als umfassende, die geschichtliche Entwicklung organisierter Kriminalität im Internet nachvollziehende Reportage über reale Geschehnisse zutraut, sollte unbedingt "Fatal System Error" vom FT-Journalisten und Cybercrime-Experten Joseph Menn lesen: http://fserror.com/

Hallo,

 

ich war von "Daemon" und "Darknet" gleichermassen fasziniert wie bedrückt.

 

Fasziniert wegen der (so verstehe ich es) positiven Hintergedanken der Geschichte; bedrückt  wegen des Mißbrauchspotentials.

 

Ich würde gerne einen blog oder eine Diskussionsplattform zu diesem Thema finden, war bis jetzt aber leider nicht erfolgreich. Besonders die technischen, sozialen und philosophischen Aspekte finde ich sehr interessant.

 

@ Jan Spoenle

 

Gibt es eventuell bereits eine deutsche Ausgabe von "Fatal System Error"? Wenn ja, wäre es nett, wenn Sie mir den Titel nennen könnten.

 

 

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Hallo #4,

Über eine deutsche Ausgabe von Fatal System Error ist mir leider nichts bekannt – auch nicht, ob evt. eine solche geplant ist. Vielleicht fragen Sie einfach direkt beim Autor nach? Der ist über Twitter unter @josephmenn oder über die Seite fserror.com zu erreichen.

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