Gesetzliche Berechnung unverfallbarer Betriebsrenten diskriminiert nicht wegen des Alters

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.07.2011

Scheidet ein Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine Betriebsrente vor Erreichen des Rentenalters aus dem Unternehmen aus, berechnet sich die Höhe seiner Anwartschaft nach § 2 BetrAVG. Diese Vorschrift sieht, wenn die Anwartschaft vom Arbeitgeber finanziert wurde und eine Direktzusage erteilt wurde, eine sog. zeitratierliche Berechnung der Anwartschaft vor: Die tatsächliche Dauer der Betriebszugehörigkeit wird zu derjenigen ins Verhältnis gesetzt, die der Arbeitnehmer bis Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der Altersgrenze erwarten konnte.

Beispiel: Beginn der Betriebszugehörigkeit mit 25 Jahren, Ausscheiden mit 35. Erwartete Vollrente bei Verbleib bis zum 65. Lebensjahr: 1000 Euro. Die unverfallbare Anwartschaft beträgt: 10 Jahre tatsächliche Betriebszugehörigkeit ./. 40 Jahre mögliche Betriebszugehörigkeit (25 bis 65 Jahre) x 1000 Euro = 250 Euro.

Zeitratierliche Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG führt zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters

Diese Berechnungsweise führt dazu, dass jüngere Arbeitnehmer bei gleicher Betriebszugehörigkeit eine geringere Rente beanspruchen können als ältere.

Vergleichsbeispiel: Beginn der Betriebszugehörigkeit mit 45 Jahren, Ausscheiden mit 55: 10 Jahre tatsächliche Betriebszugehörigkeit ./. 20 Jahre mögliche Zugehörigkeit x 1000 Euro = 500 Euro.

Teilweise wurde daher behauptet, § 2 Abs. 1 BetrAVG verstoße gegen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (zB Rengier NZA 2006, 1251, 1256; ders. RdA 2006, 213, 216).

Die Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt

Dem ist das BAG jetzt zu Recht entgegengetreten, weil eine unzulässige Ungleichbehandlung jedenfalls dann ausscheide, wenn die Ungleichbehandlung durch ein rechtmäßiges Ziel von Allgemeininteresse gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Der Gesetzgeber sei danach berechtigt gewesen, darauf abzustellen, dass betriebliche Altersversorgung als Gegenleistung für die gesamte mögliche Betriebszugehörigkeit zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und der festen Altersgrenze angesehen wird. Dem entspreche die zeitratierliche Berechnung der Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden  (Urt. vom 19.07.2011 - 3 AZR 434/09).

Dem ist beizutreten: Kann der Arbeitnehmer - wie im zweiten Fall - die Betriebsrente von 1000 Euro nämlich schon für "nur" 20 Dienstjahre erhalten, ist ein Jahr erbrachte Betriebszugehörigkeit eben doppelt so viel "wert", als wenn er für dieselbe Rente - wie im ersten Fall - 40 Jahre arbeiten müsste (Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 2 Rn. 22b).

Dies gilt auch in der Insolvenz des Arbeitgebers

Diese Rechtsprechung wendet das BAG ausdrücklich auch auf den Fall an, dass die Betriebsrente wegen der Insolvenz des Arbeitgebers nicht von diesem, sondern vom Pensions-Sicherungs-Verein aG (§ 7 Abs. 2 BetrAVG) zu erbringen ist.

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