Differenziert der neue § 160a StPO in verfassungswidriger Weise zwischen Strafverteidigern und Steuerberatern?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 10.08.2011

Nach dem verfassungsrechtlichen Gutachten der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) differenziert die Neufassung des § 160a StPO in unverhältnismäßiger Weise zwischen Strafverteidigern und Steuerberatern. Zwar sind Strafverteidiger vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 160a Abs.1 Satz 1 StPO geschützt, nicht aber – obwohl ebenfalls Berufsgeheimnisträger – Steuerberater; diese sind lediglich über § 160 a Abs. 2 S Satz 1 StPO nur im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Schutzmechanismus einbezogen. Damit sei ein verfassungsrechtlich nicht zulässiges Zweiklassen-System von Organen der (Steuer-)Rechtspflege geschaffen worden. Strafverteidiger wie Steuerberaterseien Organe der Rechtspflege. Diese Ungleichbehandlung sei willkürlich und rechtswidrig ist.

 

Neben der Verletzung des Bestimmtheitsgebots stellt die Neufassung des § 160a StPO aus Sicht der BStBK einen verfassungswidrigen Eingriff in die Garantie der Menschenwürde und in den allgemeinen Gleichheitssatz dar. Ohne die zwingend gebotene Einbeziehung des steuerberatenden Berufs in die jetzt für Anwälte geltende Regelung bestehe eine Ungleichbehandlung.

 

Organe der Rechtspflege müssten gleichermaßen vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen geschützt werden. Der Steuerberater könne jedoch der aktuellen gesetzlichen Regelung nicht entnehmen, in welchen Fällen er von Ermittlungsmaßnahmen betroffen wäre. Das schade vor allem dem Schutz der Mandanten. Sie verließen sich auch beim Übergang vom Beratungs- zum Verteidigungsmandat auf die absolute Vertraulichkeit des Gesprächs zwischen Steuerberater und Mandant.

 

Zum rechtlichen Hintergrund

§ 160a StPO wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.12.2007 in die Strafprozessordnung eingefügt. Die Vorschrift regelt die Zulässigkeit von Ermittlungsmaßnahmen gegen zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger. Für Geistliche, Verteidiger des Beschuldigten und Abgeordnete gilt nach Abs. 1 ein absolutes Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot hinsichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen. Für andere zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger und damit auch für Rechtsanwälte, die nicht im Rahmen eines Verteidigermandats tätig werden, greift gemäß § 160a Abs. 2 StPO ein relatives Erhebungs- und Verwertungsverbot nach Maßgabe einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall ein. Nach § 160a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO ist eine Ermittlungsmaßnahme in der Regel unverhältnismäßig, wenn das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung betrifft. Außerdem ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Umstand zu berücksichtigen, dass bei den Ermittlungsmaßnahmen mit Ermittlungsergebnissen zu rechnen ist, die dem Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO unterliegen.  

 

Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache steht noch aus

Mit einem Beschluss des BVerfG vom Oktober 2008 hat dieses einen Eilantrag auf eine einstweilige Aussetzung des § 160a StPO nach Abwägung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung mit den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Berufsgeheimnisträger abgelehnt hat (BeckRS 2008, 40741). Die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache steht noch aus.

 

 

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