Daddy cool?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 19.08.2011

 

Gemäß § 1632 II BGB entscheiden die Sorgeberechtigten mit wem das minderjährige Kind Umgang haben darf – oder eben auch nicht.

 

Einen der relativ seltenen Fälle, in denen eine solche Angelegenheit Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung geworden ist, hatte jetzt das AG Flensburg zu entscheiden.

 

Mitte des Jahres 2010 nahm der Antragsgegner einen Vorfall, bei dem das vierzehnjährige Mädchen, von anderen Kindern auf der Straße geärgert worden war, zum Anlass, mit dem Kind Kontakt aufzunehmen. In der Folgezeit entwickelte sich, auch vermittelt über die damals zwölfjährige Tochter des Antragsgegners, die nicht im Haushalt des Antragsgegners lebt, ihn indes regelmäßig besucht, ein Kontakt in der Weise, dass das Kind sich regelmäßig in der Wohnung des Antragsgegners aufhielt. Der Antragsgegner ließ das Kind an Mahlzeiten teilnehmen, bereitete ihr Pausenbrote zu, kaufte u. a. Kleidungsstücke, Schmuck, Schulbedarf, Arzneimittel, ein Weihnachtsgeschenk und, "für ein gutes Zeugnis" einen Zwerghamster — in der Wohnung des Antragsgegners gehalten — für sie. Dies führte dazu, dass das Kind sich schließlich nahezu täglich beim Antragsgegner aufhielt. Dieser behandelt das Kind "wie ein eigenes", will sich als "Ersatzvater" sehen und akzeptiert, dass das Kind ihn mittlerweile "Daddy" nennt. Schon im Dezember 2010 hatte sich die alleinerziehende Kindesmutter — die damit nicht einverstanden war und ist — hilfesuchend an das Jugendamt gewandt. Die Kindesmutter hatte vergeblich versucht, auf das Kind einzuwirken, welches sowohl vor als auch nach der Schule unmittelbar die Wohnung des Antragsgegners aufgesucht hatte. Das Kind setzt dies Verhalten seither fort; es ist insoweit nicht zu beeinflussen. Die Kindesmutter untersagte dem Antragsgegner den Kontakt zu dem Kind. Dieser ließ und lässt es gleichwohl in seine Wohnung ein. Anfang 2011 forderte das Jugendamt den Antragsgegner mehrfach auf, den Kontakt zu dem Kind zu unterlassen. Da das Kind sich den Weisungen der Kindesmutter nachhaltig widersetzte und weiterhin nahezu täglich ihre gesamte Freizeit in der Wohnung des Antragsgegners verbrachte, vertiefte sich der Konflikt zwischen Mutter und Tochter derart, dass die Kindesmutter sich im Mai 2011 mit der Bitte an das Jugendamt wandte, das Kind in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen, was Mitte Mai 2011 auch geschah. Bei einem Ausflug der Einrichtung nach Flensburg entfernte sich das Kind unerlaubt und suchte zunächst kurz die Kindesmutter, sodann den Antragsgegner auf. Dieser erklärte ihr — wie schon zuvor bei anderer Gelegenheit — u. a.: "Ich lasse dich nicht im Stich"; er stehe ihr "zur Seite, wenn sie Probleme habe". Das Kind konnte schließlich dazu veranlasst werden, die Wohnung des Antragsgegners zu verlassen.

 

Das AG Flensburg untersagte dem Antragsgegner jeglichen Kontakt zu dem Mädchen.

Dem Antragsgegner wurde unter Androhung von Ordnungsgeld insbesondere untersagt,

 

a) dem Kind Zutritt zu der Wohnung des Antragsgegners in der H Straße …, … Flensburg zu gewähren

 

b) in irgendeiner Form Verbindung zu dem Kind, etwa durch Ansprache, Telefonat, Fax, E-mail, Brief, Zettel oder SMS, auch vermittelt durch dritte Personen, aufzunehmen

 

c) sonst ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen und sich den Kind auf weniger als 50 Meter zu nähern bzw. bei einem zufälligen Zusammentreffen diesen Abstand nicht sofort wieder herzustellen.

 

Zur Begründung wird ausgeführt:

 

Es stellt keinen Missbrauch dar, wenn der Umgang des Kindes mit dem Antragsgegner unterbunden wird, weil dieser den elterlichen Erziehungsvorrang nicht genügend respektiert und weil das Kind aus Streitigkeiten zwischen der Kindesmutter und dem Antragsgegner herausgehalten werden soll, insbesondere wenn diese — wie hier — zu einer erheblichen Spannung und Feindschaft geführt haben. Zudem würde ein Kontakt zwischen dem Antragsgegner und dem Kind dessen Wohl gefährden. Dies folgt daraus, dass der Antragsgegner nach seinen eigenen Angaben sich planvoll und zielgerichtet in familienersetzender Weise als "Ersatzvater" zu etablieren sucht und dem Kind gegenüber auch so auftritt. Dies muss die Kindesmutter nicht hinnehmen. Ein solches Verhalten geht weit über das Maß eines angemessenen — etwa nachbarschaftlichen — Sozialkontakts hinaus. Es stellt die Mutter als Erziehungsperson in Frage und stellt damit einen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre sowohl der Mutter als auch des Kindes dar. Der Wille des Kindes ist insoweit zwar beachtlich, jedoch nicht allein maßgebend. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass das Verhalten des Kindes ausschließlich davon geprägt ist, um jeden Preis Kontakt zu dem Antragsgegner zu suchen; dies trägt Züge einer — mittlerweile verfestigten — Abhängigkeit. Hierin tritt hervor, dass das Kind nicht in der Lage ist, die Situation zu überblicken und sich in dieser zu behaupten. Eine solche Selbstbehauptung kann man von einem 14jährigen Kind auch nicht verlangen.

AG Flensburg v. 12.07.2011 - 90 F 194/11

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1 Kommentar

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Art. 2 (1) GG gilt meiner Meinung auch für Kinder (glaube ich zumindest mal).

"Eine solche Selbstbehauptung kann man von einem 14jährigen Kind auch nicht verlangen." Wohl wahr, man kann sie ihm aber auch nicht per se abstreiten.

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