Berliner Verteilung der Darlegunglast oder: wie erspare ich mir die Beweisaufnahme?

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 03.08.2011

Eine interessante Entscheidung hat das KG (v. 7.2.2011 - 8 U 147/10, NZM 2011, 487) getroffen: der Mieter legt im Prozess das Angebot eines anderen Versicherers vor, um darzulegen, dass die vom Vermieter angesetzten Kosten der Versicherung überteuert sind. Der Vermieter trägt dazu vor, er habe seinerzeit bei Abschluss des Versicherungsvertrages einen unabhängigen Versicherungsmakler beauftragt, und bestritten, dass es seinerzeit eine günstigere Versicherung gegeben habe.  

 

Das KG hebt hervor, dass gegenüber dem substanziierten Vortrag des Mieters der Vermieter im Hinblick auf seine sekundäre Darlegungslast substanziiert erwidern müsse. Dazu könne er sich nicht mit dem Hinweis auf den Versicherungsmakler begnügen und einfach bestreiten, dass es seinerzeit ein günstigeres Angebot gegeben habe. Denn der Versicherungsmakler stehe unter dem generellen Verdacht, dass er nicht das günstigste Angebot vermittelt, sondern ein solches, an dem er das Meiste verdient.

Die Entscheidung zeigt, dass es nicht unmöglich ist, die Anforderungen, die der BGH an die Substanziierungungslast des Mieters stellt, zu erfüllen. Sie zeigt aber auch, welche Vorbehalte gegen Vermieter und deren Hilfspersonen bestehen. Wohl gemerkt: es ging allein um die Frage, ob Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben war über die Angemessenheit der berechneten Versicherungskosten.

Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass der herangezogene Makler in Berlin als unseriös bekannt ist. Woraus ergibt sich also die Einschätzung des Gerichts? Eigene (einmalige?) Erfahrung? Ist der Beruf des Versicherungsmaklers verrufen?

Ich habe meine Berufshaftpflicht über einen Versicherungsmakler abgeschlossen und mit Hilfe eines Anderen meine privaten Versicherungen gefunden. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten, dass meine Interessen bei der Vermittlung im Vordergrund standen.

Was ist das für ein Bazillus? Oder liegt hier eine Verwechslung vor mit dem Beruf des Versicherungsvertreters, der mit eine Drückerkolonne durch 's Land zieht?

Stehen Vermieteranwälte auch unter Genaralverdacht? Tragen sie per se falsch vor oder sind ihre Rechtsauffassungen per se von eigener Gewinnoptimierung infiziert? Könnte man hier noch Futterneid vermuten - welcher Wettbewerb besteht zu Versicherungsmaklern? 

Ich glaube nicht, dass hier ein Berliner Phänomen besteht. In Köln erspart man sich beim Amtsgericht mittlerweile Sachverständigengutachten, indem sich das Gericht über wikipedia eigene Sachkunde über die Gefährlichkeit chemischer Verbindungen verschafft oder zitiert schon einmal Schmidt-Futterer, um feststellen zu können, dass der Vermieter verpflichtet ist, seine Immobilie den Anforderungen der DIN anzupassen, wenn über eine Wohnung aus den 50-er Jahren in diesem Jahrtausend der Mietvertrtag abgeschlossen wurde. Beim AG Recklinghausen herrscht die Amtsermittlung im Hinblick auf formelle Mängel der Betriebskostenabrechnung und beim LG Darmstadt werden die Vermieterrechte unter Ausblendung von Rechtsentwicklungen aufgrund von zitierten eigenen Entscheidungen aus den 80-er Jahren begründet. In München ... 

Ok: das waren z.T. Entscheidungen in Verfahren, in denen der Streitwert unter 600 € lag. Hier goilt das vereinfachte Verfahren mit der gleichen Qualität. Ist der Vermieter doch selber Schuld, wenn er in dieser Höhe die Gerichte belästigt und seine Interessen verfolgt. Das ist beim KG anders. Das geht's um mehr. Im konkreten Fall um 12.000 €!

Aber ist die Qualität besser?

 

 

 

 

 

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4 Kommentare

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Ich glaube nicht, daß die Rechtsprechung in ihrer Gesamtheit dazu neigt, zu mieterfreundlich und vermieterfeindlich zu sein.

 

Die oftmals recht unkalkulierbare Frage der Darlegungs-, Substantiierungs- und Beweislast stellt sich in allen zivilgerichtlichen Verfahren. Daß sich auch Richter diesbezüglich nicht einig sind, zeigen widersprüchliche Ansichten im Instanzenzug, in verschiedenen Abteilungen desselben Gerichts und in verschiedenen Gerichtsbezirken.  Man muß als Anwalt vorsichtshalber davon ausgehen, daß die eigene Partei hinsichtlich aller vorzutragenden oder zu bestreitenden Tatsachen vom jeweiligen Gericht als vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet angesehen wird und substantiiert vorzutragen hat; mag das auch abwegig erscheinen und bei dem zuständigen Richter, der das Problem "richtig" beurteilt, die Frage aufkommen lassen, weshalb der Anwalt seitenlang "überflüssig" vorträgt.  Mit überraschenden abweichenden Ansichten eines Gerichts muß man immer rechnen.  Bevor ich mir in Anwesenheit des Mandanten sagen lasse, ich hätte etwas nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt, erdulde ich lieber die kopfschüttelnde Rüge des Vorsitzenden, ich hätte unter Verkennung der Darlegungs- und Beweislast in ausufernder Weise überflüssig vorgetragen.

 

Es gilt daher, stets so vorzutragen, zu bestreiten und unter Beweis zu stellen, als sei man mit Sicherheit selbst darlegungs- und beweispflichtig.  Nicht umsonst erfreut sich die scheinbar überflüssige und hohle Floskel "unter Protest gegen die Beweislast" noch immer großer Beliebtheit.

 

 

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Nicht alle Richter sind einseitig mieterfreundlich. Ich hatte mal mit einem Amtsrichter zu tun, der behauptete Schimmelflecken resultierten allein aus dem fehlerhaften Lüftverhalten der Mieter.

Aber ich stimme Ihnen zu, die oben genannte Entscheidung strotzt vor Verallgemeinerungen und Fehlannahmen.

 

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