Anwaltliche Fehler im Familienrecht - und wie man sie vermeidet (IV)

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 03.08.2011
Rechtsgebiete: VergleichGewaltschutzgesetzFamilienrecht6|6021 Aufrufe

 

Gemäß § 4 GewaltSchG macht sich strafbar, wer einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder 3 GewaltSchG, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, zuwiderhandelt.

Es muss sich aber eben um eine Anordnung handeln - und ein Vergleich ist keine Anordnung.

Wer sich also als Opfer in einer Gewaltschutzsache vergleicht (etwa das Näherungsverbot  im Hinblick auf das Umgangsrecht des Kindes vergleichsweise lockert) begibt sich der Möglichkeit, dass der Täter bei einem Verstoss strafrechtlich verfolgt wird. Die Ordnungsmittel des FamGerichts bleiben natürlich unberührt.

Demgemäß heisst es in § 36 FamFG

(1) Die Beteiligten können einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Das Gericht soll außer in Gewaltschutzsachen auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinwirken.

Finde ich auch nicht gelungen (vgl.: Hahne/Munzig/Burschel: Beck'scher Online-Kommentar FamFG § 36 RN 13), ist aber so.

Verstösse des Richters gegen das Hinwirkungsverbot dürften folgenlos sein.

 
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6 Kommentare

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Leider ist das Hinwirken auf Einvernehmen in großer Mode. Es ist nichts dagegen einzuwenden in passenden Konstellationen.

Aber ich finde den Rückzug des Staates bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Gewaltprivilegs schlicht unpassend. So wird die Autorität des Staates Stück für Stück untergraben.

 

Gerichte sollen Streitfragen entscheiden und keine systemischen Lösungsansätze bieten-Punkt

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Philipp C. Munzinger schrieb:

Leider ist das Hinwirken auf Einvernehmen in großer Mode.


Vor allem ist das Hinwirken - von der vorstehenden Ausnahme abgesehen - gesetzlich vorgeschrieben

Richtig.

 

Zumal das "Hinwirken" oftmals nichts Anderes als Erpressung ist.

Meist in ungesunder Konjunktion von Richter und Anwälten, da der Richter dann weniger Arbeit hat und die Anwälte mehr verdienen.

 

Dass Vergleiche, gerade im Familienrecht aber ganz gefährliche Nachteile haben, zumindest für die Kunden, wird von den oben genannten aber gerne  geflissentlich verschwiegen.

 

Der Ausschluss der Öffentlichkeit macht eben alles möglich.

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@ Hans-Otto Burschel (#3)

Das stimmt schon und ist in vernünftigem Rahmen ja auch okay. Wenn das "Hinwirken" aber in der Weise stattfindet, dass das Gericht völlig abwegige rechtliche Standpunkte an den Haaren herbeizieht, obwohl der Klägeranwalt schon rein vorsorglich hierzu in der ausführlichen und mit Rechtsprechungsnachweisen versehenen Klageschrift ausgeführt hat, nur um dem Kläger das Gefühl zu suggerieren, dass seine einzige Chance im Vergleich liegt, dann hat ist das rechtsstaatlich äußerst bedenklich. Äußerst peinlich wird es dann, wenn die Klage zuerst immer unzulässiger und unbegründeter wird und sodann - bei völliger Standhaftigkeit des Klägers - ganz überraschend auch die Prozessrisiken für den Beklagten immer höher werden und er vielleicht erwägen solle, ob nicht auch ein Vergleich über dem vom Gericht ursprünglich vorgeschlagenen Betrag in Betracht kommen könne.

Leider habe ich es in meiner sehr beschränkten Praxiserfahrung schon zu häufig erleben müssen, dass gerade ältere Richter(innen) bei dieser Masche keinerlei Hemmungen aufweisen. Eigentlich freue ich mich inzwischen, wenn ich unter der ersten verfahrensleitenden Verfügung lediglich die Dienstbezeichnung "Richter" finde. Dann gibt sich wenigstens noch jemand Mühe und es besteht die Chance, die Meinungsbildung des Gerichts mit dem Nachweisen zur absolut herrschenden Meinung beeinflußen zu können.

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@Burschel

 

Na ja, gesetzlich vorgeschrieben...? Es ist doch nur eine "Soll"-Vorschrift, deren Verletzung, wie sie selbst schreiben, folgenlos bleibt. Die Rechtsprechung degradiert ja sogar - ohne jede Begründung und gegen den Gesetzeswortlaut - eindeutige "Muß"-Vorschriften zu "Soll-Vorschriften (z.B. die Vorlagefrist nach § 306 Abs. 2 Hs. 2 StPO).   Ich finde es bedenklich, wenn Parteien aus Bequemlichkeit zu Vergleichsinhalten "genötigt" werden, die nicht der Sach- und Rechtslage entsprechen.

 

Meiner Erfahrung nach fühlen sich (Ex-) Paare an Vergleiche auch weniger gebunden als an eindeutige gerichtliche Entscheidungen. Da der Vergleich ja nur auf einem in einer Verhandlung geäußerten, oftmals von Anwälten und Gericht aufgedrängten, lediglich kurzzeitig "übereinstimmenden" Willen der Parteien beruht, meinen viele Streithähne, bei nicht mehr vorhandener Übereinstimmung (5 Minuten nach der Verhandlung) wieder machen zu können, was sie wollen, mit der Folge, daß man sich wenige Wochen später wieder vor Gericht trifft; nicht zuletzt deshalb, weil solche halbgaren Vergleiche oftmals gar keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen.

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Hans schrieb:

Meiner Erfahrung nach fühlen sich (Ex-) Paare an Vergleiche auch weniger gebunden als an eindeutige gerichtliche Entscheidungen. Da der Vergleich ja nur auf einem in einer Verhandlung geäußerten, oftmals von Anwälten und Gericht aufgedrängten, lediglich kurzzeitig "übereinstimmenden" Willen der Parteien beruht, meinen viele Streithähne, bei nicht mehr vorhandener Übereinstimmung (5 Minuten nach der Verhandlung) wieder machen zu können, was sie wollen, mit der Folge, daß man sich wenige Wochen später wieder vor Gericht trifft; nicht zuletzt deshalb, weil solche halbgaren Vergleiche oftmals gar keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen.

 

Genau so ist es.

 

Meine Frau wurde von der Richterin auch zu einem Vergleich "überredet", der ihr sichtlich nicht schmeckte.

 

Ich habe dann später ihren RA gehört, wie er ihr sagte, dass sie ruhig zustimmen solle, da  ein Vergleich in Umgangsfragen sowieso nicht durchsetzbar sei.

Genau so war es dann auch.

 

Dass ich nie wieder wegen Umgang zu Gericht gegangen bin, wird von der Richterin sicher als toller Erfolg angesehen.

In Wirklichkeit war es die Erkenntnis über völlige Sinnlosigkeit.

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