Rechtfertigt ein „Jawohl, mein Führer“ die Entlassung?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.06.2011

 

Nazi-Sprüche im Betrieb sind inakzeptabel und können je Lage der Umstände eine Kündigung rechtfertigen. In dem jetzt vom LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.01.2011 - 11 Sa 353/10 = BeckRS 2011, 71731) entschiedenen Fall hatte der Kläger eine Arbeitsanweisung seines Vorgesetzten mit der Wendung „Jawohl, mein Führer“ kommentiert. Gegen die ihm gegenüber daraufhin ausgesprochene ordentliche Kündigung hatte er Kündigungsschutzklage erhoben. Das LAG sieht in der Äußerung ein deutliches Fehlverhalten. Eine solche Anspielung verbiete sich im innerbetrieblichen Gebrauch, da es sich um einen Tabubruch durch Verwendung des aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch entstammenden Zitats handele und damit geeignet sei, die Gefühle der betroffenen Mitarbeiterin zu verletzen. Dem Kläger könne nicht zugestimmt werden, soweit er meine, heutzutage sei die humorvolle und kabarettistische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Zeit möglich und verbreitet, jedenfalls soweit der Kläger dies auf das Ausüben polemischer Kritik in der betrieblichen Zusammenarbeit erstrecken wolle. Damit verkenne der Kläger den Zusammenhang der Äußerung. Er habe sich gerade nicht über die Nationalsozialisten lustig gemacht, sondern sein Spott habe auf einen Betriebsangehörigen gezielt. Gleichwohl gab das LAG der Kündigungsschutzklage im Ergebnis statt. Auch wenn die Äußerung nicht hinnehmbar sei, rechtfertige sie doch noch nicht ohne weiteres die Kündigung. Eine Abmahnung sei als milderes Mittel gegenüber der Kündigung angemessen und ausreichend gewesen, um einen künftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu erreichen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

7 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Man ist beim betrieblichen Konfikt nicht dabei gewesen. Dass die Äußerung "Jawohl, mein Führer" überhaupt zu Abmahnung und Prozess geführt hat, spricht für die Vermutung, dass die Sympathien zwischen den Parteien nicht sonderlich ausgeprägt gewesen sind. Möglicherweise trifft das harsche Verdikt der rheinland-pfälzischen Arbeitsrichter zu, dass der Kläger ein "Ausüben polemischer Kritik in der betrieblichen Zusammenarbeit" im Sinn hatte - begründet Erkenntnissen, die in der Meldung hier nicht überliefert sind.

Dass dem "Kläger ... nicht zugestimmt werden [könne], soweit er meine, heutzutage sei die humorvolle und kabarettistische Aufbereitung der nationalsozialistischen Zeit möglich und verbreitet", dürfte für sich genommen allerdings eine reichlich ignorante Haltung sein - soweit sie nicht durch einen hier nicht überlieferten Kontext der Äußerung gerechtfertigt wird.  (Und wollte man selbst wenigstens sarkastisch werden, dürfte man ein "ja, ja, Rheinland-Pfalz, Heimstätte der Gemütlichkeit" murmeln.)

Denn ironisch-witzig ist die inkriminierte Wendung jetzt schon seit 50 Jahren im Gebrauch. In Billy Wilders "Ein, zwei, drei" findet sie sich, neben zahllosen anderen überdreht komischen Anspielungen auf die böse Vergangenheit. Und damals, 16 Jahre nach dem Kriegsende, wäre es sicher weitaus eher gerechtfertigt gewesen, moralischen Anstoß daran zu nehmen. Vgl. bei Minute 2:05 im Filmausschnitt unter: http://www.youtube.com/watch?v=IqTdDW6-8Yc&feature=related

Man sollte meinen, der Film sei oft genug von ARD & ZDF wiederholt worden, um zum gerichtsnotorischen Kulturgut zu zählen.

 

 

3

@martin Rath:

Die humorvolle Aufbereitung findet aber weitgehend auf der britisch/amerikanischen Seite statt.

Und die dürfen ( ;) ) natürlich darüber lachen und Witze machen , siehe schon Mr. Fawlty zu den deutschen Gästen 

Gast: "Zisss is nottt funny" 

Fawlty: "Who won the bloody war, anyway!?!"
(s. bei Youtube unter Fawlty + Germans)

 

3

Aus rechtlicher Sicht finde ich die hier vorgestellte Entscheidung unter einem anderen Gesichtspunkt viel interessanter. Der betreffende Arbeitnehmer war nämlich wegen eben dieser Äußerung bereits fristlos entlassen worden, hatte aber mit seiner hiergegen gerichteten Klage in zwei Instanzen obsiegt. Das Urteil, das jetzt Gegenstand des vorliegenden Blog-Beitrages ist, befasste sich nur noch mit der ordentlichen Kündigung also unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Denn der Arbeitgeber hatte "nachgelegt" und seiner erfolglosen fristlosen Kündigung etliche Zeit später eine ordentlichen Kündigung hinterhergeschickt, und zwar aus genau demselben Grund, der Arbeitnehmer habe seinen Vorgesetzten mit "Jawohl, mein Führer" geantwortet.

Nun war aber in dem Vorprozess über die fristlose Kündigung vom Arbeitgeber zusätzlich noch ein Auflösungsantrag gestellt worden. Dieser war erfolglos. Höchst spannend ist nun, warum. Dies geschah nämlich gerade nicht, wie man vielleicht denken könnte, mit der Begründung, dass nach st. Rspr. des BAG ein Arbeitgeber wenigstens hilfweise ordentlich (!) gekündigt haben muss, wenn er einen Auflösungsantrag stellen will. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers wurde vielmehr im Vorprozess mit der Begründung abgewiesen, dass der Arbeitnehmer kein leitender Angestellter im Sinne der §§ 9, 10, 14 Abs. 2 KSchG war.

 

Hieraus schloss der im Folgeprozess gegen die nunmehrige ordentliche Kündigung klagende Arbeitnehmer, dass im Vorprozess eben doch schon über die Eigenschaft der Kündigung als ordentliche mitentschieden worden sei, denn die Ablehnung eines Auflösungsantrages mit der Begründung, der Gegner dieses Antrages sei kein leitender Angestellter, setze logisch zwingend voraus, dass überhaupt eine ordentliche Kündigung vorliegt. Dann aber war über denselben Sachverhalt schon rechtskräftig entschieden, der Arbeitgeber konnte nicht noch einmal ordentlich kündigen.

 

Dieses Argument lässt sich m. E. hören. Das LAG Rheinland-Pfalz tat sich in dem hier besprochenen Urteil vom 20.01.2011 in diesem Punkt denn auch besonders schwer. Oder um es anders auszudrücken: Die Argumentation in den Urteilsgründen wirkt ausgesprochen "dünn". Ob das Nachfolgende an Wittgenstein oder Kant erinnern soll oder vielleicht eher Realsatire ist, mir kommt's jedenfalls sophistisch vor, wenn die Rheinland-Pfälzer Richter da schreiben: "Führen mehrere alternative Begründungen jeweils selbstständig zu dem gefundenen Ergebnis, hier der fehlenden Begründetheit des Auflösungsantrags, so kann die Zugrundelegung des einen Begründungsstranges ohne jedwede ausdrücklichen Ausführungen zu dem anderen Begründungsstrang - nicht den Schluss rechtfertigen, die andere alternative Begründung werde verneint."

 

Führt man diesen erkenntnistheorieförmigen Sinnspruch aus dem Theoriehimmel in die Mühen der Ebenen zurück, dann ist er nur von geringem Aussagewert. Denn die denkbare Existenz "mehrerer alternativer Begründungen" heißt nicht, dass jede Begründung gleichwertig ist,  eben das aber wird (und darin liegt der Denkfehler) unausgesprochen unterstellt, kann aber nicht stimmen: Wenn eine Lotterie einem Glückspielteilnehmer den Hauptgewinn mit der Begründung verweigert, leider habe er keine sechs Richtigen, dann wird man doch wohl davon ausgehen dürfen, dass der Betreffende wenigstens einen Tippzettel abgegeben hat.

 

 

Das LAG scheint eher die Reaktion der politisch korrekten Öffentlichkeit auf ein klagestattgebendes Urteil gefürchtet zu haben, zumal es die Botschaft beinhaltet hätte, daß die Äußerung "Jawohl, mein Führer" arbeitsrechtlich ohne Konsequenzen zu bleiben habe. 

 

Ich finde es allerdings fehl am Platz, wenn hier - politisch überkorrekt - gerade auf den Nationalsozialismus abgestellt wird. Äußerungen wie "Jawohl, mein Herr und Gebieter / Meister / Masser / Sahib / Fürst / Staatsratsvorsitzender / Chefchen " etc.,  wären nicht weniger inakzeptabel, da sie den Vorgesetzten zumindest verulken. Jedes insoweit klagestattgebende Urteil enthielte die Botschaft, so dürfe man Vorgesetzte nennen. Auf den "Führer" kam es daher m. E. gar nicht an.

1

Gerhard schrieb:

Das LAG scheint eher die Reaktion der politisch korrekten Öffentlichkeit auf ein klagestattgebendes Urteil gefürchtet zu haben ...

 

Und warum obsiegte dann der Arbeitnehmer im Vorprozess?

Kommentar hinzufügen