AG Heidelberg: Keine Halterhaftung bei Parkgebühren

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.08.2011

Ein durchaus interessanter Zivilrechtsfall:

Die Klägerin betreibt einen für jedermann zugänglichen Parkplatz. Nach ihren dort aufgehängten allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt mit dem Abstellen eines Pkw auf dem Parkplatz ein Nutzungsvertrag über einen Abstellplatz zustande. Das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HD-..., dessen Halterin die Beklagte ist, befand sich am 26.09.2010 um 21.35 Uhr ohne gültigen Parkschein auf diesem Parkplatz. Die Klägerin begehrt nun von der Beklagten Nutzungsentgelt gemäß ihren allgemeinen Einstellbedingungen. Dies beträgt bei Parken ohne Parkschein 6,00 Euro, was dem zu zahlenden Höchstentgelt entspricht. Des Weiteren begehrt die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 25,00 Euro sowie Ersatz der von ihr verauslagten Gebühr für Halterauskünfte in Höhe von 5,10 Euro, insgesamt 36,10 Euro.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten erhöhten Parkentgelts in Höhe von 36,10 Euro gegen die Beklagte.
Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Zahlung des erhöhten Parkentgelts einschließlich der Nebenkosten gegen die Beklagte ist nicht anzunehmen, da ein diesbezüglich erforderlicher Miet- oder Verwahrvertrag nur mit dem jeweiligen Fahrer des abgestellten Fahrzeugs oder einem sonstigen Nutzer zustande kommt, nicht aber automatisch mit dem Halter des Fahrzeugs. Die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung des Fahrzeughalter durch ein entsprechendes schlüssiges oder sozialtypisches Verhalten ist im Streitfall bereits deshalb abzulehnen, weil ein diesbezügliches Verhalten des Beklagten streitig und nicht nachweisbar ist. Eine allgemeine zivilrechtliche Halterhaftung für Parkplatzgebühren ist dem deutschen Recht fremd.
Die Klägerin war sodann im Ergebnis nicht in der Lage, den Beweis zu führen, dass ein diesbezüglicher Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen ist. Eine Beweislastumkehr oder die Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast finden zugunsten der Klägerin keine Anwendung. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie an dem vorliegenden Tag das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gefahren ist. Zu weiteren Auskünften war die Beklagte nicht verpflichtet. Eine Regel dahingehend - wie die Klägerin meint -, dass der Halter eines privat auf ihn zugelassenen Fahrzeugs gewöhnlich auch der Fahrer des Fahrzeugs ist, existiert nicht. Es ist daher nicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Beklagte als Halterin ihres Privatfahrzeugs am 26.09.2010 mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch die Fahrerin des Fahrzeugs war und damit Vertragspartnerin der Klägerin. Dies ist vielmehr umfassend von der Klägerin darzulegen und zu beweisen.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch keinen vertraglichen sekundären Schadensersatzanspruch, da die Beklagte ihr gegenüber materiellrechtlich zu keiner weiteren Auskunft über die Nutzung des Fahrzeugs an dem streitigen Tag verpflichtet war. Entsprechendes gilt für eine Verpflichtung zur Offenbarung der Person des entsprechendes Fahrers, Es gibt im Ergebnis keine allgemeine Rechtspflicht für den Halter, gegenüber einem Dritten Auskunft über den Namen eines Fahrers zu geben. Die Tatsache, dass jemand Informationen besitzt, die für einen anderen bedeutsam sind, begründen grundsätzlich keine Auskunftspflicht.
Auch eine Haftung aus § 823 Absatz 1 BGB scheidet aus, da die Norm ein Handeln der Beklagten persönlich voraussetzt. Weder ein eigenes Handeln noch ein Verschulden kann der Beklagten nachgewiesen werden. Die Beklagte hat auch nicht gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen, indem sie als Halterin das Fahrzeug möglicherweise einem Dritten als Fahrer übergeben hat.
Ein Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB i.V.m. § 25a StVG scheidet ebenfalls aus, das § 25a StVG den Ersatz von Verwaltungskosten vorsieht, wenn der Fahrer unbekannt bleibt. Diese aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht stammende Vorschrift ist für zivilrechtliche Ansprüche nicht anwendbar.
Die Klägerin kann die Beklagte daher weder in ihrer Eigenschaft als Nutzer oder Fahrer des Fahrzeuges noch als Fahrzeughalter in Anspruch nehmen. Insbesondere eine Halterhaftung für Privatparkgebühren scheidet nach derzeitiger Rechtslage aus.

AG Heidelberg, Urteil v. 16. Juni 2011 - 26 C 64/11

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2 Kommentare

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Nun, das mit der sekundären Darlegungslast dürfte jedenfalls nicht in Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung stehen.

Leitsatz zu BGH, NJW 2010, 2061:

"Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen."

 

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@ RA Dosch

Na ja, der von Ihnen zitierte Rechtsprechungsnachweis passt aber m.E. nicht so ganz. Der BGH nahm im von Ihnen zitierten Fall nämlich eine sekundäre Darlegungslast an. Es ist im Rahmen der sekundären Darlegungslast nur nicht erforderlich, eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Das Unterlassen der Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift hingegen kann nur in der Beweiswürdigung als Beweisvereitelung berücksichtigt werden.

Ich gratuliere Ihnen zum Sieg in vorgenannten Fall, muss Ihnen aber auch zugleich mitteilen, dass ich es wohl anders entschieden hätte.

 

 

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