Strauss-Kahn und Kachelmann, New York City und Mannheim - unbequeme Vergleiche?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 02.07.2011

Als Dominique Strauss-Kahn (DSK) vor einigen Wochen verhaftet wurde, hieß es insbesondere von denjenigen, die zuvor den Freispruch Jörg Kachelmanns bedauert hatten, die amerikanischen Aufklärer von Sexualdelikten, insbesondere die Spezialeinheit der New Yorker Polizei sei offenbar den deutschen Ermittlern überlegen, die es versäumt hätten rechtzeitig und in effektiver Weise Spuren zu sichern, um eine Aufklärung der Wahrheit im Fall Jörg Kachelmann (JK) zu ermöglichen.  Anders als bei JK stand für die meisten Medien schnell fest, dass DSK schuldig sei, das Zimmermädchen vergewaltigt zu haben (zuletzt noch der "Stern", ausführlich zitiert in einem lesenswerten Beitrag von Stefan Niggemeier).

Es gibt hierzulande viele Vorbehalte gegen den amerikanischen Strafprozess, insbesondere die, dass die Behörde in den USA nicht zur Objektivität verpflichtet sei, dass Prozesse wegen Wählbarkeit der Behördenführung zuweilen in Wahlkampf ausarteten, dass der "Deal" den Prozess zu stark bestimme. Nun macht der Fall DSK möglicherweise eine etwas andere Sichtweise möglich: Die US-Staatsanwaltschaften ermitteln eben nicht nur einseitig - weil sie nämlich durch die Struktur indirekt dazu gezwungen sind, viel härter zu "testen", ob die Beweislage tatsächlich ein Obsiegen im Jury-Prozess und gegen eine starke Verteidigung ermöglicht. Und sie müssen daher auch Einwände der Verteidigung prüfen. Wer nun genau die entscheidenden Fakten recherchiert hat, ist offen: Zeit-Online berichtet, es sei die Verteidigung von DSK gewesen, die Süddeutsche meint, dies sei die StA selbst gewesen. Jedenfalls werden in den USA ggf. auch Korrekturen der Sichtweise der Staatsanwaltschaft und Schwächen der Anklageposition lieber früher als später kommuniziert, so dass sie ggf. nicht erst in der Hauptverhandlung bekannt werden und dann erst recht eine krachende Niederlage verursachen.

Auch dem New Yorker Staatsanwalt Vance wird jetzt vorgeworfen, DSK zu schnell verhaftet zu haben und dessen Karriere beschädigt zu haben - Spiegel-Online tönt  "US-Justizdebakel". Aber immerhin hat diese Behörde nun eine gewisse Souveränität und Professionalität gezeigt, und dies wohl auch, weil das dortige System die rechtzeitige Aufdeckung solcher Probleme mit der Beweislage fördert.

Vor diesem Hintergrund wird die problematische Verfahrensweise der Mannheimer Staatsanwaltschaft im Fall JK vielleicht noch deutlicher - nicht nur hat sie gestützt auf unerschütterliches Vertrauen in eine zeitweise nachweislich lügende Anzeigenerstatterin  Ermittlungsergebnisse und Gutachten  einseitig interpretiert, sie hielt an ihrer Sicht bis zum Plädoyer fest, obwohl die Beweislage dies kaum noch gestattete.

Natürlich handelt es sich um zwei Einzelbeispiele, die keineswegs pars pro toto für das jeweilige System stehen dürften. Und da beide Prozesse noch nicht (rechtskräftig) beendet sind, sollte man mit abschließenden Bewertungen auch noch vorsichtig sein, vielleicht gibt es ja noch mehr "Wenden".

 Aber an einer generellen Überlegenheit des deutschen Strafprozesses könnte man schon zweifeln.

 

 

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125 Kommentare

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Der Satz "insbesondere die, dass die Behörde in den USA nicht zur Objektivität verpflichtet sei" ist sozusagen unvollständig, sie ist nämlich auch verpflichtet der Gegenseite ihre Erkenntnisse zu geben, in etwa analog der Akteneinsicht hier. Das ist ganz lustig erläutert durch Vinnies Verlobte in dem Film "Mein Vetter Winnie". Natürlich wird auch gerne geschummelt, dies wird in dem Film über den McMartin Prozess gezeigt, wo die Staatsanwaltschaft eine brisante Tatsache (nämlich dass die Hauptzeugin eine schwere Alkoholikerin ist) in einer "Zusammenfassung" versteckt.

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@Tilman,

Sie haben Recht, die US-Staatsanwaltschaften sind zur "discovery" verpflichtet, also dazu, der Verteidigung ihre Beweismittel offenzulegen. Der von mir zitierte häufige und generalisierte Vorwurf deutscher Strafjuristen gegen den US-Strafprozess lautet trotzdem, dort werde einseitig, nicht wie hierzulande "objektiv" ermittelt. Dass beides nicht völlig zutrifft (weder die Einseitigkeit der US-Justizbehörden, noch die "Objektivität" der deutschen Ermittler), sollte mein Beitrag thematisieren.

Zur Frage, wie und durch wen die "Schwächen" der Beweislage im fall DSK  aufgedeckt wurden, gibt dieser Bericht der New York Times Aufschluss.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Aus meiner Sicht sind die Fälle nicht unmittelbar vergleichbar und werden die Bearbeitungen beider Fälle keine Aushängeschilder für das jeweilige Rechtssystem sein. Das deutsche kann dabei noch ins Feld führen, dass es am einzelnen Gericht lag, während in den USA eher ein Systemmerkmal des Geschworenengerichts zum Tragen kommen könnte.

Warum wird mit dem Problem eines unglaubwürdigen Zeugen und seiner Aussage im Einzelnen falsch umgegangen, wo liegen die Unterschiede:
Im Fall Kachelmann widersprachen forensische Beweise dem bezeugten Tatgeschehen. Die Zeugin konnte keine Berichtigung vorbringen, die diesen Konflikt gänzlich zu lösen vermochte. So löste ihn das Gericht am Ende - unangebracht - selbst, indem es neben den Zweifelsgrundsatz für den Angeklagten einen Zweifelsgrundsatz für die unglaubwürdige Zeugin stellte und beide gegeneinander abwog. Im Ergebnis wurde dem Angeklagten damit ein fiktives, vom Gericht lediglich für denkbar befundenes Tatgeschehen zur Last gelegt, welches weder von den forensischen Beweisen getragen wurde, noch - in dieser Form - bezeugt worden war. Der Zweifelsgrundsatz verhindert zwar zuverlässig eine Verurteilung aufgrund eines solchen Konstrukts. Ebenso lässt es sich aber beliebig dazu verwenden, dem Angeklagten die positive Feststellung seiner Unschuld zu verwehren. Auch wenn das Recht diese Kategorien nicht kennt, bleibt er unter dem bloßen Zweifel seiner Schuld sozial belastet.
Während die Mannheimer Richter sich um eine mit Nebenklage und Staatsanwaltschaft milde, jedoch unglückliche Differenzierung bemühten, würde die Jury im Fall DSK vermutlich ausdrücklich auf die Möglichkeit des "false in one, false in all"-Prinzips hingewiesen. Und das obwohl die Aussage derzeit in ihrem Kern nicht wesentlich angegriffen ist und zumindest vereinbare forensische Beweise vorliegen. Das pauschale Untergraben "der Glaubwürdigkeit" einer Person zielt, wie der Spiegel bemerkt, gerade auf die psychologischen Aspekte des Geschworenenprozesses ab und sollte bei der Würdigung des Tatvorwurfes mit einer gewissen Skepsis aufgefasst werden. Dass eine Biografie wie die N. Diallos unter den inzwischen bekannten Aspekten - dem Erschleichen von Aufenthaltstitel und Sozialleistungen, Kontakte in die Kleinkriminalität - angreifbar ist, ist kaum verwunderlich. Umso erstaunlicher hingegen, dass alles, was man aus einem in schwer übersetzbarem Dialekt, deshalb möglicherweise im Glauben der Vertraulichkeit geführten Telefonat als kompromittierend isolieren konnte, ein recht unspezifischer Satz über das Vermögen des Strauss-Kahn und eigene Zuversicht ist. Dass das mutmaßliche Opfer Schilderungen seines Verhaltens nach der Tat variiert oder in Vernehmungen unbesonnen reagiert, sehe ich ebenfalls nicht auf einer Ebene mit der mehrmonatigen Vorbereitung der Beschuldigung im Fall Kachelmann.

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Wenn es sich beweisen lassen sollte, dass die Anzeigeerstatterin gegen DSK tief ins kriminelle Milieu eingebunden ist und dass sie kaum zwei Tag nach dem Tatgeschehen einem Freund so etwas wie "Mach Dir keine Sorgen, der Typ hat Geld wie Heu, ich weiß was ich tue" gesagt hat, dann sehe ich nicht, wie man die beiden Fälle miteinander vergleichen kann. Etwas auch nur annähernd Ähnliches ist von der Mannheimer Nebenklägerin nicht überliefert.

 

Ich sehe auch nicht, wie man der StA Mannhein vorwerfen kann, "einseitig ermittelt" zu haben  -  soweit ersichtlich erhebt niemand den Vorwurf gegen die StA Mannheim, bestimmte entlastende Ermittlungen unterlassen zu haben, sonders es geht allein um die Würdigung der Ermittlungsergebnisse.

 

Soweit aus der Presse (die das meiste auch bestenfalls vom Hörensagen weiß) zu entnehmen war, trifft es im Übrigen auch nicht zu, dass in Mannheim "forensische Beweise dem bezeugten Tatgeschehen widersprachen"  -  sie belegten es halt nicht.

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Die Staatsanwaltschaft hat den Verlauf bewusst falsch dargestellt.

Nämlich "Erst essen dann Sex".

http://stscherer.wordpress.com/2011/05/24/fall-kachelmann-stand-heute-re...

Die Pflichtverteidigerin des Angeklagten, Frau Rechtsanwältin Andrea Combé, zitierte nun das Chatprotokoll folgendermaßen:

„Essen auf jeden Fall – ich habe schon vorgekocht“, schreibt sie.

„Vielleicht später“, antwortet Er.

Sie darauf als Antwort: „Genau“

Das widerspreche ihrer Aussage, das Essen sei vor dem Sex gekommen, interpretierte Combé.

 

Entgegen den ersten Behauptungen der Staatsanwaltschaft waren auf dem Messer keine DNS-Spuren Kachelmanns.

Zumindest die Öffentlichkeit wurde von der Staatsanwaltschaft belogen.

 

 

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Die Vergleichbarkeit beider Fälle erkenne ich im Versuch, sich ob der Beschuldigungen bzgl. sexualisierter Gewalt, mit Behauptung der Unglaubwürdigkeit des Opfers zu verteidigen.  Hierzu werden dann klassische Vergewaltigungsmythen bedient. Wäre es in solchen Fällen, wo doch der Sex auch vom Beschuldigten nicht bestritten wird, der Beschuldigte jedoch Einvernehmlichkeit behauptet, nicht angebracht, auch an der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten zu zweifeln? Ich sehe davon hier recht wenig. Wenn aber die Behautptung des Beschuldigten (!) über Einvernehmlichkeit bzgl. der sexuellen Handlung zur Schwächung der Anklage führt, bestimmt die jeweilige Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen das Verfahren. Einvernehmlichkeit kann aber schon allein deshalb nicht angenommen werden, da die beteiligte Frau eine versuchte Vergewaltigung angezeigt hat. Da nun aber - wie schon im Fall Kachelmann - das fehlende Einverständnis des Opfers von der Verteidigung des Beschuldigten durch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers ersetzt werden soll, bereitet mir erhebliche Bauchschmerzen. Das fehlende Einverständnis seitens des Opfers nachweisen zu müssen, endet für mich in einer Umkehr der Beweislast. Wie soll ein Opfer einer Vergewaltigung überhaupt glaubwürdig sein, wenn Einvernehmlichkeit behauptet wird, es selbst am Medienpranger steht und als Lügnerin ausgestellt wird,  obwohl eine sexuelle Handlung stattgefunden hat? Da hilft doch nicht einmal ein makelloser Lebenslauf. Selbst eine jungfräuliche Klosterschülerin ist gegen die Behauptung der Falschbeschuldigung bzgl. der Gewalthandlung gegen die Behauptung der Einvernehmlichkeit hilflos.

Mich interessiert also ganz konkret, was als Beweis überhaupt akzeptiert wird und wie ein Lebenslauf einer Frau auszusehen hat, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigt, damit ihr dann auch geglaubt wird. Dass der Sex - wenn die Beweise zu erdrückend sind, weil tatsächlich welcher stattgefunden hat- vom Beschuldigten als einvernehmlich dargestellt wird, ist ja nun nicht untypisch. Aber wie kann eine Frau überhaupt beweisen, dass der Sex nicht einvernehmlich stattgefunden hat? Und warum muß sie das?

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@Richard: Neben den teilweise gravierenden Unterschiede der Fälle liegt eine Vergleichbarkeit darin, dass in beiden Fällen objektive Beweise nicht (ausreichend) vorhanden sind und es letztlich auf den Zeugenbeweis ankommt.

@Anonyma:

Wäre es in solchen Fällen, wo doch der Sex auch vom Beschuldigten nicht bestritten wird, der Beschuldigte jedoch Einvernehmlichkeit behauptet, nicht angebracht, auch an der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten zu zweifeln? Ich sehe davon hier recht wenig.

Es wurde in beiden Fällen an der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten gezweifelt: Immerhin waren beide Beschuldigte trotz Bestreitens aufgrund der Anzeigeerstattung in Haft, der eine länger, der andere kürzer.

Einvernehmlichkeit kann aber schon allein deshalb nicht angenommen werden, da die beteiligte Frau eine versuchte Vergewaltigung angezeigt hat.

Diese Schlussfolgerung trifft wohl nicht zu, denn es ist (in beiden Fällen) durchaus denkbar, dass  nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr aus bestimmten Motiven (Rache wegen "Betrug" bei JK, Bereicherungsmotiv bei DSK) eine Anzeige erstattet wurde. 

Da hilft doch nicht einmal ein makelloser Lebenslauf. Selbst eine jungfräuliche Klosterschülerin ist gegen die Behauptung der Falschbeschuldigung bzgl. der Gewalthandlung gegen die Behauptung der Einvernehmlichkeit hilflos.

Das ist nicht richtig; in beiden Fällen hat - bevor  Lügen der jew. Zeugin aufgedeckt wurden, die maßgebliche Strafverfolgungsbehörde der Zeugin Glauben geschenkt (im Fall JK auch noch danach). In beiden Fällen werden, soweit ich das sehe, die Anzeigeerstatterinnen nicht nur "als Lügnerin ausgestellt", sondern sie haben tatsächlich in Teilen gelogen.

Mich interessiert also ganz konkret, was als Beweis überhaupt akzeptiert wird und wie ein Lebenslauf einer Frau auszusehen hat, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigt, damit ihr dann auch geglaubt wird.

Dies kann sicher nicht pauschal beantwortet werden, aber in beiden Fällen hat gar nicht der Lebenslauf der Frauen den Ausschlag gegeben, sondern die Tatsache, dass sie die Vertreter der Strafverfolgungsbehörden, bei der sie Anzeige erstattet haben, belogen haben.

Aber wie kann eine Frau überhaupt beweisen, dass der Sex nicht einvernehmlich stattgefunden hat?

Es ist in der Tat die Schwierigkeit, die sich beim Delikt Vergewaltigung häufiger stellt, als bei anderen Delikten, weil es meist keine weiteren Zeugen gibt und daher hinsichtlich der Einvernehmlichkeit oft Aussage gegen Aussage steht. Dennoch gibt es Verurteilungen aufgrund einzelner Zeugenaussagen, die glaubhaft sind und deshalb das Gericht/die Jury überzeugen. Ein Zeugenbeweis wird aber viel schwieriger, wenn die Frau sich entschließt, die Strafverfolger zu belügen, denn dann hat sie sich selbst als Beweismittel regelmäßig entscheidend geschwächt. Selbst wenn die Justiz bzw. die Öffentlichkeit bzw. eine Jury ihr sonst geglaubt hätte, führt eine solche Lüge sehr häufig zu der Situation, wie sie jetzt sowohl bei JK als auch bei DSK eingetreten ist: Da man die Frau nicht (mehr) für glaubwürdig bzw. ihre Aussage nicht mehr für glaubhaft hält, kommt es zur Anwendung des Zweifelsgrundsatzes.

 Und warum muß sie das?

Nicht sie muss den Beweis führen, sondern der Staat, der den Beschuldigten verurteilen will. In Strafsachen liegt die Beweislast aus guten Gründen so, dass ein bloßer Verdacht nicht ausreicht zur Verurteilung. Mit einem lügenden Tatzeugen allein lässt sich aber regelmäßig kein Beweis mehr führen (weder vor einem Profi-Gericht noch vor einer Geschworenenjury).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

 

 

Werter Prof. Müller,

in U-Haft, bzw. Arrest waren beide wegen der bescheinigten Fluchtgefahr und nicht weil man an deren Glaubwürdigkeit gezweifelt wurde. Es schien erwartbar, dass sich die solventen Beschuldigten auf Grund der Schwere der Vorwürfe einem ordentlichen Verfahren entziehen.

Und bitte, Einvernehmlichkeit kann schon allein deshalb nicht angenommen werden, weil Zimmermädchen keine Prostituierten sind und der Mann verheiratet ist und ein Gast des Hotels, in dem das Opfer als Zimmermädchen (!) beschäftigt war. Die Umstände, aus denen Einvernehmlichkeit angenommen werden kann, mögen Sie mir bitte erklären. Bitte beachten Sie, dass sexuelle Handlungen auch vom Beschuldigten nicht bestritten werden. Unter welchen Bedingungen ist in diesem Gast-Angestellten-Verhältnis von Einvernehmlichkeit auszugehen? Ich bitte um eine Erklärung, was Sie konkret veranlaßt, es für "durchaus denkbar" zu halten, "dass  nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr aus bestimmten Motiven (Rache wegen "Betrug" bei JK, Bereicherungsmotiv bei DSK) eine Anzeige erstattet wurde", also das Einverständnis des Opfers vorgelegen haben soll.

Ich finde die Frage sehr spannend, warum in Vergewaltigungsverfahren neuerdings der Lebenslauf des Opfers zum Gegenstand der Verhandlung wird. Das ist doch eine interessante Entwicklung. Immerhin fallen damit viele Frauen (und auch Männer) schon mal als glaubwürdige Zeugen aus und  Gerichte sind kaum mehr in der Lage, die Peiniger auch bei angenommener Schuld bestrafen zu können. Die Bestrafung einer Vergewaltigung wird zur Frage nach dem Lebenslauf des Opfers und es entscheiden die Möglichkeiten der Verteidigung, Widersprüche darin aufzudecken. Allerdings werden Frauen häufiger vergewaltigt als Männer und gelangen somit eher in die Möglichkeit, gelogen zu haben (und sei es nur auf einem Asylantrag). Asylantinnen sind praktisch Freiwild, die Wahrscheinlichkeit, dass nachweislich auf dem Asylantrag gelogen wurde, ist recht hoch.

Das ist eine neue Qualität des sittlichen Bewußtseins sowie in Strafverfahren: Opfer und Beschuldigter machen widersprüchliche Aussagen zum Tathergang, aber dem Opfer glaubt man nicht! Begründung: Es sind keine weiteren Zeugen vorhanden und das Opfer (!) sei als Zeugin nicht glaubwürdig. Damit ist die Strafbarkeit von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt bis auf einzelne und wenige Ausnahmen reduziert, zBsp. wenn ein in einem anderen Verfahren verurteilter Vergewaltiger eine minderjährige Jungfrau mit tadellosem Lebenslauf und unbescholtenem Ruf (zBsp. als Klosterschülerin) nachts aus einem Gebüsch springend, vor Zeugen vergewaltigt oder sie mindestens so brutal zusammenschlägt, dass kein Gutachter mehr behaupten kann, sie hätte sich die Veletzungen auch selbst zufügen können. Bestenfalls kümmert sich - wie bei Kachelmann - das Gericht selbst darum, den Lebenslauf der Zeugin und derem Glaubwürdigkeit eingehend zu prüfen. Für den Beschuldigten gilt das Recht, die Aussage  zu verweigern und die Unschuldsvermutung. Gegen das Opfer wird Oder aber wenn der Täter so arm ist, dass er sich weder die Ausforschung der Zeugin noch die Information/Manipulation der Medien leisten kann.  In allen anderen Fällen wird bei Behauptung der Einvernehmlichkeit die stattgefundene sexuelle Handlungen zum "bloßen Verdacht" heruntergebrochen und der reicht dann weder für Verurteilung noch Untersuchungshaft.

Was, werter Prof. Dr. Müller, veranlaßt Sie anzunehmen, das Einverständnis der Frau zur sexuellen Handlung lag vor, so dass eben nicht von einer erzwungenen sexuellen Handlung auszugehen ist? Wie sehen ihre Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten denn konkret aus?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Einvernehmlichkeit nicht vorgelegen haben kann, da es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben eines Zimmermädchens gehört, solventen Hotelgästen kurz vor deren Abreise sexuell gefällig zu sein und sich dabei mit Sperma bekleckern zu lassen.  Auch ist mir unklar, warum der Beschuldigte sich darauf eingelassen hat. Der maßgebliche Unterschied zum Fall Kachelmann ergibt sich für mich daraus, dass es zwischen dem Beschuldigten und dem Opfer keine Beziehung der sexuellen Art gab, sondern ein Angestelltenverhältnis.  Die Idee, dass es zwischen einem Hotelgast und einer Angestellten überhaupt zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen während der Zimmerreinigung kommen kann, hängt wohl sicher nicht von der Glaubwürdigkeit des Opfers ab, sondern vielmehr davon, für wie wahrscheinlich man es hält, dass es dazu kommt.

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Beide Verfahren belegen anschaulich auch für den Nichtjuristen, dass es im Leben wichtige Events gibt, welche von den Justiz nicht zu packen sind.

Die Justiz hat formal nach der Verfassung das letzte Wort. De facto ist das aber nicht immer möglich. Neben der Justiz gibt es andere Gewalten für das letzte Wort.

Egal wie die Entscheidungen im Fall Jörg Kachelmann (JK) und  Dominique Strauss-Kahn (DSK) endgültig fallen werden, die Wahrheit wird es nicht sein.

Das Versagen der Justiz an sich als dritte Gewalt ist schon für jedermann offensichtlich.

Das ist das Positive an den beiden Prozessen.

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Tja, Herr Schälike, die dritte Gewalt ist eigentlich (für den Bürger)  die ERSTE Gewalt, die ihn regiert. Das fängt an, wenn er beim Brötchenholen bei 'rot' über die Ampel läuft und hört auf, wenn er allabendlich (in Zimmerlautstärke??) beim Fußballgucken auf der Couch sitzt.

 

Regelverstöße werden von Polizei aufgenommen, wenn's denn sein muß, wird sofortige Abhilfe geschaffen, der StA klagt an und wenn er (der Bürger) was falsch gemacht hat, der Richter wird ein Urteil (im Namen des Volkes) sprechen. Punkt.

 

Wenn mir einer die Türe eintritt, das TV schnappt und die Straße runterflüchtet, wen rufe ich dann an. Frau Merkel?  WER regiert das Volk?

 

"Lausemädchen" darf man nicht vergewaltigen. Eine geldwaschende afrikanische Asylantin? Auch nicht! Aussage gegen Aussage ! Schwierige Fälle.

 

In Mannheim wird das mit dem 'Recht-des-Stärkeren' geregelt, wobei eben klar ist, dass man die Unschuldsvermutung mal einfach 'links' liegen lassen kann - weil man sich ja doch nie und nirgends, im Falle einer Fehlentscheidung, verantworten muss. Hier liegt der Hase im Pfeffer.

 

Ein TV-Auslandskorrespondent brachte es auf den Punkt: "In den USA geht es erstmal um das Gesetz. Der Staatsanwalt wird gewählt. Er möchte wiedergewählt werden". Eine "malicious prosecution" würde seine Karriere zum 'standstil' bringen. Für immer.

 

Wäre nur MEIN Fall in den USA passiert........ (meinen Namen googeln).

 

  

 

 

 

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@Rolf Schälike

Beide Verfahren belegen anschaulich auch für den Nichtjuristen, dass es im Leben wichtige Events gibt, welche von den Justiz nicht zu packen sind.Egal wie die Entscheidungen im Fall Jörg Kachelmann (JK) und  Dominique Strauss-Kahn (DSK) endgültig fallen werden, die Wahrheit wird es nicht sein.

Das trifft sicherlch zu: Die Wahrheit ist offenbar nicht gerichtlich aufklärbar. In Fällen eines non liquet zur Tatsachenfrage sieht das Gesetz dann Beweislastentscheidungen vor, die aber regelmäßig nicht mehr "die Wahrheit" treffen, weil diese eben nicht aufklärbar war.

 Das Versagen der Justiz an sich als dritte Gewalt ist schon für jedermann offensichtlich.

Ich sehe darin kein Versagen. Versagen ist es, wenn die Justiz falsche Entscheidungen trifft, also solche, die entweder der Tatsachenlage oder dem Recht nicht entsprechen. Auch das kommt vor, aber gerade die Fälle, in denen die Wahrheit nicht aufklärbar ist, und dann in dubio pro reo-Entscheidungen fallen, gehören nicht dazu.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

@Anonyma

Was, werter Prof. Dr. Müller, veranlaßt Sie anzunehmen, das Einverständnis der Frau zur sexuellen Handlung lag vor, so dass eben nicht von einer erzwungenen sexuellen Handlung auszugehen ist? Wie sehen ihre Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschuldigten denn konkret aus?

Ich nehme das gar nicht an. Ich weiß  gar nicht (im Gegensatz zu Ihnen?), wie sich die Fälle tatsächlich abgespielt haben. Ich halte in beiden Fällen mehrere Versionen für "denkbar", nicht mehr. Da die Beweislast im Strafrecht beim Staat liegt, kommt es darauf an, dass man der Zeugin positiv glaubt. In beiden Fällen hat aber die Anzeigeerstatterin die Strafverfolgungsbehörden nachweislich belogen. Dabei ist aus meiner Sicht im New Yorker Fall nicht die Schummelei beim Asylverfahren oder der "Lebenslauf" entscheidend, sondern die konkreten Lügen zum Ablauf der Tat (gilt auch im Fall JK) der aktuelle Kontakt zu einem Drogendealer und Geldwäsche auf ihrem Konto. Auf meine Zweifel kommt es dabei aber auch gar nicht an, da ich weder in Mannheim noch in New York entscheiden muss, sondern allein darauf, ob für Gericht / Jury eine Aussage noch glaubhaft ist bzw. wäre. Das ist in beiden Fällen  derzeit wohl nicht gegeben.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Einvernehmlichkeit nicht vorgelegen haben kann, da es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben eines Zimmermädchens gehört, solventen Hotelgästen kurz vor deren Abreise sexuell gefällig zu sein...

Ich kenne mich in New Yorker Luxushotels nicht so gut aus wie Sie. Deshalb weiß ich auch nicht, ob möglicherweise Zimmermädchen sexuelle Angebote an Gäste machen. Ich halte dies aber nicht für völlig ausgeschlossen. Einvernehmlicher Sex kommt in unserer Welt immer wieder vor, selbst wenn es verboten ist oder nicht zu den "Aufgaben" der Beteiligten gehört. Offenbar wird dies auch in New York nunmehr zumindest als denkbar angesehen, so dass die Staatsanwaltschaft daran zweifelt, ob die Darstellung der Anzeigeerstatterin noch "juryfest" ist. Aber nach wie vor halte ich auch eine (versuchte) Vergewaltigung für denkbar. Sie lässt sich derzeit aber mit der Aussage der Anzeigeerstatterin wohl nicht mehr "beyond reasonable doubt" beweisen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@ Herr Prof. Dr. Müller,

sollten die Strafverfolgungsbehörden auch die Lottozahlen der nächsten Ziehung erfragen, wird keine Zeugin mehr umhin kommen, nachweislich zu lügen - jedenfalls in der Rückschau. Ob darum aber nun die Vergewaltigungen zurückgehen oder nur die Verurteilungsquote, darüber ließe sich sicher streiten. Heute ist es aber so, dass eine Frau, die eine Vergewaltigung anzeigt oder sexuelle Nötigung, sich gleichzeitig gegen den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit verteidigen muß und sich auf den Vorwurf einstellen sollte, eine potentielle rachsüchtige Lügnerin zu sein, denn es geht das Märchen um, die Häufigkeit falscher Beschuldigungen bei Vergewaltigungen  liege bei mind. 40 %-80 %. Um also die Unglaubwürdigkeit des Opfers zu verkünden, wenn es denn auch die einzige Zeugin ist, die entgegen der Behauptung des Beschuldigten eine Vergewaltigung anzeigt, braucht es dann nur noch die nicht makellose Biografie oder mehrfache, intensive Befragungen. Bei einer Vergewaltigung sorgt das Trauma schon für Widersprüche. Damit steht dann die schäbigste aller Verteidigungsstrategien. Was dann als Beleg für die Unglaubwürdigkeit des Opfers als Zeugin hergenommen wird, ist variabel und ziemlich egal, die Methode zur Entlastung des Beschuldigten ist als Vergewaltigungsmythos bekannt: Unglaubwürdiges Opfers->Freispruch des Täters. Das unbescholtene, lupenreine, perfekte Opfer einer Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt gibt es nicht. Die Aussage einer Frau, vergewaltigt worden zu sein oder einen solchen Versuch erlebt zu haben, ist in einer Gesellschaft, in der die mögliche Lüge zur Vergewaltigungsanzeige chronisch präsent ist, ist keine einzige Anzeige mehr frei von Zweifeln. Diese Zweifel ergeben sich aber nicht aus dem Verfahren, sondern aus der angezeigten Tat und der Geschlechtszugehörigkeit von Anzeigenstellerin und Beklagtem. Dabei sich darauf zurückzuziehen, nicht zu wissen, was passiert ist, entwertet die Aussage des Opfers als Zeugin, die ja dann doch zu berücksichtigen sein wird und gerade im Fall Strauss-Kahn auch von tatsächlichen Spuren sexueller Handlungen gestützt wird. Dass Sex stattgefunden hat wird auch vom Beschuldigten nicht bestritten. Schlußendlich ist also bekannt, was passiert ist: Die beiden hatten Sex. Strauss-Kahn behauptet, dieser hätte einvernehmlich stattgefunden, die Anzeigenerstatterin, gibt an, eine Vergewaltigung erlebt zu haben. Nachvollziehbare Hinweise, von Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen auszugehen, kann ich bisher nicht erkennen. Und selbst wenn es in einem New Yorker Luxushotel Usus ist, dass Zimmermädchen den Gästen auch sexuell Dienstleistungen anbieten (was ich für ziemlich verwegen halte) so ließe sich daraus noch nicht schlußfolgern, dass es in diesem Fall auch so war. Aber Sie haben bereits klargestellt, dass wir beide nicht wissen können, was tatsächlich passiert ist. Allerdings halte ich die Beteuerungen des Beschuldigten nicht für einen Beleg seiner Glaubwürdigkeit. 

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"Das Versagen der Justiz an sich als dritte Gewalt ist schon für jedermann offensichtlich."

 

Ich meine damit, dass die Grundlage eines Rechtstaates mit der Gewaltenteilung nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

 

Das zeigen populär die Fälle JK und  DSK. Die Gerichte sind grundsätzlich nicht in der Lage die Wahrheit zu ergründen. Egal, welches Urteil gefällt wird, die Wahrheit kennen nur die Beteiligten.

 

Auch wenn die Beteiligten ihre Kenntnisse dem Gericht wahr darlegen - was gefährlich wäre -, kann es durchaus sein, dass deren Wahrnehmung der Ereignissen sehr unterschiedlich gewesen war. Die Richter entscheiden nach Paragraphen. Das Leben lässt sich nicht in Paragraphen zwängen.

 

Diese Erkenntnis ist das positive Ergebnis der JK- und  DSK-Prozesse.

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Sehr geehrter Herr Schälike,

ich halte Ihre Justizkritik durchaus in einigen Aspekten für berechtigt, aber hier? Was haben denn die Fälle JK und DSK mit Gewaltenteilung zu tun? Könnte denn Ihrer Ansicht nach ein anderer Staatsaufbau die Wahrheit in solchen Fällen besser ergründen? Wie sähe ein solcher Staat aus? Mir fällt nur die Komplettüberwachung aller öffentlichen und privaten Räume mit Video ein. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie dies vorschlagen wollen. Oder sollte man in solchen Fällen gar keine Ermittlungen anstellen? Oder einfach die Mehrheit darüber entscheiden lassen? Bitte nicht als Ironie verstehen, ich bin wirklich interessiert daran, was Sie meinen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Eine schlüssige Antwort habe ich nicht.  Dafür bedarf es vieler und klügerer Köpfe.

 

Mein bescheidener Kopf sagt mir, diese Fälle gehörten erst gar nicht vor's Gericht. Wahrscheinlich hätten die Ermittlungen schnell eingestellt werden müssen, weil es Fälle sind, bei denen die Richter grundsätzlich keine Lösung finden können.

 

Mein "Fachgebiet" sind die Äußerungsprozesse. Da "weiß" ich, dass die meisten Fälle nicht vor's Gericht gehören. Das Argument, die Richter müssen alles annehmen, überzeugt mich nicht. Auch das BVerfG nicht alles an.

 

Ich persönlich mache den Schnittpunkt bei den s.g. schweren Persönlichkeitsrechtverletzungen, die zu einer Geldentschädigung führen. Die sollten möglicherweise verhandelt und damit zensiert werden. Vielleicht gibt es andere Kriterien.

 

Aber wie alles, sind das nur Denkanstöße. Insgesamt gesehen stimmt irgend etwas nicht in unserem Rechtstaat. Die Regel, dass das letzte entscheidende Wort die Gerichte haben, halte ich für diskussionswürdig.

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Eine Anwort bin ich Ihnen, Herr Müller noch schuldig. Sie fragen: "Oder einfach die Mehrheit darüber entscheiden lassen?"

 

Ich halte sehr viel von Mehrheitssentscheidungen, obwohl wir die negative, verheerende Erfahrung mit Hiltler haben, den die Mehrheit gewählt hat etc.

 

JK und DSK sind Privatfälle, da hat die Mehrheit nichts zu suchen. Das ist meine Meinung.

 

Allgemein sind Vorschläge und bessere Lösungen nicht von heute auf morgen realisierbar. Es geht um die Tendenz, um die Zukunft. Dazu gehört auch die Rolle der Mehrheit bei den einzelnen staatlichen Entscheidungen.  In diesem Zusamemnhang sehe ich auch die Rolle der s.g. Elite.  

 

 

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@RS: Hitler hatte nicht die Mehrheit sondern "nur" 30%. Zumindest bei den letzten freien Wahlen.

 

Allgemein:

Das Problem mit der Justiz, aber auch mit einigen anderen "Branchen", ist nicht einzugestehen dass Missbräuche leicht dort statt finden, wo Macht verfügbar ist - also z.B. auch bei Staatsanwaltschaften und Polizei. Aber es findet keine Aufarbeitung statt, im Sinne von "Sowas darf uns nicht wieder passieren". Mir ist auch nicht bekannt, dass ermittelt würde, wieso fälschlich durch Medien verbreitet wurde dass DNA-Spuren von JK am Messer gefunden wurden. (Gab es überhaupt jemals ein Dementi der Staatsanwaltschaft??)

 

Zu den USA:

Sowas wie "Menschenwürde" gibts dort nicht in der Verfassung. Ich habe mal vor Jahren danach gesucht und Amerikaner gefragt.

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@Tilman #17.

Hitler hatte die Unterstützung der Mehheit der Bevölkerung. Das ist wohl unstrittig.

 

30 % bei Wahlen können auch Mehrheit bedeuten. Darum ging es mir allerdings nicht.

 

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Jedes 3./4. Mädchen und jeder 7./8. Junge wird sexuell missbraucht  
 bei Mädchen und Jungen mit Behinderungen sind es schon mehr als die Hälfte
 ExpertInnen gehen davon aus, dass jährlich ca. 80.000 bis 300.000 Kinder in Deutschland sexuell missbraucht werden, ohne das alle Fälle strafrechtlich verfolgt werden
 " Die TäterInnen kommen zu über 90 % aus dem sozialen Nahbereich der Opfer! Dazu zählen: Väter, Stiefväter, Brüder, Lehrer, Pfarrer, Mütter, Onkel, Babysitter, Freunde der Großeltern, Großväter, Tanten, Trainer, Erzieherinnen, Therapeuten, Nachbarn, Ärzte ...  
 ca. 80-90 % der Täter sind männlich
 ca. 10-20 % der Täter sind weiblich
 Aus der Beratungspraxis ist bekannt, dass ein Kind bis zu 7 Personen ansprechen muss, bevor ihm geholfen wird.
 Ca. 1/3 aller Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen und Jungen werden vorwiegend von männlichen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren verübt
 TäterInnen haben in der Regel im Laufe ihres Lebens viele Opfer, die sie missbrauchen: 10, 20, 40, 100, 300 und mehr. Sehr häufig missbrauchen sie mehrere Kinder zeitgleich.  
 Die Taten haben in der Regel Wiederholungscharakter und erstrecken sich oft über Monate und Jahre.
 Nur 10 % aller angezeigten Fälle führen zu einer gerichtlichen Hauptverhandlung Davon wiederum enden nur ca. 10% mit einem Schuldspruch des Täters, der nur in weiteren 10 % in einer freiheitsentziehenden Maßnahme endet. Die übrigen 90 % werden mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe belegt.  
 3 von 4 Psychiatriepatientinnen und 9 von 10 Prostituierten wurden als Kind sexuell missbraucht.
    
Quelle und weitere Zahlen und Fakten: Hamburger Initiative gegen sexuelle Gewalt an Kindern

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Es ist ein Trauerspiel , dass anscheinend die Psyche der Opfer nie ein Beweis ist.

Es gibt so viele Sexualopfer, die in der Psychatrie landen, aber da sie nicht mehr in der Lage sind kongruente Aussagen zu machen, selber Schuld sind.

Opfer, die ein Leben lang leiden, werden meiner Meinung nach von der Politik und der Justiz

nicht für voll genommen. Hier müßte die Politik Gesetze nachbessern, dass die Justiz handeln kann.

Jede sexuelle Tat, egal ob bei Kindern oder Erwachsen gegen den Willen von Opfern ist Seelenmord !

Kaum eine Zeitung berichtete darüber, dass die Ehemalige von Kachelmann anscheinend arbeitsunfähig und in therapeutischer Behandlung ist. 

Ich finde es Menschen unwürdig, wenn Verteidiger auf ihren Internetseiten Werbung machen, dass die wenigsten Angezeigten verurteilt werden.

 

 

 

 

 

 

 

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@Enttäuscht

 

1) Sie haben das D-Wort vergessen.

2) Ich verstehe Sie so, dass ein Angeklagter aufgrund der Psyche des mutmasslichen Opfers verurteilt werden soll. Also ist die Dame schlecht drauf, dann ist das weil es auch eine Vergewaltigung gegeben hat. Eine, gelinde gesagt, innovative Theorie.

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An Anonyma: Was würden Sie einem unberechtigt der Vergewaltigung Beschuldigtem raten zu tun? Oder kann es einen zu Unrecht der Vergewaltigung Beschuldigten nach Ihrer Auffassung gar nicht geben? Nur in diesem Fall kann ich Ihren Ausführungen einen Sinn abgewinnen. Dass jemand behauptet Opfer einer Straftat zu sein, darf doch nicht zur Verurteilung des von dieser Behauptung Betroffenen führen, oder wollen Sie das?

 

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@ Anke Müller-Jacobsen

Ich kann nur jedem und jeder raten, der oder die Angst davor hat, zu Unrecht einer Straftat bezichtigt zu werden, dem deutschen Rechtswesen zu vertrauen. Das Strafrecht hat zuallerst eine Schutzfunktion, wenn es festlegt, wenn und womit jemand für was zu bestrafen ist. Wenn jemand also bei ihrem nächsten Einkauf mit dem Finger auf Sie zeigt und Sie eine Mörderin schimpft, werden Sie darum nicht im Knast landen. Zu fragen, ob jemand so etwas will, ist hochpeinliche Rabulistik. Die Maßstäbe der kriminalistischen Ermittlung sowie im Strafverfahren sind streng und ganz besonders bei Sexualstrafprozessen sehr genau und strenger als in anderen verfahren oder bei weiteren Zeugen, die nicht das Opfer selbst sind. Der Anteil, der falschen Anschuldigungen bei Vergewaltigung ist sowieso geringer als in anderen Deliktgruppen, die Verurteilungsquote bei einem Verfahren - wenn es überhaupt dazu kommt - auch. Wir reden bei Falschbeschuldigungen über bedauerliche Einzelfälle, aus denen keine grundsätzlichen Aussagen oder generalisierbaren Verhaltensmaßregeln abzuleiten sind. Warum ihr Fokus dabei auf Vergewaltigungen liegt, ist für mich nicht nachvollziehbar: Die Falschbeschuldigungsquote ist gering, die Verurteilungsquote ebenfalls, die Propaganda, grundsätzliche alle Beschuldigten für unschuldig zu halten und die Anzeigenstellering für eine "rachsüchtige Lügnerin", wirkt kräftig. Wenn etwas von Tag zu Tag und von Verfahren zu Verfahren unwahrscheinlicher wird, dann eben, dass jemand zu Unrecht der Vergewaltigung verurteilt wird. Viel wahrscheinlicher hingegen ist es, dass Vergewaltiger weder angezeigt, noch belangt werden und dann auch nicht einmal einsitzen müssen. Aber sollte ein Opfer einer Vergewaltigung dennoch eine Anzeige wagen, wird dieses höchstwahrschneinlich von einer Horde Frauenhasser selbst kriminalisiert und die typische Hexenjagd gegen die Anzeigenerstelling beginnt, wie wir es im Fall Kachelmann und bei Strauss-Kahn sehen können.

Und ja, aus einer moralischen Perspektive, beurteile ich die Funktion eines Rechtswesen danach, wie wahrscheinlich es ist, dass Opfer - auch zukünftige - durch Verfahren und Gesetze vor Straftaten und weiterem Schaden beschützt werden können, als die höchstunwahrscheinliche Möglichkeit zu bedenken, dass jemand zu Unrecht beschuldigt wird. Einer falscher Verdächtigung ist der zu Unrecht Beschuldigte auch nicht hilflos ausgeliefert, den Strafrahmen des § 164 StgB finde ich angemessen. Die Folgen aus einer falschen Beschuldigung für den Beschuldigten sind darum bei weitem nicht so tragisch als die Konsequenzen für das Opfer einer Straftat, das sich auf dem Rechtsweg nicht durchsetzen kann und dem auch sonst nicht geholfen wird und dem noch durch Medien und das soziale Umfeld weiterer Schaden entsteht. Ein zu Unrecht Beschuldigter ist der falschen Verdächtigung eben nicht hilflos ausgeliefert, so wie Sie es hier erfragen müssen. Was ich übrigens sehr traurig finde. Glauben Sie ernsthaft, es wäre möglich, dass jemand wegen einer bloßen Behauptung einer Straftat verurteilt wird - hier in Deutschland, im Jahre 2011. Und wer sollte das wollen und warum?

Mir darum Gedanken zu machen, was einem zu Unrecht Beschuldigtem zu raten ist, der dann wohl auch noch wegen einer Vergewaltigung verurteilt wird, ist ein Pseudoproblem. Darum kann sich jemand kümmern, wenn die Bestrafung von Vergewaltigern sichergestellt ist und die Opfer einer Vergewaltigung sich nicht im Strafverfahren gleichzeitig an den Medienpranger ausliefern.

Und nein, allein die Behauptung einer Straftat führt in keinem Rechtsstaat zur Verurteilung. Mit einer solchen Frage, diskreditieren Sie das gesamte, gut funktionierende System und das will auch niemand, am allerwenigsten ich. Es geht mir darum, dass auch weiblichen (!) Opfern von Vergewaltigungen durch Männer - auch prominenten Männern - dieses Rechtswesen entsprechend zu funktionieren hat und dazu leider derzeit nicht vollumfänglich in der Lage ist, da nachweislich Gerichte, Anwälte und andere Verfahrensbeteiligte wie Polizisten und Ermittler dem Märchen von der "erschreckenden Häufigkeit von Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigungen" erliegen und das Folgen zeitigt, die dazu führen, dass besonders den weiblichen Opfern von Vergewaltigungen im gesamten verfahren, von der Anzeigeerstattung bis zum Freispruch des Täters, besondere Skepsis entgegenkommt und keine Wiedergutmachung passiert, die Täter schlimmstenfalls "in dubio pro reo" verurteilt, von Frau Rückert in der ZEIT wenigstens moralisch freigesprochen werden müssen und bei prominenten Beschuldigten, diese nicht nur nicht belangt werden, von solidarischen Teilzeitempathen in dynamischer Fraternisierung ein schlimmer Schaden dem armen Mann an die Wange halluziniert wird, während die Anzeigenstellerin auch noch ein zweites mal durch die Hölle geht. 

Mich interessiert darum, was Sie wohl einer Frau raten, die schon vor einer Vergewaltigung weiß, dass bereits in den Polizeidienststellen der Großteil der Beamten sie für eine Lügnerin halten werden, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigt und die Möglichkeit, dass der Täter auch belangt wird, statistisch gesehen bei 13 % liegt, aber die Chance, dass Sie als "Lügnerin" und "Schlampe" samt Namen, Lebenslauf, sexuellen Präferenzen und Anschrift (einschließlich der ihrer Eltern) nicht nur dem Gericht bekannt wird, sondern auch der BILD, der ZEIT, dem STERN und SPIEGEL, sollte ihr Vergewaltiger prominent sein?

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@Tilman

Ihre Äüßerung : "Ich verstehe Sie so, dass ein Angeklagter aufgrund der Psyche des mutmasslichen Opfers verurteilt werden soll. Also ist die Dame schlecht drauf, dann ist das weil es auch eine Vergewaltigung gegeben hat. Eine, gelinde gesagt, innovative Theorie"

legt die Vermutung nahe, dass sie noch nie Kontakte zu Opfern sexueller Gewalt hatten oder als Besucher die mit Pschopharmaka ruhig gestellten vielen Opfer in der Psychatrie gesehen haben.

Lebenslange Trauma, Postraumatische Belastungsstörungen, schwerste Traumafolgen wie schizophrene Psychosen und / oder Selbstverletzungen ein ganzes Leben, multiple Personifizierung, totale Arbeitsunfähigkeit  oder Suizitversuche nach sexueller Gewalt sind die sichtbaren Folgen und viel schlimmer als eine sichbare Fleischwunde durch Täter.

Es ist ein Trauerspiel, dass die meisten Juristen sich nicht für solche schweren psychischen Schäden interessieren.

Nach geltendem Recht wird nach einem Gerichtsurteil ( inklusive Revison ) der Fall zu den Akten gelegt.

Es ist die Justiz noch nie auf die Idee gekommen , Fakten über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zu sammeln über die schweren psychischen Folgeerkrankungen von Opfern und dann erst abschließend zu urteilen.

Es ist unerträglich für weibliche Opfer zu hören, dass viele anzeigende Opfer angeblich lügen, um Männer zu schaden, nur weil Gerichte Taten nicht als erwiesen ansahen. 

 

Es wir zB. einfach behauptet, schwere Psychosen mit anschließenden immer wiederkommenden Krankenhausaufenthalten stehen in keinem Kausalzusammenhang zu sexuellen Taten.

 

Lesen sie die Fachliteratur, die etwas anderes zeigt:

 

1.) „Trauma and Hallucinatory Experience in Psychosis“
The Journal of Nervous and Mental Disease • Volume 193, Number 8, August 2005
Amy Hardy, BSc,* David Fowler, MSc,† Daniel Freeman, PhD,* Ben Smith, DClinPsy,‡
Craig Steel, PhD,‡ Jane Evans, BSc,‡ Philippa Garety, PhD,* Elizabeth Kuipers, PhD,*
Paul Bebbington, PhD,‡ and Graham Dunn, PhD

2.) „Environmental Factors in Schizophrenia: Childhood Trauma—A Critical Review“
Schizophrenia Bulletin vol. 33 no. 1 pp. 3–10, 2007
doi:10.1093/schbul/sbl053
Advance Access publication on November 14, 2006

3.) „Relation betweeen trauma an pschychosis – A review and intetegration“
Anthony Morrison et. Al
British Journal of clinical Pschochology / 2003 ) 42, 331 –353

4.) „Childhood trauma, psychosis and schizophrenia: a literature review with
theoretical and clinical implications“
Acta Psychiatr Scand 2005: 112: 330–350
All rights reserved
DOI: 10.1111/j.1600-0447.2005.00634.x

5.) HOW TO INCLUDE THE TRAUMA HISTORY
IN THE DIAGNOSIS AND TREATMENT
OF PSYCHIATRIC INPATIENTS
William M. Tucker, M.D.
Psychiatric Quarterly, Vol. 73, No. 2, Summer 2002 ( C 2002)

6.) Dümpelmann, M. (2002): Psychosen und affektive Störungen nach Traumatisierung.In: Böker, H.; Hell, D. (Hrsg.): Therapie der affektiven Störungen. Schattauer, Stuttgart, S. 66-90

7.) Larkin, W. & Morrison, A.P.(Eds.)(2007): Trauma and Psychosis: New Directions for Theory and Therapy, London (Routledge)

8.) Colin, Ross (2004). Schizophrenia: An Innovative Approach to Diagnosis and Treatment. Haworth Press.

9.) Moskowitz, Schäfer, Dorahy 2009, Psychosis, Trauma and Disssociation, Wiley Blackwell

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3

Und hier findet man eine Behauptung, dass bei 8 von 10 Fällen "Unfug" gemeldet wird:

 

"...ein britischer Polizeibeamter in seinem Blog unter dem Pseudonym Inspector Gadget. "Ich spreche von Tabuthemen. Die 'Aufdeckungsrate' von Vergewaltigungen gehört dazu. Es ist sehr frustrierend, dazusitzen und zuzuhören, wenn Experten über die niedrige Quote von Verurteilungen bei Vergewaltigungsverfahren sprechen, wenn wir alle wissen, was sich hinter diesen armseligen Zahlen verbirgt. Zum Beispiel könnte ich Sie nicht darüber informieren, dass von zehn Vergewaltigungen, die unserer Dienststelle gemeldet werden, sich mindestens acht als Unfug herausstellen. Um fair zu sein, acht von zehn Irgendwas, die unserer Polizeidienststelle gemeldet werden, sind Unfug – warum sollte es mit Vergewaltigung anders sein?"

Aber auch ein 97%igen Anteil von falschen Anschuldigungen bei Vergewaltigungen wird gern internetöffentlich behauptet:

http://www.youtube.com/watch?v=GTMHCYJCgD4

Welche These präferiert wird, hängt anscheindend vom Bedürfnis ab, Männer als Opfer eines angeblich zweckentfremdeten Rechtswesens darzustellen. Ich entscheide mich darum für die Fälle als Belege für die Häufigkeit von Falschanschuldigungen bei Vergewaltigungen, in denen auch tatsächlich der verdacht besteht und in diese Richtung ermittelt wurde. Es soll ja nicht ausreichen, dass allein die bloße Behauptung, dass eine Falschanschuldigung vorliegt, zur Wertung des Verfahrens in diesem Sinne führt und zur Vorverurteilung einer Unschuldigen.

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Burschi schrieb:

Soweit aus der Presse (die das meiste auch bestenfalls vom Hörensagen weiß) zu entnehmen war, trifft es im Übrigen auch nicht zu, dass in Mannheim "forensische Beweise dem bezeugten Tatgeschehen widersprachen"  -  sie belegten es halt nicht.

Die DNS-Spuren am angeblichen Tat-Messer waren auf den Griff beschränkt, mit dortigen geringfügigen Anhaftungen von DNS der Zeugin und Anhaftungen der DNS des Angeklagten in einer Intensität "an der Nachweisbarkeitsgrenze". Mir wurde von informierter und fachkundiger Seite gesagt, und davon ging ich bei dem Kommentar aus, dass zwar die gegenüber dem bezeugten Tatgeschehen an sich zu geringen Täterspuren am Messergriff erklärlich wären. Hingegen sei durch das völlige Fehlen von Opferspuren an der Klinge (bei gleichzeitig noch vorhandenen Spuren am Griff und einer Untersuchung nach dem gegenwärtigen Stand der Technik) auszuschließen, dass mit diesem Messer Verletzungen in der Art der Abschürfungen im Halsbereich zugefügt wurden. Ob dieser Umstand nun so oder eher zurückhaltender wie durch den aussagenden Gutachter zu werten ist, vermag ich selbst nicht zu beurteilen.

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Eine Falschbeschuldigungsquote in irgendeiner Höhe lässt sich wissenschaftlich seriös nicht belegen. Alle diese Behauptungen - zwischen 3 % und 80 % sind wissenschaftlich nicht ernst zu nehmen, wenn man auf die jeweilige Methodik schaut. Völlig falsch und ein Verstoß gegen die Denkgesetze wäre die  Schlussfolgerung, wenn im Allgemeinen eine Falschbeschuldigungsquote von 3 (bzw. 28, 32 oder 80 %) gegeben sei, sei eine Anzeige mit 97%iger (bzw. 72, 68 oder nur 20%iger) Wahrscheinlichkeit wahr.

Für die Entscheidung in einzelnen Fällen ist eine solche statistische Globalannahme völlig  irrelevant und muss es sein. Wer als Polizist, Staatsanwalt oder Richter sich bei der Ermittlung und Entscheidung in Vergewaltigungsfällen von solchen Statistiken leiten ließe, sollte einen anderen Beruf ergreifen: Selbstverständlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich im Einzelfall um eine Falschbeschuldigung handelt, nicht abhängig von der Spekulation, wie oft es anteilsmäßig insgesamt Falschbeschuldigungen gibt, sondern allein abhängig von den Umständen eben dieses Einzelfalls. Eine Mordermittlung wird ja auch nicht mit dem Hinweis auf die statistische Seltenheit des Mordes insgesamt eingestellt. Selbstverständlich werden überall Fehler gemacht und es wird möglicherweise nicht immer richtig ermittelt. Dies kann zu Lasten des Beschuldigten ausgehen (U-Haft, Karriere-Ende, Fehlverurteilung) oder zu Lasten eines tatsächlichen Opfers, dessen Behauptung zu Unrecht in Zweifel gezogen wird. Die äußerste Bemühung muss dahin gehen, Fehler unbedingt zu vermeiden und insb. systematischen Irrtum auszuschließen. Die Selbstverständlichkeit der menschlichen Fehlbarkeit darf aber doch nicht dazu führen, das System der Beweislast im Strafrecht umzukehren, damit die Ergebnisse  der statistischen Falschbeschuldigungsquote besser entsprechen.

Zum Thema: Dass der Glaube an die statistische Häufigkeit  von Falschbeschuldigungen in den hier diskutierten Fällen  NICHT die Ermittlungen beeinflusst hat, geht aus den Fakten deutlich hervor: Die Strafverfolger sind von der Wahrheit der Beschuldigungen überzeugt  und haben (in beiden Fällen) ihre Überzeugung davon auch medienöffentlich verkündet. Es wäre einfach unrichtig, entgegen dieser Faktenlage zu behaupten, diese Fälle hätten etwas mit einer (angenommenen) Falschbeschuldigungsquote zu tun.

In beiden Fällen haben doch offenkundig nicht die Ermittler und Staatsanwälte den Vergewaltigungsverdacht  aufgegeben, sondern die Anzeigeerstatterinnen selbst haben sich mit ihrem Aussageverhalten als Beweismittel desavouiert und mangels eindeutiger objektiver Spurenlage verbleiben dann wohl letztlich Zweifel am geschilderten Tathergang , die eine Verurteilung ausschließen bzw. unwahrscheinlich machen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

was hat die Einstellung von Ermittlungsverfahren gegen Geld mit der Wahrheitsfindung zu tun, die Sie unseren Gerichten als Ganzes zusprechen.

Sie schreiben: <i>In beiden Fällen haben doch offenkundig nicht die Ermittler und Staatsanwälte den Vergewaltigungsverdacht  aufgegeben, sondern die Anzeigeerstatterinnen selbst haben sich mit ihrem Aussageverhalten als Beweismittel desavouiert und mangels eindeutiger objektiver Spurenlage verbleiben dann wohl letztlich Zweifel am geschilderten Tathergang , die eine Verurteilung ausschließen bzw. unwahrscheinlich machen.</i>

 

und bestätigen damit, dass die juristische Wahrheit an das Aussageverhalten gebunden ist. Es geht aber immer um die materielle Wahrheit.  Gibt es dazu Untersuchungen, dass das Aussageverhalten etwas über die materielle Wahrheit aussagt?

 

Sozial schwächere Menschen haben bestimmt ein schlechteres juristisches Aussageverhalten als unsere Eliten und verlieren häufiger. Nicht umsonst raten die Anwalte ihren Mandanten zu schweigen. Nicht umsonst wird darum gekämpft, ob ein Zeuge zugelassen wird oder nicht.

 

Es gibt Untersuchungen, dass unsere Eliten mehr klauen und mehr lügen als die einfachen Menschen.

 

 

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"In beiden Fällen haben doch offenkundig nicht die Ermittler und Staatsanwälte den Vergewaltigungsverdacht  aufgegeben, sondern die Anzeigeerstatterinnen selbst haben sich mit ihrem Aussageverhalten als Beweismittel desavouiert und mangels eindeutiger objektiver Spurenlage verbleiben dann wohl letztlich Zweifel am geschilderten Tathergang , die eine Verurteilung ausschließen bzw. unwahrscheinlich machen."

Wobei festzuhalten ist, dass auch nur die Anzeigenerstatterinnen in die Situation gelangen, in der sie sich desavouieren können, denn allein ihre Aussage beinhaltet in solchen Prozessen in denen "Aussage gegen Aussage(verweigerung)" steht, eine andere, nämlich strafbare Schilderung zum Tathergang im Gegensatz zur Unschuldsbeteuerung des Beschuldigten. Dass sich zumindest das Landgericht Mannheim vom Mythos der Falschbeschuldigung hat leiten lassen, sehe ich als gegeben an. Die Pressemitteilung des Landgericht Mannheim zum Freispruch des Jörg Kachelmann ist Beleg: Es wird darin ein solcher Verdacht formuliert, um dann zu verkünden, dass es dafür keine Beweise gibt. Über den Verlauf eines Verfahrens, in dem eben nicht die Möglichkeit einer falschen Anschuldigungen Teil des Verfahrens ist, sondern lediglich über die Schuld oder Unschuld des Beklagten zu urteilen ist, kann man aber bisher nur mutmaßen.

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Anonyma schrieb:
 nur die Anzeigenerstatterinnen in die Situation gelangen, in der sie sich desavouieren können, denn allein ihre Aussage beinhaltet in solchen Prozessen in denen "Aussage gegen Aussage(verweigerung)" steht, eine andere, nämlich strafbare Schilderung zum Tathergang im Gegensatz zur Unschuldsbeteuerung des Beschuldigten.
Bitte zwei, drei Dinge auseinanderhalten:

1. die von Herrn Prof. Müller angesprochenen Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung, wenn ausschließlich Zeugenaussagen zur Verfügung stehen. Es ist daher die Pflicht einer jeden Strafkammer, so viele Sachbeweise wie möglich mit einzubeziehen, um diese Aussage(n) zubestätigen oder zu widerlegen. In Mannheim ist das Gericht ja sogar so weit gegangen, Zeug(inn)en aufzurufen, die zum eigentlichen Sachverhalt absolut nichts beitragen konnten, sondern ausschließlich laienhaft über die Persönlichkeit des Angeklagten ihre Meinung kundtun sollten.

Desavouieren kann man sich nur dann, wenn man z.B. erwiesenermaßen zu tatrelevanten Fakten lügt (wie es die Nebenklägerin des Kachelmann-Prozesses tat) oder einen Tathergang behauptet, der aus naturwissenschafticher Sicht ausgeschlossen ist (es ist schlechterdings unmöglich, jemandem minutenlang ein Messer an den Hals zu pressen, ohne deutlich nachweisbare DNA-Spuren am Griff zu hinterlassen. Die wurden aber nicht gefunden, obwohl der Angeklagte das Messer laut Schilderung der Nebenklägerin weder abgewischt noch in Essig gebadet hat).

2. gibt es nicht nur schwarzweiß - weder in der Frage, ob der Sex einvernehmlich ist/war (oder ob ein Beteiligter das Ganze hinterher oder bereits währenddessen evtl. bereut) noch in der Frage, ob die Strafanzeige berechtigt oder völlig unbegründet ist (oder ob einige Aspekte für eine Vergewaltigung sprechen, es aber nicht für eine Verurteilung reicht - "beyond reasonable doubt")

3. Wenn die Schuld eines Angeklagten erwiesen werden soll und Zeugenaussagen dabei eine wesentliche Rolle spielen, ist es selbstverständlich Pflicht des Gerichts, die Aussagen soweit möglich auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, z.B. durch Abgleich mit anderen Zeugenaussagen oder Sachbeweisen. Wenn sich dabei der Verdacht ergibt, dass ein Zeuge oder Nebenkläger die Unwahrheit sagt (oder dies gar belegbar ist), ist es eine Selbstverständlichkeit, die Möglichkeit einer falschen Anschuldigung in Erwägung zu ziehen und dies in die Urteilsbegründung mit einfließen zu lassen - erst Recht dann, wenn sich ein mögliches Motiv für eine solche Falschbeschuldigung ermitteln lässt (z.B. Rache bei JK, Geldgier bei DSK). Ein solcher Verdacht muss selbstverständlich erwähnt werden - daraus wird noch lange kein "Mythos", nur weil es Ihnen persönlich nicht in den Kran passt. Wie in aller Welt kommen Sie auf den Gedanken, man könne in einer Urteilsbegründung das Prozessgeschehen, die Zeugenaussagen (evtl. auch noch die Sachbeweise?) und ihre Bewertung weglassen? "Freispruch, weil wir der Nebenklägerin nicht glauben - Punkt" - soll so die Urteilsbegründung aussehen?

Und bevor jetzt irgendwelche Mutmaßungen aufkommen: ich halte Vergewaltigung und sexuelle Nötigung für eines der abscheulichsten Verbrechen überhaupt - aber weil gerade deswegen alleine schon der Verdacht einer solchen Straftat in höchstem Maße stigmatisierend ist, darf ein Beschuldigter alle ihm zustehenden Rechte wahrnehmen, einschließlich des Schweigens und dass Staatsanwaltschaft und Gericht auch entlastende Tatsachen ermitteln.

Es ist ja nicht so, dass ein Vorwurf nie erfunden ist (und wenn, dann nicht einmal immer böswillig - Verblendete denken ja, sie täten immer das Richtige), siehe den Justizskandal ums "Spatzennest" und dass man hinterher weitermachen könnte, als sei nichts geschehen.

Anonyma schrieb:
 Nachvollziehbare Hinweise, von Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen auszugehen, kann ich bisher nicht erkennen.
Bitte nochmal das Kapitel Unschuldsvermutung nachlesen. Die Beweislastumkehr, die Sie bei Glaubwürdigkeit von Vergewaltigungsopfern so sehr anprangern, ist bei Beschuldigten ebensowenig statthaft.

Hinweise auf Einvermehmlichkeit vielleicht hier: http://www.nypost.com/p/news/local/manhattan/maid_cleaning_up_as_hooker_... ?

Anonyma schrieb:
Allerdings halte ich die Beteuerungen des Beschuldigten nicht für einen Beleg seiner Glaubwürdigkeit.
Welche alsda wären? Außer der Behauptung, der Sex sei einvernehmlich gewesen, sind mir keine weiteren Beteuerungen bekannt. Wissen Sie mehr? Abgesehen davon: nicht der Beschuldigte muss seine Glaubwürdigkeit nachweisen, sondern das Gericht seine Schuld. Wäre schön, wenn Sie das ab und zu in Erinnerung rufen könnten.

A propos Glaubwürdigkeit: wie glaubwürdig ist die Frau, wenn sie unter Eid aussagte, sie sei nach der Vergewaltigung aus der Suite DSKs geflüchtet und habe den Vorfall ihrem Supervisor geschildert, die Daten ihrer Codekarte dagegen belegen, dass sie DSKs Suite fertig säuberte, danach eine weitere Suite und dann erst zum Supervisor ging?

Abgesehen davon geht es in dem Thread um zwei konkrete Einzelfälle: Argumentationen mit irgendwelchen unbelegbaren Phantasieprozentzahlen, seien sie publiziert oder nicht, helfen überhaupt nicht weiter.

Schließlich sei noch an den Hinweis von Prof. Müller erinnert, was den m.E. häufigsten und dümmsten Statistik-Irrtum angeht: Wenn (z.B.) 90% all derer, die eines bestimmten Verbrechens angeklagt sind, verurteilt werden, bedeutet das keinesfalls, dass ein individueller Angeklagter oder Beschuldigter zu 90% schuldig ist!

Wenn Opfer schizophren werden durch Sexualtaten, sind sie nicht mehr in der Lage  gleiche Aussagen zu tätigen. Das führt dazu , dass Täter Glück haben, dass sie nicht verurteilt werden, denn die Justiz kann keine Widersprüche in den Aussagen dulden.

Die Frauennotrufstellen kennen einige solcher Fälle.

Wenn wenig oder keine Beweise da sind, bleibt nur das Aussageverhalten und Glaubfähigsgutachten.

Ist es nicht so , dass der zwingende Charkter des Strafrechtes bedingt, dass die materielle Wahrheit von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen erforscht werden soll. Das Gericht aber dafür verantwortlich dafür ist , dass die relevante Wahrheit richtig und vollständig erforscht wird.

 

 

 

 

 

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Sehr geehrter Herr Schälike,

Sie schreiben:

was hat die Einstellung von Ermittlungsverfahren gegen Geld mit der Wahrheitsfindung zu tun

Gar nichts, weshalb ich solche Deals (z.B. im Fall unseres Bundeskanzlers a.D. Helmut Kohl) auch für höchst kritikwürdig halte.

die Sie unseren Gerichten als Ganzes zusprechen

Ich spreche den Gerichten nichts zu, sondern fordere und hoffe, dass die Gerichte Wahrheitsfindung zumindest versuchen.

dass die juristische Wahrheit an das Aussageverhalten gebunden ist. Es geht aber immer um die materielle Wahrheit.  Gibt es dazu Untersuchungen, dass das Aussageverhalten etwas über die materielle Wahrheit aussagt?

Die Unsicherheit des Personenbeweise (insb. des Zeufgenbeweises) ist allg. bekannt. Leider haben die Gerichte in vielen Fällen nichts als eine, manchmal auch mehrere Zeugenaussagen und müssen damit klar kommen und versuchen, sich der materiellen Wahrheit zumindest anzunähern, indem u.a. auch das Aussageverhalten dieser Zeugen beurteilt wird. Immerhin gibt es einigermaßen seriöse Aussageforschung, die bestimmte Kriterien der Glaubhaftigkeit von Aussagen herausgefunden hat. Ich halte Ihre Lösung, die Justiz solle sich immer dann, wenn es nur Aussagen gibt, auf jegliche Entscheidung verzichten, für unvernünftig. Denn dann müsste man noch mehr  Verbrecher laufen lassen und die Schwachen in der Gesellschaft wären erst Recht der Willkür ausgesetzt. Von einer nicht perfekten Justiz auf deren Überflüssigkeit zu schließen, ist m. E. gefährlich.

Sozial schwächere Menschen haben bestimmt ein schlechteres juristisches Aussageverhalten als unsere Eliten und verlieren häufiger. Nicht umsonst raten die Anwalte ihren Mandanten zu schweigen.

In Strafsachen raten Anwälte ihren Mandanten zum Schweigen, da dies erstens ihr gutes Recht ist (niemand muss daran mitwirken, wenn ein Verfahren gegen ihn geführt wird) und zweitens häufig eine gute Verteidigungsstrategie, zumindest zu Beginn des Verfahrens. Dass die Eliten bessere Chancen haben, hat verschiedene Gründe, manche von diesen sind dieselben Gründe, weshalb sie überhaupt zur "Elite" gezählt werden. Das "bessere Aussageverhalten" gehört nicht unbedingt dazu.

Man kann nur versuchen, die Justiz in ihrer Unabhängigkeit so zu stärken, dass dieser Eliten-Vorteil nicht so zum Tragen kommt.

Es gibt Untersuchungen, dass unsere Eliten mehr klauen und mehr lügen als die einfachen Menschen.

Mag sein, mag nicht sein. Aber bei der Floskel "Es gibt Untersuchungen" werde ich normalerweise sehr skeptisch.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

Sie posten:

Es gibt Untersuchungen, dass unsere Eliten mehr klauen und mehr lügen als die einfachen Menschen.

Mag sein, mag nicht sein. Aber bei der Floskel "Es gibt Untersuchungen" werde ich normalerweise sehr skeptisch.

 

RS: Sie haben recht. Auch ich werde bei solchen Formulierungen sehr skeptisch. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich meinte, es soll Untersuchungen geben, ... .

 

Außerdem nimmt man die Wirtshaftkriminellen hinzu, dann sind es meist Menschen aus der Elite. Bei den Kriegsverbrechern erst recht. Außerdem können die Eliten mehr die Gesetzeslücken nutzen, die später als kriminell eingestuft werden. Z.B. Korruption im Ausland.

 

Ich hatte aber auch irgendwo gelesen, dass Ladendiebstähle häufiger Menschen mit Hochschulbildng begehen als Arbeiter oder einfache Angestellte.  Die gebildeten/ausgebildeten Menschen klauen auch mehr hochwertige Sachen.

Zu den anderen Punkten später.

 

 

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Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

heute lese ich:

Das Bundesverfassungsgericht will sich in der Euro-Debatte nicht instrumentalisieren lassen. Bei der heutigen Verhandlung über die Hilfen für Pleite-Staaten findet der Gerichtspräsident entsprechend deutliche Worte.

KarlsruheDas Bundesverfassungsgericht wird sich nach den Worten seines Präsidenten Andreas Voßkuhle in der Verhandlung über die umstrittenen Milliardenhilfen für hoch verschuldete Euro-Staaten nicht mit Wirtschaftsfragen befassen. Über die Zukunft Europas und die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatssschuldenkrise werde nicht verhandelt, sagte Voßkuhle zu Beginn der Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe. „Das ist Aufgabe der Politik und nicht der Rechtssprechung“.

 

RS: Es gibt bestimmt auch andere Bereiche, mit denen sich die Gerichte nicht befassen dürften. Die Fälle JK und  DSK könnten dazu gehören. Das ist für mich fast offensichtlich.

Die meisten Zensurfälle gehören ebenfalls dazu. In den Familiensachen gibt es ebenfalls sehr viel Fälle, die nicht vor Gericht gehören, weil nicht lösbar. Die materielle Wahrheit kann das Gericht nicht finden. Die Gerichter sollten ihre Ohnmacht anerkennen. Gefragt sind die Politik und die Menschen.

In diese Richtung laufen meine Überlegungen.

 

 

 

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Sehr geehter Herr Schälike,

da bin ich ganz anderer Auffassung als Sie. Wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Straftat, möglicherweise eine schwere Gewalttat begangen wurde, bin ich froh darüber, dass sich um die Sachaufklärung bei uns eine staatliche Ermittlungsbehörde und später ggf. ein Gericht nach bestehenden zuvor gesetzlich festgelegten Regelungen bemüht.      Nur dass gewährleistet   Zwar verläuft der Weg zur Wahrheit auf diese Weise in normativ festgelegten und beschränkenden Bahnen (Zeugnisverweigerungsrechte, behördliche Aktensperrung, Beweisverwertungsverbote). Deshalb lässt sich die materielle Wahrheit oft nicht finden, sondern nur eine Annäherung. Aber nur ein solcher regelgerechter Prozess gewährleistet (wenn sich die Beteiligten daran halten), dass die Rechte derjenigen die - auf welcher Seite auch immer - von der Ermittlung betroffen sind, eingehalten werden und verhindert Willkür. Mir graute davor, der "Politik und den Menschen" die Wahrheitsfindung zu überlassen! 

 

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Sehr geehrte Frau Anke Müller-Jacobsen,

Zweifel habe ich an eben am "nur das(s) gewährleistet"

 

Die Fälle JK und  DSK beweisen, dass das nicht gewährleistet ist, egal welche Urteile gefällt werden.

Ich zweifle auch daran, dass der "Weg zur Wahrheit auf diese Weise in normativ festelegten und beschränkenden Bahnen" der einzig richtige und mögliche Weg ist.

Das reale Leben verläuft eben nicht  in normativ festgelegten und beschränkenden Bahnen.

Auch Dikatauren schaffen es nicht, alles normaltiv feszulegen und zu beschränken. Klappt nicht.

 

 

 

 

 

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Sehr geehrter Herr Schälike,

welche Alternative bieten Sie an? Und wessen Rechte wurden in den angesprochenen Fällen missachtet oder verletzt? Wer soll es wie besser machen? Die Wahrheit um jeden Preis zu ermitteln (ohne Rücksicht auf die von mir angesprochenen Beschränkungen, die Ausfluss zumeist von bestimmten individuellen Rechten sind), kann meines Erachtens nicht das Ziel sein und ist es nach der geltenden StPO auch nicht.    

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Sehr geehrter Frau Anke Müller-Jacobsen,

das Recht, die Rechtsprechung muss in Gerechtigkeit enden, nicht in einem Urteil nach vorgeschriebenen Regeln. ZPO, StPO etc.

Die Gerechtigkeit is nicht nur Sache der Richter.

Das heutige System ist auf Minimierung des Aufwandes bei der Justiz ausgerichtet. Es werden lieber schnelle Urteile gefällt. Die feigewordene Zeit und die freien Mittel werden für andere, zum großen Teil sinnose Zwecke verwendet.

Die Lösung kann nicht in der Schaffung neuer Regeln bestehen. Verantwortung, Freiheit, Rosikobereitschaft, Bildung und vieles mehr sind Voraussetzung dafür, dass die Rechtsprechung sich der Gerechtigkeit nähert und nicht der Erfüllung formaler Regeln.

Zugestehen muss ich, es lebt sich einfacher nach formalen Regeln. Aber was tun mit denen, die zu mehr bereit sind?

 

 

 

 

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Sehr geehrter Herr Schälike,

Sie schreiben:

Das heutige System ist auf Minimierung des Aufwandes bei der Justiz ausgerichtet. Es werden lieber schnelle Urteile gefällt. Die feigewordene Zeit und die freien Mittel werden für andere, zum großen Teil sinnose Zwecke verwendet.

Mit dieser Kritik haben Sie mich auf Ihrer Seite.

 

Verantwortung, Freiheit, Rosikobereitschaft, Bildung und vieles mehr sind Voraussetzung dafür, dass die Rechtsprechung sich der Gerechtigkeit nähert und nicht der Erfüllung formaler Regeln.

Natürlich sind die genannten Eigenschaften äußerst wünschenswert und sie werden von Ihnen wohl auch zu Recht häufig vermisst. Aber ich glaube, Sie verknüpfen da etwas, was nicht zusammenpasst: Es sind doch nicht die formalen Regeln, die den Aufwand minimieren (s.o.), sondern im Gegenteil: Die Formalitäten sollen garantieren, dass Prozesse richtig funktionieren. Es ist gerade die Abweichung von den formalen Regeln, die gefährliche, ungerechte und auch häufig nicht der Wahrheit entsprechende Ergebnisse zur Folge hat: Nämlich z.B. der jahrzehntelang ohne gesetzliche Grundlage von unseren Staatsanwaltschaften und Gerichten betriebene "Deal" in den Hinterzimmern, der den justiziellen Aufwand zugunsten schneller Ergebnisse reduziert, aber Wahrheit und Gerechtigkeit zum Teil Hohn spricht.

 

Zugestehen muss ich, es lebt sich einfacher nach formalen Regeln. Aber was tun mit denen, die zu mehr bereit sind?

Nein, es lebt sich nicht leichter nach formalen Regeln. weshalb ja unsere Behörden (Polizei, StA, Gerichte) auch manchmal gern davon abweichen und es ein bisschen informeller handhaben - übrigens oft zugunsten derjenigen "Eliten", deren Bevorzugung Sie doch gerade beklagen. Und wer in der Justiz - neben der Einhaltung der StPO - auch noch zu "mehr bereit" ist, nämlich die Wahrheitsfindung zu fördern und  "gerechte" Entscheidungen zu treffen (dies sollte eigentlich selbstverständlich sein), der wird durch Formalitäten selten daran gehindert. Eine regellose Rächer-Justiz kann sich aber wirklich niemand wünschen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

Sie haben absolut recht, wenn es darum geht, dass in der Justiz es an der Einhaltung der formalen Regeln mangelt.

Daraus folgt aber nicht, dass die Einhaltung der formalen Regeln das Nonplusultra ist.

Meine Argumente und Erfahrungen basieren hauptsächlich auf dem Zivilrecht, speziell auf dem Äußerungsrecht (Zensurgeschehen). Dort geht es immer nur um Einzelfälle, Abwägung und die richterliche Entwicklung der Rechtsprechung, der Rechtswissenschaften. Dabei sind die regeln nur ein Gerüst. Nicht mehr und nicht weniger.  Zu diesem Gerüst kann noch viel gesagt werden.

Bei einer solchen Herangehensweise - Einzelfälle, Abwägung und die richterliche Entwicklung der Rechtsprechung, der Rechtswissenschaften - verwickeln sich die Richter mit der Zeit in Widersprüche. Sie vergessen bewusst, was gestern entschieden und gesagt wurde, und passen sich an Heute an.  Neue Entwicklungen in der Gesellschaft, Technik, neue  BGH- und BVerfG-Entscheidungen sind ausschlaggebend für die gefällten Urteile. Das hat alles wenig mit festen Regeln zu tun.

Die Urteile sind aber verbindlich und das letzte Wort was gilt, haben die Richter.

Weshalb ist dieses nur den Richtern gegeben?

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Weil das ihre von der Verfassung bestimmte Rolle ist ...? Und weil sie deshalb aus guten Grund unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet sind / sein sollen und sonst keiner Einflussnahme? In einer unperfekten Welt, die von unperfekten Lebewesen bevölkert wird, kann es ein perfektes Rechtssystem nicht geben - das beste, was zu erreichen ist, ist ein möglichst transparentes mit für alle zugänglichen Grundlagen (Gesetze) und Entscheidungen (Urteile mit Begründung statt Deals). Und dass Richter von heute in der Gesellschaft von heute, in der Werte von heute das Zusammenleben bestimmen (kleiner Blick in die Vergangenheit z.B. hier http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article926834/Haushaltsfuehrung-Der-1356-BGB-im-Wandel-der-Zeiten.html und hier http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-21048453.html), andere Entscheidungen treffen als vor 50 oder 60 Jahren, sehe ich als selbstverständlich an und als fundamental, den sonst würde ein Staat in seiner Entwicklung durch eine "ewige" (und somit irgenwann überflüssige) höchstrichterliche Rechtsprechung gelähmt.

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Horst Arnold ist zwar nicht so prominent wie JK oder DSK, aber dennoch ein aktuelles und bemerkenswertes Beispiel, wie sehr sich die Glaubwürdigkeit einer Zeugin bzw. des Opfers auf die Urteilsfindung auswirkt:

http://www.stern.de/panorama/fuenf-jahre-unschuldig-im-gefaengnis-die-letzten-jahre-waren-die-hoelle-1702863.html

http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/fuenf-jahre-unschuldig-knast-sagt-horst-arnolds-verteidiger-1310061.html

Dass die Anwältin nun ins Schwarzersche Horn des "Schlags ins Gesicht" bläst, ist verständlich - es muss schließlich davon abgelenkt werden, dass es Frauen sind, die durch Lügen denen schaden, die am ärmsten dran sind: den tatsächlich vergewaltigten Frauen, die als "Beweismittel" nichts als ihre Glaubwürdigkeit haben.

Ich halte es für verheerend, wenn jemand nur aufgrund der Aussage einer einzigen Person verurteilt wird, nur weil diese für "glaubwürdig" gehalten wird.

 

Glaubwürdigkeit ist absolut subjektiv und lässt sich durch Geschick des Aussagenden herbeiführen oder sogar durch Einfältigkeit des Richters.

 

Die Zeiten, in denen die Tränen einer schönen Frau als Beweismittel gelten müssen vorbei sein.

 

Sollten JK oder DSK etwa verurteilt werden, wenn den Beschuldigerinnen nicht diese blöden Patzer passiert wären?

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Und dass Richter von heute in der Gesellschaft von heute, in der Werte von heute das

Zu mein Name #44 "Zusammenleben bestimmen (kleiner Blick in die Vergangenheit z.B. hier , andere Entscheidungen treffen als vor 50 oder 60 Jahren, sehe ich als selbstverständlich an und als fundamental, den sonst würde ein Staat in seiner Entwicklung durch eine "ewige" (und somit irgenwann überflüssige) höchstrichterliche Rechtsprechung gelähmt."

Das ist richtig. Es geht nur darum, ob es richtig ist und es keine anderen Möglichkeiten gibt, dass die Richter vor 50 oder 60 Jahren das Recht hatten, das letze Wort zu besitzen.

Haben die Richter immer das letzte Wort, dann kann auch das die Entwicklung enorm lähmen oder gar in eine gefährliche Richtung führen.

Heute gibt es die akute Gefahr, dass mit rechtstaatlichen Mitteln der Rechtstaat zu einer Diktatur mutiert. Die Ursachen dafür sind, wie Sie richtig schreiben, die unperfekte Welt, die von unperfekten Lebewesen bevölkert wird.

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Rolf Schälike schrieb:

Heute gibt es die akute Gefahr, dass mit rechtstaatlichen Mitteln der Rechtstaat zu einer Diktatur mutiert. Die Ursachen dafür sind, wie Sie richtig schreiben, die unperfekte Welt, die von unperfekten Lebewesen bevölkert wird.

Die Gefahr sehe ich, mit Verlaub, nicht akut. Gerade die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in letzter Zeit der Exekutive und Legislative ihre Grenzen aufgezeigt (z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung und dem "Bundestrojaner"). Und wenn die Legislative immer mehr zum Hoflieferanten der Exekutive verkommt, ist es an den Verfassungsrichtern, das zu korrigieren (und sie werden das voraussichtlich im Zuge der gerade anhängigen Rettungsfonds-Klage auch tun).

Und so lange es (s. K. R. Popper) möglich ist, die Herrschenden ohne Blutvergießen loszuwerden - wie es nun sogar in Baden-Württemberg geschehen ist - halte ich das hiesige System für noch ziemlich demokratisch (auch wenn man es z.B. damit vergleicht, was in Italien aus dem Grundsatz "la legge e' uguale per tutti" geworden ist, wenn es um den Herrschenden geht).

mein name #47

Diaktaturen können sich aus Demokratien entwickeln.

Auch die Einschränkungen in der DDR entwickelten sich langsam. Die Russen hatten nicht die Absicht, ein geteiltes Deutschland zu haben. Eine Entwicklung wie in Österreich wäre möglich gewesen.

Was 1946/1949 (1946 gab es zwar noch keine DDR) erlaubt war, war 1989 nicht mehr erlaubt.  Privatbetriebe gab es so gut wie keine mehr. Die Stasi war durchorganisiert und flächendeckend. Die Presse war gleichgschaltet.

Bei uns im Kernforschngszentrum Rossendorf durften wir 1961 noch direkt mit Wissenschaftkern im Westen kommunizieren, später nicht mehr.

Bis August 1961 waren auch die Grenzen npoch geöffnet.

Es gind alles kleckchenweise, oft in recht kleinen Schritten den Berg hinab.

mein name #47

Diktaturen können sich aus Demokratien entwickeln.

Auch die Einschränkungen in der DDR entwickelten sich langsam. Die Russen hatten nicht die Absicht, ein geteiltes Deutschland zu haben. Eine Entwicklung wie in Österreich wäre möglich gewesen.

Was 1946/1949 (1946 gab es zwar noch keine DDR) erlaubt war, war 1989 nicht mehr erlaubt.  Privatbetriebe gab es so gut wie keine mehr. Die Stasi war durchorganisiert und flächendeckend. Die Presse war gleichgeschaltet.

Bei uns im Kernforschungszentrum Rossendorf (Dresden) durften wir 1961 noch direkt mit Wissenschaftlern im Westen kommunizieren, später nicht mehr.

Bis August 1961 waren auch die Grenzen noch geöffnet.

Es ging alles kleckerweise, oft in recht kleinen Schritten den Berg hinab.

 

 

 

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Man sollte Populismus und die Meinung der Mehrheit nicht mit Demokratie verwechseln (auch die NSDAP hatte die Mehrheit der Stimmen, demokratisch war Hitlers Regime trozdem nicht). 

Ein "Richter Gnadenlos" hat mir gereicht um zu zeigen, welche Persönlichkeiten dann gewählt würden und ich halte es für besser, wenn solche Psychos nicht über das Schicksal anderer zu bestimen haben. Die Fälle des 344 StGB dürften bei Richterwahl eher noch zunehmen.

Und was nutzt es Ihnen als Leidtragender, wenn Ihre Entscheidung hinterher "diskutiert" wird? Wird in den USA "besser" Recht gesprochen und werden weniger Unschuldige verurteilt? Das möchte ich mal ganz stark anzweifeln: http://de.wikipedia.org/wiki/Innocence_Project

Mir wäre es lieber, wenn der Einfluss von Parteipolitikern auf Besetzung von Posten in Polizei und Justiz und Entscheidungen über Fallzuständigkeiten stärker begrenzt werden könnte, darin sehe ich eine weit größere Gefahr (siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Winfried_Maierhttp://www.faz.net/artikel/C30840/hessen-polizeipraesident-nedela-verliert-sein-amt-30057120.html und http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=34954&key=standard_document_40244527)

Ein (bisher noch) gravierender Unterschied: während das rechtskräftige Urteil im Fall JK noch nicht erhältlich ist, ist der Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft  im Falle DSK mit Begründung (in deutscher Sprache) mittlerweile hier veröffentlicht.

Ausschnitt:

Zum Zeitpunkt der Anklageerhebung sprach für uns alles dafür, dass die Klägerin glaubhaft sei. Bei den weiteren Ermittlungen zur Beweisaufnahme nach Erhebung der Anklage ergaben sich jedoch Umstände, die ihre Zuverlässigkeit als Zeugin in diesem Fall als äußerst fragwürdig erscheinen lassen. Die Tatsache, dass eine Person in der Vergangenheit gelogen oder strafbare Handlungen begangen hat, führt nicht zwangsläufig dazu, dass wir als Anklagevertreter diese Person für unglaubwürdig halten oder sie als Zeuge in einem Verfahren nicht zulassen. Die Art und die Häufigkeit der unwahren Aussagen der Klägerin machen es uns jedoch unmöglich, ihre Version der Ereignisse über jeden berechtigten Zweifel hinaus für glaubhaft zu erachten, was auch immer zwischen ihr und dem Angeklagten tatsächlich vorgefallen sein mag. Wenn wir ihr jedoch nicht über jeden berechtigten Zweifel hinaus Glauben schenken, können wir auch von den Geschworenen nicht verlangen, dies zu tun.

Trotz fundamental anderer Ansicht will ich diesen Beitrag von Frau Schwarzer zur selben Thematik nicht unterschalgen

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