Beendigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.06.2011

Für die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer benötigt der Arbeitgeber nach § 85 SGB IX die vorherige Zustimmung des Integrationsamts. Dasselbe gilt nach der oft übersehenen Vorschrift des § 92 SGB IX für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis im Falle einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung, also namentlich aufgrund einer entsprechenden auflösenden Bedingung, erfolgt.

Klagefrist beginnt nicht, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis von der Schwerbehinderung das Integrationsamt nicht eingeschaltet hat

Jedoch muss der Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit einer auflösenden Bedingung geltend machen will, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Bedingung Klage beim Arbeitsgericht erheben, § 21 i.V. mit § 17 Satz 1 TzBfG.

In einem jetzt veröffentlichten Urteil (vom 07.02.2011 - 7 AZR 221/10) hatte der Siebte Senat des BAG über die Frage zu entscheiden, ob diese Frist auch dann läuft, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamts nicht beantragt hat. Bei Kündigungen ordnet § 4 Satz 4 KSchG an, dass die Frist erst dann zu laufen beginnt, wenn die behördliche Entscheidung dem Arbeitnehmer bekannt gegeben worden ist - also nie, wenn sie vom Arbeitgeber gar nicht beantragt wurde (BAG 13.02.2008 - 2 AZR 864/06, NZA 2008, 1055). Allerdings verweist § 17 TzBfG nur auf die §§ 5 bis 7 KSchG, nicht auf § 4 Satz 4 KSchG. Das hat das BAG aber nicht daran gehindert, diese Vorschrift bei auflösenden Bedingungen analog anzuwenden: Die Bestimmungen des TzBfG seien unbeabsichtigt lückenhaft. Im Bedingungskontrollrecht bestehe eine vergleichbare Interessenlage wie im Fall des Sonderkündigungsschutzes schwerbehinderter Arbeitnehmer. Und: "Sollte die Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2006 (- 7 AZR 662/05 - Rn. 19 ff., AP TzBfG § 21 Nr. 3) anders zu verstehen sein, hält der Senat daran nicht fest."

Siebter Senat korrigiert zum wiederholten Male seine bisherige Rechtsprechung

Damit distanziert sich der Siebte Senat unter seinem neuen Vorsitzenden zum wiederholten Male von seiner bisherigen Judikatur.

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