Vorratsdatenspeicherung: Neuer Entwurf zum Quick Freeeze vom BMJ

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 15.06.2011

Das BMJ hat im Internet einen  "Diskussionsentwurf" für ein "Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet" veröffentlicht. Dieser Entwurf enthält auch wieder das sog. "Quick-Freeze-Verfahren" für Verkehrsdaten als Änderungen des TKG und des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes. Das Gesetz soll die vom BVerfG beanstandete generelle Vorratsdatenspeicherung ersetzen (das Thema wurde mehrfach hier im Blog diskutiert)

Einige Highlights:

 

  • Neuer §100j StPO zur richterlich angeordneten Sicherung der Verkehrsdaten als Anweisung an die TK-Unternehmen, alle vorhandenen, bereits erzeugten oder verarbeiteten sowie künftig anfallenden Verkehrsdaten ihrer Kunden zu speichern. Dieses Quick Freeze-Verfahren ist auf einen Monat befristet und kann jeweils um einen Monat verlängert werden, wenn die Strafverfolger die Maßnahme begründen können. Das Einfrieren der Daten ist allein auf die Daten beschränkt, die ein TK-Unternehmen selbst erzeugt und verarbeitet.

 

  • Neuer §100k : Bestandsdatenabfrage von IP-Adressen, die ausdrücklich für die Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet gedacht ist. Betroffene Personen müssen nach dem  Gesetzentwurf von dieser IP-Adressauskunft unterrichtet werden, sofern der Zweck der Auskunft dadurch nicht gefährdet ist.

 

  • Neuer §113a TKG sieht vor, der die Speicherungspflicht von IP-Adressen auf 7 Tage begrenzt. Internet-Provider als Kleinstunternehmen, die nur 100 bis 200 Kunden haben, sollen so von der Speicherungspflicht befreit werden. Schließlich enthält der neue §113a den nicht unwichtigen Passus, dass der Zugriff auf die IP-Daten zum Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht erlaubt ist.

 

  • Detaillierten Auflistung, was TK-Unternehmen und Provider bei einer Anordnung von Quick Freeze und bei der 7-tägigen Speicherung von IP-Adressen an Aufwandsentschädigung verlangen können.

 

Wie zu erwarten, zeigt man sich von Seiten der Union entrüstet und bezeichnet den Entwurf als nicht akzeptabel. Ein von Polizeiverbänden verlangtes „Machtwort“ von Kanzlerin Merkel ist allerdings ausgeblieben.

Was meinen Sie -  wie wird das Tauziehen zwischen den Koalitionsparteien ausgehen?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ordnungswidrigkeiten werden nicht verfolgt? Die Regierung hat damals gesagt: NUR für Terrorismus, dann NUR Kinderpornographie... und nun das? Eindrucksvoller kann man nicht Lügen, Respekt. Ich hoffe unsere aktuelle Regierung löst sich noch dieses Jahr auf. Bürgerfeindlicher geht es kaum.

0

Hallo.

 

Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) wird über die kommenden Jahre weiterhin viele Fragen aufwerfen - nicht nur auf der Ebene der Mitgliedstaaten der EU, sondern auch auf der Ebene der EU, wie die jüngsten Entwicklungen zeigen. 

 

Die Regelungen darüber, welche Straftaten zum Gegenstand der VDS werden sollen, obliegen nach der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie der EU 2006/24/EG den Mitgliedstaaten; dabei sollen "schwere Straftaten" zum Objekt der VDS sein. 

Schwere Straftaten "als solche" kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Sofern Ordnungswidrigkeiten restriktiv ausgelegt überhaupt als Straftaten im kleinsten Sinne verstanden werden können, bilden sie eine von drei möglichen Gruppen - Gruppe Null.

Ich gehe davon aus, dass OWis nicht in Strafdaten umzudeuten sind. Die erste echte Gruppe von Straftaten umfasst Vergehen, also solche Straftaten mit Mindesthaftstrafen unter einem Jahr, und schließlich die zweite Gruppe der Verbrechen, deren Strafmaß bei mindestens einjähriger Haftstrafe beginnt. 

Überdies werden verschiedene Straftatbestände in speziellere Regelungen oder über Strafzumessungsregelungen als schwere klassifiziert werden können. 

In den bisherigen Versuchen, hierin Klarheit zu bringen, welche Regelungen der BRD als schwere Straftaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG verstanden werden dürfen, haben die Gesetzgeber bisher ihre liebe Mühe gehabt. 

 

Auf EU Ebene wird dieser Umstand nun aufgrund der Evaluation bisheriger Umsetzungen erschwert. Denn es hat sich gezeigt, dass die Richtlinie 2006/24/EG eben nicht zu mehr oder weniger harmonisierten VDS-Systemen geführt hat; zum einen unterscheiden sich die Umsetzungen der Mitgliedstaaten sehr über die Speicherdauer, zum anderen besteht alles andere als "Harmonie" darüber, welche Straftaten für die VDS relevant sein dürften. Dies nutzt der EDPS (European Data Protection Supervisor) unter anderem für die Empfehlung an die EU-Kommission, die Richtlinie 2006/24/EG massiv zu überarbeiten bzw. VDS grundsätzlich zu untersagen. Es ist unabhängig von dieser Empfehlung davon auszugehen, dass auf EU Ebene in den kommenden Jahren einige Veränderungen hinsichtlich VDS anstehen werden - auch mit Rücksicht auf das zu erwartende Urteil des EuGH zu einer Vorlage des irischen obersten Gerichts, welches nichts Geringeres zum Gegenstand hat als die Frage über die EU-Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2006/24/EG vor dem Hintergrund von Lissabon und der EU-Grundrechtecharta, welche den Schutz personenbezogener Daten als EU-Grundrecht etabliert hat. 

 

Insofern ist es auch in gewisser Weise unterhaltsam, dass Busemann/ Schünemann in Niedersachsen den Hannoveraner in sich durchgehen lassen und das BMJ letzte Woche nachgelegt hat. Diese "Versuche" basieren nach wie vor auf der "alten" unklaren EU-Rechtslage und werden ganz sicher nicht umsetzen können, was auf EU-Ebene noch nicht absehbar ist. 

 

Schade. 

Fred

0

Wohl nicht "ausschließlich", sondern "insbesondere": Zitat aus der Gesetzesbegründung: "Zusätzlich soll im Internetzugangsbereich eine eng befristete Speicherung von Verkehrsdaten zu dem Zweck erfolgen, auf Grundlage des neuen § 100k StPO-E Bestandsdatenauskünfte insbesondere zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zu den Strafverfolgungsbehörden bereits bekannten Internetprotokoll-Adressen zu ermöglichen. ..."

Insofern haben Sie vollkommen recht - eine  Ausschließlichkeit  ist in der Vorschrift nicht vorgesehen.

Den Wert einer Gesetzesbegründung kann man leider(!) aber am 100h und der Heranziehung für Blitzerfotos gut ablesen.

0

Kommentar hinzufügen