Änderungen bei der Leiharbeit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.03.2011

Der Bundestag hat am 24.3.2011 wichtige Änderungen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung beschlossen (vgl. BT-Drucks. 17/4804). Kernpunkte der Neuregelung sind eine sog. „Drehtürklausel“ und die Einführung eines Mindestlohn für Leiharbeitnehmer. Die Politik hatte vor allem die Vorgehensweise der Drogeriemarktkette Schlecker auf den Plan gerufen. Schlecker hatte über einen längeren Zeitraum systematisch Mitarbeiter entlassen, um sie zu schlechteren Bedingungen wieder als Leiharbeiter zu beschäftigen (hierzu Blog-Beiträge vom 8.9.2010 und 1.6.2010). Die Bundesregierung beklagt, dass diese Fälle des missbräuchlichen Einsatzes der Arbeitnehmerüberlassung dem Ansehen dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments geschadet hätten. In die gesetzliche Regelung hat die Bundesregierung daher eine so genannte "Drehtürklausel" aufgenommen. Sie verhindert, dass Stammbeschäftigte entlassen und anschließend unmittelbar oder nach kurzer Zeit als Zeitarbeitskräfte wieder in ihrem ehemaligen Unternehmen oder einem anderen Unternehmen desselben Konzerns eingesetzt werden - womöglich zu schlechteren Arbeitsbedingungen als die Stammbeschäftigten.

Die Zeitarbeit erhält einen Mindestlohn. Die Tarifparteien haben folgende Sätze vereinbart, die ab 1. Mai 2011 gelten: für Westdeutschland 7,79 Euro, für Ostdeutschland 6,89 Euro. Der Mindestlohn wird als Lohnuntergrenze für die Zeitarbeit festgesetzt, er gilt sowohl für die Einsatzzeit als auch für die verleihfreie Zeit.

Weitere Punkte des Gesetzes sind eine Absicherung des Equal Pay-Grundsatzes und – in Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie – eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sowie eine Verbesserung der Rechtsposition der Leiharbeitnehmer in den Einsatzunternehmen.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sprach davon, einen fairen Umgang mit Leiharbeitnehmern zu sichern. Angegangen werde die Herausforderung, „einerseits die Flexibilität zu erhalten, andererseits die Fairness in der Zeitarbeit zu sichern.“ Zurückhaltender äußerte sich die die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Sie nannte die neue Gesetzesregelung einen „ersten kleinen Schritt“ im Kampf gegen den Missbrauch der Leiharbeit und gegen eine Ausweitung des Niedriglohnsektors. Man brauche weitere Gesetzesänderungen.

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2 Kommentare

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Das AÜG bleibt dennoch gerade wegen der Möglichkeit, Arbeitsplätze oder ganze Abteilungen "outzusourcen", und zwar zu für den Unternehmer attraktiven tariflich bzw. nun auch gesetzlich "garantierten" Billiglöhnen, ein Instrument der Vernichtung von Stammarbeitsplätzen. Damit wird das unternehmerische Risiko auf die Arbeitnehmer verlagert. Eine grundsätzliche Fehlsteuerung, die aber angesichts der Besetzung der Hartz-Kommission, aus deren Feder das jetzige AÜG stammt, nicht verwundert: acht von fünfzehn Mitgliedern waren Unternehmensvorstände und von Arbeitgeberverbänden, nur zwei dagegen von Gewerkschaften. Man stelle sich das Medienecho vor, wenn das Arbeitsrecht von einer umgekehr besetzten Kommission neu gefasst werden sollte...

Zeitarbeit ist wichtig und notwendig, das bestreitet niemand. Aber Flexibilität kostet immer einen Aufschlag - sei es ein Kontokorrentkredit oder gar dessen Überziehung, für den höhere Zinsen verlangt werden als für einen Ratenkredit, sei es die Reservierung eines Mietwagens im Vergleich zu einer Festbuchung. Kann sich hier jemand vorstellen, dass der Gesetzgeber in andere Wirtschaftsbereiche derart regulierend eingreifen würde? Nein, er tut es ausgerechnet bei den Vertragsverhältnissen, die von vornherein durch eine starke Ungleichverteilung der Verhandlungsmacht gekennzeichnet sind.

In einer - im Sinne ihrer liberalen (!) geistigen Väter - sozialen Marktwirtschaft kann Arbeitnehmervermietung keine Wachstumsbranche sein wie sie es seit Jahren ist, sondern muss sich ebenso zyklisch verhalten wie die Konjunktur (wenn auch in anderen Zyklen als das Wirtschaftswachstum).  Alles andere beweist ordnungspolitisches Versagen.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Österreicher hier intelligenter sind:

Quote:
§ 2. (1) Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bezweckt

1. den Schutz der überlassenen Arbeitskräfte, insbesondere in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutz- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten, und 2. die Regelung der Arbeitskräfteüberlassung zur Vermeidung arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen. (2) Für jede Überlassung von Arbeitskräften gilt, daß keine Arbeitskraft ohne ihre ausdrückliche Zustimmung überlassen werden darf. (3) Durch den Einsatz überlassener Arbeitskräfte darf für die Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb keine Beeinträchtigung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und keine Gefährdung der Arbeitsplätze bewirkt werden.
Des Weiteren hat in Österreich der Leiharbeiter Anspruch auf den Tariflohn des Entleiherbetriebes.

 

Der Regelungsbedarf geht weit über die Leiharbeit hinaus, wie der aktuelle Antrag der Linksfraktion "Missbrauch von Werkverträgen verhindern - Lohndumping einschränken" - Drucksache 17/7220 - beweist !

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