Pauschale Abgeltung von Überstunden unzulässig - auch bei angestellten Rechtsanwälten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.06.2011

Im vergangenen Jahr hat das BAG entschieden, dass die AGB-Klausel „erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügt, wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt (BAG, Urt. vom 01.09.2010 - 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575). Der Arbeitgeber müsse daher alle Überstunden gesondert vergüten; hinsichtlich der Höhe gelte § 612 BGB (= das Übliche).

Auch angestellte Rechtsanwälte sind normale Arbeitnehmer

Dies nimmt nach Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (vom 17.06.2011) eine auf das Arbeitsrecht spezialisierte Berliner Anwaltskanzlei nun zum Anlass, angestellte Rechtsanwälte in Großkanzleien aufzufordern, ihre Überstundenvergütungen einzuklagen. Man ist sich zwar wohl bewusst, dass dies während des bestehenden Arbeitsverhältnisses kaum auf Resonanz stoßen wird. Anwälte aber, die beim branchenüblichen "up or out" nicht innerhalb weniger Jahre den Aufstieg geschafft haben und die Kanzlei verlassen (müssen), könnten durchaus als geeignete Kläger und damit Mandanten der besagten Berliner Kanzlei in Betracht kommen. Unter Umständen könnten mehrere 100.000 Euro nachgefordert werden.

Bei einer 60-Stunden-Woche können in drei Jahren sechsstellige Beträge auflaufen

Der Nachweis der tatsächlich geleisteten Stunden dürfte - anders als bei vielen anderen Arbeitnehmern - relativ leicht fallen, weil in Großkanzleien üblicherweise Time Sheets geführt werden, auf denen der Anwalt in kurzen Takten (6 oder 10 Minuten) notieren muss, womit er beschäftigt gewesen ist. Sollten die Arbeitsgerichte tatsächlich zu der Überzeugung gelangen, dass das vereinbarte Grundgehalt nur für eine "reguläre" Arbeitswoche von 40 oder gar 38,5 Stunden geschuldet ist, könnten bis zur Verjährungsgrenze von drei Jahren tatsächlich erhebliche Nachzahlungsansprüche auflaufen - 60 Stunden wöchentliche Arbeitszeit sind in Großkanzleien nämlich durchaus nicht unüblich.

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5 Kommentare

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Von der arbeitsrechtlichen Seite mal abgesehen, dürfte das Vorgehen dieser Berliner Kanzlei jedenfalls auch nicht unproblematisch sein, um nicht zu sagen unzulässig, weil dies Werbung darstellt, die auf eine konkrete Auftragserteilung gerichtet ist (§ 43b BRAO).

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Da sich die Werbung nicht an einen bestimmten Associate richtet, greift das Verbot der auf Erteilung eines konkreten Einzelmandats gerichteten Werbung nicht (es wird ja zumindest wie ich den Beitrag verstehe kein konkreter Associate angesprochen, sondern einfach "alle"). Ansonsten dürfte kein Anwalt eine Homepage mit (zulässiger) Werbung unterhalten, auf der er z.B. einen bestimmten Interessentenkreis anspricht (Hilfe bei Abmahnungen, Kauf von "Schrottimmobilien" und was sonst noch so gerade  in ist). Was wettbewerbsrechtlich und werberechtlich kritisch sein könnte, ist die angedeutete "Aufforderung" zu klagen.

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Das halte ich für unzutreffend. Das Werbeverbot greift schon dann, wenn "ein bestimmter Kreis von Verbrauchern in einer konkreten Angelegenheit der Beratung oder Vertretung bedarf und der Anwalt dies weiß und zum Anlass seiner Werbung nimmt." Die Werbung muss sich dagegen nicht an einen bestimmten, namentlich benannten Associate richten.

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@ #1 bis 3: In dem Bericht der FAZ heißt es, die in den Großkanzleien beschäftigten Rechtsanwälte seien "persönlich angeschrieben" worden, also offenbar zwar mit Serienbrief, aber individuellem Namen.

In der Tat ist es so, dass die Schreiben persönlich adressiert sind (und zwar an den Arbeitsplatz...) und die Anrede lautet "Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt xyz".

 

Spätestens beim Schlussatz "Selbstverständlich helfen wir Ihnen als kompetenter arbeitsrechtlicher Partner an Ihrer Seite bei der bundesweiten Durchsetzung Ihrer berechtigten Ansprüche unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Großkanzlei gegenüber und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme unter der o.g. Anschrift." wird das Ding endgültig zur Werben um das Erteilen eines konkreten Einzelmandats.

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