Klare Kante vom BGH: Mal wieder ein Beweisantrag zur Verschleppung des Verfahrens...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.07.2011

Auch der BGH hat die Verschleppungsabsicht bei Benennung eines "Auslandszeugen" gesehen:

"Die auf die Annahme der Prozessverschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestützte Zurückweisung des Antrags ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht zu beanstanden. Hierzu gilt:
Ein Beweisantrag kann dann wegen Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn die begehrte Beweiserhebung nach der Überzeugung des Gerichts objektiv nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers zu erbringen vermag, dieser sich dessen bewusst ist und mit seinem Antrag daher keine legitimen, auf die Aufklärung des wahren Sachverhalts gerichtete Anliegen, sondern eine Verzögerung des Verfahrens und gegebenenfalls weitere rechtsmissbräuchliche Zwecke verfolgt (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 270); nach bisheriger Rechtsprechung muss die Erhebung des Beweises außerdem geeignet sein, das Verfahren wesentlich zu verzögern. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf die Ladung eines Zeugen im Ausland zurückgewiesen werden, wenn das Gericht aufgrund hinreichender Anhaltspunkte die sichere Überzeugung erlangt, dass durch die beantragte Einvernahme eine weiterführende und bessere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Daher umfasst die Annahme der Prozessverschleppung im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO (BGH, Beschluss vom 22. März 1994 - 5 StR 8/94, StV 1994, 635), ohne dass es insoweit entscheidungserheblich darauf ankommt, ob der Antragsteller subjektiv das Verfahren ausschließlich bewusst verzögern wollte und die begehrte Beweiserhebung zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung führen konnte.
Die Strafkammer hat hier unter Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses rechtsfehlerfrei dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung nach ihrer Überzeugung unter keinem Gesichtspunkt tatsächlich etwas Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen konnte. Sie hat damit ohne Rechtsfehler eine objektive Voraussetzung der Verschleppungsabsicht und zugleich dargelegt, dass die begehrte Beweiserhebung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO unterbleiben durfte.
Es kann deshalb insbesondere dahin stehen, ob im Rahmen der Verschleppungsabsicht an dem Erfordernis der wesentlichen Verfahrensverzögerung festzuhalten ist (vgl. schon BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2007 - 1 StR 32/07, BGHSt 51, 333, 338 f.; vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9, 10) und ob das Landgericht dieses gegebenenfalls mit ausreichender Begründung bejaht hat."

BGH, Beschl. vom 8.6.2011 - 3 StR 49/11 -

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Gilt das eigentlich auch für das Gericht? Mir kürzlich als Verteidigerin passiert: nachdem in einem jahrelangen Verfahren schließlich alle relevanten Zeugen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten, schlug der Richter vor, den Angeklagten nicht freizusprechen, sondern das Verfahren nach § 153a StPO gegen eine Geldauflage einzustellen. Auf die Frage, wo er bei der Beweislage noch Raum für eine Einstellung statt für einen Freispruch sehe, antwortete der Vorsitzende, er wolle noch einen zwischenzeitlich pensionierten Polizeibeamten laden, der nunmehr in Malaysia lebe. In den ganzen Jahren war der Polizeibeamte kein Thema. Erst kurz vor dem sich abzeichnenden Freispruch fiel der Zeuge dem Gericht als Druckmittel für eine Zustimmung zur Einstellung nach § 153a StPO ein.  Der Mandant war (leider) einverstanden...

0

Kommentar hinzufügen